BFH Urteil v. - I R 92/03

Aufnahme einer zusätzlichen Geschäftsführertätigkeit durch GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Gehaltsanpassung und trotz Verbots der Aufnahme anderweitiger Tätigkeiten

Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr zum 30. Juni, ist auf dem Gebiet der…tätig. Ihr Stammkapital wurde in den Streitjahren 1991 und 1992 von X zu 25 v.H. sowie von ihren Geschäftsführern HS und KM zu jeweils 37,5 v.H. gehalten. Als weiterer Geschäftsführer wurde im August 1990 BS bestellt; dieser nahm seine Tätigkeit Anfang Februar 1991 auf.

Ausweislich der Anstellungsverträge vom und vom sollten die Geschäftsführer der Gesellschaft ihre ganze Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Die Übernahme einer anderweitigen Tätigkeit sowie die Beteiligung an einem Unternehmen des gleichen Geschäftszweiges sollte ihnen während des Dienstverhältnisses nicht gestattet sein. Vertragsänderungen sollten der Schriftform sowie der ausdrücklichen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen. Diese Form sollte nicht mündlich abbedungen werden können. Durch Gesellschafterbeschluss vom wurden die Gesellschafter-Geschäftsführer vom gesetzlichen und dienstvertraglichen Wettbewerbsverbot befreit. Die Geschäftsführervergütungen von HS und KM beliefen sich in den Streitjahren auf 274 000 DM (1991) bzw. 315 000 DM (1992). Das Jahresgehalt von BS belief sich auf 140 000 DM.

Neben seiner Geschäftsführertätigkeit bei der Klägerin war KM seit dem alleiniger Gesellschafter und seit dem zusätzlich alleiniger Geschäftsführer einer weiteren GmbH, der RM-GmbH. Auch nach dem dort abgeschlossenen Anstellungsvertrag sollte er seine ganze Arbeitskraft und alle seine fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen dieser Gesellschaft widmen. Die Übernahme einer anderweitigen Tätigkeit war ihm nur bei vorheriger Zustimmung der Gesellschafter gestattet. Die Geschäftsführerbezüge beliefen sich in den Streitjahren auf jeweils 75 400 DM.

Auch HS war seit dem neben der Geschäftsführertätigkeit bei der Klägerin in einer weiteren GmbH als Geschäftsführer angestellt, der W-GmbH, die von ihm und KM im Dezember 1990 gegründet worden war. HS sollte nach dem mit dieser GmbH geschlossenen Anstellungsvertrag gleichermaßen seine Arbeitskraft und alle seine fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft widmen. Die Übernahme einer anderweitigen Tätigkeit sollte ihm nur bei vorheriger schriftlicher Zustimmung der Gesellschafter gestattet sein; die seinerzeit bestehenden Dienstverhältnisse waren davon jedoch ausgenommen. Die Geschäftsführerbezüge von HS aus dieser Tätigkeit beliefen sich auf 23 200 DM im Streitjahr 1991 und 79 810 DM im Streitjahr 1992.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) vertrat die Auffassung, dass die Geschäftsführervergütungen von HS und KM bei der Klägerin insoweit als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln seien, als die Geschäftsführer entsprechende zusätzliche Vergütungen von den beiden anderen GmbH bezogen hatten. Die zusätzlichen Geschäftsführertätigkeiten stellten einen Verstoß gegen die mit der Klägerin abgeschlossenen Dienstverträge dar. Bei einem Fremdgeschäftsführer wäre die vereinbarte Entlohnung zumindest entsprechend angepasst worden.

Gegen die hiernach ergangenen Bescheide erhob die Klägerin Klage, die weitgehend erfolglos blieb. Das Finanzgericht (FG) ging zwar davon aus, dass die bezahlten Gehälter ihrer Höhe nach isoliert als angemessen anzusehen seien. Entgegen der Annahme des FA könne ein Verstoß gegen die arbeitsrechtlichen Pflichten aufgrund der Aufnahme anderweitiger Geschäftsführertätigkeiten auch keine Ersatzansprüche in Höhe der anderweitig erzielten Vergütungen rechtfertigen. Die Klägerin habe durch die Zahlung dieser Vergütungen keinen Schaden erlitten. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte bei Aufnahme der anderen Geschäftsführerfunktionen durch HS und KM und der dadurch zwangsläufig bedingten Reduzierung der erbrachten Arbeitsleistung indes Gehaltsanpassungen durchgesetzt, weil die „Parität von Leistung und Gegenleistung” gestört sei. Schätzungsgrundlage für diese Anpassungen sei das Gehalt von BS, wobei angenommen werde, dass zwei Drittel der von diesem erbrachten Arbeitsleistung dazu gedient hätten, die vertragswidrig nicht erbrachten Leistungen von HS und KM zu substituieren. In entsprechendem Umfang lägen —jeweils hälftig auf HS und KM entfallend— vGA vor. - Das ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 488 abgedruckt.

