OFD Frankfurt/M. - S 2282 A - 22 - St 223

Einkünfte und Bezüge des Kindes

I. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG II)

Nach einem Beschluss der Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder sind Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG II) genauso wie Leistungen zur Sicherstellung des Unterhalts als Bezüge des Kindes zu berücksichtigen, wenn von einer Rückforderung bei gesetzlich Unterhaltsverpflichteten abgesehen worden ist. Sie sind jedoch dann nicht als Bezug anzurechnen, wenn das Kindergeld nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG an den entsprechenden Sozialleistungsträger abgezweigt wird, dieser einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG geltend macht, oder – zur Vereinfachung – das Kindergeld nach Maßgabe der Sozialgesetze vollständig oder anteilig auf seine Leistung anrechnet (vgl. H 32.10 „Anrechnung eigener Einkünfte und Bezüge” Teilabschnitt „Eigene Bezüge” Nr. 3 EStH und DA-Fam EStG 63.4.2.3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9).

II. Elterngeld

Das Bundeselterngeldgesetz ist zum in Kraft getreten und an die Stelle des Bundeserziehungsgeldgesetzes getreten. Es gilt für alle ab dem geborenen Kinder.

Das einem betreuenden Elternteil zum Ausgleich wegfallenden Erwerbseinkommens gezahlte Elterngeld beträgt bei Voreinkommen zwischen 1.000 und 1.200 € 67 % seines vor der Geburt des Kindes durchschnittlich monatlich verfügbaren bereinigten Nettoeinkommens. Für Geringverdiener mit einem Einkommen unter 1.000 € vor der Geburt des Kindes steigt die Ersatzrate schrittweise auf bis zu 100 %: je geringer das Einkommen, desto höher die Ersatzrate. Für Nettoeinkommen ab 1.200 € und mehr vor der Geburt des Kindes sinkt die Ersatzrate des Elterngeldes moderat von 67 auf 65 % (bei Voreinkommen von 1.240 € und mehr zu 65 %, bei Voreinkommen von 1.220 € zu 66 %). Der Mindestbetrag, der auch an vor der Geburt nicht erwerbstätige Elternteile gezahlt wird, beträgt 300 € monatlich. Bei Mehrlingsgeburten erhöht sich der Mindestbetrag um jeweils 300 € für das zweite und jedes weitere Kind. Solange ein älteres Geschwisterkind unter drei Jahren oder zwei ältere Geschwisterkinder unter 6 Jahren mit im Haushalt leben, erhöht sich das Elterngeld um 10 %, mindestens jedoch 75 €. Die Eltern haben insgesamt Anspruch auf bis zu 14 Monatsbeträge. Auf Antrag werden die einer Person monatlich zustehenden Beträge halbiert und über den doppelten Zeitraum ausgezahlt.

Das bisherige Erziehungsgeld war/ist bei der Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu berücksichtigen (H 32.10 „Nicht anrechenbare eigene Bezüge” EStH).

Zu der Frage, ob und inwieweit Elterngeld, das ein Kind erhält, bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigen ist, haben die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder beschlossen, dass Elterngeld grundsätzlich als Bezug des Kindes anzusetzen ist, da es in der Regel Lohnersatz darstellt und deswegen auch unter den Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 EStG fällt. Auszunehmen hiervon ist aber der Mindestbetrag in Höhe von 300 € bzw. 150 € monatlich (bei Mehrlingsgeburten entsprechend vervielfacht), da dieser auch gezahlt wird, wenn vorher keine Einkünfte erzielt wurden. Dies gilt auch bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge gemäß § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG bzw. § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG.

Unabhängig von der vorstehenden Regelung zur Ermittlung der Einkünfte und Bezüge eines Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG unterliegt das Elterngeld nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j EStG in voller Höhe dem Progressionsvorbehalt.

III. Arbeitgeberanteil der vermögenswirksamen Leistungen

Zur Frage, ob der Arbeitgeberanteil an vermögenswirksamen Leistungen bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge i. S. d. § 33 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigen ist, war beim BFH unter dem Az. III R 23/09 ein Revisionsverfahren anhängig.

Im Gegensatz zu der Vorinstanz () hat der entschieden, dass der vom Arbeitgeber getragene Anteil an vermögenswirksamen Leistungen zu den für die Gewährung des Kinderfreibetrags schädlichen Einkünften zählt. Auch die aus dem Arbeitslohn erbrachten Sparbeiträge des Kindes sind als Einkünfte des Kindes in den Jahresgrenzbetrag einzubeziehen.

Einsprüche, die sich auf das o.g. BFH-Verfahren stützten, können nun entschieden werden.

