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06.05.2005 · IWW-Abrufnummer 050701

Finanzgericht München: Urteil vom 16.11.2004 – 6 K 229/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Az.: 6 K 229/02

Finanzgericht München

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache XXX

wegen Einkommensteuer 1994 ? 1997

hat der 6. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung XXX ohne mündliche Verhandlung am 16. November 2004 für Recht erkannt:

1. Die geänderten Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1997 vom 14.8.2000 sowie die Einspruchsentscheidungen vom 13.12.2001 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Leistung einer Sicherheit in Höhe der den Klägern zu erstattenden Aufwendungen, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung XXX

Gründe:

I.

Die seit dem Jahre 1995 verheirateten Kläger (Kl) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kl war in den Jahren 1994 bis 1997 (Streitjahre) bei der Fa. K.GmbH nichtselbständig beschäftigt. Diese stellte dem Kl einen Firmenwagen zur Verfügung, den er für dienstliche Fahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen durfte. Eine private Nutzung war genehmigungspflichtig (vgl. ?Kfz-Verträge?, gültig ab 1.4.1994 bzw. 1.7.1995). Die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Kl mit dem Dienst-Pkw durchführen durfte, wurden vom Arbeitgeber - unter Zugrundelegung eines Satzes von 0,80 DM je km - mit monatlich 154,56 DM (ab 1.4.1994), 456,32 DM (ab 1.7.1995) sowie 501,95 DM (ab. 1.4.1996) abgerechnet. Der gleiche Kilometersatz wurde nach klägerischem Vortrag bei einzelnen Privatfahrten angewandt. Für das Fahrzeug hatte der Kl ein sog. Pflichtenheft zu führen, in dem allerdings die einzelnen Fahrten nicht aufzuzeichnen waren.

Wegen der steuerlichen Behandlung der Pkw-Überlassung hatte der Arbeitgeber des Kl im Jahre 1994 bei dem für ihn zuständigen Finanzamt L angefragt und zu diesem Zweck ein Muster des ?Kfz-Vertrages? vorgelegt; dort wurde die Auskunft erteilt, dass ein geldwerter Vorteil für eine Privatnutzung nicht zu versteuern sei. Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung beanstandete die Prüferin, dass das Verbot, den Pkw für Privatfahrten zu nutzen, nicht überwacht worden sei. Sie war der Ansicht, es sei ein Nutzungswert für eine Pkw-Überlassung zu versteuern. Für das Jahr 1994 ermittelte sie einen Betrag von 504 DM (ein Nutzungsmonat), für das Jahr 1995 von 5.887 DM, für das Jahr 1996 von 8.183 DM und für das Jahr 1997 von 8.108 DM. Das beklagte Finanzamt T (das Finanzamt ?FA-) wertete die Prüfungsfeststellungen aus und erließ unter dem Datum des 14.8.2000 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1997, in denen die genannten Beträge als zusätzliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit enthalten sind. Gegen die Bescheide wandten sich der Kl (1994) bzw. die Kl (1995 bis 1997) mit Einsprüchen, die ohne Erfolg blieben (Einspruchsentscheidungen vom 13.12.2001).

Zur Begründung der anschließend erhobenen Klage wird im Wesentlichen vorgetragen: Das FA L habe eine verbindliche Auskunft des Inhalts erteilt, dass der Kfz-Vertrag zu keiner Besteuerung eines geldwerten Vorteils aus der Pkw-Nutzung führe. Das beklagte FA habe darüber hinaus in unzulässiger Weise die Beweislast für eine nicht erlaubte Privatnutzung zu Lasten des Kl verändert. Der Kl habe monatliche Kfz-Berichte anfertigen müssen. Es sei unerfindlich, weshalb das FA zu dem Ergebnis komme, dass der Arbeitgeber das Verbot der Privatnutzung nicht überwacht habe.

Der Kl beantragt,
den angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1994 vom 14.8.2000 sowie die Einspruchsentscheidung vom 13.12.2001 aufzuheben.

Die Kl beantragen,
die angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1995 bis 1997 vom 14.8.2000
sowie die Einspruchsentscheidung vom 13.12.2001 aufzuheben.

Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das FA führt aus, die Auskunft des Finanzamt L habe für das Veranlagungsverfahren der Kl keine Bindungswirkung. Zur Frage der Überwachung einer Privatnutzung habe das Niedersächsische FG entschieden, dass der Arbeitgeber die Überwachung und Einhaltung des Nutzungsverbotes mit wirkungsvollen Mitteln durchsetzen müsse. Hieran fehle es im Streitfall.

Durch Beschluss vom 8.10.2003 hat der Senat die Streitsachen 6 K 229/02 und 6 K 230/02 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Am 16.3.2004 hat in der Streitsache ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf die Niederschrift wird verwiesen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 FGO).

II.

