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  • · Fachbeitrag · Rechtsprechungsübersicht

    Die wichtigsten Entscheidungen der Finanzgerichte zum Steuerstrafrecht 2011

    von StA Markus Ebner, LL. M., Nürnberg/Karlsruhe

    | Das Steuerrecht steht „im Spannungsfeld der Gerichtsbarkeiten“ (Harms/Heine, FS Spindler, S. 429). Das gilt - von der strafrechtlichen Warte aus betrachtet - vice versa auch für das Steuerstrafrecht. Denn dabei handelt es sich nach richtiger Auffassung um Blankettstrafrecht (Klein/Jäger, AO, 11. Aufl., § 370 Rn. 5). Es ist deshalb vor allem aus Sicht des Strafrechtsanwenders angezeigt, sich auch für 2011 mit einer Auswahl der wichtigsten in diesem Jahr ergangenen Entscheidungen der Finanzgerichte zum Steuerstrafrecht zu befassen, deren Kernaussagen hier komprimiert zusammengestellt sind . Denn daraus können sich Argumentationsansätze und Schlussfolgerungen für das Strafverfahren ergeben. |

     

    Rechtsprechungsübersicht / Die wichtigsten Entscheidungen der Finanzgerichte 2011

    Hessisches FG 13.1.11,13 K 1261/10,DStRE 12, 61 = BeckRS 2011, 94907,Abruf-Nr. 111186 

    Hinterziehungszinsen als Teil der insolvenzrechtlichen Restschuldbefreiung (bestätigt durch BFHE 236, 488 v. 20.3.12)

    • Kernaussagen: Es ist streitig, ob Hinterziehungszinsen gemäß § 302 InsO entweder unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung (§ 302 Nr. 1 InsO) oder einer Geldstrafe oder einer dieser in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten Verbindlichkeit (§ 302 Nr. 2 InsO) von der insolvenzrechtlichen Restschuldbefreiung ausgenommen sind. Das ist nicht der Fall. Es handelt sich um Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO), die sowohl nach ihrer Entstehung als auch nach ihrem Inhalt und ihrer Durchsetzung eigenen, von den zivilrechtlichen Deliktsansprüchen (§ 302 Nr. 1 InsO) unterschiedlichen Regeln unterliegen. Auch die Voraussetzungen des § 302 Nr. 2 InsO liegen nicht vor. Es handelt sich bei dem Anspruch auf Hinterziehungszinsen weder um eine Geldbuße noch um ein Ordnungsgeld noch um ein Zwangsgeld. Auch erfüllt der Zinsanspruch nicht die Voraussetzungen einer Nebenfolge einer Straftat.

    Literaturhinweise: Schelling, PStR 11, 141; Loose, EFG 11, 946

    FG Baden-Württemberg 27.1.11,13 K 5726/08,DStRE 12, 1208 = BeckRS 2011, 96837,Abruf-Nr. 113675 

    Abgabenrechtliche Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten und Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 AO („anonyme“ Liechtenstein-CD)

    • Kernaussagen: Im Jahr 2000 ging der StA anonym eine CD-ROM zu. Auf der CD befanden sich Daten über Stiftungen, die in einer Anwaltskanzlei des C in Vaduz, Liechtenstein, gegründet wurden.

      • Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO bezieht, hat der Steuer-pflichtige diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen (§ 90 Abs. 2 S. 1 AO). Die Verletzung abgabenrechtlicher Mitwirkungspflichten kann dann, wenn sie Tatsachen und Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen betrifft, dazu führen, dass aus seinem Verhalten für ihn nachteilige Schlüsse im Rahmen einer Schätzung gezogen werden. Denn der „Beweisverderber“ oder „Beweisvereitler“soll aus seinem Verhalten keinen Vorteil ziehen.
      • Die Finanzbehörde war an einer Änderung der Steuerfestsetzungen nicht durch die Festsetzungsfrist gemäß § 169 AO gehindert. Beginnen die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 171 Abs. 5 S. 1 AO).

