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  • · Fachbeitrag · Aktuelle Gesetzgebung

    Neues Recht: Anwälte können jetzt erfolgsabhängige Vergütungen vereinbaren

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | Seit dem 1.10.21 gelten durch das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt (BGBl. I 21, 3415) wichtige Änderungen für anwaltliche Vergütungsvereinbarungen. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Novellierungen. |

    1. Die Systematik der Vergütung nach billigem Ermessen

    Nach der bisherigen Regelung des § 4 Abs. 3 S. 1 RVG a. F. konnte es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer überlassen werden, die Vergütung nach billigem Ermessen festzusetzen. Da es sich insoweit um eine inhaltliche Frage der Vergütungsvereinbarung handelt, ist diese Regelung nach § 3a Abs. 2 S. 1 RVG verschoben worden.

     

    Nach § 4 Abs. 3 S. 2 RVG a. F. galt die gesetzliche Vergütung als vereinbart, wenn die Festsetzung der Vergütung dem Ermessen eines Vertragsteils überlassen wurde. Auch diese Regelung ist nun aus systematischen Gründen in § 3a Abs. 2 S. 2 RVG verschoben.

     

    MERKE | Inhaltlich ändert sich hier nichts an dem Verbot des einseitigen Ermessens eines Vertragsteils. Zweckmäßig wäre es allerdings gewesen, die Regelung dahin gehend zu ändern, dass in einem solchen Fall nicht die gesetzliche Vergütung geschuldet ist, sondern dass entsprechend § 4b RVG keine höhere als die gesetzliche Vergütung verlangt werden kann. Hier ist es nämlich denkbar, dass der Anwalt eine geringere als die gesetzliche Vergütung bestimmt. Weshalb die höhere gesetzliche Vergütung gelten soll, erschließt sich nicht.

     

    Hinweis: Die bisherigen Abs. 2 und 3 des § 3a RVG sind die Abs. 3 und 4 geworden.

    2. Änderungen des § 49b BRAO

    Nach § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO sind erfolgsabhängige Vergütungsvereinbarungen unzulässig, soweit das RVG nichts anderes bestimmt. Diese Regelung ist unverändert geblieben, auch wenn jetzt nach § 4a RVG in weiterem Maße Erfolgshonorare möglich sind (s. u. Punkt 4.).

     

    Bislang war es nach § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO a. F. einem Anwalt strikt untersagt, im Falle eines zulässigen Erfolgshonorars Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu übernehmen. Künftig gilt (ausführlich s. u. Punkt 4.):

     

    • Im Falle des Erfolgshonorars nach § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG (s. u. 4. b) bleibt das Verbot erhalten.
    • Für die Fälle eines Erfolgshonorars nach § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 RVG darf der Anwalt dagegen jetzt auch Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter übernehmen.

    3. Änderungen in § 4 RVG

    § 4 RVG regelt die Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Vergütung im außergerichtlichen Bereich und in bestimmten gerichtlichen Verfahren. („Aufgehoben“ ist die Vorschrift des § 4 Abs. 3 RVG a. F., die sich nun in § 3a Abs. 2 RVG wiederfindet.)

     

    a) Unterschreiten der außergerichtlichen gesetzlichen Vergütung

    Nach § 4 Abs. 1 S. 1 RVG darf der Anwalt in außergerichtlichen Angelegenheiten eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbaren. In diesem Fall muss nach wie vor gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 RVG die anwaltliche Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Anwalts stehen. Daran hat sich nicht geändert.

     

    b) Gänzlicher Verzicht auf Vergütung

    Bei Beratungshilfe durfte der Anwalt schon bisher ganz auf eine Vergütung verzichten (§ 4 Abs. 1 S. 3 RVG a. F.). Diese Möglichkeit des völligen Verzichts auf die außergerichtliche Vergütung wurde auf die Fälle erweitert, wenn Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit eine Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 3 S. 1 RDG ist (§ 4 Abs. 1 S. 3 RVG). Zudem ist klargestellt, dass in diesem Fall die Vergütung nicht im Verhältnis zur Leistung von Verantwortung und Haftungsrisiko des Anwalts stehen muss.

