BFH Urteil v. - VI R 68/05 BStBl 2008 II S. 890

Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nur für die tatsächlich mit dem Dienstwagen gefahrene Teilstrecke

Leitsatz

1. Der nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG bei Überlassung eines Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte an einen Arbeitnehmer anzusetzende Zuschlag bildet einen Korrekturposten zur Entfernungspauschale. Für die Ermittlung des Zuschlags kommt es ebenso wie bei der Entfernungspauschale auf die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse an. Wird der Dienstwagen auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur auf einer Teilstrecke eingesetzt, beschränkt sich der Zuschlag auf diese Teilstrecke.

2. Wird dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte überlassen, besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass er den Dienstwagen für die Gesamtstrecke nutzt. Der Anscheinsbeweis ist bereits dann entkräftet, wenn für eine Teilstrecke eine auf den Arbeitnehmer ausgestellte Jahres-Bahnfahrkarte vorgelegt wird.

Gesetze: EStG § 8 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 2 bis 4EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1EStG § 38 Abs. 1 Satz 1EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1EStG 1994 i.d.F. des StMBG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4EStG i.d.F. des JStG 1996 § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6EStG 2001 i.d.F. des Gesetzes zur Einführung einer Entfernungspauschale EStG 2001 i.d.F. des Gesetzes zur Einführung einer Entfernungspauschale § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4

Instanzenzug: (EFG 2006, 958) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Verband e.V., stellte seinem Hauptgeschäftsführer (H) im streitigen Zeitraum von Dezember 1997 bis Dezember 2001 einen Dienstwagen zur Verfügung, den H auch für Privatfahrten sowie für Fahrten zwischen seiner Wohnung in X und der Arbeitsstätte in Y nutzen durfte. Die einfache Entfernung von der Wohnung des H bis zur Arbeitsstätte betrug 118 km. Der Kläger unterwarf den geldwerten Vorteil aus der Privatnutzung sowie den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dem Lohnsteuerabzug. Für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte legte er hierbei nur die Entfernung zwischen der Wohnung des H und dem Bahnhof in X zugrunde, weil er davon ausging, dass H den Dienstwagen nur für diese 3,5 km lange Strecke genutzt hatte und von dort aus 114,5 km mit der Bahn nach Y gefahren war. Die Kosten der Bahnfahrt übernahm der Kläger.

Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den streitigen Zeitraum erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid gemäß § 42d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) über Lohnsteuer nebst Annexsteuern in Höhe von 9 533 €. Auf den geldwerten Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfiel hierbei eine Haftungsschuld in Höhe von 9 128 €. Die Berechnung der Haftungsschuld beruhte darauf, dass bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG die gesamte Entfernung zwischen der Wohnung des H und der Arbeitsstätte in Y angesetzt worden war. Soweit im streitigen Zeitraum 1998 bis 2001 die für die geldwerten Vorteile nach § 8 Abs. 2 Sätze 2

und 3 EStG errechneten Beträge jeweils ungefähr doppelt so hoch waren wie die tatsächlichen Kosten des Dienstwagens, ging das FA von den tatsächlichen Kosten aus (1998: 8 771 €, 1999: 8 087 €, 2000: 7 687 €, 2001: 9 563 €) und zog hiervon die bereits vom Kläger versteuerten Beträge ab. Etwaige Werbungskosten des H wurden nicht berücksichtigt.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 958 veröffentlichten Gründen ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG sei bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils aus der Überlassung eines Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eindeutig nur auf die Entfernungskilometer und nicht auf die tatsächlich gefahrenen Kilometer abzustellen. Diese Regelung sei nicht zu beanstanden, da § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG eine typisierende Art der Wertermittlung darstelle, bei der die individuellen Nutzungsverhältnisse unberücksichtigt blieben. Der pauschale Ansatz des geldwerten Vorteils könne durch die Führung eines Fahrtenbuchs vermieden werden.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Lohnsteuer-Haftungsbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die Haftungsschuld um die auf die Fahrzeugnutzung des H entfallenden Steuerbeträge in Höhe von 9 128 € vermindert wird.

