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15.12.2004 · IWW-Abrufnummer 043210

Finanzgericht München: Beschluss vom 22.04.2003 – 4 V 5195/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Az.: 4 V 5195/02

Finanzgericht München

BESCHLUSS

In der Streitsache XXX

wegen Aussetzung der Vollziehung in Sachen Erbschaftsteuer hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Finanzgerichts des Richters am Finanzgericht und des Richters am Finanzgericht ohne mündliche Verhandlung am 22. April 2003 beschlossen:

1. Der Beschluss vom 29. November 2001 (4 K 3232/01) wird wie folgt geändert:

Die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids vom 19.07.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.11.2002 wird ab Fälligkeit für die Dauer der Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage beim Finanzgericht München in Höhe von 3.488.167 ? ausgesetzt.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung XXX

Gründe:

Streitig ist im Hauptsacheverfahren 4 K 5196/02, ob bei der Ermittlung des vom Antragsteller von seiner Ehefrau geerbten Gesellschaftsanteils an einer zweigliedrigen nur Grundstücke besitzenden Gesellschaft (in Gestalt einer BGB-Gesellschaft) die Grundstückswerte gesondert vom Lagefinanzamt festgestellt werden müssen sowie, ob die Bedarfsbewertung zweier Grundstücke wegen der insoweit vorliegenden Betriebsaufspaltung anhand der tatsächlichen Miete nach § 146 Abs. 2 BewG oder nach der üblichen Miete nach § 146 Abs. 3 BewG bzw., falls eine solche nicht ermittelbar, nach § 147 BewG zu erfolgen hat.

I.

Der Antragsteller war zusammen mit seiner am 18.02.1996 verstorbenen Ehefrau (nachfolgend ?Erblasserin? genannt) Gesellschafter der A und I GbR, die eine Reihe von Grundstücken inne hat. Zwei der bebauten Grundstücke (das Möbelhaus U-Straße und das Zentrallager W-Straße in S.) hat diese Gesellschaft im Rahmen einer unstreitigen Betriebsaufspaltung an die dem Kläger alleine gehörende Möbel GmbH & Co KG (Betriebsgesellschaft) zu ? in regelmäßigen Zeitabständen angehobenen ? Mietzinsen vermietet.

Durch notariellem Vertrag vom 18.07.1967 (Urk.-R.-Nr. XY) hat die Erblasserin dem Antragsteller Generalvollmacht für alle Rechtshandlungen und die Besorgungen aller ihrer persönlichen Angelegenheiten erteilt.

Der Antragsgegner (Finanzamt) hat mit Erbschaftsteuerbescheid zunächst vom 26.04.2001, später abgeändert durch Bescheid vom 19.07.2001 die beiden streitbefangenen Geschäftsgrundstücke nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 146 Abs. 2 BewG mit dem 12,5fachen des Durchschnittswerts der vereinbarten Mieten der letzten 3 Jahre vor dem Todestag der Erblasserin bewertet und deshalb die Erbschaftsteuer des Antragstellers ? unter Einbeziehung der von seiner Ehefrau sonst noch geerbten Vermögenswerte ? auf insgesamt DM 8.179.299 festgesetzt. Das Finanzamt hat hierbei nach den zahlenmäßigen Vorgaben der Bewertungsstelle des Finanzamtes (Lagefinanzamt) die streitbefangenen, bebauten Grundstücke U-Straße (Möbelhaus) mit DM 103.389.000 und W-Straße (Zentrallager) mit DM 22.252.000 angesetzt. Eine förmliche, gesonderte Feststellung dieser Grundstückswerte durch das Lagefinanzamt wurde ? im Gegensatz zu den übrigen Grundstücken der GbR ? nicht durchgeführt.

