BFH Urteil v. - IV R 10/07 BStBl 2008 II S. 118

Verrechenbare Verlust nach § 15a EStG; vorgezogene Einlagen eines atypisch stillen Gesellschafters

Leitsatz

Auch Einlagen eines atypisch stillen Gesellschafters, die er zum Ausgleich seines negativen Kapitalkontos geleistet hat und die nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht wurden (sog. vorgezogene Einlagen), sind geeignet, die Verluste späterer Wirtschaftsjahre als ausgleichsfähig zu qualifizieren (Fortentwicklung der Rechtsprechung).

Gesetze: EStG § 15a

Instanzenzug: (EFG 2007, 1236) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) —Frau M.— betrieb ein Sonnenstudio, an dem der Beigeladene (Herr B.) nach dem Gesellschaftsvertrag vom als atypisch stiller Gesellschafter zu 50 v.H. beteiligt war. Ab wurde das Unternehmen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geführt; am vereinbarten die Gesellschafter die „Rückumwandlung” in eine stille Gesellschaft nach Maßgabe des Vertrags vom . Beide Umstrukturierungen ließen sowohl die bisherigen Buchwertansätze der Wirtschaftsgüter des Unternehmens als auch die Beteiligungsverhältnisse unberührt.

Der Beigeladene erbrachte im Jahr 2001 zum Ausgleich seines negativen Kapitalkontos eine Einlage in Höhe von 145 158,01 €; sein Verlustanteil belief sich auf 81 779,60 €, so dass sich zum ein positives Kapitalkonto in Höhe von 14 599,39 € ergab und der auf diesen Zeitpunkt nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festgestellte verrechenbare Verlust —unverändert— 38 026 € (= 74 373 DM) betrug.

Für das Jahr 2002 (Streitjahr) wurde dem Beigeladenen ein Verlustanteil in Höhe von 74 479 € zugerechnet. Unter Berücksichtigung seiner im Jahr 2002 erbrachten Einlagen (13 776 €)ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) mit dem im Zuge des Einspruchsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom von ausgleichsfähigen Verlusten in Höhe von 28 375,39 € aus (= 14 599,39 € [positives Kapitalkonto zum ] zuzüglich 13 776 € [Einlagen 2002]) und erhöhte dementsprechend den verrechenbaren Verlust zum auf 84 129,61 € (= 38 026 € [Feststellung zum ] zuzüglich 74 479 € [Verlustanteil 2002] abzüglich 28 375,39 € [ausgleichsfähiger Verlustanteil 2002]).

Das —auf das (BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359) gestützte— weitergehende Begehren, aufgrund der zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos im Jahr 2001 geleisteten Einlagen den gesamten Verlustanteil des Jahres 2002 als ausgleichsfähig anzuerkennen und deshalb den verrechenbaren Verlust auf den —wie zum Ende der Vorperiode— in Höhe von lediglich 38 026 € festzustellen, lehnte das FA mit Einspruchsentscheidung vom unter Bezugnahme auf das Nichtanwendungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom IV A 6 -S 2241a- 10/04 (BStBl I 2004, 463) ab.

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) schloss sich hierbei den Erwägungen des BFH-Urteils in BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359 an, nach denen Einlagen unter bestimmten Voraussetzungen für Zwecke der Prüfung des § 15a EStG einen sog. Korrekturposten vermitteln. Dies gelte nicht nur —wie vom BFH entschieden— für einen Kommanditisten, sondern gleichermaßen auch für einen atypisch stillen Gesellschafter. Die rechnerischen Auswirkungen dieser Beurteilung seien zwischen den Beteiligten nicht mehr umstritten (vgl. im Einzelnen Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2007, 1236).

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist nicht begründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. a) Der erkennende Senat hat sich mit Urteil vom IV R 28/06 (BFH/NV 2007, 1982) der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH (Urteil in BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359) angeschlossen, nach der Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet und im Wirtschaftsjahr der Einlage nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht werden, (grundsätzlich) zum Ansatz eines Korrekturpostens mit der weiteren Folge führen, dass —abweichend vom Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG— Verluste späterer Wirtschaftsjahre bis zum Verbrauch dieses Postens auch dann als ausgleichsfähig zu qualifizieren sind, wenn hierdurch (erneut) ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1982 Bezug genommen.