     

    PRAXISTIPP | Bei Beratungshilfe bleibt bei einem teilweisen oder gänzlichen Verzicht auf die Vergütung gegenüber dem Mandanten die Möglichkeit unberührt, dass Sie gemäß § 9 BerHG den Gegner in Anspruch nehmen (§ 4 Abs. 1 S. 4 RVG).

     

    c) Unterschreiten der gesetzlichen Vertretung in gerichtlichen Verfahren

    Nach § 4 Abs. 2 S. 1 RVG a. F. konnte sich der Anwalt bislang in gerichtlichen Mahnverfahren und in Zwangsvollstreckungsverfahren nach den §§ 802a bis 863 und §§ 882b bis 882f ZPO verpflichten, einen Teil des Kostenerstattungsanspruchs an Erfüllungs statt anzunehmen, wenn der Anspruch des Mandanten auf Erstattung der gesetzlichen Vergütung beim Gegner nicht beigetrieben werden konnte. Der nicht durch Abtretung zu erfüllende Teil der gesetzlichen Vergütung musste dabei in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Anwalts stehen (§ 4 Abs. 2 S. 2 RVG).

     

    Diese Regelungen wurden dadurch ersetzt, dass in Fällen einer Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 S. 1 RDG sowie in nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO genannten Verfahren eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbart werden kann oder der Rechtsanwalt ganz auf die Vergütung verzichten darf. Das Erfordernis, dass die vereinbarte Vereinbarung in angemessenem Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Anwalts stehen muss, gilt hier nicht.

    4. Neufassung des § 4a Abs. 1 RVG

    Während ein Erfolgshonorar bislang nur im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen zulässig war, eröffnet die Neuregelung des § 4a Abs. 1 RVG in drei weiteren Fällen die Möglichkeit eines Erfolgshonorars.

     

    • Unberührt bleibt die bisherige Möglichkeit (§ 4 Abs. 1 S. 1 RVG a. F.), im Einzelfall ein Erfolgshonorar zu vereinbaren, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Dies ist in § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG geregelt. Hier bleibt für die Beurteilung nach wie vor die Möglichkeit außer Betracht, Beratungs- oder Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen (§ 4a Abs. 1 S. 3 RVG).
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    • Neu ist die Möglichkeit, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren, wenn der Auftrag eine Geldforderung in Höhe von nicht mehr als 2.000 EUR betrifft (§ 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RVG). Dabei dürfte es keinen Unterschied ausmachen, ob dem Auftrag eine einzige Forderung oder ob mehrere Forderungen zugrunde liegen, solange der Gesamtbetrag von 2.000 EUR nicht überschritten wird. Insoweit ist es auch unerheblich, ob der Anwalt beauftragt ist, die Geldforderung beizutreiben, sie abzuwehren oder beides.
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    • MERKE | Für andere Forderungen als Geldforderung gilt § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RVG nicht, selbst wenn ihr Wert unter 2.000 EUR liegt. Darüber hinaus ist die Vereinbarung eines Erfolgshonorars nach § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RVG ausgeschlossen, soweit sich der Auftrag auf eine Forderung bezieht, die nicht der Pfändung unterworfen ist (§ 4a Abs. 1 S. 2 RVG) ‒ möglich ist hier nur eine erfolgsabhängige Vereinbarung nach § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG.

       
    • Ein Erfolgshonorar ist zulässig, wenn Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit eine außergerichtliche Inkassotätigkeit ist (§ 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 1. Var. RVG).
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    • MERKE | Die Höhe der Forderung spielt dabei keine Rolle. Allerdings ist eine solche Vereinbarung wiederum unzulässig, soweit sich der Auftrag auf eine Forderung bezieht, die der Pfändung nicht unterworfen ist (§ 4a Abs. 1 S. 2 RVG). Möglich ist auch dann nur eine erfolgsabhängige Vereinbarung nach § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG.

