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  • · Fachbeitrag · Corona-Krise

    So pfänden Sie Hilfen für Solo-Selbstständige und Einzelunternehmer

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Als Folge der Corona-Krise hat der Bund 50 Mrd. EUR für Klein- und Kleinstunternehmer zur Verfügung gestellt, die diese seit dem 27.3.20 beantragen können. Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler mit bis zu fünf Beschäftigten erhalten eine Einmalzahlung von bis zu 9.000 EUR für drei Monate und solche mit bis zu zehn Beschäftigten eine Einmalzahlung von bis zu 15.000 EUR für drei Monate. Zudem haben alle Bundesländer eigene Hilfsprogramme aufgelegt. Vielfach werden Soforthilfen in Form von direkten Zuschüssen gezahlt. So traurig die Situation für die o. g. Betroffenen ist: Für Gläubiger stellt sich die Frage, ob sie auf diese Hilfen mittels PfÜB zugreifen können. Der folgende Beitrag klärt auf. |

    1. Zugriff an der Quelle

    Will ein Gläubiger direkt an der auszahlenden Stelle zugreifen, muss er zunächst beachten: Für die Abwicklung sind die Bundesländer zuständig.

     

    PRAXISTIPP | Eine Übersicht über die zuständigen Stellen als Drittschuldner in den Ländern finden Sie unter www.iww.de/s3506. Die dort genannten Ansprechpartner können Sie sowohl für Länder-Soforthilfen als auch für Bundes-Soforthilfen kontaktieren.

     

    Eine Forderung ist i. d. R. nur pfändbar, wenn sie übertragbar ist (§ 851 Abs. 1 ZPO). Die Vorschrift ordnet somit eine Unpfändbarkeit von Forderungen an, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (BGH, VE 09, 44). Eine Forderung ist nicht übertragbar wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann, also wenn

    • sie auf höchstpersönlichen Ansprüchen des Berechtigten beruht, die nur er selbst erheben kann,
    • anders als bei höchstpersönlichen Ansprüchen ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerperson aber besonders schutzwürdig ist, oder
    • ohne Veränderung des Leistungsinhalts die dem Gläubiger gebührende Leistung mit seiner Person so verknüpft ist, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erscheinen würde (BGH NJW 12, 678).

     

    a) Mögliche Fallgruppen

    § 851 Abs. 1 ZPO regelt hinsichtlich einer Unpfändbarkeit drei Fallgruppen und zwar

    • Unpfändbarkeit kraft Gesetzes: z. B. Dienstleistungsansprüche (§ 613 BGB), Sozialleistungen (§ 54 SGB I, XII; übersichtlich Mock in: Die Praxis der Forderungsvollstreckung, § 2 Rn. 16),
    • Unpfändbarkeit bei höchstpersönlichen Ansprüchen: z. B. Taschengeldanspruch, Anspruch auf Abruf aus Dispokredit; Mock, a. a. O., Rn. 17),
    • zweckgebundene Ansprüche als eingeschränkt pfändbare Forderungen.

     

    MERKE | Gerade bei der letztgenannten Gruppe besteht nur Unpfändbarkeit, wenn der mit der Leistung bezweckte Erfolg nicht erreicht werden kann, falls an den Gläubiger zur Befriedigung seiner titulierter Forderung geleistet wird (BGH NJW 85, 2263). Folge: Solche Ansprüche können also, solange die Zweckbindung besteht, zugunsten desjenigen gepfändet werden, für den die Mittel bestimmt sind. Die treuhandartige Gebundenheit eines Anspruchs gehört nämlich zum Inhalt der zu erbringenden Leistung. Eine zweckwidrige Verwendung überlassener Mittel würde daher den Leistungsinhalt i. S. d. § 399 1. Alt. BGB ändern, was Unpfändbarkeit zur Folge hätte.

     

    Da die Soforthilfe der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Unternehmen und zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen infolge der Corona-Krise dient, sind die Gelder für die laufenden Betriebskosten des Unternehmens einzusetzen, z. B. für Leasingzahlungen, Miet-, Pachtzahlungen, Darlehensfinanzierungen etc. Folge: Die unmittelbar betroffenen Gläubiger (z. B. Vermieter), denen die Gelder eigentlich zustehen, dürfen daher mittels PfÜB auf die staatlichen Hilfen (z. B. Mietzuschüsse) zugreifen. Wichtig sind dabei insbesondere die Einträge auf den Seiten 3 und 9 des amtlichen Formulars:

     

    • Eintrag auf Seite 6

    Anspruch G

    (Hinweis: betrifft Anspruch an weitere Drittschuldner bzw. schon aufgeführte Drittschuldner, soweit Platz unzureichend)

     

    auf Gewährung eines Liquiditätszuschusses aus dem Förderprogramm zur Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise (Corona-Sofort-Hilfe).