    Literaturhinweis: Wegner, PStR 11, 300

    Hessisches FG 15.2.11,5 K 341/09,BeckRS 2011, 95592,Abruf-Nr. 123423 

    Hinterziehungsvorsatz (Doppelbezug von Kindergeld)

    • Beweiswürdigung: Der Kläger handelte nach Überzeugung des Gerichts vorsätzlich. Der Bezug von Kindergeld stellt eine staatliche Förderung dar, deren Voraussetzungen wegen ihrer Breitenwirkung als „allgemein bekanntt“ anzusehen sind. Das Gericht hält es für ausgeschlossen, das ein Steuerpflichtiger ernsthaft annehmen konnte, der Staat zahle für ein und dasselbe Kind zweimal Kindergeld. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in seiner Einsichtsfähigkeit hätte besonders beschränkt gewesen sein können, bestehen nicht. Im Gegenteil gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, Zweifel an der Richtigkeit der doppelten Zahlungen gehabt zu haben. Er will sogar im Rahmen des Antragsverfahrens bezüglich seines Sohns bei der Lohnstelle seiner Ehefrau vorgesprochen haben. Der Kläger räumte ein, von einem bestimmten Zeitpunkt an, nachdem „die Zahlstellen auf seinen Hinweis nicht reagiert hätten“, sein Gewissen damit beruhigt zu haben, dass „alles schon seine Ordnung“ haben werde.

    Literaturhinweise: Braun, PStR 08, 37; Kahlen, PStR 99, 92

    FG München 17.2.11,7 V 3363/10,DStR 11, 670 = BeckRS 2011, 94971,Abruf-Nr. 111300 

    Verwertbarkeit steuerstrafrechtlich relevanter Zufallsfunde

    • Kernaussagen: Zwar beruhen die angefochtenen Steuerbescheide auf Erkenntnissen der Steufa, die diese aus der Verwertung der Unterlagen gewonnen hat, die das LKA im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das BtMG im Jahr 2004 beschlagnahmt hat, ohne dass seitens der Steufa zeitnah die Beschlagnahme der in Gewahrsam genommenen Unterlagen beantragt wurde (§ 108 Abs. 1 StPO i.V. mit § 94 StPO) und die die Steufa zum Anlass für weitere Ermittlungsmaßnahmen (Durchsuchungen, Beschlagnahmen) genommen hat. Dieser fehlerhafte Verfahrensablauf im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren führt aber nicht zwangsläufig zu einem steuerrechtlichen Verwertungsverbot. Nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung besteht im Besteuerungsverfahren kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt wurden.

    Literaturhinweise: Weyand, PStR 11, 166; Schützeberg, PStR 10, 22

    FG Berlin-Brandenburg 10.3.11, 9 K 9370/07,EFG 11, 2044 = BeckRS 2011, 95696,Abruf-Nr. 123424 

    Hinterziehungsvorsatz (Berufsunfähigkeitsrente I)

    • Leitsatz: Gibt ein Steuerpflichtiger den Bezug einer privaten Berufsunfähigkeitsrente von monatlich über 1.200 EUR in der von ihm selbst ausgefüllten „Anlage KSO“ zur ESt-Erklärung 1995 nicht an, kann nach den Umständen des Einzelfalls vorsätzliche Steuerhinterziehung i.S. von § 370 AO zu bejahen sein.

    • Beweiswürdigung: Der Kläger hatte den objektiven Tatbestand von Steuerhinterziehungen erfüllt, als er in den ESt-Erklärungen der Eheleute für die Streitjahre die Rentenzahlungen nicht angegeben hat. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte als er seine Renteneinkünfte unerwähnt gelassen hat. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass auf der Rückseite der amtlichen „Anlage KSO“ zur ESt-Erklärung 1995 ff. (Zeile 31) ausdrücklich nach Einkünften des Ehemanns oder der Ehefrau aus Berufsunfähigkeitsrenten gefragt wird und dazu im Bezugsfalle in den Zeilen 37 bis 42 genauere Angaben zu machen sind (Beginn und voraus- sichtliches Ende des Rentenbezugs, Rentenbetrag, Ertragsanteil der Rente sowie entsprechende Werbungskosten). Die amtlichen Hinweise zum Ausfüllen der ESt-Erklärung 1993 ff. enthalten im Abschnitt „Anlage KSO“ eine eindeutige Aussage dahingehend, dass auch Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten, also Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, zu den in der Anlage KSO anzugebenden „Sonstigen Einkünften“ gehören. Angesichts dieser Umstände sowie der Höhe der Berufsunfähigkeitsrente ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger es für möglich hielt, dass seine Angaben in den betreffenden ESt-Erklärungen unvollständig gewesen sind, und er diese mögliche Unvollständigkeit und damit eine Steuerverkürzung billigend in Kauf genommen hat.

