Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 07.05.2009

    Bundesfinanzhof: Beschluss vom 23.03.2009 – II B 119/08

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Gründe:

    I.

    Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist u.a. Zentralbank der Sparkassen im Land ... (L).

    Der Steuerfahndungsstelle des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) wurde bekannt, dass Kunden von Sparkassen in L zu Inhaberschuldverschreibungen der Sparkassen gehörende Zinsscheine bei ausländischen Banken eingelöst hatten, um den Abzug von Kapitalertragsteuer zu vermeiden. Das FA nahm an, dass die Sparkassen hierbei in der einen oder anderen Form mitgewirkt hätten und die Inanspruchnahme des Ausnahmetatbestands des § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Einkommensteuergesetzes (EStG), wonach Kapitalertragsteuer nicht einzubehalten ist, wenn Kapitalerträge gegen Aushändigung der Zinsscheine einem ausländischen Kreditinstitut oder einem ausländischen Finanzdienstleistungsinstitut ausgezahlt oder gutgeschrieben werden, rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO) sei und deshalb eine Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) der Sparkassen vorliege.

    Das FA ersuchte daraufhin die Klägerin gemäß §§ 93, 97 und 208 Abs. 1 Nr. 2 AO für den Zeitraum 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 2003 u.a. um Mitteilung aller an ausländische Kreditinstitute geleisteten Zahlungen der Klägerin selbst und eines Vorgängerinstituts, die als Gegenwert für die Übersendung effektiver Zinsscheine bestimmter Sparkassen in L geleistet worden waren, und um näher bezeichnete Angaben dazu. Abgesehen davon, dass das FA das Auskunftsersuchen in verschiedener Hinsicht einschränkte, blieben Einspruch und Klage erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hielt das Auskunftsersuchen mit ausführlicher, auf zahlreiche Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) gestützter Begründung für rechtmäßig und führte u.a. aus, im vorliegenden Verfahren brauche nicht abschließend beurteilt zu werden, ob die rechtlichen Annahmen des FA zu §§ 42 und 370 AO zutreffend seien. Es dürfe noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar sei und im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führe. Ein Auskunftsverlangen sei nur dann rechtswidrig, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehle. Dies sei hier nicht der Fall.

    Die Klägerin stützte die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

    Das FG gab durch Urteil vom 17. Juli 2008 3 K 143/05 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1965) der Klage einer Sparkasse in L gegen einen Nachforderungsbescheid über Kapitalertragsteuer für den Zeitraum von 1993 bis 2002 im Wesentlichen statt und vertrat dabei die Ansicht, die Nachforderung könne nicht darauf gestützt werden, dass die Sparkasse an der durch ihre Kunden erfolgten Einreichung von Zinsscheinen bei ausländischen Banken zur Auszahlung ohne Abzug von Kapitalertragsteuer mitgewirkt habe. Es lägen kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO und keine Steuerhinterziehung der Sparkasse vor. Die durch die Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG eröffnete Möglichkeit, durch Einreichung der Zinsscheine bei ausländischen Kreditinstituten oder ausländischen Finanzdienstleistungsinstituten den Abzug von Kapitalertragsteuer zu vermeiden, habe in Anspruch genommen werden können. Eine Verpflichtung der Sparkasse zum Abzug von Kapitalertragsteuer habe allerdings bestanden, soweit ihre Angestellten Zinsscheine entgegengenommen und bei ausländischen Kreditinstituten zur Einlösung vorgelegt und die Kunden anschließend ausgezahlt hätten.

    Im Hinblick auf dieses Urteil widerrief das FA das angefochtene Sammelauskunftsersuchen gemäß § 131 Abs. 1 AO "mit Wirkung für die Zukunft". Die Verfahrensbeteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

    Die Klägerin beantragt,

    die Kosten gemäß § 138 Abs. 2 FGO dem FA aufzuerlegen.

    Das FA beantragt,

    die Kosten gemäß § 135 Abs. 2 FGO der Klägerin aufzuerlegen.

    Die Beschwerde sei wegen nicht hinreichender Begründung unzulässig. Erweise sie sich hingegen als unbegründet, müsse die Klägerin die Kosten nach § 138 Abs. 1 FGO tragen.

    II.

    Die Beschwerde ist unzulässig und war daher durch Beschluss zu verwerfen. Die Erledigungserklärungen der Beteiligten sind wegen der Unzulässigkeit der Beschwerde unwirksam und haben daher nicht zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache geführt. Vielmehr ist über die Beschwerde zu entscheiden.

    1.