     
    • Eintrag auf Seite 9

    ☒ Nicht amtlicher Hinweis:

    • Es handelt sich um einen zweckgebundenen Anspruch; solche Ansprüche können, solange die Zweckbindung besteht, zugunsten desjenigen gepfändet werden, für den die Mittel bestimmt sind. Da die Soforthilfe der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz und zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen infolge der Corona-Krise dient, sind die Gelder zweckgebunden einzusetzen. Da der Gläubiger ☐ Vermieter/Verpächter ☐ Leasinggeber
    • ☐ Darlehensgeber ist, fällt er unter die Zweckbindung.
     

    b) Problem: Abtretungsverbote

    In manchen Antragsformularen ist aufgeführt, dass ein beantragter oder bewilligter Zuschuss nicht abgetreten werden darf (§ 399 Alt. 2 BGB). Insofern besteht grundsätzlich Unpfändbarkeit nach § 851 Abs. 1 ZPO.

     

    MERKE | Der Schuldner kann sich aber einem Zugriff seiner Gläubiger durch Vereinbarung mit dem Drittschuldner nicht ohne Weiteres entziehen (BGH NJW 16, 1451). Gläubiger können also gleichwohl pfänden, wenn der geschuldete Gegenstand (hier: Geld) der Pfändung unterworfen ist (§ 851 Abs. 2 ZPO). Dadurch soll verhindert werden, dass allein durch eine Vereinbarung eine Unpfändbarkeit geschaffen wird (BGH MDR 16, 794). Gleichgültig ist, ob die Forderung von Anfang an mit der Maßgabe begründet wurde, dass ihre Abtretung unzulässig ist, oder ob der Ausschluss der Abtretung erst nach Entstehen der Schuld vereinbart worden ist (Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 15).

     

    2. Zugriff beim P-Konto

    Unterhält der Schuldner ein P-Konto und wird die Soforthilfe diesem gutgeschrieben, gilt für sämtliche Gläubiger ‒ nicht nur im Rahmen der Zweckbindung (s. o., 1.) ‒ Folgendes: Das P-Konto gewährt dem Kontoinhaber einen automatischen, nicht von einem Antrag abhängigen Pfändungsschutz bei der Pfändung des Kontoguthabens. Ihm wird der monatliche Pfändungsfreibetrag nach § 850k Abs. 1 S. 1, § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO für einen Kalendermonat als Sockelfreibetrag gewährleistet (derzeit: 1.178,59 EUR). Dieser Sockelfreibetrag kann im Einzelfall nach § 850k Abs. 2 ZPO aufgestockt sein.

     

    MERKE | Das Kreditinstitut als Drittschuldnerin muss eine ggf. bestehende Unpfändbarkeit nicht beachten. Denn auch etwaige unpfändbare Ansprüche verlieren ihre Unpfändbarkeit mit Gutschrift auf dem P-Konto. In diesem Moment erlischt der Anspruch des Schuldners auf diese Zahlungen und wird zu einem Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen die Bank in derselben Höhe.

     

    Ergibt eine Addition der Gutschrift (Soforthilfe) mit den sonstigen Gutschriftbeträgen (z. B. Einmalzahlungen, Rente, etc.), dass der dem Schuldner zustehende monatliche Freibetrag nicht überschritten wird, ist an den Schuldner auszuzahlen. Ergibt sich hingegen, dass eine Zusammenrechnung der gesamten Gutschriftenbeträge den monatlichen Freibetrag überschreitet, steht der den Freibetrag überschießende Betrag dem Gläubiger zu.

     

    Die Praxis lehrt, dass Schuldner i. d. R. versuchen, solche Beträge nach § 850k Abs. 4 ZPO frei zu bekommen. Hier könnte u. U. durch das Vollstreckungsgericht die Unpfändbarkeit nach § 851 ZPO für Gläubiger erklärt werden, welche von der Zweckbindung (s. o., 1.) nicht erfasst werden. Denn § 851 ZPO ist von Amts wegen zu beachten, auch wenn er ausdrücklich nicht in § 850k Abs. 4 ZPO aufgelistet ist.

     

    MERKE | Im Rahmen eines solchen Schutzantrags muss jedoch der Schuldner dem Vollstreckungsgericht seine antragsbegründenden Tatsachen nachweisen. Insbesondere muss er darlegen, dass es sich bei dem gepfändeten Konto um ein P-Konto handelt. Hierzu muss er eine entsprechende Bescheinigung seiner Bank vorlegen, aus der auch der für ihn geltende Freibetrag hervorgehen muss. Des Weiteren muss er den Eingang der Gelder, die er zur Freigabe beantragt, nachweisen. Hierzu muss er Kontoauszüge vorlegen.

     

    Oft kombinieren Schuldner Freigabeanträge nach § 850k Abs. 4 ZPO auch mit einem Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO, indem sie sich auf Sittenwidrigkeit bzw. Unzumutbarkeit berufen. Im Rahmen der Prüfung des Antrags nach § 765a ZPO gilt allerdings, dass es sich hierbei um eine Ausnahmeregelung handelt. Deren Hürden zu überspringen sind sehr hoch und im Einzelfall zu prüfen.

    3. Zugriff beim Nicht-P-Konto

    Besitzt der Schuldner kein P-Konto, ist die dem Konto gutgeschriebene Soforthilfe zunächst komplett für sämtliche Gläubiger pfändbar. Schutz bietet hier ebenfalls nur ein Antrag des Schuldners nach § 765a ZPO, was allerdings der Einzelfallprüfung bedarf.

     

    Beachten Sie | Für Gläubiger und Schuldner ist jedoch § 835 Abs. 3. S. 2 ZPO zu beachten: Hiernach gilt, dass der Drittschuldner erst vier Wochen nach der Zustellung des Überweisungsbeschlusses ‒ nicht Pfändungsbeschlusses ‒ an den Gläubiger leisten oder der Betrag hinterlegt werden darf, vorausgesetzt der Schuldner ist eine natürliche Person (nicht juristische Personen).

     

    MERKE | Damit soll dem Schuldner ausreichend Zeit eingeräumt werden, nachträglich ein P-Konto einzurichten bzw. einen Schutzantrag nach § 765a ZPO bzw. ggf. eine einstweilige Anordnung gemäß § 732 Abs. 2 ZPO zu erwirken. Das Verbot gilt kraft Gesetzes, also auch, wenn es im Überweisungsbeschluss nicht erwähnt wurde und auch unabhängig davon, ob der Schuldner im Einzelfall ein P-Konto errichtet.

     

    Die Auszahlungssperre gilt aber nur einmalig hinsichtlich solcher Guthaben, die bei Zustellung des Überweisungsbeschlusses noch vorhanden sind (BT-Drucksache 16/7615, S. 18).

    4. Zugriff beim Drittkonto

    Ist der Schuldner nicht im Besitz eines eigenen Kontos, sondern nutzt er ein Drittkonto, kann der Gläubiger den Auszahlungsanspruch des Schuldners gegenüber dem Dritten gemäß § 667 BGB pfänden (BGH VE 08, 118; BVerfG 15, 206).

     

    PRAXISTIPP | Dem Schuldner steht in dieser Konstellation der Weg über ein (eigenes) P-Konto offen, wenn er Gelder auf Konten vor Pfändung schützen will. Diesem Schutz entzieht er sich aber, indem er es unterlässt, dafür zu sorgen, dass die Zahlungen auf seinem P-Konto eingehen, und er allein aufgrund des fehlenden P-Kontos den Fall einer besonderen Härte im Sinne des § 765a ZPO herbeiführen möchte.

     

    Zudem gilt, dass § 765a ZPO im Verhältnis zwischen Gläubiger und Drittschuldner nicht ‒ auch nicht mittelbar ‒ anwendbar ist. Insofern kann sich der Dritte nicht auf § 765a ZPO berufen. Es ist daher Sache des Schuldners, ggf. einen solchen Antrag für die Zukunft ‒ nicht rückwirkend ‒ zu stellen.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • Corona-Krise ‒ Trauriger Anlass, aber: Pfänden Sie jetzt, VE 20, 73
    • Corona-Krise: Wenn der Gerichtsvollzieher sich weigert, zu vollstrecken, VE 20, 73
    Quelle: Ausgabe 05 / 2020 | Seite 81 | ID 46486880