       
    • Ein Erfolgshonorar ist jetzt zulässig, wenn der Anwalt in einem gerichtlichen Verfahren nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO, also in einer Inkassodienstleistung im Mahnverfahren bis zur Abgabe an das Streitgericht und im Verfahren der Zwangsvollstreckung, tätig wird (§ 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 2. Var. RVG).
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    • Beachten Sie | Für die Nr. 2 und 3 spielt die Höhe der Forderung keine Rolle. Allerdings ist eine solche Vereinbarung unzulässig, soweit sich der Auftrag auf eine Forderung bezieht, die nicht der Pfändung unterworfen ist (§ 4a Abs. 1 S. 2 RVG). Möglich ist hier nur eine erfolgsabhängige Vereinbarung nach § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG.

     

    MERKE | Wird bei einer Geldforderung von höchstens 2.000 EUR (§ 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RVG) oder im Einzelfall (§ 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG) ein Erfolgshonorar vereinbart, darf für den Fall des Misserfolgs nur eine geringere als die gesetzliche Vergütung vereinbart werden, wenn für den Erfolgsfall ein angemessener Zuschlag auf die gesetzliche Vergütung vereinbart wird (§ 4a Abs. 2 RVG). Dies entspricht der bisherigen Regelung des § 4a Abs. 1 S. 2 RVG a. F.

     

    Für die Fälle der außergerichtlichen Inkassodienstleistung oder der gerichtlichen Verfahren nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO gilt diese Einschränkung nicht (§ 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 RVG).

     

    5. Neufassung des § 4a Abs. 3 RVG

    § 4a Abs. 3 RVG entspricht in etwa der bisherigen Regelung des § 4a Abs. 2 RVG a. F. und stellt klar, welchen Inhalt die Vergütungsvereinbarung haben muss. Das sind:

     

    • Angabe, welche Vergütung bei Eintritt welcher Bedingung verdient sein soll (Nr. 1).

     

    • Angabe, ob und ggf. welchen Einfluss die Vereinbarung auf die ggf. vom Auftraggeber zu zahlenden Gerichtskosten, Verwaltungskosten und die von diesem zu erstattenden Kosten anderer Beteiligter haben soll (Nr. 2).

     

    • Angabe von wesentlichen Gründen, die für die Bestimmung des Erfolgshonorars bestimmend sind (Nr. 3).

     

    • Die voraussichtliche gesetzliche Vergütung und ggf. die erfolgsunabhängige vertragliche Vergütung, zu der der Rechtsanwalt bereit wäre, den Auftrag zu übernehmen, wenn eine Vergütungsvereinbarung für den Einzelfall nach § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG getroffen wird (Nr. 4).

    6. Änderung des § 4b RVG

    § 3a Abs. 1 S. 1 und 2 RVG setzt für die Vereinbarung einer Vergütung die Bezeichnung als Vergütungsvereinbarung, Textform, Trennung von der Vollmacht und ein deutliches Absetzen von sonstigen Regelungen voraus. Eine Vereinbarung, die nicht diesen Anforderungen entspricht, ist zwar wirksam. Sie ist aber unverbindlich, soweit eine höhere als die gesetzliche Vergütung gefordert wird (vgl. BGH RVG prof. 14, 147).

     

    Im Fall eines Erfolgshonorars führt nun nur der Verstoß gegen den sachlichen Anwendungsbereich nach § 4a Abs. 1 und 2 RVG zur Unverbindlichkeit der Vergütungsvereinbarung und zur Beschränkung auf die gesetzliche Vergütung. Dagegen bleibt die Nichteinhaltung anderer Vorgaben, insbesondere also ein Verstoß gegen die Anforderungen an den Inhalt einer Vergütungsvereinbarung nach § 4a Abs. 3 RVG, sanktionslos.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2021 | Seite 167 | ID 47619707