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12.03.2003 · IWW-Abrufnummer 030559

Landgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 20.03.2003 – 2/1 S 124/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Frankfurt am Main

Verkündet am 20. März 2002

Geschäftsnummer: 2/1 S 124/01

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main

durch Richter XXX

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20.3.2002 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.3.2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main (Az.: 29 C 8/01-46) wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.400,68 Euro nebst
4 % Zinsen aus Euro 376,31 seit 01.12.1998,
4 % Zinsen aus Euro 149,04 seit 08.04.1999,
4 % Zinsen aus Euro 40,90 seit 23.09.1999,
4 % Zinsen aus Euro 440,73 seit 09.01.2000,
4 % Zinsen aus Euro 217,30 seit 11.09.2000,
sowie Zinsen aus 217,30 seit 01.09.2000
aus 176,40 seit 07.08.2001
jeweils in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wir gemäß § 543 a. F. ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin macht Erstattungsansprüche aus ihrer privaten Krankenversicherung (Krankheitskostenversicherung für ambulante Heilbehandlung und für Kurbehandlung, Tarif CA 3) für physiotherapeutische Leistungen geltend, soweit die Kosten nicht von der Beklagten erstattet worden sind. Im einzelnen handelt es sich dabei um folgende Leistungen:

1.
Rechnung Stegerer
Datum 18.5.1998
Rechnungsbetrag 3.541,00 DM
Erstattung 805,00 DM
streitiger Rest 736,00 DM

2.
Rechnung Heine
Datum 25.2.1999
Rechnungsbetrag 1.200,00 DM
Erstattung 908,50 DM
streitiger Rest 291,50 DM

3.
Rechnung Strick
Datum 29.4.1999
Rechnungsbetrag 460,00 DM
Erstattung 380,00 DM
streitiger Rest 80,00 DM

4.
Rechnung Fischer
Datum 13.8.1999
Rechnungsbetrag 1.075,00 DM
Erstattung 650,00 DM
streitiger Rest 625,00 DM

5.
Rechnung Fischer
Datum 3.9.1999
Rechnungsbetrag 1.075,00 DM
Erstattung 650,00 DM
streitiger Rest 425,00 DM

6.
Rechnung Knaub
Datum 25.11.1999
Rechnungsbetrag 252,00 DM
Erstattung 240,00 DM
streitiger Rest 12,00 DM

7.
Rechnung Fischer
Datum 30.5.2000
Rechnungsbetrag 1.075,00 DM
Erstattung 650,00 DM
streitiger Rest 425,00 DM

8.
Rechnung Fischer
Datum 15.12.2000
Rechnungsbetrag 1.075,00 DM
Erstattung 780,00 DM
streitiger Rest 345,00 DM

Summe 2.739,50 DM

Die Beklagte hat die Erstattung des streitigen Teils der Kosten vorgerichtlich unter Hinweis darauf verweigert, dass mangels einer vereinbarten Taxe für die Leistungen der Heilbehandler der Versicherungsvertrag zwischen Klägerin und Beklagter so auszulegen sei, dass die Beklagte nur verpflichtet sei, die übliche Vergütung zu erstatten. Als üblich hätten dabei nach der Rechtsprechung die beihilfefähigen Höchstsätze zu gelten. Darüber hinausgehende Behandlungskoten fielen unter die Übermaßregelung des § 5 Nr. 2 MB/KK und seien deshalb nicht erstattungsfähig. Nach diesen Grundsätzen lege die Beklagte für physiotherapeutische Behandlungen folgende Höchstbeträge pro Stunde zugrunde:

Krankengymnastische Behandlungen 40,00 DM

Krankengymnastische Behandlungen
auf neurophysiologischer Grundlage 46,00 DM
Massage 29,00 DM
Fango (wiederverwendbar) 25,00 DM
Fango (einmal verwendbar) 41,00 DM

