BFH Urteil v. - V R 56/04 BStBl 2007 II S. 676

Höhe der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der unentgeltlichen privaten Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes

Leitsatz

Die Neuregelung der Bemessungsgrundlage in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999 durch das EURLUmsG vom (BGBl I 2004, 3310) gilt mit Wirkung vom . Soweit sich das zuvor erlassene (BStBl I 2004, 468) als „Interpretation” des bisherigen Kostenbegriffs in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999 a.F. Rückwirkung auf davor liegende „offene” Besteuerungszeiträume beilegt, gibt es dafür keine Rechtsgrundlage.

Gesetze: UStG 1999 § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2Richtlinie 77/388/EWG Art. 6 Abs. 2 und Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c

Instanzenzug: (EFG 2005, 72) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der unentgeltlichen privaten Nutzung eines dem Unternehmen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) zugeordneten Gebäudes.

Die Klägerin errichtete im Jahr 2001 (Streitjahr) in einem Gewerbegebiet ein Einfamilienhaus für insgesamt 249 855,31 DM; in einem Teilbetrag in Höhe von 245 933,31 DM waren Umsatzsteuerbeträge von 33 921,84 DM enthalten. Teile des Hauses —ein Büroraum, ein Lagerraum und eine dahinter liegende Garage— sind seit dem an ein Bauunternehmen gewerblich vermietet. Der Mieter hat sich im „Gewerberaummietvertrag” verpflichtet, die gemieteten Räume ausschließlich zur Ausführung umsatzsteuerpflichtiger Umsätze zu verwenden. Im Übrigen wird das Haus von der Klägerin zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Von der Gesamtnutzfläche entfallen 29,66 v.H. auf die gewerbliche Vermietung und 70,34 v.H. auf die Nutzung zu privaten Wohnzwecken.

Die Klägerin ordnete das Gebäude insgesamt ihrem Unternehmen zu und machte in ihrer Umsatzsteuererklärung für 2001 die gesamten Vorsteuerbeträge von 33 921,84 DM geltend. Den privaten Nutzungsanteil versteuerte sie nach § 3 Abs. 9a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999, wobei sie für die Ermittlung der Kosten i.S. des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG aus dem Betrag von 245 933,31 DM eine Abschreibung nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit 2 v.H. = 4 918,67 DM, im Streitjahr für zwei Monate, d.h. 2/12 = 819,78 DM zugrunde legte; diesen Betrag teilte sie zunächst nach Mietwerten auf und ermittelte eine Bemessungsgrundlage von 360,70 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) legte der Besteuerung den beantragten Vorsteuerabzug zugrunde, ermittelte jedoch die Bemessungsgrundlage für die private Gebäudenutzung unter Verteilung des Betrages von 245 933,31 DM auf zehn Jahre, d.h. 24 593,33 DM für zwei Monate = 4 098,88 DM, teilte diesen Betrag schließlich nach Nutzflächen auf und setzte eine Bemessungsgrundlage mit 70,34 v.H. von 4 098,88 DM = 2 883,15 DM an. Das FA war entsprechend den Anweisungen im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom IV B 7 -7206- 3/04 (BStBl I 2004, 468) der Auffassung, die Verteilung der vorsteuerbelasteten Herstellungskosten müsse sich am Berichtigungszeitraum des § 15a UStG 1999 von 10 Jahren orientieren; nur so könne im Interesse der steuerlichen Neutralität der vorgenommene Vorsteuerabzug wirksam ausgeglichen werden, während die ertragsteuerrechtliche Verteilung auf den Zeitraum des wirtschaftlichen Wertverzehrs des Gebäudes von 50 Jahren hierfür nicht geeignet sei.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 72 abgedruckten Urteil der Klage statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe seien die maßgeblichen Herstellungskosten auf die Dauer des Wertverzehrs des Gebäudes von 50 Jahren zu verteilen. Dies sei bis zum Ergehen des BMF-Schreibens in BStBl I 2004, 468 einhellige Meinung gewesen (Hinweis auf Abschn. 155 Abs. 2 Satz 2 der Umsatzsteuer-RichtlinienUStR— 2000).