b) Zu Recht ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass diese Grundsätze auch für das anhängige Verfahren zum Tragen kommen, in dem —anders als in bisher entschiedenen Fällen— nicht die Feststellung des verrechenbaren Verlusts eines Kommanditisten, sondern diejenige eines atypisch stillen Gesellschafters (hier: Herr B.) im Streit ist.

aa) Dem steht nicht entgegen, dass die Ausgleichsfähigkeit der einem atypisch stillen Gesellschafter zugerechneten Verluste ausschließlich nach Maßgabe der Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG —Verlustausgleich aufgrund tatsächlich geleisteter Einlagen— zu bestimmen ist und mithin für ihn der Ausnahmetatbestand der sog. erweiterten Außenhaftung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG —Verlustausgleich aufgrund einer im Handelsregister eingetragenen Haftsumme (sog. überschießende Außenhaftung)— nicht zum Tragen kommt (vgl. § 15a Abs. 5 Nr. 1 EStG; dazu z.B. , BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226).

Zwar hat der erkennende Senat (Urteil in BFH/NV 2007, 1982) —ebenso wie zuvor der VIII. Senat (Urteil in BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359)— die Rechtfertigung für die Bildung des Korrekturpostens in systematischer Hinsicht auch darin gesehen, dass eine im Jahr 01 in das Handelsregister eingetragene Haftsummenerhöhung dem Kommanditisten auch in den nachfolgenden Perioden (z.B. im Wirtschaftsjahr 02) ausgleichsfähige Verluste gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG vermittele und deshalb für den Sachverhalt der vorgezogenen Einlage im Rahmen der Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nichts anderes gelten könne. Hieraus ist jedoch nicht abzuleiten, dass ein Korrekturposten für Einlagen eines Mitunternehmers, der von der Inanspruchnahme eines Verlustausgleichs aufgrund erweiterter Außenhaftung ausgeschlossen ist (hier: atypisch stiller Gesellschafter), nicht zu berücksichtigen sei. Eine solche Folgerung verbietet sich bereits deshalb, weil —wie im BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1982 ausgeführt— der aufgezeigte systematische Zusammenhang nicht darauf zielt, den der Ausnahmebestimmung des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zugrunde liegenden Rechtsgedanken zu verallgemeinern; vielmehr verdeutlicht er lediglich die gesetzliche Regelungslücke des Grundtatbestands (§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG: Verlustausgleich aufgrund tatsächlich geleisteter Einlagen), die die Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung durch Anerkennung eines außerbilanziellen Korrekturpostens geschlossen hat. Ein solcher Posten ist deshalb auch dann zu bilden, wenn für einen Mitunternehmer nur ein Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG in Betracht kommt (gl.A. Wacker, Der Betrieb —DB— 2004, 11, 12; Brandenberg, DB 2004, 1632, 1637; Ley, Kölner Steuerdialog —KÖSDI— 2004, 14374, 14381).

bb) Sind somit vorgezogene Einlagen eines stillen Gesellschafters grundsätzlich nach den für Kommanditisten geltenden Rechtsregeln anzusetzen, so hat die Vorinstanz zu Recht von Feststellungen dazu abgesehen, ob der Beigeladene (Herr B.) die Einlagen zum Ausgleich seines negativen Kapitalkontos im Jahre 2001 vor oder nach Abschluss der Vereinbarung vom über die „Rückumwandlung” der GbR in eine stille Gesellschaft erbracht hat.

Wechselt ein Komplementär während des Wirtschaftsjahres in die Rechtsstellung eines Kommanditisten, so ist die Verlustverwertungsbeschränkung des § 15a EStG für das gesamte Wirtschaftsjahr und damit für den dem Gesellschafter insgesamt zuzurechnenden Anteil am Verlust zu beachten (, BFHE 203, 484, BStBl II 2004, 118). Demgemäß unterstand auch der Beigeladene für das gesamte Wirtschaftsjahr 2001 der Regelung des § 15a EStG mit der weiteren Folge, dass nach den vorstehenden Darlegungen auch seine im Wirtschaftsjahr 2001 erbrachten Einlagen geeignet waren, einen Korrekturposten für die Vermittlung ausgleichsfähiger Verluste in den folgenden Wirtschaftsjahren (hier: Streitjahr = Wirtschaftsjahr 2002) zu begründen. Ob Gleiches dann gilt, wenn die GbR erst im Wirtschaftsjahr 2002 „umgewandelt” worden und damit § 15a EStG erst ab dieser Besteuerungsperiode (wieder) anzuwenden gewesen wäre, bedarf für das anhängige Verfahren keiner Entscheidung.

