BFH Urteil v. - X R 6/06

Keine Kürzung des Vorwegabzugs bei geringfügig beschäftigten Altersrentnern

Leitsatz

Der aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis herrührende Arbeitslohn eines Beschäftigten, der eine Vollrente wegen Alters bezieht, ist in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG nicht einzubeziehen. Die vom Arbeitgeber des Beschäftigten nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zur Kranken- und Rentenversicherung zu erbringenden Beiträge dienen nicht der Zukunftssicherung des Beschäftigten, weil den Beziehern einer Altersrente aus derartigen Beitragszahlungen keine zusätzlichen Leistungsansprüche erwachsen können. Dass die Beiträge zur Rentenversicherung diesem Personenkreis mittelbar zugute kommen, reicht für die Kürzung des Vorwegabzugs nicht aus.

Gesetze: EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2, EStG § 3 Nr. 62

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die als Eheleute zur Einkommensteuer zusammenveranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezogen im Streitjahr 2000 jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin bezog zudem sonstige Einkünfte in Form einer Altersrente. Auf den Arbeitslohn der Klägerin in Höhe von 6 612 DM wurden Sozialversicherungsbeiträge in pauschalierter Form erhoben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) kürzte bei der Einkommensteuerfestsetzung den gemeinsamen Vorwegabzug um 16 v.H. des zusammengerechneten Bruttoarbeitslohns beider Kläger.

Gegen die Einbeziehung des Arbeitslohns der Klägerin in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung erhoben die Kläger Einspruch. Sie verwiesen darauf, dass das geringfügige Beschäftigungsverhältnis der Klägerin sozialversicherungsfrei gewesen sei. Soweit der Arbeitgeber aufgrund sozialrechtlicher Vorschriften Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung entrichtet habe, seien diese nicht für die Zukunftssicherung der Klägerin erbracht worden. Da die Klägerin bereits eine Vollrente (§ 42 Abs. 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch —SGB VI—) bezogen habe, könnten ihr die pauschalierten Rentenversicherungsbeiträge nicht einmal in Gestalt eines Zuschlags an Entgeltpunkten (§ 76b SGB VI) persönlich zugute kommen.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die pauschalierten Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung seien nach § 3 Nr. 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei. Bei ihnen handele es sich um —zur Kürzung des Vorwegabzugs führende— Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG (in der bis zum Veranlagungszeitraum 2004 geltenden Fassung —a.F.—), weil der Rentenanspruch der Klägerin durch die Beitragszahlungen gesichert worden sei. Es reiche aus, dass die Ausgaben dem Arbeitnehmer in irgendeiner Weise zugute kommen könnten. Das sei zumindest dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer ein potentieller Anwärter oder —wie im Streitfall— bereits ein Bezieher von Leistungen aus dem Versicherungssystem sei. Die Klägerin habe als Rentenempfängerin mittelbar von den Leistungen ihres Arbeitgebers an die Rentenversicherungskasse profitiert. Dadurch unterscheide sich der Streitfall von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des (BFHE 203, 33, BStBl II 2004, 6) zugrunde gelegen habe.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Bei den Beitragsleistungen handele es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung um eine arbeitsmarktpolitische Sonderabgabe zur Gleichstellung der Arbeitskosten und die Klägerin habe aus ihnen bereits dem Grunde nach keine Zukunftssicherung erlangt.

Die Kläger beantragen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin gehend zu ändern, dass der verbleibende Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen um 16 v.H. von 6 612 DM erhöht und die Einkommensteuer entsprechend ermäßigt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Auch wenn der Arbeitgeberbeitrag den eigenen Rentenanspruch der Klägerin nicht erhöht habe, so habe die Klägerin doch insofern einen Nutzen gehabt, als der Beitrag der Finanzierung und der Stärkung der Solidargemeinschaft gedient und damit die Auszahlung der eigenen Rente mit abgesichert habe.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Der aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis herrührende Arbeitslohn der Klägerin ist in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs nicht einzubeziehen. Die pauschalen Arbeitgeberbeiträge zur Kranken- und zur Rentenversicherung sind keine Leistungen „für die Zukunftssicherung” der Klägerin i.S. des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. i.V.m. § 3 Nr. 62 EStG.

1. Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG a.F. steht zusammenveranlagten Ehegatten für so genannte Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 EStG) als Höchstbetrag ein Vorwegabzug von 12 000 DM (im Streitjahr; später: 6 136 €) zu. Der Vorwegabzug ist gemäß Satz 2 Buchst. a dieser Vorschrift um 16 v.H. der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG —ohne Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG— zu kürzen, wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht werden; gleiches gilt, wenn der Steuerpflichtige —im Streitfall nicht einschlägig— zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört.

Nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers steuerfrei, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist.

2. Da aufgrund der Höhe des Arbeitsentgelts und des Beschäftigungsumfangs die Voraussetzungen für eine geringfügige Beschäftigung i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV), hier i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom (BGBl I 1999, 388, BStBl I 1999, 302), erfüllt waren, hatte der Arbeitgeber der Klägerin zwar nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einen Beitrag sowohl zur Krankenversicherung als auch zur Rentenversicherung aufzubringen. Indessen dienten die erbrachten Ausgaben nicht der Zukunftssicherung der Klägerin, weil jedenfalls den Beziehern einer Altersrente aus derartigen Beitragszahlungen keine zusätzlichen Leistungsansprüche erwachsen können. Dass die Beiträge zur Rentenversicherung diesem Personenkreis mittelbar zugute kommen, reicht für die Kürzung des Vorwegabzugs entgegen der Ansicht des FG nicht aus.

a) Zur gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt die durch das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse mit Wirkung zum neu eingefügte Vorschrift des § 249b Satz 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V), dass der Arbeitgeber einer Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV für Versicherte, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei oder nicht versicherungspflichtig sind, einen Beitrag in Höhe von 10 v.H. des Arbeitsentgelts dieser Beschäftigung zu tragen hat.

Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und aus den sie betreffenden Gesetzesmaterialien ergibt, eröffnet die Beitragszahlung des Arbeitgebers in keinem einzigen von der Neuregelung erfassten Fall einen eigenständigen Leistungsanspruch des Arbeitnehmers. Denn die Beitragspflicht nach § 249b SGB V bezieht sich nicht auf das Beschäftigungsverhältnis als solches, sondern nur auf „Versicherte”. Damit gemeint sind nur solche geringfügig Beschäftigten, die bereits in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind und die daher aus anderen Rechtsgründen Anspruch auf die Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung haben (BTDrucks 14/441, S. 32; vgl. Küttner/Schlegel, Personalbuch 2006, Stichwort Geringfügige Beschäftigung, Rz. 60). Die Beseitigung der bisherigen Beitragsfreiheit beruht allein auf arbeitsmarktpolitischen Gründen und auf Überlegungen des Gesetzgebers zur Wettbewerbsneutralität der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse. Das bereits bestehende Krankenversicherungsverhältnis des Arbeitnehmers wird daher durch die Beitragszahlung des Arbeitgebers nicht berührt; zusätzliche Ansprüche entstehen aus den Pauschalbeiträgen nicht (BTDrucks 14/280, S. 2, S. 13 f.; , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 560, Az. des BFH: X R 9/06; Peters in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 249b SGB V Rz. 23; Knispel in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II —SGB V—, § 249b Rz. 5; Lembke, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1999, 1825, 1828).

b) Hinsichtlich der gesetzlichen Rentenversicherung trägt der Arbeitgeber für einen geringfügig Beschäftigten i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nach § 172 Abs. 3 SGB VI einen Beitragsanteil in Höhe von 12 v.H. des Arbeitsentgelts, wenn der Beschäftigte in dieser Beschäftigung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit ist oder wenn der Beschäftigte nach § 5 Abs. 4 SGB VI versicherungsfrei ist. Nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI versicherungsfrei sind Personen, die —wie im Streitfall die Klägerin— eine Vollrente wegen Alters beziehen.

Derartige Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung begründen zwar regelmäßig einen zusätzlichen Versicherungsanspruch des Beschäftigten und können dann auch Leistungen für dessen Zukunftssicherung i.S. des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. sein. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Beschäftigte als Bezieher einer Vollrente wegen Alters nach § 76b Abs. 4 Nr. 1 SGB VI von der Ermittlung von Zuschlägen an Entgeltpunkten ausgeschlossen ist.