    FG Rheinland-Pfalz 29.3.11, 3 K 2635/08,DStRE 12, 114 = BeckRS 2011, 95337,Abruf-Nr. 111641 

    Hinterziehungsvorsatz (falsche Kilometerangaben)

    • Leitsatz: Falsche Kilometerangaben können als Steuerhinterziehung gewertet werden. Dem FA kann nicht ohne Weiteres vorgehalten werden, es hätte die Falschangaben bemerken müssen.

    • Beweiswürdigung: Die Klägerin hat gegenüber dem FA über steuerlich erhebliche Tatsachen vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Denn sie hat nicht die einfache Entfernung zwischen E und G bzw. E und A, sondern mehr als das doppelte der Wegstrecke erklärt. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung liegen in Bezug auf das Streitjahr 1996 allerdings nicht vor. Insoweit hält es der Senat für durchaus denkbar, dass die Klägerin die Eintragung der Weg- strecke zum Arbeitsort „G über A“ und die Angabe der Kilometer mit „28“ in der Annahme, die Entfernungskilometer entsprächen den tatsächlich gefahrenen Kilometern, lediglich versehentlich, nicht aber bewusst fehlerhaft vorgenommen hat. Anders verhält es sich aber hinsichtlich der Streitjahre 1997 bis 2001. Während sich nämlich im VZ 1996 der Arbeitsort der Klägerin noch in G befand und sie in diesem Jahr ihren eigenen Angaben zufolge von E über A nach G gefahren ist, befand sich ihr Arbeitsplatz ab 1997 im Ort A. Sie musste sich also bei der Anfertigung ihrer Steuererklärung Gedanken über die von ihr benutzte Fahrtstrecke machen und es musste ihr dabei bewusst sein, dass die Entfernung zu ihrem neuen Arbeitsplatz deutlich geringer war als diejenige von E über A nach G und dass - unabhängig von der tatsächlichen Entfernung - dieselbe Angabe nicht zutreffend sein kann. Wenn sie gleichwohl in der Erklärung 1997 dieselben Entfernungskilometer angab, kann sie diese Eintragung nur vorsätzlich fehlerhaft vorgenommen haben.

    Literaturhinweise: Wegner, PStR 11, 161; Gebhardt, AO-StB 11, 206

    FG Düsseldorf 31.3.11,14 K 797/09 E,BeckRS 2012, 95051,Abruf-Nr. 121449 

    (Finanz-)Richterliche Überzeugungsbildung

    • Kernaussagen: Hängt die Rechtmäßigkeit eines Bescheids davon ab, dass eine Steuerhinterziehung vorliegt, kann das Gericht dies zulasten des Steuerpflichtigen nur feststellen, wenn es von dem Vorliegen der Straftat der Steuerhinterziehung überzeugt ist. Für die Überzeugungsbildung ist § 96 Abs. 1 S. 1 HS. 1 FGO anwendbar, der, der Sache nach mit § 261 StPO übereinstimmend, regelt, dass das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden hat. Daraus folgt, dass dem Steuerpflichtigen anders als bei einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO die Verletzung von Mitwirkungspflichten nicht zum Vorwurf gemacht werden darf. Das gilt auch für die Verletzung der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO.