Hilfsweise beantragt er, die Haftungsschuld unter Berücksichtigung von Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für die volle Entfernung zwischen der Wohnung des H und der Arbeitsstätte zu mindern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz haftet der Kläger dann nicht für den streitigen Steuerbetrag, wenn H den ihm vom Kläger überlassenen Dienstwagen tatsächlich nur für eine Teilstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat.

1. Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Die Lohnsteuer wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erhoben, soweit der Arbeitslohn von einem inländischen Arbeitgeber gezahlt wird (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG).

Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle geldwerten Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Auch die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss (, BFHE 197, 142, BStBl II 2002, 370; vom VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; VI R 95/04, BFHE 215, 252, BStBl II 2007, 269).

Hinsichtlich der Bewertung dieses geldwerten Vorteils gilt gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 1996 die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG getroffene Regelung entsprechend; die Nutzung (eines betrieblichen Kr

aftfahrzeugs zu privaten Fahrten) ist daher für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen (1 %-Regelung). Dieser Wert erhöht sich gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für jeden Kalendermonat um 0,03 % des genannten Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Zuschlag), wenn das Fahrzeug für solche Fahrten genutzt werden kann.

2. Entgegen der Auffassung des FG ist im Streitfall für die Ermittlung des Zuschlags nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht die gesamte Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sondern nur die tatsächlich mit dem Dienstwagen zurückgelegte Teilstrecke zugrunde zu legen.

a) Der Senat schließt sich damit für den Streitfall nicht der in der Rechtsprechung der Finanzgerichte, im Schrifttum und der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung an, dass der Umfang der tatsächlichen Nutzung des Dienstwagens für die Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG unerheblich sei, da es nach dem Wortlaut der Vorschrift allein darauf ankomme, ob der Arbeitnehmer die objektive Möglichkeit habe, den Dienstwagen auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu nutzen (, EFG 2005, 775; , EFG 2006, 958; , EFG 2007, 1327; Blümich/Glenk, § 8 EStG Rz 114, m.w.N.; Gröpl, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 8 Rz C 25; H 8.1 Abs. 9-10 des Amtlichen Lohnsteuer-Handbuchs 2008 „Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte bei pauschaler Nutzungswertermittlung”).

b) Diese im Übrigen nicht näher begründete Auffassung wäre allenfalls zutreffend, wenn der Zuschlag der Abgeltung einer weiteren privaten Nutzung diente und der Vorschrift daher ein der 1 %-Regelung vergleichbarer Zweck zugrunde läge. Die Zuschlagsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG hat aber nicht die Funktion, eine irgendwie geartete zusätzliche (private) Nutzung des Dienstwagens zu bewerten. Der Zuschlag für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bezweckt vielmehr einen Ausgleich für abgezogene, aber tatsächlich nicht entstandene Erwerbsaufwendungen. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG stellt damit einen Korrekturposten für den —pauschalen— Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der im streitigen Zeitraum jeweils geltenden Fassung (a.F.) dar. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Während § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG eine Bewertungsregelung für die geldwerten Vorteile aus der privaten Nutzung des Dienstwagens enthält, normiert § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG einen weiteren „geldwerten Vorteil” für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Mit der pauschalen Wertermittlung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG wird aber schon der gesamte geldwerte Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens erfasst (, BFHE 211, 215, BStBl II 2006, 72; in BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; in BFHE 215, 252, BStBl II 2007, 269; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 8 Rz 41). Aus der Abgeltungswirkung der 1 %-Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG folgt, dass ein —weiterer— geldwerter Vorteil, der durch den Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG erfasst werden könnte, nicht besteht. Eine private Nutzung unterschiedlicher Intensität ist nicht vorstellbar.

Dem auf der Einnahmenseite anzusetzenden Zuschlag steht auf der Ausgabenseite der pauschale Werbungskostenabzug des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gegenüber (vgl. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 8 Rz 46; BTDrucks 13/1686, S. 8). Der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG dient dazu, den —überschießenden— Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. zu kompensieren. Denn der Werbungskostenabzug ist dem Arbeitnehmer gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. auch dann zu gewähren, wenn er für diese Fahrten einen —vom Arbeitgeber unentgeltlich überlassenen— Dienstwagen nutzt (Blümich/Glenk, § 8 EStG Rz 116). In diesem Fall erhält der Arbeitnehmer den Werbungskostenabzug, ohne dass bei ihm entsprechende Aufwendungen anfallen.

bb) Die mit dem Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG bezweckte Kompensation des Werbungskostenabzugs nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte beider Vorschriften herleiten.