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA unzutreffende Auslegung des Kostenbegriffs in § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1999; dieser „müsse” anhand von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c sowie Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) aus Gründen der Neutralität der Mehrwertsteuer so ausgelegt werden, dass eine Nichtbesteuerung privaten Endverbrauchs ausgeschlossen sei. Deshalb müsse eine vollständige Kompensation des ursprünglichen Vorsteuerabzugs während des zehnjährigen Berichtigungszeitraumes des § 15a UStG 1999 erfolgen, soweit eine nichtunternehmerische Nutzung vorliege.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

Mit Zustimmung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom die Verhandlung bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsersuchens des (EFG 2005, 649) an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) Rs. C-72/05, Wollny ausgesetzt. Nach Ergehen der Entscheidung des (BFH/NV Beilage 2007, 66) nahm der Senat das Revisionsverfahren wieder auf und wies die Beteiligten mit Schreiben vom auf die Problematik der rückwirkenden Anwendung einer geänderten Verwaltungspraxis hin.

Das BMF ist dem Verfahren beigetreten. Es entnimmt der Vorabentscheidung des EuGH in der Rechtssache Wollny, dass der Finanzverwaltung bei der Auslegung des Begriffs „Kosten” ein gewisser Entscheidungsspielraum zustehe, den diese auch wahrgenommen habe. Ein Vertrauen der Klägerin auf die Beibehaltung der bis dahin existierenden Verwaltungsmeinung auf ihren Fall sei nicht schutzwürdig. Es verstoße gegen das Verbot des venire contra factum proprium (sich in Widerspruch zum eigenen Verhalten setzen), wenn sie —die Klägerin— sich einerseits auf die sie begünstigende Konsequenz (der Seeling-Rechtsprechung) berufe, ohne andererseits die für sie negativen Folgen tragen zu wollen.

Die Finanzverwaltung wende höchstrichterliche Rechtsprechung, die der bisherigen Verwaltungsmeinung widerspreche, grundsätzlich erst an, wenn diese im BStBl veröffentlicht und damit eine neue Verwaltungsanweisung begründet werde. Dies sei auch bei den Seeling-Urteilen des EuGH und des Bundesfinanzhofs (BFH) der Fall gewesen. Bis zu deren Veröffentlichung im BStBl II 2004, 371 und 378 am habe ein Steuerpflichtiger nicht darauf vertrauen können, dass die Finanzverwaltung ohne weitere Kommentierung die Seeling-Rechtsprechung übernehme.

Durch diese Rechtsprechung habe sich eine Ungleichbehandlung von Nichtunternehmern und Unternehmern in erheblichem Ausmaß ergeben. Unternehmer hätten durch die Zuordnungsgestaltung von gemischt genutzten Gebäuden zum Unternehmen einen ganz erheblichen Liquiditätsvorteil und die Möglichkeit unversteuerten Letztverbrauchs erreichen können. Für die differenzierte Auslegung des Begriffs „Kosten” durch das bestehe daher ein sachlicher Rechtfertigungsgrund.

Ferner sei es zulässig, dass die Finanzverwaltung —anders als der Gesetzgeber— diese neue Interpretation auch auf Fälle anwende, die Besteuerungszeiträume vor dem beträfen. Der Gesetzgeber habe eine weitergehende Rückwirkung als zu diesem Stichtag sowohl für nicht zwingend als auch für zu weitgehend erachtet, zumal für die Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe von Gebäuden bereits mit dem eine Regelung existiert habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass im Wege der Gesetzgebung eine entsprechend dem BMF-Schreiben vorgenommene differenzierte Auslegung bzw. Statuierung des Begriffs „Kosten” bzw. „Ausgaben” wohl nicht besonders praktikabel gewesen wäre.

Im Übrigen habe der Gesetzgeber das BMF-Schreiben in die Gesetzesregelung „aufgenommen”.

II.

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Für das Streitjahr 2001 sind die Kosten der unentgeltlichen Verwendung zum privaten Bedarf des dem Unternehmen der Klägerin zugeordneten Gebäudes, das zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt hat, unter Verteilung der maßgeblichen Herstellungskosten auf 50 Jahre zu ermitteln (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG 1999).