Ihre zugelassene Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide dahin zu ändern, dass die an HS und KM gezahlten Gehälter zum Betriebsausgabenabzug zugelassen werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen Feststellungen ermöglichen keine abschließende Beurteilung der Frage, ob die Gehälter von HS und KM in Anbetracht ihrer Funktionen als Geschäftsführer bei der Klägerin, aber auch deren Schwestergesellschaften noch als angemessen anzusehen sind.

1. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) darf eine vGA das steuerlich zu erfassende Einkommen einer Körperschaft nicht mindern. VGA in diesem Sinne sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats Vermögensminderungen und verhinderte Vermögensmehrungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirken und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (z.B. , BFHE 191, 107, BStBl II 2000, 545; vom I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom I R 12/99, BFHE 193, 274, BStBl II 2001, 140). Dazu gehören insbesondere einem Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Vergütungen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung —GmbHG—) einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen nicht gewährt hätte (Senatsurteil vom I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111).

2. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Gesamtausstattungen sowohl von HS als auch von KM vor wie nach Aufnahme ihrer weiteren Tätigkeiten als Geschäftsführer der beiden Schwesterkapitalgesellschaften und auch in den Streitjahren angemessen waren. Das FG hat dies ausdrücklich festgestellt; das FA hat dies als solches auch nicht beanstandet. Streitig ist allerdings, ob die den beiden Geschäftsführern gezahlten Festgehälter wegen der anderweitigen Geschäftsführertätigkeiten anzupassen waren. Vom FA und vom FG wird dies aufgrund der getroffenen Anstellungsverträge angenommen. Die „Parität” von Leistung und Gegenleistung sei nach Aufnahme dieser Tätigkeiten eine andere, die bisherigen Leistungsparitäten seien gestört. Folglich sei davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eine Anpassung vorgenommen hätte. Da das unterblieben sei, sei eine vGA anzunehmen, und zwar der Höhe nach geschätzt im Umfang von zwei Dritteln „der eingekauften Fremdgeschäftsführerleistungen”, also desjenigen Gehalts, das dem neu eingestellten weiteren Geschäftsführer BS gezahlt worden sei. Die Klägerin ist dem entgegengetreten: Die Leistungsparitäten seien nicht verletzt, weil die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer ihren Arbeitsumfang gesteigert hätten. Vor allem aber hätten sich die zusätzlichen Geschäftsführertätigkeiten bei den Schwestergesellschaften, der Klägerin, als vorteilhaft erwiesen.

Unterstellt, dieses Sachvorbringen der Klägerin träfe zu, wäre der Klage u.U. zu entsprechen. Wie der Senat in seinen Urteilen vom I R 46/01 (BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132) und I R 80, 81/01 (BFH/NV 2003, 1346) entschieden hat, wird der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Gesellschaft bei der Bemessung eines Geschäftsführergehalts die Tätigkeit des Geschäftsführers für andere Unternehmen zwar regelmäßig mindernd berücksichtigen, da ein für mehrere Unternehmen tätiger Geschäftsführer naturgemäß nicht jedem einzelnen dieser Unternehmen seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellen kann. Eine (vollständige oder teilweise) Nichtberücksichtigung anderweitiger Tätigkeiten wird jedoch in Betracht kommen, wenn gerade die anderweitige Tätigkeit für die zu beurteilende Gesellschaft Vorteile mit sich bringt, die den Verlust an zeitlichem Einsatz des Geschäftsführers ausgleichen. Das wiederum ist, wenn unter diesem Gesichtspunkt Streit über die Angemessenheit der Vergütung besteht, von der Gesellschaft darzulegen und erforderlichenfalls nachzuweisen, wozu umso mehr Veranlassung besteht, wenn die Gesellschafter-Geschäftsführer —wie im Streitfall auch HS und KM— nach den Geschäftsführerverträgen verpflichtet sind, ihre „ganze Arbeitskraft” in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.