(1) Der pauschale Werbungskostenabzug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte war gemäß § 9 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom (BGBl I 1954, 373, BStBl I 1954, 575) zunächst nur bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs vorzunehmen. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1966 vom (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) erstreckte den pauschalen Werbungskostenabzug mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1967 auch auf die Fälle, in denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein Kraftfahrzeug zur Verfügung stellte. Hierbei verblieb es auch bei den bis zum streitigen Zeitraum vorgenommenen weiteren Änderungen der Vorschrift (vgl. hierzu von Bornhaupt, in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 9 Rz A 179 ff.).

(2) Der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wurde zusammen mit der 1 %-Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG zur Bewertung der privaten Nutzung des Dienstwagens durch das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) eingefügt.

Er trat damit an die Stelle der zuvor verwaltungsseitig vorgegebenen festen Kilometersätze für die mit dem Dienstwagen durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (vgl. hierzu Abschn. 31 Abs. 7 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 der Lohnsteuer-RichtlinienLStR— 1993). Die Finanzverwaltung setzte einen geldwerten Vorteil für eine solche Nutzung des Dienstwagens erstmals im Anschluss an die Ausdehnung des pauschalen Werbungskostenabzugs auf vom Arbeitgeber überlassene Dienstwagen durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des StÄndG 1966 an (vgl. Abschn. 25 Abs. 5 LStR 1968 i.d.F. vom , BStBl I 1968, 587). Dabei berücksichtigte sie allerdings bis 1990 die einander ausschließenden Tatbestände „geldwerter Vorteil” und „pauschaler Werbungskostenabzug”, indem sie die auf der Einnahmenseite anzusetzenden Beträge mit dem pauschalen Werbungskostenabzug saldierte (vgl. Abschn. 24 Abs. 7 Sätze 1 und 2 LStR 1987 i.d.F. vom , BStBl I 1986, Sondernummer 4/1986, S. 67). Erst ab 1990 ordnete die Finanzverwaltung den Einsatz des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte der privaten Nutzung zu und sah dafür unterschiedliche Bewertungsmethoden vor (vgl. Abschn. 31 Abs. 7 Sätze 2 und 3 LStR 1990).

(3) Das JStG 1996 beschränkte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG für Steuerpflichtige, die Gewinneinkünfte erzielen, den Betriebsausgabenabzug für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte. Danach unterlag der positive Unterschiedsbetrag zwischen dem 0,03-%igen Zuschlag (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Halb-satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996) und der Steuerermäßigung für die Fahrten zur Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) einem Abzugsverbot. Die für die Gewinneinkünfte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG i.d.F. des JStG 1996 vorgesehene Bewertung der Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sollte nach dem Willen des Gesetzgebers für die Überschusseinkünfte entsprechend geregelt werden. Für § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG folgt daraus, dass der Zuschlag für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in gleicher Weise wie bei der im Rahmen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG i.d.F. des JStG 1996 vorzunehmenden Saldierung an den Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. anknüpft (BTDrucks 13/1686, S. 8; vgl. auch Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 798; Wacker, Neue Wirtschafts-Briefe —NWB— Fach 3, S. 10119, 10120).

c) Aus der Korrekturfunktion des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für den Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. folgt daher, dass der Zuschlag nur insoweit gerechtfertigt ist, als tatsächlich Werbungskosten überhöht zum Ansatz kommen konnten. Bei der Ermittlung des Zuschlags ist deshalb darauf abzustellen, ob und in welchem Umfang der Dienstwagen tatsächlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt worden ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG in der im streitigen Zeitraum 1997 bis 2000 geltenden Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes (StMBG) vom (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) sind die Aufwendungen des Arbeitnehmers bei Fahrten mit dem Dienstwagen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einem Pauschbetrag von 0,70 DM anzusetzen. Der Ansatz des Pauschbetrags ist hierbei nur insoweit vorzunehmen, als die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tatsächlich mit dem Dienstwagen zurückgelegt worden ist (vgl. , EFG 1997, 1106; Schmidt/Drenseck, a.a.O., 17. Aufl., § 9 Rz 132).

