BFH Urteil v. - VI R 2/07

Aufwendungen für die Teilnahme an den von der Bundesapothekerkammer in Meran veranstalteten Kongresses als Werbungskosten

Leitsatz

Aufwendungen eines Pharmazeuten für die Teilnahme an den in Meran von der Bundesapothekerkammer in den Jahren 2001 und 2002 veranstalteten Fortbildungskongressen für praktische und wissenschaftliche Pharmazie sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Gesetze: EStG § 9, EStG § 12 Nr. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Pharmazeut und Mitglied der .apothekerkammer. In den Streitjahren 2001 und 2002 leitete er bei der . das Sachgebiet „Pharmazie” und bezog aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Wie in den Vorjahren nahm er auch in den Streitjahren am Fortbildungskongress für praktische und wissenschaftliche Pharmazie der Bundesapothekerkammer in Meran teil. Der Arbeitgeber gewährte jeweils Dienstbefreiung im Umfang von drei Fünfteln der wegfallenden Arbeitszeit.

Im Jahr 2001 fand der Kongress von Sonntag, dem 20. Mai, bis Freitag, dem 25. Mai, statt. Im Jahr 2002 begann der Kongress am 26. Mai (Sonntag) und endete am 31. Mai (Freitag). Der Kläger reiste jeweils am Samstag zuvor an und am Samstag danach ab.

Nach den Tagungsprogrammen wurden mit Ausnahme des Donnerstags regelmäßig je zwei Fachvorträge am Vormittag und am Nachmittag gehalten. Vor den Vorträgen an den Nachmittagen —mit Ausnahme von Sonntag und Donnerstag— bestand die Möglichkeit der Teilnahme an einer audiovisuellen Fortbildung um 14.00 Uhr. An den Donnerstagen wurden u.a. ganztägige botanisch-wissenschaftliche Exkursionen angeboten. Der Kläger nahm insoweit an den Exkursionen zum Monte Baldo (2001) bzw. im Gebiet der Seiser Alpe (2002) teil.

Der Kläger machte in seinen Einkommensteuererklärungen Aufwendungen in Höhe von 2 091 DM (2001) bzw. 1 087 € (2002) als Werbungskosten geltend. Zum Nachweis legte er neben den Teilnehmerverzeichnissen u.a. Testatkarten vor. Auf diesen Karten wurde dem Kläger durch einen Tagesstempel „Vormittagsveranstaltung” und „Nachmittagsveranstaltung” bestätigt, dass er an den Vortragsveranstaltungen von 9.00 Uhr bzw. 10.00 Uhr bis 11.45 Uhr und von 13.00 Uhr bzw. 14.00 Uhr bis 18.15 Uhr teilgenommen hat. Ferner legte der Kläger Sonderhefte der Pharmazeutischen Zeitung 2001 und 2002 mit seinen handschriftlichen Anmerkungen zu den einzelnen Vorträgen vor.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) ließ mit Ausnahme einer „Kursgebühr” in Höhe von 110 DM (2001) die Aufwendungen nicht zum Werbungskostenabzug zu.

Die Klage war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 835 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Aufwendungen des Klägers für die Teilnahme an den in Meran von der Bundesapothekerkammer veranstalteten Kongressen zu Recht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

1. Bildungsaufwendungen können nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Werbungskosten sein, sofern sie beruflich veranlasst sind (, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; vom VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407; vom VI R 7/01, BFH/NV 2004, 174, und vom VI R 1/03, BFH/NV 2004, 483). Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs erbracht werden (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368; in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; vom VI R 135/01, BFHE 205, 220, BStBl II 2004, 958, und vom VI R 40/03, BFHE 207, 225, BStBl II 2004, 1074; vom VI R 61/02, BFHE 213, 566, BStBl II 2006, 782, jeweils m.w.N.).

a) Aufwendungen für einen Lehrgang sind demnach dann als Werbungskosten abziehbar, wenn ein konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht. Ob dies zutrifft, ist nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (, BFHE 198, 563, BStBl II 2002, 579, m.w.N. in Bezug auf die berufliche Veranlassung der Aufwendungen für einen Sprachkurs).

b) Ebenfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu bestimmen, ob bei einem Fortbildungslehrgang, der —wie im Streitfall— nicht am Wohnort des Steuerpflichtigen stattfindet, neben den reinen Kursgebühren auch die Aufwendungen für die mit dem Lehrgang verbundene Reise als Werbungskosten abziehbar sind (, BFH/NV 2006, 730, und VI R 89/02, BFH/NV 2006, 934; in BFHE 213, 566, BStBl II 2006, 782). Dabei kann die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen nicht allein deshalb versagt werden, weil die Bildungsmaßnahme im Ausland stattgefunden hat (BFH-Urteil in BFHE 213, 566, BStBl II 2006, 782).

