BFH Urteil v. - II R 20/05

Anrechnung von Schenkungsteuer für Vorerwerbe bei zwischenzeitlicher Erhöhung der Freibeträge

Leitsatz

Sind in der Zeit zwischen dem Vorerwerb und dem Letzterwerb die persönlichen Freibeträge erhöht worden, ist bei der Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abzuziehenden fiktiven Steuer der Freibetrag abweichend vom Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nicht auf der Grundlage der zur Zeit des letzten Erwerbs geltenden Vorschriften anzusetzen. Vielmehr ist der Freibetrag bei der Ermittlung des Anrechnungsbetrags nur in der Höhe abzuziehen, in der ihn der Steuerpflichtige innerhalb von zehn Jahren vor dem letzten Erwerb tatsächlich für Erwerbe von derselben Person verbraucht hat. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Kette der Vorerwerbe über den Zehnjahreszeitraum hinaus reicht, sondern auch, wenn sämtliche Erwerbe innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Letzterwerb stattgefunden haben.

Gesetze: ErbStG § 14 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte gegen den Kläger und Revisionskläger (Kläger) zuletzt mit Bescheid vom die Erbschaftsteuer für den Erwerb von Todes wegen nach seinem im Jahr 1998 verstorbenen Vater unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 2 805 397 DM fest. Bei der Berechnung der Steuer berücksichtigte das FA Vorerwerbe aus den Jahren 1993 und 1995. Für den letztgenannten Vorerwerb, die Übertragung eines Kommanditanteils an der X-KG im Wege vorweggenommener Erbfolge, gewährte es den Freibetrag nach § 13 Abs. 2a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für die Jahre 1994 und 1995 geltenden Fassung (ErbStG a.F.). Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde am aufgehoben.

Mit dem hier angefochtenen, auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid vom erhöhte das FA die Erbschaftsteuer auf 2 937 264 DM. Grund der Änderung war die Versagung des Freibetrags für den Vorerwerb des Kommanditanteils, weil dem FA bekannt geworden war, dass die X-KG ihr Betriebsgrundstück zwei Monate nach dem Übergang des Anteils auf den Kläger an eine andere Gesellschaft übertragen hatte.

Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) für den Vorerwerb eine höhere fiktive Steuer anrechnete. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrags seien entfallen, weil der Kläger eine wesentliche Betriebsgrundlage veräußert habe. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1138 abgedruckt.

Das FG ermittelte die Steuer wie folgt:


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Erbanteil (1998)
 
  12 091 067 DM
zzgl. Vorerwerbe
 
 
- Anteil an der X-KG ohne   Freibetrag (1995)
     2 087 278 DM
 
- Anteil an der X-GmbH (1995)
       9 350 DM
 
- weiterer Vorerwerb aus 1993
      62 790 DM
   2 159 418 DM
Erwerb insgesamt
 
  14 250 485 DM
abzgl. Freibetrag § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG
 
  ./.  400 000 DM
steuerpflichtiger Erwerb
 
  13 850 485 DM
Abrundung
 
  13 850 400 DM
Erbschaftsteuer 23 %
 
   3 185 592 DM
abzgl. fiktiver Steueranrechnungsbetraf für Vorerwerbe
 
   


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- Vorerwerbe insgesamt
   2 159 418 DM
 
- abzgl. Freibetrag   (Rechtslage 1998)
  ./.  400 000 DM
 
- steuerpflichtiger Erwerb
   1 759 418 DM
 
- abgerundet
   1 759 400 DM
 
- Schenkungsteuer 19 %   (Rechtslage 1998)
 
  ./.  334 286 DM
festgesetzte Erbschaftsteuer
 
   2 851 306 DM

Mit seiner Revision vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, die Voraussetzungen für einen Wegfall des Freibetrags nach § 13 Abs. 2a Sätze 3 und 4 ErbStG a.F. lägen nicht vor.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil sowie den Erbschaftsteuer-Änderungsbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt —aus anderen als den geltend gemachten Gründen— zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils, des angefochtenen Änderungsbescheids und der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Das FG hat bei seiner Entscheidung das (BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728) noch nicht berücksichtigen können. Bei Anwendung der darin enthaltenen Grundsätze auf den Streitfall ergibt sich ein Steuerbetrag, der denjenigen Betrag, der vor dem angefochtenen Änderungsbescheid festgesetzt war, noch unterschreitet. Die Revision hat daher schon aus diesem Grund Erfolg, ohne dass es auf die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen ankommt.

Um den persönlichen Freibetrag, der dem Steuerpflichtigen zusteht, auch dann tatsächlich wirksam werden zu lassen, wenn in der Zeit zwischen dem Vorerwerb und dem Letzterwerb die persönlichen Freibeträge erhöht worden sind, ist in solchen Fällen bei der Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abzuziehenden fiktiven Steuer der Freibetrag abweichend vom Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nicht auf der Grundlage der zur Zeit des letzten Erwerbs geltenden Vorschriften anzusetzen. Vielmehr ist der Freibetrag bei der Ermittlung des Anrechnungsbetrags nur in der Höhe abzuziehen, in der ihn der Steuerpflichtige innerhalb von zehn Jahren vor dem letzten Erwerb tatsächlich für Erwerbe von derselben Person verbraucht hat (BFH-Urteil in BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728, unter II.1.a am Ende).

Dies gilt nicht nur dann, wenn die Kette der Vorerwerbe über den Zehn-Jahres-Zeitraum hinaus reicht (so der Sachverhalt im BFH-Urteil in BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728), sondern auch, wenn sämtliche Erwerbe innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Letzterwerb stattgefunden haben.

2. Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall bei der Ermittlung der anzurechnenden Steuer ein Freibetrag nur in der tatsächlich verbrauchten Höhe von 90 000 DM abzuziehen. Die Erbschaftsteuer ergibt sich —auf der Grundlage der Rechtsauffassung des FA zum Wegfall des Freibetrags nach § 13 Abs. 2a ErbStG a.F.— wie folgt:


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Erbschaftsteuer 23 % (wie bisher)
 
     3 185 592 DM
abzgl. fiktiver Steueranrechnungsbetrag für Vorerwerbe
 
     
- Vorerwerbe insgesamt
   2 159 418 DM
 
- abzgl. Freibetrag   (Rechtslage 1995)
  ./.   90 000 DM
   
- steuerpflichtiger Erwerb
   2 069 418 DM
 
- abgerundet
   2 069 400 DM
 
- Schenkungsteuer 19 %   (Rechtslage 1998)
 
  ./.  393 186 DM
festzusetzende Erbschaftsteuer
 
   2 792 406 DM

Danach ist der angefochtene Änderungsbescheid entsprechend dem Revisionsantrag des Klägers aufzuheben, weil auch die bestandskräftige Festsetzung in dem dadurch wieder auflebenden vorangehenden Bescheid vom mit 2 805 397 DM noch höher ist als die Steuer, die sich ergibt, wenn einerseits —mit dem FA— unterstellt wird, dass der Freibetrag nach § 13 Abs. 2a ErbStG a.F. weggefallen ist, andererseits aber die Vorschrift des § 14 ErbStG zutreffend angewendet wird.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2260 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 45/2006 S. 3789
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2007 S. 13
PAAAC-17979