IV. Übersicht über Aufwendungen des Kindes


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Nr.
Art der Aufwendungen
Zugrundeliegende Rechtsentscheidung
Minderung der Einkünfte und Bezüge des Kindes
 
 
 
 
 
JA
NEIN
 
1.
Sozialversicherungsbeiträge
X
 
 
2.
Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung
X
 
 
3.
Beiträge als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung
X
 
 
4.
Beiträge zu einer privaten Versicherung für Zahnersatz
X
 
 
5.
Beiträge für eine private Rentenversicherung
 
X
 
6.
Beiträge für eine private Berufsunfähigkeitsversicherung
 
X
 
7.
Beiträge für eine private Zusatzkrankenversicherung
 
X
 
8.
Beiträge für eine Kfz-Haftpflichtversicherung
 
 
X
 
9.
Lohnsteuer
 
X
 
10.
Kirchensteuer
 
 
X
 
11.
Solidaritätszuschlag
 
 
X
 
12.
Arbeitnehmeranteil VBL
 
X
 
13.
Altenteilsleistungen
 
 
X
 
14.
Aufwendungen des Kindes für das eigene Kind
 
X
 
15.
Aufwendungen des Kindes für seinen Ehepartner
 
X
 
16.
Beiträge für eine private Haftpflichtversicherung
 
X
 
17.
AG und AN-Beiträge zu den vermögenswirksamen Leistungen
 
X

Zu 1: Mit entschieden, dass die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungswidrig ist. Für die Berücksichtigungsfähigkeit von Kindern im Familienleistungsausgleich sind daher die Einkünfte des Kindes um die gesetzlichen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung zu mindern (vgl. BStBl 2005 I, 1027).

Zu 2: Mit Urteil vom ( BStBl 2007 II, 530) hat der BFH entschieden, dass Beiträge eines beihilfeberechtigten Kindes für eine private Kranken- und Pflegeversicherung nicht in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) einzubeziehen sind, soweit sie auf Tarife entfallen, mit denen der von der Beihilfe nicht freigestellte Teil der beihilfefähigen Aufwendungen für ambulante, stationäre und zahnärztliche Heilbehandlungen abgedeckt wird.

Die Einkünfte des Kindes sind daher um Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung zu mindern.

Zu 3: Mit Urteil vom ( BStBl 2007 II, 527) hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen des Kindes als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ebenfalls nicht in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) einzubeziehen sind.

Die Einkünfte des Kindes sind somit um Beiträge zu einer freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung zu mindern.

Zu 5+6: Mit die Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts bestätigt, dass Beiträge zu einer privaten Rentenversicherung und zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mindern, wenn das Kind gesetzlich rentenversichert ist.

Zu 5+8–12: Nach dem BStBl 2008 II, 738) sind die Einkünfte und Bezüge des Kindes weder um die einbehaltene Lohn- und Kirchensteuer noch um die Beiträge zu einer privaten Zusatzkrankenversicherung oder einer Kfz-Haftpflichtversicherung zu kürzen. Das Gleiche gilt für Beiträge zu einer privaten Rentenversicherung, wenn sich das Kind in Ausbildung befindet und in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist.

Zu 12: Mit ( BStBl 2011, II 121), und hat der BFH entschieden, dass Beiträge zu nicht gesetzlichen Pflichtversicherungen (vorliegend: Beiträge zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder – VBL) im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des Kindes i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mindernd zu berücksichtigen sind.

Der Arbeitnehmeranteil VBL mindert somit wie bisher nicht die Einkünfte und Bezüge des Kindes.

Zu 13: In einem Verfahren wegen Kindergeld hat das entschieden, dass aufgrund eines Hofübergabevertrags erbrachte Altenteilsleistungen i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht abgezogen werden dürfen. Die Revision gegen dieses nach § 126a FGO zurückgewiesen.

Altenteilsleistungen mindern daher nicht die Einkünfte und Bezüge des Kindes.

Zu 14: Mit Urteil vom ( BStBl 2011 II, 975) hat der BFH entschieden, dass Unterhaltsleistungen des Kindes an sein eigenes Kind (Enkelkind des Anspruchsberechtigten) die Einkünfte und Bezüge des Kindes grundsätzlich nicht, allenfalls in hälftiger Höhe mindern.

Daher findet wie bisher nach gängiger Verwaltungspraxis die Unterhaltsbelastung durch eigene Kinder eines Kindes bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge grundsätzlich keine Berücksichtigung.

Eine allenfalls hälftige Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen (vgl. DA-FamEStG – DA 63.4.3.4 „Aufwendungen des Kindes für das eigene Kind” der DA-FamEStG – Stand 2011) schließt der BFH – trotz Zweifel – jedoch (noch) nicht aus.

Zu 15: Mit Urteilen vom ( BStBl 2011 II, 974) und ( BStBl 2011 II, 975) hat der BFH entschieden, dass Unterhaltsleistungen eines verheirateten Kindes an seinen bedürftigen Ehepartner (Schwiegerkind der Anspruchsberechtigten) nicht in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen sind.

Unterhaltsleistungen eines Kindes an seinen Ehepartner mindern daher nicht die Einkünfte und Bezüge des Kindes.

OFD Frankfurt/M. v. - S 2282 A - 22 - St 223

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
MAAAE-16052