Nach der im streitigen Zeitraum 2001 geltenden Neufassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das Gesetz zur Einführung einer Entfernungspauschale vom (BGBl I 2000, 1918, BStBl I 2001, 36) ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine Entfernungspauschale anzusetzen. Die einzelfahrtbezogene Ermittlung der Werbungskosten steht damit im Widerspruch zu dem pauschalen monatsweisen Ansatz des Zuschlags nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG.

Die mit der Neufassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG ab dem Jahre 2001 eingeführte Entfernungspauschale ist nicht mehr auf Fahrten mit einem Kraftfahrzeug beschränkt. Der pauschale Werbungskostenabzug ist nach der Neufassung auf einen Höchstbetrag begrenzt, der jedoch insoweit keine Anwendung findet, als der Arbeitnehmer für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. Damit kommt es auch für den Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Einführung einer Entfernungspauschale weiterhin auf die tatsächliche Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an (vgl. Schmidt/Drenseck, a.a.O., 26. Aufl., § 9 Rz 111; , BStBl I 2001, 994, Tz. 1.6).

d) Der mit der Bewertung des geldwerten Vorteils nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG verbundene Vereinfachungszweck steht der Bemessung des Zuschlags nach der tatsächlichen Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht entgegen.

Die 1 %-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG) enthält eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsvorschrift (, BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; in BFHE 215, 252, BStBl II 2007, 269). Sie dient dazu, die Bewertung der privaten Nutzung von Dienstwagen zu vereinfachen (BTDrucks 13/1686, S. 8). Dem Vereinfachungszweck der Vorschrift entsprechend ist die Bewertung der Privatnutzung unabhängig vom Umfang der tatsächlichen Nutzung vorzunehmen. Im Gegensatz zur übrigen privaten Nutzung des Dienstwagens lässt sich der tatsächliche Nutzungsumfang bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte jedoch ohne größeren Aufwand feststellen. Die Anzahl der Fahrten und die Länge der mit dem Dienstwagen zurückgelegten Teilstrecke müssen vom Steuerpflichtigen etwa im Rahmen der —durch den amtlich vorgeschriebenen Vordruck (vgl. § 150 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung) konkretisierten— Erklärungspflicht zur Ermittlung des pauschalen Werbungskostenabzugs nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des StMBG angegeben werden (Wacker, NWB Fach 3, S. 10119, 10126). Dies gilt in gleicher Weise für die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Einführung einer Entfernungspauschale anzusetzende Entfernungspauschale, für deren Anwendung diese Angaben —wie dargestellt— weiterhin erforderlich sind.

e) Schließlich steht auch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Führung eines Fahrtenbuchs (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG) der Auffassung des Senats nicht entgegen. Denn die Führung eines Fahrtenbuchs allein für die Wege zur Arbeitsstätte zu fordern, entspricht weder dem Gesetzeszweck noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Das Wahlrecht zur Führung des Fahrtenbuchs kann nur einheitlich für die Nutzung des Dienstwagens zu privaten Fahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ausgeübt werden (Blümich/Glenk, § 8 EStG Rz 123; Küttner/Thomas, Personalbuch 2007, Stichwort Dienstwagen, Rz 30). Dies ergibt sich zum einen daraus, dass nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG der Zuschlag den —nach der 1 %-Regelung ermittelten— „Wert in Satz 2” erhöht (Thomas, Deutsches Steuerrecht 1995, 1859, 1861). Auch der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG spricht für diese Auslegung. Danach ersetzt der Einzelnachweis den „Wert nach den Sätzen 2 und 3”. Für den Nachweis der Nutzungsverhältnisse durch das Fahrtenbuch werden zudem die „privaten Fahrten und [die]…Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte” den übrigen Fahrten gegenübergestellt.