aa) Abweichend von der Behandlung der Krankenversicherungsbeiträge hat der Gesetzgeber im Zuge der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse den Versuch unternommen, den pauschalen Beitragszahlungen zur Rentenversicherung auch beitragsäquivalente Rentenleistungen gegenüberzustellen (BTDrucks 14/441, S. 1 f.). Nach § 76b Abs. 1 SGB VI werden für Arbeitsentgelt aus geringfügiger Beschäftigung, für das der Arbeitgeber einen Beitragsanteil nach § 172 Abs. 3 SGB VI getragen hat, so genannte Zuschläge an Entgeltpunkten ermittelt. Über § 52 Abs. 2 SGB VI werden diese Zuschläge an Entgeltpunkten zudem in Beitragsmonate umgerechnet, die auf die für den Rentenbezug erforderliche Wartezeit angerechnet werden.

bb) Nach § 76b Abs. 4 SGB VI hat die Ermittlung der Zuschläge an Entgeltpunkten jedoch bei Beschäftigten zu unterbleiben, die als Bezieher einer Vollrente wegen Alters, als Versorgungsbezieher, wegen Vollendung des 65. Lebensjahres oder wegen einer Beitragserstattung versicherungsfrei sind. Angehörige dieses Personenkreises sind von der Begünstigung ausgeschlossen, weil sie entweder ihr Versicherungsleben bereits abgeschlossen oder keine Möglichkeit mehr haben, noch einen eigenen Rentenanspruch zu begründen (BTDrucks 14/441, S. 33). Für sie entstehen aus den pauschal geleisteten Rentenversicherungsbeiträgen des Arbeitgebers keine zusätzlichen Ansprüche.

c) Fehlt es an durch die Arbeitgeberbeiträge begründeten zusätzlichen Leistungsansprüchen, sind die Beitragszahlungen auch keine Ausgaben „für” die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen i.S. des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. i.V.m. § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG.

aa) Voraussetzung dafür wäre, dass die Beitragsleistungen dem Beschäftigten —unabhängig von ihrer konkreten Höhe— wenigstens dem Grunde nach einen Anspruch auf Absicherung für den Fall vermitteln können, dass das mit ihnen versicherte Risiko zukünftig eintritt. Dagegen liegen die Voraussetzungen für die Kürzung des Sonderausgaben-Vorwegabzugs nicht vor, wenn bei Entrichtung der Arbeitgeberbeiträge von vornherein feststeht, dass die Zahlungen dem Steuerpflichtigen nicht werden zugute kommen können, weil sich das versicherte Risiko in seiner Person nicht realisieren kann (vgl. zur Arbeitslosenversicherung: BFH-Urteil in BFHE 203, 33, BStBl II 2004, 6; zur Rentenversicherung: , BFH/NV 2006, 1073 —jeweils den Arbeitgeberbeitrag bei der Beschäftigung von Versorgungsempfängern betreffend—; Paus, Kommentierte Finanzrechtsprechung, Fach 3, § 10 EStG —6/03—, 423, 424). Gleiches gilt, wenn der Steuerpflichtige aufgrund früher erworbener Rentenanwartschaften bereits eine Vollrente bezieht und gegen das mit der gesetzlichen Rentenversicherung abgedeckte Risiko daher bereits aus anderen Rechtsgründen vollständig abgesichert ist.

bb) Für diese Auslegung sprechen zudem die Systematik sowie der Sinn und Zweck der Kürzungsregelung.

Der Vorwegabzug ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dazu bestimmt, solchen Steuerpflichtigen, die die Kosten ihrer Zukunftssicherung allein aufbringen müssen, einen annähernden Ausgleich dafür zu schaffen, dass bei Arbeitnehmern der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge zur Zukunftssicherung übernimmt und dieser so genannte Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Sozialversicherung steuerfrei bleibt (vgl. BTDrucks 3/2573, S. 17, S. 21; BTDrucks 8/292, S. 21). Dazu wird der Vorwegabzug zunächst zwar allen Steuerpflichtigen gewährt; anschließend erfolgt jedoch in einem zweiten Schritt eine Kürzung des Vorwegabzugs bei dem Personenkreis, der nach der gesetzlichen Wertung einer solchen Begünstigung ganz oder teilweise nicht bedarf (vgl. , BFHE 200, 540, BStBl II 2003, 183).