    Beiderseitige Erklärungen der Beteiligten, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt, sind auch im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision und im Revisionsverfahren möglich und zulässig. Die verfahrensrechtliche Wirkung --die aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen anzunehmende Erledigung (§ 138 Abs. 1 FGO)-- tritt jedoch nur ein, wenn die Beschwerde oder Revision statthaft und auch im Übrigen zulässig ist (BFH-Beschlüsse vom 16. März 1989 VII R 82/88, BFHE 156, 79, BStBl II 1989, 569, m.w.N.; vom 25. Juli 1991 III B 10/91, BFHE 165, 17, BStBl II 1991, 846, unter 1.b; vom 10. April 1997 III R 18/96, BFH/NV 1997, 692; vom 8. Dezember 1998 VII B 179/97, BFH/NV 1999, 796).

    2.

    Dies trifft im Streitfall nicht zu. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Danach müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.

    a)

    Soweit geltend gemacht wird, der Sache komme grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), fehlt es an deren schlüssiger Darlegung.

    aa)

    Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache den gesetzlichen Anforderungen entsprechend darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (BFH-Beschlüsse vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; vom 8. September 2005 II B 122/04, BFH/NV 2006, 100; vom 20. März 2007 X B 185/06, BFH/NV 2007, 1181, und vom 29. Oktober 2008 I B 84/08, BFH/NV 2009, 191). Liegt zu der vom Beschwerdeführer herausgestellten Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklung sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2007 II B 107/06, BFH/NV 2008, 573, m.w.N.).

    bb)

    Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin hat sich mit der vom FG angeführten Rechtsprechung des BFH zu den von ihr herausgestellten Fragen nicht auseinander gesetzt und nicht dargelegt, inwiefern über den entschiedenen Einzelfall hinaus noch weiterer Klärungsbedarf bestehen soll. Dass die aufgeworfenen Rechtsfragen in Rechtsprechung oder Literatur umstritten seien, macht die Klägerin nicht geltend. Die Zweifel der Klägerin, ob das FG das BFH- Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04 (BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227) zutreffend verstanden hat, betreffen lediglich den Einzelfall. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist damit nicht dargetan.

    b)

    Die Klägerin hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Divergenz erforderlich sei.

    aa)

    Um das Vorliegen dieses Zulassungsgrundes den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend darzulegen, muss ein abstrakter, die Vorentscheidung tragender Rechtssatz einem ebenfalls tragenden, abstrakten Rechtssatz aus einer anderen Entscheidung gegenübergestellt werden. Zudem muss ausgeführt werden, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage handele (BFH- Beschlüsse vom 17. August 2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293; vom 20. Februar 2008 VIII B 83/07 und VIII B 103/07, BFH/NV 2008, 978 und 980).

    bb)

    Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Anwendbarkeit des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO steht zwar nicht entgegen, dass das FG-Urteil vom 17. Juli 2008 3 K 143/05, das die Klägerin als Divergenzentscheidung ansieht, erst nach der Vorentscheidung erlassen wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1992 V B 105/92, BFH/NV 1993, 699). Die Klägerin hat aber keine dieses Urteil einerseits und die Vorentscheidung andererseits tragenden abstrakten Rechtssätze zu einem vergleichbaren Sachverhalt und einer identischen Rechtsfrage gegenübergestellt. Im vorliegenden Streitfall ging es um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Auskunftsersuchens, im Urteil vom 17. Juli 2008 3 K 143/05 jedoch um die Rechtmäßigkeit des Nachforderungsbescheids. Der Vorentscheidung liegt nicht der Rechtssatz zugrunde, dass die rechtlichen Annahmen des FA zu §§ 42 und 370 AO zutreffend seien. Das FG hat dies vielmehr ausdrücklich offen gelassen, da es darauf nach seiner Ansicht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Auskunftsersuchens nicht ankam. Das FG hat sich dazu auf das BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227 berufen. Nach dieser Entscheidung dürfen Auskünfte von Personen, die an dem Besteuerungsverfahren nicht beteiligt sind, auch dann eingeholt werden, wenn noch unklar ist, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist. Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (vgl. bereits BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277).

    c)

    Mit den Einwendungen gegen die Richtigkeit der Vorentscheidung einschließlich der Tatsachen- und Beweiswürdigung macht die Klägerin lediglich Verstöße gegen materielles Recht und somit keinen Grund für die Zulassung der Revision geltend (BFH-Beschlüsse vom 2. Oktober 2007 IX B 24/07, BFH/NV 2008, 92; vom 8. Oktober 2007 III B 55/06, BFH/NV 2008, 95; vom 30. Oktober 2007 VIII B 153/06, BFH/NV 2008, 389, und vom 18. Dezember 2007 XI B 16/07, BFH/NV 2008, 595). Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschlüsse vom 7. Dezember 2007 VIII B 68/07 und VIII B 110/07, BFH/NV 2008, 590 und 613; in BFH/NV 2008, 980, und vom 10. Oktober 2008 VIII B 20-22/08, BFH/NV 2009, 183).

    RechtsgebieteAO, FGO

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents