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· Fachbeitrag · Auslegung einer Versorgungsregelung

Wann hat eine Witwe Anspruch auf die Hinterbliebenenversorgung?

von Ass. jur. Petra Wronewitz

| Häufig enthalten Betriebsvereinbarungen eine Versorgungsregelung, wonach eine Witwen- bzw. Witwerrente entfällt, wenn die Ehe zum Todeszeitpunkt des Rentenanwärters geschieden ist, oder wenn sie erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde. Dies schließt dennoch eine Hinterbliebenenrente für den Ehepartner nicht aus, wenn die Ehe zwar nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, aber der Ehepartner zu diesem Zeitpunkt noch keine Rentenzahlungen erhalten hat. |

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob eine Witwe vom ehemaligen Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemanns eine Hinterbliebenenversorgung verlangen kann. Als die Witwe ihren Mann im Jahr 2020 geheiratet hatte, war dieser bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und hatte eine unverfallbare Anwartschaft auf eine Betriebsrente erworben.

 

Er bezog aber noch keine Altersrente. Bei dem Arbeitgeber gilt eine (Gesamt-)Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung über die UFBA Unterstützungskasse, die eine Hinterbliebenenversorgung für Ehepartner vorsieht.

 

Diese entfällt nach der Ziffer 4.2.1 nur wenn,

  • „die Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens des Anwärters geschieden ist“ oder
  • „die Ehe erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde“.

 

Der Arbeitgeber ist der Auffassung, dass eine Witwenrente darüber hinaus auch ausgeschlossen sei, wenn die Ehe nach vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, aber vor dem Beginn der Altersrentenzahlung eingegangen wurde. Er weigerte sich deshalb, der klagenden Witwe eine Witwenrente zu zahlen.

 

Das Arbeitsgericht hat der Klage der Witwe im Grundsatz stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Arbeitgebers die Klage insgesamt abgewiesen. Die Revision der Witwe vor dem BAG hatte jedoch überwiegend Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Das BAG (2.12.21, 3 AZR 212/21, Abruf-Nr. 226232) sprach der Witwe die Rente zu. Im Wesentlichen stützte das BAG seine Argumente auf Auslegungsgrundsätze.

 

Einem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Ehe der Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehegatten erst nach dessen vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, aber vor dem Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde. Es fehlt ‒ entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ‒ an einer hinreichend erkennbaren klaren Regelung. Eine solche müsste bestimmen, dass die Zusage nur auf Witwen/Witwer aus Eheschließungen im bestehenden Arbeitsverhältnis beschränkt und somit Witwen/Witwer aus Eheschließungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, aber vor Rentenbezugsbeginn von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen sein sollen. Das ergibt die Auslegung der einschlägigen Leistungsbestimmungen.

 

MERKE | Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters nach den für Tarifverträge und für Gesetze geltenden Grundsätzen auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann.

 

Ausdrücklich geregelt sind nur zwei Fälle, in denen eine Versorgung ausgeschlossen ist. Diese ausdrücklichen Ausschlusstatbestände für die Witwen-/Witwerversorgung zeigen im Umkehrschluss, dass weitere Ausnahmen für die Witwen-/Witwerversorgung nicht gewollt waren.

 

Aus diesen konkret geregelten Ausschlussgründen ist nicht ersichtlich, dass es für die Rente für verwitwete Ehepartner stets auf die Familiensituation während der Dauer der Betriebszugehörigkeit ankommen soll. Erkennbar ist lediglich, dass die Leistungspflichten auf Risiken begrenzt werden sollen, die vor dem Beginn der Altersrentenzahlung angelegt waren ‒ also beschränkt auf den Ehepartner, mit dem im Zeitpunkt des Todes noch eine Ehe bestand.

 

Relevanz für die Praxis

Das BAG musste mit dieser Entscheidung noch einmal Grundsätze zur Auslegung von schriftlichen Vereinbarungen darstellen.

 

PRAXISTIPP | Für die Auslegung von Klauseln bezüglich der Hinterbliebenenversorgung bedeutet dies: Gibt es ausdrücklich geregelte Ausnahmefälle, dann sollen auch nur diese von der Versorgung ausgeschlossen sein. Denn nur dann kann der Zweck der Hinterbliebenenversorgung ‒ nämlich Ehepartner und Kinder von einer Versorgungslücke nach dem eigenen Ableben zu bewahren ‒ weiterhin erreicht werden. Der Zeitpunkt, zu dem das Näheverhältnis ‒ die Ehe ‒ entstanden ist, ist nicht maßgeblich.

 

Beachten Sie | Hätte der Arbeitgeber weitere Ausschlussgründe gewollt, hätte er dies in der Versorgungsordnung deutlicher zum Ausdruck bringen müssen.

Quelle: Ausgabe 05 / 2022 | Seite 85 | ID 48220443