Im Einspruchsverfahren brachte der Antragsteller u. a. vor, dass sich die entgeltliche Nutzungsüberlassung beider Grundstücke durch das Besitzunternehmen an seine Betriebsgesellschaft im Sinne von § 146 Abs. 3 BewG vergleichbar wie unter ?Angehörigen? abgespielt habe. Dies habe zur Folge, dass zwingend die ?übliche Miete? und nicht die tatsächlich vereinbarten Entgelte zum Ansatz kommen müsse. Wegen der Spezialnutzung beider Geschäftsgrundstücke in der Betriebsgesellschaft als Möbelhaus und als Zentrallager seien darüber hinaus für beide bebauten Grundstücke in der Region ? ohne unzumutbare größere bauliche Veränderungen ? keine anderweitige Vermietungen möglich, so dass sich dort keine üblichen Mieten ermitteln ließen mit der Folge, dass beide Grundstücke nach § 147 BewG nur mit ihren um 30 Prozent reduzierten Bodenrichtwerten und die Aufbauten mit deren Buchwerten anzusetzen seien. Dies löse eine Erbschaftsteuer in Höhe von nur ? 693.842 aus; dies führe zu einer Steuerminderung von ? 3.488.167.

Der Einspruch blieb erfolglos (s. Einspruchsentscheidung vom 08.11.2002). Das Finanzamt erklärte entsprechend dem Erlass vom 06.12.2001 (BStBl I, 2001, 965) die Festsetzung in vollem Umfang für vorläufig.

Mit Schriftsatz vom 27.07.2001 hatte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der Erbschaftsteuerfestsetzung in voller Höhe beantragt. Mit Beschluss vom 29.11.2001 (4 V 3232/01) hat der Senat diesen Antrag abgelehnt. Der Senat ging hierbei (fälschlich) davon aus, dass auch für die beiden streitbefangenen von der Betriebsaufspaltung betroffenen Grundstücke eine gesonderte Wertfeststellung nach § 138 ff BewG erfolgt sei.

Mit seinem neuerlichen Antrag vom 29.11.2002 beantragt der Antragsteller,

die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids vom 19.07.2001 ab Fälligkeit teilweise in Höhe von 3.488.167 ? wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Hauptsacheklage (4 K 5196/02) auszusetzen,
hilfsweise die Beschwerde zuzulassen.

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.

Der Antragsgegner (Finanzamt) beantragt,

den Antrag abzulehnen.

II.

Die beantragte Aussetzung der Vollziehung ist zu gewähren, weil bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand der präsenten Beweismittel neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe vorliegen, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in rechtlicher oder Unklarheit in tatsächlicher Hinsicht bewirken (§ 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

1. Ein Antrag nach § 69 Abs. 6 S. 2 FGO wäre zwar unzulässig, weil nach dem Zweck der Regelung bisher nicht berücksichtigte rechtliche Gesichtspunkte nicht die Aufhebung des Beschlusses rechtfertigen (so BFH-Beschluss vom 25.10.1994 ? VIII BewG 101/94, BFH/NV 1995, 611, 613, s. a. Tipke/Kruse FGO § 69 Rz. 166) § 69 Abs. 6 S. 2 FGO dient nicht der nochmaligen Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung.

Der Senat sieht jedoch in diesem Antrag die begründete Anregung an das Gericht, von Amts wegen den im ursprünglichen Verfahren ergangenen Beschluss gemäß § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO von Amts wegen zu ändern. Der Senat folgt insoweit der Auffassung von Beermann (steuerliches Verfahrensrecht § 69 FGO Rz. 331; s. a. Tipke/Kruse a.a.O. § 69 Rz. 162), wonach es dem Gericht unbenommen bleibt, in Ausnahmefällen seinen AdV-Beschluss auch dann aufzuheben oder zu ändern, wenn die besonderen Erfordernisse des § 69 Abs. 6 S. 2 fehlen (s. Hübschmann/Hepp/Spitaler § 69 Rz. 1217). Dies widerspricht nicht dem BFH-Beschluss vom 25.10.1994 (a.a.O.), weil dieser unter Verweisung auf den BFH-Beschluss vom 07.07.1992 V S. 3/90 (BFH/NV 1995, 327) zu der insoweit anders lautenden Vorschrift des Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG ergangen war. In der Streitsache ist eine Änderung des Aussetzungsbeschlusses geboten, weil der Senat zu Unrecht von einer Überprüfung der materiellen Rechtsfrage abgesehen hatte, weil er die Bedarfswerte der streitigen Grundstücke für gesondert festgestellt hielt, was jedoch nicht der Fall war.