Die Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999 durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz (EURLUmsG) vom (BGBl I 2004, 3310) mit Wirkung vom (vgl. Art. 22 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Nr. 7 EURLUmsG) entfaltet für Zeiträume davor keine Wirkung. Dies schließt es aus, dass die Finanzverwaltung die Rückwirkung für vor diesem Zeitpunkt () liegende Zeiträume durch Verwaltungsanweisung anordnet.

1. Nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG 1999 ist einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen. Diese Voraussetzungen liegen unstreitig vor: Die Klägerin hat —rechtlich zulässig— das Einfamilienhaus, das nur teilweise unternehmerisch verwendet wird, in vollem Umfang ihrem Unternehmen zugeordnet und den vollen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen (vgl. , BFHE 203, 206, BStBl II 2004, 371 —Nachfolgeentscheidung zum , Seeling, Slg. 2003, I-04101, BStBl II 2004, 378). Mit der teilweisen Nutzung des Gebäudes für private Wohnzwecke verwendet die Klägerin das Gebäude für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens —der gewerblichen Vermietung— liegen.

2. Dieser Umsatz wird nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999 bemessen nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben; nach Satz 2 der Vorschrift gehört die Umsatzsteuer nicht zur Bemessungsgrundlage.

Streitig ist hier allein die Frage nach den entstandenen Kosten für die Nutzung des Gebäudes zu privaten Wohnzwecken, soweit sie auf die Herstellungskosten entfallen, die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben; das ist im Streitfall der Betrag von 245 933,31 DM abzüglich der hierin enthaltenen Umsatzsteuer in Höhe von 33 921,84 DM, die als Vorsteuer abgezogen wurde, also 212 011,47 DM.

Nach der Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs der „Kosten” i.S. des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999 (z.B. , BFHE 182, 395, BStBl II 1997, 374; vom X R 8/80, BFHE 154, 255, BStBl II 1988, 1012; vom XI R 82/92, BFH/NV 1995, 645), der auch die Literatur (vgl. z.B. Schuhmann in Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz, § 10 Rz 539; Handzik in Offerhaus/Söhn/Lange, § 10 UStG Rz 186) und die Verwaltung folgten (vgl. Abschn. 155 Abs. 2 Satz 2 UStR), ist grundsätzlich von den bei der Einkommensteuer zugrunde gelegten Kosten auszugehen, d.h. bezüglich der Herstellungskosten von einer jährlichen Abschreibung nach § 7 Abs. 4 EStG in Höhe von 2 v.H. Danach berechnen sich die Kosten wie folgt: 2 v.H. von 212 011,47 DM = 4 240,23 DM, im Streitjahr für zwei Monate, d.h. 2/12 = 706,70 DM. Dieser Betrag ist auf die unternehmerische und die nichtunternehmerische Verwendung aufzuteilen; dafür haben die Beteiligten inzwischen einvernehmlich das Verhältnis nach den Nutzflächen zugrunde gelegt, so dass auf die nichtunternehmerische Verwendung ein Anteil von 70,34 v.H. = 497,10 DM entfällt. Dies ist die Bemessungsgrundlage des Umsatzes für die sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 2 UStG 1999. Daraus ergäbe sich zwar eine geringfügig niedrigere Festsetzung der Umsatzsteuer für 2001 als sie das FG vorgenommen hat, weil das FG den Brutto- und nicht den Nettobetrag der Kosten angesetzt hat; da die Klägerin aber selbst nicht Revision eingelegt hat, sondern nur das FA, darf der Senat nicht über den Revisionsantrag des FA hinaus dessen Rechtsposition verschlechtern (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 121 Rz 1, mit Nachweisen).

a) Zwar hat der EuGH in seinem Urteil in BFH/NV Beilage 2007, 66 die gesetzliche Neuregelung in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999 i.d.F. des EURLUmsG, wonach mit Wirkung vom (vgl. Art. 22 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Nr. 7 EURLUmsG) der Umsatz für die sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG 1999 nach den Ausgaben bemessen wird und die Herstellungskosten gleichmäßig auf den für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG 1999 zu verteilen sind, als mit Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c, Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar angesehen. Die Antwort des EuGH auf die Vorlagefrage lautet insoweit:

„Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom . in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Festsetzung der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung eines Teils eines Gebäudes, das der Steuerpflichtige in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordnet hat, auf einen Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes, der sich nach dem gemäß Artikel 20 dieser Richtlinie vorgesehenen Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge bestimmt, nicht entgegensteht.”