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne ihre Leistungen nicht auf die beihilfefähigen Höchstsätze begrenzen, vielmehr sei im Rahmen der Beurteilung der Üblichkeit der in Rechnung gestellten Behandlerhonorare als Vergleichsgruppe nur auf die Gesamtheit der privat Krankenversicherten abzustellen. Üblich sei dabei, dass die Physiotherapeuten den Privatpatienten Honorare in Rechnung stellten, die sich an der zwischen den Landesverbänden des Deutschen Verbandes für Physiotherapie ? Zentralverband der Krankengymnasten/Physiotherapeuten (ZVK) und den Landesvertretungen des Verbandes der Angestelltenkrankenkasse e. V. vereinbarten Preisliste orientierten, wobei eine Steigerung um den Faktor 1,8 (für praktische Leistungen bis zu 2,3) zuzugestehen sei. Die so bemessenen Honorare seien üblich, zumindest aber angemessen. Im übrigen sei die Beklagte an ihrer bisherigen Handhabung festzuhalten, die früher von der Klägerin eingereichten Rechnungen für physiotherapeutische Leistungen ungekürzt anerkannt zu haben.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, als erstattungsfähige übliche Vergütung könnten nur die beihilfefähigen Höchstsätze herangezogen werden, wobei sie darüber hinaus einen Zuschlag von 15 % toleriere.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsbeträge unter die Übermaßregelung des § 5 Nr. 2 MB/KK fallen und deshalb nicht erstattungsfähig seien. Auch der Aspekt des Vertrauensschutzes rechtfertige nicht, der Klägerin ihre Ansprüche zuzuerkennen, da die Beklagte mit Schreiben vom 6.4.1998 auf die zukünftige Änderung ihrer Handhabung hingewiesen habe.

Mit ihrer Berufung tritt die Klägerin der Rechtsansicht des Amtsgerichts entgegen. Ausgangspunkt der Überlegungen müsse die Tatsache sein, dass die Beklagte ? bis auf den Selbstbehalt von jährlich 450,00 DM ohne Einschränkung ? die volle Erstattung von Heilmitteln und damit auch von physiotherapeutischen Leistungen schulde. Eine Einschränkung der Leistungspflicht auf das ?übliche Maß? ergebe sich aus dem Vertrag nicht. Für den Versicherungsnehmer sei allenfalls die Erstattung völlig maßlos überhöhter Rechnungen gemäß § 138 Abs. 2 BGB oder § 319 Abs. 1 BGB auszuschließen. Auch bei der Auslegung des § 5 Abs. 2 MB/KK könne nicht auf eine ?Üblichkeit? im anderen Tarifsystem abgestellt werden. Entscheidend sei vielmehr die Angemessenheit der zwischen der Klägerin und ihren Behandlern vereinbarten Vergütungen, die der Höhe nach angemessen seien.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist begründet.

Die Beklagte ist gemäß §§ 1 VVG, 1 ff MB/KK verpflichtet, der Klägerin die vorgerichtlich gezahlten Beträge hinaus weitere 1.400,68 Euro als Differenz zwischen den tatsächlich in Rechnung gestellten Kosten für die krankengymnastische Behandlung und den erstatteten Beträgen aufgrund der genannten Leistungsabrechnungen zu zahlen. Die geltend gemachten Beträge für die einzelnen Therapien sind für den Raum Frankfurt am Main als angemessen und ortsübliche Vergütung der physiotherapeutischen Leistungen anzusehen.

