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  • · Fachbeitrag · Lohnpfändung

    BAG: Gesetzlicher Entgeltumwandlungsanspruch schlägt Pfändungsrecht

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Angesichts der zunehmenden Unsicherheit über die gesetzliche Rentenversicherung wächst die Bedeutung der privaten Altersversorgung. Eine Form dieser Altersversorgung ist die Direktversicherung. Das BAG hat im Hinblick auf deren Pfändbarkeit eine wichtige Entscheidung getroffen. |

    Sachverhalt

    Die Ehefrau als Schuldnerin hatte ihren Ex-Mann als Gläubiger einer titulierten Forderung von ca. 22.680 EUR geschickt „ausgetrickst“. Sie vereinbarte nämlich nach Zustellung eines durch den Gläubiger erwirkten PfÜB mit ihrem Arbeitgeber (Drittschuldner) eine Entgeltumwandlung, wonach eine monatliche Versicherungsprämie von 248 EUR als betriebliche Altersversorgung in eine Direktversicherung eingezahlt wurde. Der Drittschuldner leistete aufgrund des PfÜB zwar pfändbare Beträge an den Gläubiger. Dabei ließ er allerdings bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens den monatlichen Versicherungsbeitrag unberücksichtigt.

     

    Der Gläubiger beanspruchte jedoch, dass auch diese Beiträge bei der Ermittlung des pfändbaren Betrags zu berücksichtigen seien, scheiterte damit jedoch in letzter Instanz vor dem BAG. Dieses hat in seinem Urteil vom 14.10.21 (8 AZR 96/20; Abruf-Nr. 226729) folgende Leitsätze verfasst:

     

    • 1. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin in eine wertgleiche Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung umgewandelt wird (Entgeltumwandlung), die im Wege der Direktversicherung durchgeführt wird, entstehen insoweit keine pfändbaren Ansprüche auf Arbeitseinkommen (§ 850 Abs. 2 ZPO) mehr.
    • 2. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Entgeltumwandlungsvereinbarung erst nach Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses über das Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin getroffen haben, sofern der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin von seinem/ihrem Recht aus § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG Gebrauch gemacht hat und der umgewandelte Entgeltbetrag den in § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG vorgesehenen Betrag nicht überschreitet. In einem solchen Fall liegt in der Entgeltumwandlungsvereinbarung auch keine den Gläubiger benachteiligende Verfügung i. S. v. § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO.
     

    Relevanz der Entscheidung

    Die Entscheidung ist aus sozialpolitischen Gründen richtig, da sie angesichts des stetig sinkenden Rentenniveaus zeigt, welche hohe Bedeutung die betriebliche Altersversorgung hat. Der Pfändungsgläubiger muss Folgendes beachten:

     

    Gesetzlicher Entgeltumwandlungsanspruch schlägt Pfändungsschutz

    Beiträge zur Altersversorgung, die der Arbeitgeber als Drittschuldner im Wege der Entgeltumwandlung an die Direktversicherung gezahlt hat, stellen kein pfändbares Einkommen nach § 850 Abs. 2 ZPO dar. Dies gilt zumindest, wenn kein höherer Betrag als 4 Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung eingezahlt wird (§ 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG). Trifft dies zu, hat der Vollstreckungsschuldner lediglich von seinem gesetzlichen Recht nach § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung Gebrauch gemacht.

     

    MERKE | Seit dem 1.1.22 liegt die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) bei 6.750 EUR im Monat und in den alten Ländern bei 7.050 EUR im Monat. In der knappschaftlichen Rentenversicherung (Ost) liegt sie bei 8.350 EUR im Monat, in den neuen Ländern bei 8.650 EUR im Monat.