Der EuGH betont jedoch, dass diese Definition nicht zwingend aus der Richtlinie 77/388/EWG folge, die Mitgliedstaaten vielmehr zur Bestimmung dieser Grundsätze über einen gewissen Ermessensspielraum verfügten, vorausgesetzt, dass sie den Sinn und Zweck der fraglichen Vorschrift und ihrer Stellung im Gefüge der Richtlinie 77/388/EWG nicht verkennen (Rn. 28 des Urteils).

Vielmehr war nach den Ausführungen des EuGH in Rn. 41, 42 des Urteils —unter Hinweis auf sein Enkler-Urteil vom C-230/94 (Slg. 1996, I-4517)— die (bisherige) Anknüpfung an „die Abschreibungen für die Abnutzung des Gegenstands” eine mit der Zielsetzung des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbare Auslegung des Begriffs der Ausgaben.

Daraus folgt aber, dass auch die Praxis der Anknüpfung an die ertragsteuerrechtlichen Kosten bis zum mit der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar war (s. auch Widmann, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2006, 644) und der Begriff der Kosten i.S. des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999 nicht zwingend im Sinne der gesetzlichen Neuregelung auszulegen war.

Zudem verweist der EuGH im Urteil Wollny (Rn. 46) auf seine Ausführungen im Urteil Seeling (vgl. BStBl II 2004, 378 Rn. 54):

„Wenn die Tatsache, dass der Steuerpflichtige ein Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und somit die für die gesamten Herstellungskosten geschuldeten Vorsteuerbeträge abziehen kann, zur Folge haben kann, dass ein Letztverbrauch nicht versteuert wird, weil bei dem in Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Berichtigungszeitraum der Vorsteuerabzug, der im Zeitpunkt der Herstellung eines Gebäudes erfolgt, nur teilweise korrigiert werden kann, so ist dies das Ergebnis einer bewussten Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers und kann nicht dazu führen, dass eine weite Auslegung des Artikels 13 Teil B Buchstabe b dieser Richtlinie geboten wäre.”

Diese „bewusste Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers” nahm somit auch die bisherige Bestimmung der „Ausgaben” in Kauf.

b) Mit der Änderung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG durch das EURLUmsG nahm der Gesetzgeber nicht nur eine begriffliche Änderung vor: Statt des seit dem UStG 1967 verwendeten national-rechtlichen Begriffs der „Kosten”, der durch den ertragsteuerrechtlichen Inhalt geprägt war, übernahm er den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Begriff „Ausgaben” aus Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG. Die Neuregelung enthält vielmehr auch eine materielle Änderung der Bemessungsgrundlage. Diese wird in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 UStG 2005 abweichend von der bisherigen Rechtsprechung zum Kostenbegriff und seiner einhelligen Handhabung durch die Praxis von den ertragsteuerrechtlichen Abschreibungsvorschriften entkoppelt; es wird eine Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts (von mehr als 500 €) auf den Zeitraum angeordnet, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG entspricht. Der ausführlichen Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 15/3677, S. 40) lässt sich entnehmen, dass dem Gesetzgeber bewusst war, dass er eine materielle Änderung vornimmt und nicht nur eine klarstellende Anpassung.

Der Gesetzgeber hat für diese Gesetzesänderung nur eine Rückwirkung zum angeordnet. Die Ansicht des BMF, der Gesetzgeber habe eine weitergehende Rückwirkung sowohl für nicht erforderlich als auch für zu weitgehend erachtet, zumal für die Besteuerung der unentgeltlichen Verwendung von Gebäuden bereits mit dem eine Regelung existiert habe, ist mit der eindeutigen gesetzlichen Rückwirkungsbestimmung unvereinbar.

c) Schon aus diesen Gründen kann eine Rückwirkung auf noch „offene” Umsatzsteuerfestsetzungen gemäß dem BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 468 nicht mit einer lediglich geänderten Auslegung des Kostenbegriffs begründet werden. Abgesehen davon, dass hierdurch nicht die dazu vorliegende Rechtsprechung des BFH beseitigt wird, vermag das BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 468 auch die bisherige Verwaltungsübung nicht außer Kraft zu setzen.