Die Klage ist begründet. Das FA hat zu Unrecht einen Vorteil aus der Nutzungsüberlassung der Firmen-Pkw bei den Einkünften des Kl aus nichtselbständiger Arbeit erfasst.

1. Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) gehört gem. § 8 Abs. 1 EStG der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen Überlassung eines Dienstfahrzeuges des Arbeitgebers zur privaten Nutzung oder zur Nutzung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Arbeitnehmer. Der Wert dieses Nutzungsvorteils ist ab 1996 bei Privatfahrten gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mit 1 v.H. des Listenpreises je Monat anzusetzen, bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 0,03 v.H. des Listenpreises je Monat und je Entfernungskilometer (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG). Diese Bewertung ist nicht einschlägig, wenn der Steuerpflichtige ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch führt (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG). Schon vor 1996 hatte aufgrund einer Verwaltungsanweisung die Möglichkeit bestanden, den Wert der Privatnutzung eines Kfz in Höhe von 1 v.H. der Anschaffungskosten je Nutzungsmonat zu schätzen (s. A 31 Abs. 7 Nr. 4 LStR 1993; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.5.1992 VI R 146/88, BFHE 168, 194, BStBl II 1992, 700).

2. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Fälle, in denen ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein Entgelt für die Nutzungsüberlassung zahlt und kein Fahrtenbuch führt, fehlt. Nach dem ?reinen? Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG wäre eigentlich auch bei einer (teil-)entgeltlichen Überlassung eines Kfz der volle Nutzungswert zu berücksichtigen. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist bei einem derartigen Sachverhalt das vom Arbeitnehmer gezahlte Entgelt von dem Betrag abzuziehen, der als pauschaler Nutzungswert bei den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen ist (R 31 Abs. 7 Nr. 4 LStR 1996). Auf diese Weise ist das FA im Streitfall verfahren. Die Ansicht der Finanzverwaltung führt dazu, dass auch dann, wenn ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber für einzelne Privatfahrten oder für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein angemessenes Entgelt zahlt, eine etwaige Differenz zwischen dem pauschalen Nutzungswert und den vom Arbeitnehmer geleisteten Zahlungen als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu versteuern ist. Unklar ist bei Zugrundelegung der Ansicht der Finanzverwaltung die steuerrechtliche Einordnung der Zahlungen des Arbeitnehmers für Privatfahrten und die Rechtfertigung dafür, weshalb der pauschale Nutzungswert zu mindern sein soll. Ein Abzug als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) scheidet aus, weil es sich bei dem für Privatfahrten gezahlten Entgelt gerade nicht um Aufwendungen handelt, die durch eine Einkunftsart veranlasst sind (s. a. FG München v. 8.11.2000 1 K 1066/98, EFG 2001, 268); für die Annahme sog. negativer Einnahmen fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Letztlich dürfte es sich um eine Billigkeitsmaßnahme (§ 163 AO) handeln, mit der eine Übermaßbesteuerung vermieden werden soll.

3. Der Senat ist der Ansicht, dass bei einer Kfz-Überlassung, bei der sich das vom Arbeitnehmer zu entrichtende Entgelt innerhalb der Bandbreite dessen hält, was als angemessene Gegenleistung angesehen werden kann, kein pauschaler Nutzungswert nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG (ab 1996) bzw. nach A 31 Abs. 7 Nr. 4 LStR 1993 (vor 1996) anzusetzen ist. In einem solchen Fall ist der Anwendungsbereich des § 8 EStG nicht eröffnet, weil nicht davon gesprochen werden kann, dass ein Arbeitnehmer zusätzlich zu seinem laufenden, in Geld zu zahlenden Arbeitslohn einen geldwerten Vorteil erhält. Die Kfz-Überlassung ist hier nicht Gegenleistung für Dienste des Arbeitnehmers, sondern für das von diesem zu zahlende Entgelt. Im Streitfall hatte der Kl nach seinem glaubhaften Vortrag für einzelne vom Arbeitgeber genehmigte Privatfahrten sowie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Betrag je km zu zahlen, der sich an den Sätzen orientierte, die vom ADAC für die einzelnen Fahrzeugtypen als durchschnittliche Aufwendungen je km ermittelt werden. Nach Ansicht des Senats ist dies ein Entgelt, das sich innerhalb der Bandbreite der Beträge bewegt, die als angemessen anzusehen sind.

4. Anhaltspunkte dafür, dass der Kl ungenehmigte Privatfahrten durchführte, für die er kein Nutzungsentgelt zahlte, sind nicht ersichtlich. Wegen des vom Kl zu führenden Pflichtenheftes wären Privatfahrten von größerem Umfang auch kaum zu verbergen gewesen.

5. Die Klage führt zur Aufhebung der aufgrund der Lohnsteuer-Außenprüfung ergangenen Änderungsbescheide sowie der Einspruchsentscheidungen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und Abs. 3, § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung.

7. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

RechtsgebietEStGVorschriften§ 8 Abs. 2 EStG

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