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11.03.2005 · IWW-Abrufnummer 050665

Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 27.01.2005 – 3 Ss 107/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
3. Strafsenat

3 Ss 107/04

Im Namen des Volkes

U r t e i l


Strafsache gegen

aus
wegen Nötigung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe - 3. Strafsenat - hat in der Sitzung vom 27. Januar 2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
als Vorsitzender
Richterin am Landgericht
Richter am Oberlandesgericht
als beisitzende Richter
Staatsanwältin
als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft
Rechtsanwalt
als Verteidiger
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

für R e c h t erkannt:

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts U. vom 18. März 2003 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.


G r ü n d e :

I.

Das Amtsgericht U. sprach den Angeklagten am 10.11.2003 der Nötigung schuldig, verwarnte ihn deswegen und behielt sich die Verhängung einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15 ? vor. Auf die Berufung des Angeklagten sprach ihn das Landgericht U. am 18.03.2004 frei. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, der im Ergebnis der Erfolg versagt bleiben musste.

II.

Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, er habe am 15.04.2003 in U. durch Blockieren einer Straße das Passieren eines Militärkonvois verhindert.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils sollte am 15.04.2003 gegen 13 Uhr 30 ein aus 37 Fahrzeugen bestehender US-Militärtransport von den Z-Baracks in U. zum Hafen U. geleitet werden. Um ein ungehindertes Ausfahren des Konvois aus der Kaserne auf den ?L-buckel?, eine zweispurige Strasse, zu gewährleisten, sperrte die Polizei die gesamte Strasse für den Verkehr, wobei der Konvoi allerdings lediglich den linken Fahrstreifen befuhr. Um gegen den Irak-Krieg zu protestieren - die Militärfahrzeuge sollten in diesem Konflikt eingesetzt werden -, setzte sich eine mit dem Angeklagten bis zu diesem Zeitpunkt nicht in Zusammenhang stehende unbekannt gebliebene Person auf den linken Fahrstreifen des ?L-Buckel?, was zur Folge hatte, dass der Konvoi und diesem voran ein Begleitfahrzeug der Polizei in einem Abstand von 3 bis 5 Metern vor dieser Person anhielten. Der Angeklagte gesellte sich sodann zu dieser Person und setzte sich neben sie auf den linken Fahrstreifen des ?L-Buckel?. Mehrfachen Aufforderungen durch die Polizei, die Fahrbahn zu räumen, kam der Angeklagte nicht nach. Nach ca. 10 Minuten sprang er auf und lief weg. Während der Zeit der Blockade der linken Fahrspur durch den Angeklagten und seinen Gesinnungsgenossen war die rechte Fahrspur für den allgemeinen Verkehr gesperrt und hätte problemlos durch den Militärkonvoi befahren werden können.

III.

Die Strafkammer hat das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB verneint, da durch das Verhalten des Angeklagten niemand zu einer rechtlich erheblichen Handlung, Duldung oder Unterlassung gezwungen wurde (vgl. zur Begriffsbestimmung des ?Nötigens?: BGHSt 45, 253, 258 f).

Der Senat teilt diese Auffassung: Der Konvoi wurde durch das Verhalten des Angeklagten schon deswegen nicht zum Anhalten gezwungen, weil er nach den Feststellungen schon stand, als der Angeklagte sich zu der bereits auf der linken Fahrspur sitzenden Person gesellte. Zum Stehenbleiben - also dem Unterlassen der Weiterfahrt überhaupt - waren die Fahrer des Konvois nicht gezwungen, da sie - dem vorausfahrenden Polizeifahrzeug folgend - auf den rechten Fahrstreifen hätten ausweichen können. Das erzwungene Unterlassen der Weiterfahrt auf dem linken Fahrstreifen kann keinen Nötigungserfolg darstellen, weil davon auszugehen ist, dass die Fahrer der Militärfahrzeuge auf kürzestem Weg und sicher von der Kaserne zum Hafen gelangen wollten, wobei es für sie - und ihren Willen, der deswegen insoweit auch nicht als entgegenstehend gebeugt werden konnte - unerheblich war, ob sie den rechten oder den linken Fahrstreifen einer Straße benutzten. Hätte ein Spurwechsel stattgefunden, schiede eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen eines erzwungenen Spurwechsels schon wegen der nach dem Geringfügigkeitsprinzip erforderlichen tatbestandlichen Reduktion von § 240 StGB (vergleichbar BGHSt 41, 231, 240 f zum bewusst verkehrswidrigen Gehen auf der Fahrbahn) aus.
Wenn dem Angeklagten gelang, die störungsfreie Weiterfahrt des Konvois zu verhindern, weil seitens der Polizei die Weiterleitung des Konvois - möglicherweise um der Feststellung der Personalien des Angeklagten willen - unterlassen wurde, so ist die verzögerte Weiterfahrt des Konvois sicher durch den Angeklagten (mit-) verursacht und von ihm (mit) zu verantworten - diese Folge seines Tun hat er aber gleichwohl nicht (gewaltsam) erzwungen.

Soweit die Staatsanwaltschaft vorträgt, der Konvoi hätte nicht - im Verband - auf die rechte Fahrspur ausweichen können, setzt sie sich in revisionsrechtlich unzulässiger Weise in Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen. Die Feststellung, dass ein Ausweichen des Konvois auf die rechte Spur möglich gewesen wäre, wird von der rechtsfehlerfrei vorgenommenen Beweiswürdigung getragen. Das dem Konvoi vorausfahrende Polizeifahrzeug kam nach den Feststellungen 3 bis 5 Meter vor der mittig auf der linken Fahrspur sitzenden Person, zu der der Angeklagte sich alsbald gesellte, zum Stehen und die rechte Fahrspur war frei. Es bedarf keiner weitergehenden Erörterung, dass dem polizeilichen Begleitfahrzeug unter diesen Umständen genügend Raum für einen Spurwechsel geblieben wäre. Weshalb die nachfolgenden Fahrzeuge - eines nach dem anderen - dann aufgrund der räumlichen Gegebenheiten an einem Spurwechsel hätten gehindert sein sollen - der Militärkonvoi bestand nicht aus Panzern, sondern aus Geländefahrzeugen mit Anhängern und kleinen bis mittleren Lastwagen -, erhellt sich nicht. Eine solche Möglichkeit zu erörtern, drängte sich nicht auf, so dass die von der Strafkammer vorgenommene Beweiswürdigung in dieser Hinsicht nicht lückenhaft ist. Denkbar wäre, dass innerhalb des Konvois einzelne Fahrzeuge so ?eingeklemmt? waren, dass sie alleine mangels ausreichenden Platzes zum Rangieren die Fahrbahn nicht hätten wechseln können. Hierzu sind keine Feststellungen getroffen, was aber unschädlich ist, wenn es - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass einzelne Fahrer überhaupt willens gewesen wären, sich aus dem Fahrzeugverband zu lösen und einen isolierten Spurwechsel vorzunehmen.

Der von der Beschwerdeführerin gegebene Hinweis auf die vom Bundesgerichtshof (BGHSt 41, 182 ff) entwickelten Grundsätze zur ?Gewalt? - im Sinne von § 240 StGB - durch Bereiten physischer Hindernisse führt bei dieser Ausgangsituation zu keiner anderen Beurteilung.

Da das Urteil des Landgerichts U. vom 18.03.2004 auch im übrigen keine sachlich-rechtlichen Fehler aufweist, war die Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und 2 StPO.

RechtsgebietStGBVorschriften§ 240 StGB

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