Die Gruppe der nach Erreichen der Altersgrenze und Fortfall der Rentenversicherungspflicht weiterhin als Arbeitnehmer tätigen Altersrentner ist in § 10c Abs. 3 Nr. 4 EStG ausdrücklich genannt. Hätte der Gesetzgeber die Absicht gehabt, auch diesem Personenkreis nur einen gekürzten Vorwegabzug zu ermöglichen, hätte es daher nahe gelegen, dies durch Einbeziehung dieser Fallgruppe in den in § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. enthaltenen Verweis klarzustellen. Dies ist indessen unterblieben; die Kürzungsregelung bezieht sich insoweit lediglich auf den Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG; dessen Nr. 4 ist dort nicht genannt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass Arbeitnehmer, die bereits eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, nicht allein wegen des Rentenbezugs zum Kreis der von der Kürzung des Vorwegabzugs betroffenen Steuerpflichtigen gehören sollen. Dieses Ergebnis entspricht auch der Zielsetzung des Vorwegabzugs, da der Kreis der Altersrentner im Hinblick auf die weitere Absicherung im Alter durch laufende Zuschüsse des Arbeitgebers nicht mehr entlastet wird.

cc) Entgegen der Auffassung des FG macht der Umstand, dass die pauschalen Beitragsleistungen geeignet sind, die Finanzkraft der gesetzlichen Rentenversicherung zu stärken und auf diese Weise mittelbar auch zukünftige Rentenzahlungen sicherzustellen, die Arbeitgeberbeiträge nicht zu einer Zukunftssicherungsleistung „für” den Steuerpflichtigen. Eine solche Auslegung der Kürzungsregelung würde den Kreis der Bezieher einer gesetzlichen Altersrente gegenüber anderen geringfügig Beschäftigten ohne sachlichen Grund benachteiligen und damit dem in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geregelten Gleichbehandlungsgebot zuwiderlaufen.

Art. 3 GG verlangt die Gleichbehandlung aller Menschen vor dem Gesetz. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. z.B. Urteil vom 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, unter C. I. der Gründe).

Die vom FG und vom FA vertretene Auffassung übersieht, dass der Arbeitgeber Pauschalbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ohne beitragsäquivalente Ermittlung von Zuschlägen an Entgeltpunkten nicht bloß in solchen Fällen zu tragen hat, in denen der geringfügig Beschäftigte —wie im Streitfall die Klägerin— als Bezieher einer Vollrente wegen Alters versicherungsfrei ist. Eine vergleichbare Beitragspflicht ohne gleichzeitige Entstehung oder Erhöhung von Rentenansprüchen besteht vielmehr etwa auch dann, wenn der Arbeitnehmer bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht gesetzlich rentenversichert war und deshalb keine Möglichkeit mehr hat, noch einen Rentenanspruch zu begründen (§ 172 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 4 Nr. 3 und § 76b Abs. 4 Nr. 3 SGB VI) oder wenn der Arbeitnehmer bereits nach beamtenrechtlichen Vorschriften eine Versorgung nach Erreichen der Altersgrenze bezieht (§ 172 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 4 Nr. 2 und § 76b Abs. 4 Nr. 2 SGB VI). Arbeitnehmern, auf die diese Voraussetzungen zutreffen, können die streitigen Arbeitgeberbeiträge auch nach der vom FG und vom FA vertretenen Auslegung des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. nicht als den Vorwegabzug mindernde Zukunftssicherungsleistungen zugerechnet werden.

Ein sachlicher Grund dafür, den Vorwegabzug zwar bei einem Rentenbezieher zu kürzen, einem Versorgungsempfänger aber ungeschmälert zu belassen, obwohl beide ein gleichartiges geringfügiges Beschäftigungsverhältnis ausüben, ist nicht erkennbar. Die Gegenauffassung berücksichtigt nicht, dass der Gesetzgeber die Rentenversicherungspflicht für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse nicht eingeführt hat, um damit die künftigen Rentenversicherungsansprüche von Altersrentnern abzusichern, sondern weil er die Beseitigung der bisherigen Beitragsfreiheit aus arbeitsmarktpolitischen Gründen und aus Gründen der Wettbewerbsneutralität für dringend erforderlich hielt (BTDrucks 14/280, S. 16). Dass dem Beschäftigten die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung mittelbar zugute kommen (können), ist allenfalls eine mögliche Folge, nicht aber eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen der pauschalen Beitragspflicht.

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Unter Stattgabe der Klage errechnet sich die festzusetzende Einkommensteuer wie folgt: ...

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2239 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 47/2006 S. 3962
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2007 S. 9
IAAAC-16992