Der vollständige Abzug der Reisekosten setzt voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist dann der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass zu Grunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (vgl. hierzu , BFHE 200, 250, BStBl II 2003, 369, m.w.N.). Gleiches gilt, wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 730; in BFH/NV 2006, 934, und in BFHE 213, 566, BStBl II 2006, 782, jeweils m.w.N.; vom VI R 8/05, BFHE 216, 325, BStBl II 2007, 457; vom VI R 61/04, BFH/NV 2007, 1132).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz hat die Reisekosten zu Recht als Werbungskosten anerkannt. Die Frage, ob Aufwendungen beruflich veranlasst sind, obliegt in erster Linie der tatsächlichen Würdigung durch das FG (BFH-Urteile in BFHE 213, 566, BStBl II 2006, 782; in BFHE 216, 325, BStBl II 2007, 457; in BFH/NV 2007, 1132). Die Tatsachenwürdigung des FG ist revisionsrechtlich bindend, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder durch die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Davon ist hier auszugehen.

a) Das FG ist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass die Teilnahme des Klägers an den Kongressen nahezu ausschließlich beruflich veranlasst war. Das FG hat dabei den Anlass der Reise, das Programm und die tatsächliche Durchführung gebührend berücksichtigt. Das FA hat gegen die Feststellungen des FG keine Verfahrensrügen erhoben (vgl. dazu , BFHE 111, 312, BStBl II 1974, 291).

b) Das FG hat das private Interesse des Klägers an den Exkursionen im Verhältnis zur beruflichen Veranlassung der Teilnahme an den übrigen Veranstaltungen als geringfügig eingeschätzt. Diese Würdigung ist möglich und hat deshalb revisionsrechtlich Bestand (, BFHE 208, 572, BStBl II 2005, 349). Das FG hat zu Recht die Nutzung der Teilnahme an den Exkursionen für die private Lebensführung in ein Verhältnis zur beruflichen Veranlassung der Reise insgesamt gesetzt. Diese Abgrenzung entspricht ständiger Rechtsprechung und ist durch den vom FG zitierten (BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121) nicht in Frage gestellt. Für die Frage, ob der berufliche bzw. private Nutzungsanteil von untergeordneter Bedeutung ist, kommt es auf das Verhältnis der beruflich zu den privat veranlassten Zeitanteilen einer Reise insgesamt an. Im Übrigen unterfällt auch diese Frage der tatrichterlichen Würdigung (BFH-Beschluss in BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121). Soweit demnach im Streitfall das FG zu dem Ergebnis gekommen ist, dass auch die Exkursionen teilweise beruflich bedingt und die private Mitveranlassung insgesamt nur von untergeordneter Bedeutung war, ist diese Wertung möglich.

c) Der Kläger hat zur Überzeugung des FG nachgewiesen, dass er an den Kongressen tatsächlich und in dem behaupteten Umfang teilgenommen hat. Soweit das FG zum Nachweis der Teilnahme an den Veranstaltungen neben den Testatkarten auch auf die handschriftlichen Anmerkungen des Klägers in den Pharmazeutischen Zeitschriften abgestellt hat, ist dies nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Senats bedarf es zum Nachweis der tatsächlichen Teilnahme an den Veranstaltungen ohnehin nicht in jedem Fall eines Anwesenheitstestats. Maßgeblich ist allein, dass die Teilnahme zur Überzeugung des Gerichts feststeht (BFH-Urteil in BFHE 216, 325, BStBl II 2007, 457). Auch soweit das FG ausgeführt hat, dass aufgrund der Teilnahme an den Veranstaltungen die Arbeitstage weitgehend mit beruflicher Betätigung ausgefüllt und den abendlichen Freizeitprogrammen demgegenüber keine Bedeutung mehr zukam, begegnet diese Würdigung keinen Bedenken.

d) Das FA wendet sich mit der Revision ausschließlich gegen die nach seiner Auffassung unzutreffende Tatsachenwürdigung. Damit kann es im Revisionsverfahren jedoch nicht gehört werden. Der BFH ist, wie dargestellt, im Streitfall an die Tatsachenwürdigung des FG gebunden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1837 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2008 S. 9
OAAAC-91429