BFH Beschluss v. - X B 77/01

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig, soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) begehren, und unbegründet, soweit die Kläger einen Verfahrensmangel geltend machen.

1. Die Beschwerdebegründung enthält keine hinreichende Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

a) Hinreichend dargelegt ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann, wenn der Beschwerdeführer die Rechtsfragen bezeichnet, deren Beantwortung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei ist darzulegen, dass es sich um aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Fragen handelt und diese Fragen im konkreten Verfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig sind (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605; vom VII B 127/93, BFH/NV 1994, 873; vom VIII B 41/94, BFH/NV 1995, 807; vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837, und Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 116 Rz. 31 ff., zur Neufassung der Vorschrift durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom , BGBl I 2000, 1757). Insbesondere muss bei Vorliegen von Entscheidungen des BFH zu der streitigen Rechtsfrage dargestellt werden, weshalb gleichwohl eine erneute Entscheidung zu der Frage im Interesse der Allgemeinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich gehalten wird. Diesem Erfordernis ist nur Rechnung getragen, wenn die Beschwerdebegründung eine eingehende Auseinandersetzung mit dem betreffenden Rechtsproblem enthält und ausführt, worin der Beschwerdeführer noch eine ungeklärte Frage sieht (BFH-Beschlüsse vom X B 186/97, BFH/NV 1998, 1244; vom VIII B 56/98, BFH/NV 1999, 804; vom X B 37/99, BFH/NV 2000, 59; Gräber, a.a.O., § 116 Rz. 33).

b) Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

Nach Auffassung der Kläger ist im Streitfall die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob ”eine nachträgliche Änderung von Steuerbescheiden gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordung (AO 1977) auch dann erfolgen darf, wenn das Finanzamt im Rahmen der Veranlagung eine vorgelegte Bilanz Punkt für Punkt überprüft, weitere Nachforschungen unterlässt und die Steuer ohne Vorbehalt der Nachprüfung festsetzt.”

Die darauf bezogenen Ausführungen genügen den Begründungsanforderungen schon deshalb nicht, weil sie sich nur mit Entscheidungen der Finanzgerichte (FG), nicht aber mit solchen des BFH auseinander setzen und folglich nicht erkennen lassen, inwieweit die BFH-Rechtsprechung die von den Klägern für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage noch nicht hinreichend geklärt hat.

aa) Nach ständiger BFH-Rechtsprechung scheidet eine verbösernde Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 aus, wenn sie auf Tatsachen gründet, die der Finanzbehörde infolge Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen zunächst unbekannt geblieben sind (vgl. , BFHE 166, 395, BStBl II 1992, 324). Eine solche Verletzung der Ermittlungspflicht liegt nur vor, wenn die Finanzbehörde Zweifeln, die sich nach Sachlage aufdrängen mussten, nicht nachgeht. Ob derartige Zweifel anzunehmen sind, hat das FG jeweils unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu entscheiden (, BFHE 183, 272, BStBl II 1997, 627; Beschluss vom VII B 267/97, BFH/NV 1998, 1264); dabei kann sich der Steuerpflichtige auf eine Verletzung der Ermittlungspflicht nicht berufen, wenn er selbst seine Steuererklärungspflicht nicht in zumutbarem Umfang voll erfüllt hat (, BFH/NV 1997, 757; vom II R 33/95, BFH/NV 1998, 12; vom II R 68/96, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1999, 31; vom IV R 18/98, BFH/NV 1999, 402; Beschluss vom IV B 22/98, BFH/NV 1999, 900, der —wie der Streitfall— die Zulässigkeit späterer Änderungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 wegen unrichtiger Bilanzansätze betrifft).

bb) Von diesen Grundsätzen ist das FG ausgegangen (Bl. 14 der Entscheidungsgründe). Im Hinblick darauf würde die Beschwerdebegründung nur dann den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügen, wenn die Kläger in Auseinandersetzung mit der dargestellten BFH-Rechtsprechung zur Verletzung behördlicher Ermittlungspflichten und ihrer Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 im Einzelnen dargelegt hätten, inwieweit von der Entscheidung des Streitfalls noch weitere Klärung zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.

2. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Revision auch nicht wegen eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen.

a) Dabei kann dahinstehen, ob das FG angesichts seiner Zweifel, ob die streitigen Gewinnkorrekturen erst aufgrund Änderung der für das Streitjahr maßgeblichen Bilanz oder ggf. der für die Vorjahre maßgeblichen Bilanzen geboten sind, zu Recht ein Zwischenurteil gemäß § 99 Satz 2 FGO erlassen hat. Denn die Zulässigkeit eines Zwischenurteils betrifft zwar die Grundordnung des Verfahrens; selbst deren Verletzung aber ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ohne —im Streitfall unterbliebene— Rüge nicht zu prüfen (, BFH/NV 2000, 966).

b) Der von den Klägern ausschließlich gerügte Verfahrensmangel eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten liegt ersichtlich nicht vor.

Die Entscheidung des FG beruht entgegen der Beschwerdebegründung nicht auf der Feststellung eines strafrechtlich relevanten Verhaltens (Bildung einer Rückstellung trotz erkennbar fehlender Voraussetzungen), sondern allein darauf, dass der Kläger

  • die streitige Rückstellung ohne objektive Feststellung oder Feststellbarkeit offener Lieferantenrechnungen gebildet hat,

  • damit den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht richtig und vollständig dargestellt hat

  • und schon dadurch die Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung der für die Besteuerung maßgeblichen Tatsachen verletzt hat (Bl. 15 der Urteilsgründe).

Die Kläger greifen im Ergebnis lediglich die Rechtsauffassung des FG an, die Rückstellung habe schon wegen der fehlenden Feststellbarkeit ihrer rechtlichen Voraussetzungen und der insoweit fehlenden Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung der steuererheblichen Tatsachen nicht gebildet werden dürfen. Die Einwände rügen folglich allenfalls die materielle Fehlerhaftigkeit der Entscheidung, nicht aber einen Verfahrensfehler, der allein Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sein kann (, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569, m.w.N.). Abgesehen davon entspricht die Auffassung des FG, dass schon die objektive Unrichtigkeit der vom Kläger gebildeten Rückstellung seine Pflicht zur richtigen, vollständigen und deutlichen Darstellung des steuererheblichen Sachverhalts verletzt, allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 757; von Groll in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 173 AO 1977 Rz. 244, jeweils m.w.N.).

3. Im Übrigen sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer Darstellung des Sachverhalts und weiteren Rechtsausführungen ab.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1121 Nr. 9
SAAAA-67861