2. Nachdem eine gesonderte Feststellung der Bedarfswerte hier nicht vorliegt, hält der Senat insoweit schon den Erbschaftsteuerbescheid für rechtswidrig, weil entgegen § 138 Abs. 5 BewG im Gegensatz zu den sonstigen Grundstücken der GbR keine gesonderte Feststellung erfolgte und kein Fall der Schätzung nach § 155 Abs. 2 AO i.V.m. § 162 Abs. 3 AO vorliegt (s. BFH-Urteile vom 08.10.1986 I R 155/84 BFH/NV 87, 564 und vom 29.04.1987 I R 167/83, BFH/NV 87, 629 und Urteil des FG Köln vom 10.05.1995 6 K 3892/90, EFG 1999, 880). Bei einer nur Grundbesitz haltenden Personengesellschaft, die lediglich wegen der Vermietung an eine Betriebsgesellschaft gewerblich tätig ist (sog. mitunternehmerische Betriebsaufspaltung s. Schmidt/EStG 21. Aufl. § 15 Rz. 858) ist kein verfahrensökonomischer Grund ersichtlich, warum hier das Erbschaftsteuerfinanzamt selbst die Werte für einen Teil der Grundstücke der GbR feststellen solle, zumal das Lagefinanzamt im Wege der Amtshilfe ohnehin mitwirken müsste. Im Gegensatz zum Erwerb von Anteilen sonstiger gewerblich tätiger oder gewerblich geprägter Personengesellschaften, wo in die Ermittlung des Anteils weitere Wertfaktoren eingehen (s. ErbStR 124 Abs. 6), ist hier ? wie bei den übrigen Grundstücken ? nur ein Tätigwerden des Lagefinanzamts nötig. So sind z.B. nach H 124 Abs. 6 n.F. (BStBl Sondernummer 1/2003, 176) selbst die Werke für Betriebsgrundstücke, die zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters dieser Gesellschaften gehören, gesondert festzustellen. Ferner sind nach R 124 Abs. 5 ErbStR Nr. 1 auch bei Erwerb eines Anteils an einer vermögensveranlassten Grundstücksgesellschaft Feststellungsbescheide über alle Grundstücke, die zum Vermögen der Grundstücksgesellschaft gehören, von den jeweils zuständigen Lagefinanzämter zu erteilen. Eine Differenzierung des Bewertungsverfahrens bei den einzelnen Grundstücken einer GbR erscheint unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt.

3. Zum anderen hat der Senat angesichts der vom FG Baden-Württemberg geäußerten Rechtsauffassung (s. Urteile vom 06.03.2002 13 KraftStG 60/00, DStRE 2002, 1076 und vom 16.12.2002 13 KraftStG 250/99, EFG 2003, 436) ernstliche Zweifel, ob nicht aufgrund der im Gegensatz zum ErbStG auch im Bewertungsrecht geltenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise (s. Rössler/Troll BewG § 2 Anm. 11 sowie Flumi in seiner Urteilsanmerkung in EFG 03, 437) wie im Ertragsteuerrecht (z.B. BFH-Urteil vom 16.06.1994 IV R 48/93, BStBl II 1996, 82, 84 I. Sp. Nr. 2 b) die Nutzung durch das Betriebsunternehmen als eigene Nutzung des Besitzunternehmens anzusehen ist. Das bedeutet, dass im vorliegenden Fall mangels Feststellbarkeit einer üblichen Miete das Verfahren nach § 147 BewG einschlägig wäre. Die abschließende Klärung dieser Fragen müssen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Damit war antragsgemäß die Vollziehung der Erbschaftsteuer in der (unstreitigen) Höhe auszusetzen, die auf die Differenz der Wertermittlung nach § 146 Abs. 2 und § 147 BewG entfällt.

Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 135 Abs. 1 FGO.

Im Hinblick auf die grundsätzlichen Fragen, ob bei Besitzgesellschaften eine gesonderte Wertfeststellung nach § 138 ff BewG zu erfolgen hat und ob diese Wertermittlung nach § 146 oder § 147 BewG zu erfolgen hat, war die Beschwerde zuzulassen.

RechtsgebieteBewG, FGOVorschriften§ 146 Abs. 2 S. 3 BewG, § 146 Abs. 3 BewG, § 147 BewG, § 138 Abs. 5 BewG, § 69 Abs. 2 FGO, § 69 Abs. 3 FGO

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