Bei der privaten Nutzung des Dienstwagens kann dem Arbeitnehmer zur Vermeidung der pauschalen Ermittlung des geldwerten Vorteils nach der 1 %-Regelung die Führung eines Fahrtenbuchs zugemutet werden, da das Fahrtenbuch hier die einzige Möglichkeit darstellt, die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse nachzuweisen (vgl. , BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273, unter II. 4. c der Gründe). Im Gegensatz dazu ergibt sich die tatsächliche Nutzung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte —wie dargestellt— regelmäßig aus den für den pauschalen Werbungskostenabzug erforderlichen Angaben des Steuerpflichtigen. Ein Fahrtenbuch zum Nachweis der tatsächlichen Nutzung sieht § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. nicht vor. Die Notwendigkeit eines Fahrtenbuchs allein zur Vermeidung einer übermäßigen Besteuerung durch den Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG stellt damit —entgegen der Auffassung des FG— eine unzumutbare Härte dar (vgl. Söhn, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 4 Rz L 53).

3. Die geschilderte steuerrechtliche Behandlung beim Arbeitnehmer hat auch Konsequenzen für den Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber. Dieser hat dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Dienstwagen nur für eine Teilstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt wird. Denn der Umfang der tatsächlichen Nutzung des Dienstwagens betrifft die Höhe des dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Arbeitslohns, da er sich —wie dargestellt— unmittelbar auf die Bemessung des auf der Einnahmenseite anzusetzenden Zuschlags nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG auswirkt. Im Gegensatz dazu können die der Ausgabenseite zuzuordnenden eigenen Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Nutzung des Dienstwagens als Werbungskosten regelmäßig erst im Rahmen der Veranlagung des Arbeitnehmers geltend gemacht werden (vgl. zur Zuzahlung zu den Anschaffungskosten des Dienstwagens , zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2008, 284).

4. Die Vorentscheidung ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat —aus seiner Sicht zu Recht— keine Feststellungen dazu getroffen, ob H bei seinen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den Dienstwagen für die gesamte Entfernung oder —wie vom Kläger vorgetragen— nur für eine Teilstrecke genutzt hat. Im zweiten Rechtsgang wird das FG diese Feststellungen nachzuholen haben. Es wird hierbei zu beachten haben, dass der Anscheinsbeweis, der im Rahmen des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG für die Privatnutzung des Dienstwagens besteht (vgl. hierzu BFH-Urteile in BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; vom VI R 94/04, BFH/NV 2007, 1302), in gleicher Weise auch dafür spricht, dass der Dienstwagen für die gesamte Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt worden ist (vgl. , nicht veröffentlicht —n.v.—; , n.v.; Seifert in Korn, § 4 EStG Rz 1038). Der Anscheinsbeweis kann jedoch dadurch entkräftet werden, dass substantiierte Einwände vorgebracht werden, aus denen sich die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt (BFH-Urteil in BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116, m.w.N.). Im Hinblick auf die Fahrten des H zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist der Anscheinsbeweis im Streitfall bereits bei Vorlage einer auf H ausgestellten Jahres-Fahrkarte für die Bahnverbindung von X nach Y entkräftet. Auf ein vom Kläger für diese Teilstrecke ausgesprochenes Nutzungsverbot kommt es insoweit nicht an.

5. Bei dieser Sach- und Rechtslage braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die streitige Haftungsschuld —wie vom Kläger hilfsweise beantragt— dadurch zu mindern ist, dass Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. für die volle Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bereits im Haftungsverfahren zu berücksichtigen sind.

Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 890
BBK-Kurznachricht Nr. 15/2008 S. 773
BFH/NV 2008 S. 1240 Nr. 7
BFH/PR 2008 S. 376 Nr. 9
BStBl II 2008 S. 890 Nr. 19
DB 2008 S. 1356 Nr. 25
DStR 2008 S. 1182 Nr. 25
DStRE 2008 S. 853 Nr. 13
DStZ 2008 S. 465 Nr. 14
EStB 2008 S. 236 Nr. 7
FR 2008 S. 1119 Nr. 23
GmbHR 2008 S. 944 Nr. 17
HFR 2008 S. 925 Nr. 9
StB 2008 S. 270 Nr. 8
StBW 2008 S. 3 Nr. 13
StuB-Bilanzreport Nr. 12/2008 S. 487
GAAAC-81447