Das BMF kann die Zulässigkeit der Rückwirkung seiner im Schreiben vom auf noch „offene” Steuerfestsetzungen früherer Besteuerungszeiträume auch nicht mit Erfolg auf die Begründung stützen, ein Vertrauen der Klägerin auf die Beibehaltung der bis dahin existierenden Verwaltungsmeinung sei nicht schutzwürdig gewesen, ihr Anspruch verstoße gegen das Verbot des venire contra factum proprium.

Vielmehr stützt sich die Klägerin auf eine rechtmäßige, wenn auch der gesetzlichen Zielsetzung nicht förderliche rechtliche Ausgangslage, die sich durch die Aufdeckung nationaler Umsetzungsmängel durch die EuGH-Rechtsprechung ergeben hatte.

d) Die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Seeling in BStBl II 2004, 378 und ihr nachfolgend des BFH in BFHE 203, 206, BStBl II 2004, 371 interpretiert die bereits anfängliche bestehende Rechtslage zur Zuordnung nur teilweise unternehmerisch verwendeter Grundstücke zum Unternehmen und dem daraus resultierenden „Eigenverbrauch” und dessen Wirkung auf den Vorsteuerabzug; als Auslegung des Gemeinschaftsrechts gilt sie daher auch rückwirkend.

In der Rechtssache Wollny in BFH/NV Beilage 2007, 66 hat der EuGH klargestellt, dass daraus keine rechtlich zwingende Verknüpfung mit der Höhe der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der nichtunternehmerischen Verwendung solcher Gegenstände folgt, diese vielmehr vom nationalen Gesetzgeber unterschiedlich gestaltet werden kann. Auf den Aspekt einer sachlogischen inneren Abhängigkeit von der Seeling-Rechtsprechung kann eine Rückwirkung der nachfolgenden Änderung der Verwaltungspraxis zur Bemessungsgrundlage nicht gestützt werden. Anders als im Fall des (BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907) gibt die Richtlinie 77/388/EWG hier keine eindeutige Regelung vor; außerdem handelte es sich in diesem Fall um eine gesetzlich angeordnete Rückwirkung zur Schließung einer offenkundigen Lücke und nicht um eine rückwirkende Verwaltungsanweisung. Der nationale Gesetzgeber hat eine gesetzliche Änderung erst mit Wirkung vom vorgenommen; auch deshalb kann die vorangehende Verwaltungsauffassung nicht mit Wirkung für einen früheren Zeitpunkt geändert werden (vgl. auch , BFH/NV 2003, 874, wonach eine rückwirkende steuererhöhende Anwendung einer neuen gesetzlichen Vorschrift durch Auslegung des bisherigen Gesetzes im Sinne der Neuregelung nicht für Zeiträume erfolgen darf, für die der Gesetzgeber keine Rückwirkung angeordnet hat).

Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 676
BB 2007 S. 1435 Nr. 26
BB 2007 S. 1541 Nr. 28
BBK-Kurznachricht Nr. 13/2007 S. 691
BStBl II 2007 S. 676 Nr. 14
DB 2007 S. 1390 Nr. 25
DStR 2007 S. 1079 Nr. 25
DStRE 2007 S. 866 Nr. 13
DStZ 2007 S. 434 Nr. 14
HFR 2007 S. 882 Nr. 9
KÖSDI 2007 S. 15620 Nr. 7
StB 2007 S. 285 Nr. 8
StBW 2007 S. 5 Nr. 13
StuB-Bilanzreport Nr. 13/2007 S. 520
UR 2007 S. 650 Nr. 17
UStB 2007 S. 215 Nr. 8
UVR 2007 S. 197 Nr. 7
DAAAC-47292