BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 1941/00

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BVerfGG § 93b; BVerfGG § 93a; BVerfGG § 93a Abs. 2; LMBG § 51 Abs. 1 Nr. 2; LMBG § 9 Abs. 1; LMBG § 9 Abs. 1 Nr. 1; LMBG § 38 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 2; GG Art. 80 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug: OLG Hamm 5 Ss 669/00 AG Dortmund 99 Ds 73 Js 690/98-216/99

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind geklärt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, denn sie ist unbegründet. Die fachgerichtlichen Entscheidungen sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

Nach Art. 103 Abs. 2 GG kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art und das Maß der Strafe so konkret zu umschreiben, dass der Normadressat anhand des gesetzlichen Tatbestands voraussehen kann, ob ein Verhalten strafbar ist (BVerfGE 47, 109). Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck: Der Bürger als Normadressat soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Zugleich soll aber auch sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber und nicht die Exekutive über die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens entscheidet (BVerfGE 47, 109 <120>; 73, 206 <234>).

Unter "Gesetz" im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht nur ein förmliches Gesetz zu verstehen (BVerfGE 32, 346 <362>). Auch Rechtsverordnungen können Strafbestimmungen enthalten, wenn sie im Rahmen von Ermächtigungen ergangen sind, die Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügen und Art und Maß der Strafe und das strafbare Verhalten selbst hinreichend bestimmt festlegen (BVerfGE 37, 201 <209>).

Hat der Gesetzgeber diesen Weg gewählt und die Umschreibung des Tatbestands einer Verordnung überlassen, so ist Art. 103 Abs. 2 GG nur genügt, wenn die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art und das Maß der Strafe schon durch das Gesetz hinreichend deutlich umschrieben werden (BVerfGE 78, 374 <382>).

Dem Verordnungsgeber dürfen lediglich gewisse Spezifizierungen des Straftatbestands überlassen werden. Der Gesetzgeber muss die Strafbarkeitsvoraussetzungen umso genauer festlegen und umso präziser bestimmen, je schwerer die angedrohte Strafe ist. Schließlich muss die das Blankettstrafgesetz ausfüllende Rechtsverordnung ihrerseits dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG genügen.

Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird § 51 Abs. 1 Nr. 2 LMBG in Verbindung mit der "Verordnung über die hygienischen Anforderungen an das Behandeln und Inverkehrbringen von Hühnereiern und roheihaltigen Lebensmitteln" vom - Hühnereier-Verordnung - gerecht.

Die Strafvorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 2 LMBG benennt Art und Maß der Strafe und legt die strafbare Handlung als Zuwiderhandlung gegen eine nach § 9 Abs. 1 LMBG zur Verhütung von Gesundheitsgefährdungen durch Lebensmittel erlassene Rechtsverordnung fest. Dass damit die unter Strafe gestellte Zuwiderhandlung nicht in ihren Einzelheiten umschrieben ist, ist unbedenklich. Der Gesetzgeber hat dem Verordnungsgeber damit die nähere Spezifizierung des Tatbestands überlassen (vgl. BVerfGE 14, 245 <253>; 37, 201 <209>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des -, NVwZ 1992, S. 1084).

Der Verordnungsgeber legt den Kreis der Pflichten fest, deren Nichteinhaltung durch das Gesetz unter Strafe gestellt wird. Dies ist hier gerechtfertigt, da im Lebensmittelrecht nicht zuletzt aufgrund des Einflusses des Europäischen Gemeinschaftsrechts wechselnde und vielfältige Einzelregelungen erforderlich werden können (BVerfGE 75, 329 <340 ff.>). Der dem Schutz des Normadressaten dienende Bestimmtheitsgrundsatz ist hierdurch nicht verletzt. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf das in der Lebensmittelproduktion und dem Lebensmittelhandel bei den Normadressaten vorauszusetzende besondere Fachwissen (BVerfGE 48, 48 <57>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, ZLR 1988, S. 631 <632>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des -, ZLR 1989, S. 413 <415>).

Die Hühnereier-Verordnung stellt eine gültige und verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsverordnung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 LMBG dar.

§ 9 Abs. 1 Nr. 1 LMBG ermächtigt den Verordnungsgeber, den Handel mit Lebensmitteln zum Schutz der Gesundheit des Verbrauchers vor Gefahren zu beschränken. Dies hat er mit Erlass der Hühnereier-Verordnung, die mit der Festlegung bestimmter hygienischer Mindestanforderungen dem Schutz der Gesundheit des Verbrauchers dient, in zulässiger Weise getan.

Dabei hat auf die Wirksamkeit der Verordnung keinen Einfluss, dass sie - worauf das Oberlandesgericht zutreffend hingewiesen hat - zunächst auf der Grundlage des § 38 Abs. 1 LMBG ohne Zustimmung des Bundesrats erlassen worden ist. Die vom Beschwerdeführer geäußerten Bedenken daran, dass die Hühnereier-Verordnung noch in Kraft sei, sind unbegründet. Die Hühnereier-Verordnung wurde vom Bundesminister der Gesundheit - gestützt auf die Ermächtigungsgrundlage der §§ 9 Abs. 1 Nrn. 3 und 5, 10 Abs. 1 Satz 1, 19 a Nrn. 3 und 4 jeweils in Verbindung mit § 38 Abs. 1 und 3 LMBG - zunächst ohne Zustimmung des Bundesrats erlassen. Nach § 7 Satz 2 dieser Verordnung sollte sie am außer Kraft treten, wenn nicht mit Zustimmung des Bundesrats etwas anderes verordnet werde. Durch Verordnung zur Änderung der Hühnereier-Verordnung vom (BGBl I S. 3837) wurde mit Zustimmung des Bundesrats die Aufhebung dieser Befristung beschlossen. Damit war die Hühnereier-Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Rechtsverordnung auf unbestimmte Dauer in Kraft gesetzt. Sie umschreibt die strafbewehrten Verhaltenspflichten hinreichend bestimmt und verweist in § 5 ausdrücklich auf die Strafvorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 2 LMBG. Sie genügt mithin den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG.

Die Einstufung des Verhaltens als Straftatbestand verstößt im Übrigen nicht gegen den im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Grenzlinie zwischen dem Bereich strafbaren und ordnungswidrigen Verhaltens zu ziehen, ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers (BVerfGE 37, 201 <212>). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber hier die Grenze seines Entscheidungsspielraums überschritten hätte, sind nicht ersichtlich.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
SAAAB-86877