cc) Anderes ergibt sich nicht daraus, dass eine GbR nicht formwechselnd in eine stille Gesellschaft umgewandelt werden kann und es mithin —ebenso wie beim umgekehrten Vorgang (Umstrukturierung einer stillen Gesellschaft in eine GbR)— der Auflösung und Neugründung bedarf (Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., Einleitung vor § 105 Rz 27). Trotz fehlender zivilrechtlicher Identität ist zu beachten, dass einkommensteuerrechtlich die verschiedenen Rechtsformen einer Mitunternehmerschaft weitgehend gleich zu behandeln sind und deshalb auch der bloße Wechsel der Rechtsform einer durchgängig bestehenden Mitunternehmerschaft weder zu einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe noch zu einer Betriebsgründung führt (sog. einkommensteuerrechtlicher Formwechsel; , BFHE 159, 410, BStBl II 1990, 561; Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl., § 16 Rz 422; zu den umstrittenen Wahlrechten nach § 24 UmwStG siehe Widmann in Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz 117.1, m.w.N.). Hierauf aufbauend sind auch die Beteiligten des anhängigen Verfahrens zutreffend davon ausgegangen, dass weder die Gründung der GbR im Jahre 2000 noch deren „Rückumwandlung” in eine stille Gesellschaft im Jahre 2001 die Fortführung der bisherigen Buchwertansätze in Frage stellte. Folge hiervon ist des Weiteren, dass auch die vom Beigeladenen vor Gründung der stillen Gesellschaft im Jahre 2001 —und damit in das Gesamthandsvermögen der GbR— erbrachten Einlagen nicht im Rahmen einer für die GbR vorzunehmenden Schlussbesteuerung (vgl. hierzu allgemein Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15a Rz 243), sondern vielmehr —nach vollzogenem Rechtsformwechsel— bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG sowohl zum als auch zum Ende der folgenden Wirtschaftsjahre zu berücksichtigen sind. Der Senat kann somit offenlassen, ob die nämliche rechtliche Würdigung (kein Ansatz eines Betriebsaufgabe- oder Veräußerungsgewinns aufgrund der Umstrukturierung) sich bereits daraus ergibt, dass dem bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid 2001 lediglich ein laufender Verlust zugrunde liegt, dieser Bescheid Bindungswirkung für die Feststellung des verrechenbaren Verlusts zum (dazu , BFHE 214, 239) und damit mittelbar gemäß § 15a Abs. 4 Sätze 2 und 4 EStG auch für dessen Feststellung zum entfaltet (vgl. zur grundsätzlichen Beschränkung der Bindungswirkung von Gewinnfeststellungsbescheiden auf das nämliche Wirtschaftsjahr , BFHE 116, 455, BStBl II 1975, 866, und vom VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532).

2. Die Sache ist spruchreif. Zwischen den Beteiligten ist nicht mehr streitig, dass nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen für den Beigeladenen zum ein Korrekturposten in Höhe von 48 779,02 € anzusetzen ist und somit der ihm für das Jahr 2002 (Streitjahr) zugerechnete Verlustanteil (74 479 €) —unter Berücksichtigung seines positiven Kapitals zum (14 599,39 €) sowie der im Wirtschaftsjahr 2002 geleisteten Einlagen (13 776 €)— insgesamt ausgleichsfähig ist. Das FG hat demnach zu Recht der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 118
BB 2008 S. 370 Nr. 8
BStBl II 2008 S. 118 Nr. 4
DB 2008 S. 99 Nr. 3
DStRE 2008 S. 153 Nr. 3
DStZ 2008 S. 56 Nr. 3
EStB 2008 S. 6 Nr. 1
FR 2008 S. 273 Nr. 6
HFR 2008 S. 241 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15850 Nr. 1
KÖSDI 2008 S. 15928 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2007 S. 4592
SJ 2008 S. 7 Nr. 4
StB 2008 S. 2 Nr. 1
StBW 2007 S. 2 Nr. 26
StBp. 2010 S. 142 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 24/2007 S. 952
WPg 2008 S. 83 Nr. 2
OAAAC-65402