Für die Angemessenheit und Ortsüblichkeit der von den Behandlern in Rechnung gestellten Beträge für physiotherapeutische Leistungen spricht bereits eine tatsächliche Vermutung, weil sie Behandlungskosten in dieser Höhe gelten machen. In dieser Situation ist die Beklagte für ihre Behauptung, die abgerechneten Beträge seien überhöht, darlegungs- und beweispflichtig. Diesen Pflichten ist die Beklagte jedoch nicht nachgekommen, obwohl sie als privater Krankenversicherer in der Lage ist, zu den im Raum Frankfurt von Physiotherapeuten für Leistungen dieser Art geforderte Kosten im Detail vorzutragen. Diese faktische Möglichkeit legt der Beklagten eine gesteigerte Darlegungslast auf, sie kann sich nicht auf die bloße Behauptung zurückziehen, die abgerechneten Beträge seien überhöht. Aufgrund dieser Überzeugung der Kammer (so auch in den Urteilen vom 6.2.2002, Az.: 2/1 S 179/01 und vom 20.2.2002, Az.: 2/1 S 164/01) war von der zunächst angeordneten Beweiserhebung (Beweisbeschluss vom 19.12.2001) abzusehen, worauf die Parteien mit Beschluss vom 18.2.2002 hingewiesen wurden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für die Ermittlung der angemessenen ortsüblichen Preise für physiotherapeutische Leistungen allein auf die Gruppe der Privatversicherten abzustellen. Der Bereich der Abrechnungspraxis in der gesetzlichen Krankenversicherung hat außer Betracht zu bleiben, weil es zum einen dort keine Vergütungsvereinbarungen zwischen Behandler und Patient gibt und zum anderen die Abrechnung der Leistung unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte unter Beteiligung des Gesetzgebers festgelegt wird. Auch der Hinweis der Beklagten, es sei unbillig, für identische physiotherapeutische Leistungen je nach Versichertenstatus unterschiedliche Sätze in Rechnung zu stellen, rechtfertigt nicht die Einbeziehung der gesetzlich Versicherten in die Bezugsgruppe. Vorliegend ist keine Entscheidung darüber zu treffen, welche Vergütung die Physiotherapeuten den Patienten in Rechnung stellen dürfen, sondern welchen Betrag der Versicherte von seinem privaten Krankenversicherer erstattet verlangen kann. Eine Absenkung der Erstattungsgrenzen würde aber die privat Krankenversicherten mit einem höheren Eigenanteil belasten, dagegen nicht zu Gleichbehandlung von privat und gesetzlich Krankenversicherten führen.

Auch kann der Argumentation der Beklagten, die Kostenerstattung sei auf dem Betrag zuzüglich 15 % der Sätze zu begrenzen, die an Beihilfeberechtigte gezahlt werden, nicht gefolgt werden. Der Rückschluß, dass die staatlich festgesetzten Beihilfesätze der üblichen Vergütung entsprechen, ist in dieser Form nicht möglich. Die Festlegung der Beihilfesätze orientiert sich nicht an den tatsächlich den Beihilfeberechtigten entstanden Kosten, sondern folgt einer Abwägung zwischen der Pflicht des Dienstherren der Beihilfeberechtigten zur Fürsorge und der Eigenverantwortung des Beihilfeberechtigten. Dass die Beihilfesätze nicht der üblichen Vergütung entsprechen, ergibt sich bereits aus der von der Beklagten auch unter Beweis gestellten Behauptung, bei mehr als 60 % der physiotherapeutischen Behandlungen privat Versicherter werde der Beihilfesatz nicht überschritten. Daraus folgt im Umkehrschluß, dass beinahe bei 40 % dieser Behandlungen höhere Vergütungen berechnet und gezahlt werden, woraus sich ergibt, dass die durchschnittliche Vergütung über dem von der Beihilfe gezahlten Höchstbetrag liegen dürfte. Detailliertere Angaben zu der im Durchschnitt tatsächlich berechneten Vergütung trägt die Beklagte nicht vor, obwohl sie aufgrund der Vielzahl der bei ihr eingereichten Abrechnungen hierzu in Lage sein müsste.

Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Beklagte zu tragen, da die Berufung in vollem Umfang Erfolg hat.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 3 ZPO nicht vorliegen.

RechtsgebietZivilrechtVorschriften§ 1 Diskontüberleitungsgesetz § 543 a.F. ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO § 1 ff MB/KK § 5 Nr.2 MB/KK § 138 Abs. 2 BGB § 319 Abs. 1 BGB § 1 VVG

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