     

    Keine benachteiligende Verfügung

    Das im PfÜB enthaltene sog. Inhibitorium nach § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO, also das Gebot an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die gepfändete Forderung zu enthalten, stellt bei einer Entgeltumwandlung zur betrieblichen Altersversorgung keine benachteiligende Verfügung des Pfändungsgläubigers in diesem Sinne dar. Folge: Auch, wenn die Entgeltumwandlungsvereinbarung erst nach der Zustellung eines PfÜB hinsichtlich Arbeitseinkommens (Anspruch A) getroffen wird, wird dadurch ebenfalls das pfändbare Arbeitseinkommen reduziert, wenn die Entgeltumwandlung innerhalb des Entgeltumwandlungsanspruchs nach § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG und innerhalb des dort normierten Höchstbetrags von 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze erfolgt.

     

    Beachten Sie | Das BAG hat offengelassen, ob über 4 Prozent hinausgehende Beträge unpfändbar sind. Dies dürfte nicht der Fall sein. Sonst müsste letztlich die Rechtsprechung eine Grenze ziehen, denn andernfalls wären die Pfändungsschutzvorschriften überflüssig. Insofern sollten Gläubiger im Rahmen ihres Auskunfts- bzw. Herausgabeanspruchs gegenüber Schuldnern nach § 836 Abs. 3 ZPO stets prüfen, ob tatsächlich nur 4 Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in die Rentenversicherung eingezahlt werden.

     

    Kein verschleiertes Arbeitseinkommen

    Die Beiträge zur Direktversicherung innerhalb des gesetzlichen Höchstbetrags von 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze sind kein verschleiertes Arbeitseinkommen, das unter den besonderen Voraussetzungen des § 850h ZPO vom Pfändungsschutz ausgenommen ist. Der überschießende Anteil (= höher als 4 Prozent) dürfte hingegen eine Lohnzahlungsabrede darstellen, die nach § 850h Abs. 1 ZPO sowohl von der Pfändung des Arbeitseinkommens erfasst wird als auch bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrags zu berücksichtigen ist.

     

    Entgeltumwandlungsvereinbarung kann wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein

    Grundsätzlich ist eine Entgeltumwandlungsvereinbarung nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Denn allein die Realisierung des gesetzlichen Anspruchs auf Entgeltumwandlung nach § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG durch einen Arbeitnehmer kann keinen Sittenverstoß begründen.

     

    Beachten Sie | Etwas anderes kann sich jedoch bei Unterhaltsansprüchen ergeben. Hier muss der Unterhaltsgläubiger unbedingt prüfen, ob sich der Schuldner durch die Entgeltumwandlung vorsätzlich einer Unterhaltspflicht entzieht.

     

    Gläubiger braucht Geduld, um zuzugreifen

    Das BAG stellt klar, dass dem Gläubiger durch die vereinbarte Entgeltumwandlung kein Vermögensbestandteil auf Dauer entzogen wird, auf den er im Wege der Zwangsvollstreckung grundsätzlich zurückgreifen könne. Ihm stehen nämlich die dem Schuldner mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags zugewendeten Vorteile spätestens dann ‒ im Rahmen der Pfändbarkeit ‒ zur Verfügung, wenn er dessen Ansprüche auf die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aus der Direktversicherung pfänden und sich zur Einziehung überweisen lässt.

    Pfändbarkeit bei Ende des Arbeitsverhältnisses vor Versicherungsfälligkeit

    Endet das Arbeitsverhältnis ‒ gleich, aus welchem Grund ‒ vor dem Eintritt des Versicherungsfalls, endet auch die Pflicht des Arbeitgebers, die Beiträge für die Direktversicherung zu zahlen. Der Arbeitnehmer erhält jedoch nach § 2 Abs. 1 und 2 BetrAVG die unwiderrufliche Bezugsberechtigung aus der Direktversicherung.

     

    Der BGH (VE 11, 29) hat entschieden, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Firmendirektversicherung bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls als zukünftige Forderung pfändbar ist, sofern ihr Rechtsgrund und der Drittschuldner im Zeitpunkt der Pfändung bestimmt sind (BGH VE 09, 11). Dies ist der Fall, wenn ein künftiger Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einem bestimmten Versicherungsvertrag gepfändet wird.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2022 | Seite 127 | ID 48364965