Im Klageverfahren wurden von der Klägerin entsprechende Nachweise nicht erbracht. Auf der Grundlage der Senatsurteile in BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132 und in BFH/NV 2003, 1346, in denen die vorstehenden Grundsätze zur Angemessenheit bei mehrfacher Geschäftsführertätigkeit aufgestellt wurden, hätte das FG aber Anlass gehabt, solchen Überlegungen nachzugehen. Da dies unterblieben ist, ist die notwendige Prüfung im 2. Rechtsgang nachzuholen.

3. Der Senat weist dazu auf Folgendes hin:

a) Das FG hat die Anstellungsverträge zwischen der Klägerin und den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern so verstanden, dass diese anderweitige Geschäftsführertätigkeiten grundsätzlich und vorbehaltlich von Vertragsänderungen ausschlossen. Solche Änderungen lägen nicht vor; sie seien insbesondere nicht in den am von der Gesellschafterversammlung der Klägerin beschlossenen Dispensen vom Wettbewerbsverbot zu sehen. Diese Sachverhaltseinschätzung ist aus sich heraus nicht zu beanstanden. Insbesondere lässt sich dem nicht entgegenhalten, es fehle an „anderweitigen” Tätigkeiten, weil HS und KM lediglich bei Schwestergesellschaften tätig geworden seien, was eine Gesamtbetrachtung erfordert. Auch innerhalb einer „Unternehmensgruppe” sind einzelne Kapitalgesellschaften jeweils gesondert zu betrachten und bestimmt sich die Angemessenheit der Geschäftsführervergütungen grundsätzlich immer nur für die jeweilige Gesellschaft (s. auch dazu die Senatsurteile in BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132 und in BFH/NV 2003, 1346). Im Streitfall verhält es sich nicht anders. Mit der Frage nach dem Vorliegen eines Wettbewerbsverbotes (und der Befreiung hiervon) hat dies nichts zu tun.

b) Ob dem FG auch darin zu folgen ist, dass der Verzicht auf die Gewinntantiemen durch die Gesellschafter-Geschäftsführer im Streitfall keine Gehaltsanpassung darstelle, lässt sich derzeit nicht abschließend beurteilen. Das FG hat zu den Tantiemeverzichten nichts weiter festgestellt. Es ist davon ausgegangen, „eine Minderung der geschuldeten Arbeitsleistung würde bei fremdüblicher Vertragsgestaltung nicht in einen Zusammenhang mit der Erfolgsbeteiligung, sondern mit der dieser Arbeitsleistung korrespondierenden Festvergütung gestellt”. Dem kann nicht ohne weiteres zugestimmt werden. Wenn sich die Gesamtausstattung eines Geschäftsführers aus fixen ebenso wie variablen Gehaltsbestandteilen zusammensetzt, dann sind diese im Grundsatz gleichwertig. Daher stellt auch der Verzicht auf die gewinnabhängige Vergütung eine Gehaltsreduktion dar, welche nicht per se zu vernachlässigen ist. Die „Werthaltigkeit” eines solchen Verzichts hängt von den Ertragserwartungen der Gesellschaft ab, die im Verzichtszeitpunkt zu prognostizieren sind. Feststellungen dazu fehlen.

c) Schließlich erzwingt die Aufnahme einer zusätzlichen Geschäftsführertätigkeit nicht schon deswegen eine Gehaltsanspassung, weil sich die bisherige „Parität zwischen Leistung und Gegenleistung” verschiebt. Solange die gezahlten Geschäftsführervergütungen nach ihrer Höhe im Rahmen der gebotenen Bandbreitenbetrachtung (vgl. Senatsurteile in BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132 und in BFH/NV 2003, 1346) angemessen sind, muss die Änderung der „Parität” nicht zwangsläufig zu einer „Disparität” führen. Letzteres würde voraussetzen, dass durch die „Paritätsverschiebung” eine „stille” Gehaltserhöhung ausgelöst wird, die ihrerseits unangemessen ist und einem Fremdvergleich nicht mehr standhält. Das aber ist nicht bereits deswegen der Fall, weil die Anstellungsverträge der Gesellschafter-Geschäftsführer die Aufnahme anderweitiger Tätigkeiten verboten. Dieses Verbot mag im Einzelfall arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Es rechtfertigt jedoch nicht ohne weiteres die Annahme der Unangemessenheit und zieht auch nicht automatisch das Erfordernis einer Gehaltsanpassung nach sich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 77
BFH/NV 2005 S. 77 Nr. 1
DStR 2004 S. 1919 Nr. 45
DStRE 2004 S. 1384 Nr. 22
DAAAB-35835