    Literaturhinweise: Wegner, PStR 12, 139; Esskandari, AO-StB 12, 172

    FG München 4.5.11,9 K 2928/10,EFG 11, 2173 = BeckRS 2011, 95914,Abruf-Nr. 123425 

    Hinterziehungsvorsatz (Konkurrenz von Kindergeldansprüchen in verschiedenen EU-/EWR-Staaten)

    • Kernaussagen: Die Tochter des Klägers lebte ab April 2000 in Norwegen, einem EWR-Staat. Dem Kläger stand damit deutsches Kindergeld dem Grunde nach zu.

      • Da auch die durchgängig bis einschließlich Februar 2009 in Norwegen als Künstlerin tätige und dort sozialversicherte Mutter der Tochter nach ihren eigenen Angaben von Norwegen Kindergeld erhielt, treffen zwei nach den jeweiligen nationalen Regelungen der beiden EU-Staaten bestehende Ansprüche aufeinander. Die Anspruchskonkurrenz ist, da der Kindergeldanspruch in Norwegen nicht von einer Beschäftigung abhängig ist, nach Art. 10 Verordnung (EWG) 574/72 des Rates vom 21.3.72 aufzulösen.  
      • Der Kläger war verpflichtet, jede Änderung in den Verhältnissen und damit auch diese Änderung der Familienkasse mitzuteilen. Darauf wurde er im Kindergeldmerkblatt hingewiesen. Dass er das Kindergeldmerkblatt mit den Hinweisen nicht bekommen hat, ist nicht glaubhaft dargelegt und widerspricht der Lebenserfahrung, da der Kindergeldantrag zusammen mit den Erläuterungen zum Ausfüllen des Antrags und dem entsprechenden Merk- blatt zusammen versandt werden. Dass es sich nicht in den Akten befindet, spricht nicht dagegen, da es zum Verbleib beim Kläger bestimmt ist. Gegen diese Pflicht hat der Kläger - zumindest bedingt vorsätzlich - verstoßen. Das ergibt sich schon daraus, dass der Kläger selbst im Telefonat mit der Familienkasse um die Einstellung der Kindergeldzahlungen gebeten hat. Ihm war also bewusst, dass die Tatsache des Auszugs seiner Tochter aus seinem Haushalt Auswirkungen auf die Kindergeldberechtigung/-zahlung hat. Hinzu kommt, dass er seiner Mitwirkungspflicht auch auf Nachfrage durch die Familienkasse nur sehr zögerlich und unvollständig nachkam.

    FG Baden-Württemberg 9.5.11, 9 K 3714/08,juris, Abruf-Nr. 123426 

    Hinterziehungsvorsatz eines Verstorbenen

    • Kernaussagen: Die damals noch minderjährige Klägerin hat von ihrem 1993 verstorbenen Großvater ein Vermächtnis erhalten. Das Vermächtnis wurde den deutschen Finanzbehörden nicht angezeigt. Sie erfuhren davon erst durch eine 2002 bei dem inzwischen verstorbenen Vater der Klägerin wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung durchgeführte Durchsuchung. Nachdem die Steufa das Vermächtnis dem für die ErbSt-Besteuerung der Klägerin zuständigen FA zur Kenntnis gebracht hatte, setzte dieses mit Bescheid vom 10.12.03 ErbSt fest. Der ErbSt-Bescheid ist nur dann innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen, wenn eine ErbSt-Hinterziehung vorliegt. Der Vater der Klägerin hat seine Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1 ErbStG vorsätzlich nicht erfüllt. Er hatte bereits 1972 eine mit deutscher SchenkSt belastete Schenkung erhalten. Vor allem aber war es ausweislich des Schreibens der Anwaltskanzlei Q vom 5.4.93 ein zentrales Anliegen der Familie, den Anfall deutscher ErbSt zu vermeiden. Der Senat darf dieses Schreiben zur Beweiswürdigung heranziehen. Es unterlag nach § 97 Abs. 2 StPO keinem Beschlagnahmeverbot, da es sich nicht um Verteidigerpost handelte und ehemals bei dem Vater der Klägerin und nicht im Anwaltsbüro sichergestellt wurde.

    FG Hamburg 10.5.11,4 V 19/11, PStR 11, 216 = BeckRS 2011, 95828,Abruf-Nr. 112743 

    Haftung für drittverschuldete Hinterziehungszinsen

    • Leitsatz: Ein Steuerpflichtiger schuldet Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO auch dann, wenn ein Dritter die Steuerhinterziehung begangen und die hinterzogenen Beträge auf betrügerische Weise zulasten des Steuerpflichtigen für sich vereinnahmt hat. § 235 Abs. 1 S. 2 AO meint nur den steuerlichen, nicht den wirtschaftlichen Vorteil.
    • Sachverhalt: Die Antragstellerin führte Druckerkartuschen aus China ein. Bei der Einfuhr wurde sie vertreten von der A-Spedition. Die zu zahlenden Einfuhrabgaben berechnete die Spedition zutreffend in der gesetzlich geschuldeten Höhe und stellte sie der Antragstellerin in Rechnung. Die Antragstellerin zahlte die Einfuhrabgaben an die Spedition in der Annahme, diese würde die Abgaben an das zuständige Zollamt abführen. Die Spedition machte jedoch in der Zollanmeldung falsche Angaben zum Zollwert, woraufhin das Zollamt Abgaben in zu geringer Höhe berechnete. Die Differenz zwischen den von der Antragstellerin gezahlten Abgaben und den von der Spedition an das Zollamt abgeführten Abgaben behielt die Spedition ein. Feststellungen des Zollfahndungsamts führten insoweit zur Annahme einer Steuerhinterziehung der Verantwortlichen der Spedition.

    FG Köln 22.6.11,4 K 950/08,EFG 12, 1011 = BeckRS 2012, 94539,Abruf-Nr. 120423 

    Tatbestandsirrtum (Berufsunfähigkeitsrente II)

    • Kernaussagen: Aufgrund des erst nachträglichen Bekanntwerdens des Bezugs der Berufsunfähigkeitsrenten war die Finanzbehörde zur Änderung der bestandskräftigen ESt-Bescheide befugt. Entgegen der Auffassung der Klägerin stand dieser Änderung nicht die Festsetzungsverjährung entgegen. Denn der gemäß § 169 Abs. 2 S. 2 AO die zehnjährige Festsetzungsverjährung auslösende Tatbestand der Steuerhinterziehung ist erfüllt. Für die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung vorliegen, trägt die Finanzbehörde die Feststellungslast. Ein Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB liegt dann vor, wenn der Steuerpflichtige aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erkennt, dass seine Angaben unrichtig oder unvollständig sind bzw. dass ein Verkürzungserfolg eintreten kann. Das ernsthafte Vertrauen auf die fehlende steuerliche Relevanz eines Vorgangs setzt eine tragfähige Vertrauensgrundlage voraus. Ist sich der Steuerpflichtige über die Steuerrechtslage im unklaren und scheint es ihm zumindest möglich, dass seine Erklärung bei zutreffender Anwendung des Steuerrechts unrichtig oder unvollständig ist, zieht er aber ungeachtet sich aufdrängender Zweifel keine qualifizierten Auskunftspersonen zu Rate, nimmt er den Tatbestand der Steuerhinterziehung zumindest billigend in Kauf.

    Literaturhinweise: Meyberg, PStR 11, 308; Beyer, AO-StB 12, 76

    FG Münster 30.6.11,9 K 2649/10 K,DStRE 12, 802 = BeckRS 2012, 94075,Abruf-Nr. 113571 

    Keine Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen Nichtabgabe der Steuererklärung

    • Kernaussagen: Der Kläger ist ein Verein, der nach seiner Satzung den gemeinnützigen Zweck verfolgt, die Bildende Kunst zu fördern. Nachdem der Kläger trotz zweimaliger Erinnerung keine Steuerklärungen abgab, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen, setzte die KSt mit 0 EUR fest und entzog dem Kläger mit sofortiger Wirkung die Gemeinnützigkeit. Allein die verspätete Abgabe der Steuererklärungen genügt nicht, um dem Kläger die Gemeinnützigkeit abzusprechen. Anderweitige Verstöße gegen eine ordnungsgemäße Geschäftsführung sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und vom FA nicht vorgetragen. Führt eine Verletzung der Steuererklärungspflichten gleichzeitig zu einer Steuerhinterziehung, „kann“ dies zwar nach der BFH-Rechtsprechung eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit rechtfertigen. Hier führte die verspätete Abgabe der Steuererklärungen aber bereits deshalb nicht zu einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO), weil keine KSt-Schuld bestand und sich bei der USt jeweils erhebliche Erstattungen ergaben.

    Literaturhinweis: Wegner, PStR 12, 31

    FG München 28.7.11,14 K 3772/08,PStR 11, 301 = BeckRS 2011, 96330,Abruf-Nr. 113674 

    Übernahme der Feststellungen aus Strafurteilen;

    gesamtschuldnerische Haftung des Gehilfen für TabSt-Schuld

    • Kernaussagen: Das HZA nahm den Kläger mit zwei Haftungsbescheiden gemäß § 71 AO als Gesamtschuldner für TabSt in Anspruch, weil er sich in zwei Fällen der Beihilfe zur Hinterziehung von TabSt schuldig gemacht hatte. Er wurde deswegen durch rechtskräftigen Strafbefehl verurteilt. Das Gericht macht sich die Feststellungen und rechtliche Beurteilung des Strafgerichts zu Eigen, weil es aufgrund der Feststellungen des HZA überzeugt ist, dass diese zutreffend sind. Dies gilt insbesondere für das Vorliegen des subjektiven Tatbestands der Beihilfe durch den Kläger an einer Steuerhinterziehung. Die Inanspruchnahme des Klägers ist nicht ermessenswidrig. Der Kläger ist gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 AO als Haftender gesamtschuldnerisch neben den anderen Tatbeteiligten zur Erfüllung der streitgegenständlichen TabSt verpflichtet. Hat jemand wie vorliegend als Teilnehmer eine vorsätzliche Steuerstraftat begangen, ist es im Regelfall billig und gerecht, wenn ihn die Finanzbehörde für den Steuerschaden in Anspruch nimmt.

    Literaturhinweis: Wegner, PStR 11, 301

    FG Berlin-Brandenburg 9.8.11, 1 K 1369/07,EFG 12, 480,Abruf-Nr. 113678 

    Billigkeitserlass nach Hinterziehung von Einfuhrabgaben

    • Kernaussagen: Die Klägerin schmuggelte unversteuerte und unverzollte Zigaretten in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein. Das LG verurteilte sie wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, die die Klägerin teilverbüßte. Sie beantragte im Hinblick auf ihre Arbeitslosigkeit und den Empfang von Leistungen nach dem SGB II den Erlass der gegen sie festgesetzten TabSt. Steuerliches Fehlverhalten insbesondere in Form der Steuerhinterziehung ist dabei ein im Rahmen der Abwägung besonders gewichtiger Aspekt, führt jedoch nicht zu einer Reduzierung des Ermessens dergestalt, dass in jedem Fall einer Bestrafung wegen Steuerhinterziehung die Erlasswürdigkeit zu verneinen wäre. Vielmehr muss auch berücksichtigt werden, welche Anstrengungen der Stpfl. unternommen hat, um die Rückstände, die auf seinem steuerunehrlichen Verhalten beruhen, abzutragen, und ob diese Bemühungen als ausreichend anzusehen sind.

     

    Rechtsprechungsübersicht / Die wichtigsten Entscheidungen des BFH 2011

    BFH 17.5.11,VIII R 31/08,HFR 11, 1013 = BeckRS 2011, 95769,Abruf-Nr. 123427 

    Keine Straffreiheit nach § 1 Abs. 1 StraBEG bei versuchter Steuerhinterziehung

    • Leitsätze: 1. Eine Steuerfestsetzung nach StraBEG erfolgt nur bei einer Steuerhinterziehung, die im Zeitpunkt der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bereits vollendet war. 2. Eine strafbefreiende Erklärung ist folglich nicht wirksam bei Nichtabgabe einer Steuererklärung und unterbliebener Steuerfestsetzung für einen VZ, für den zum 17.10.03 (§ 1 Abs. 1 S. 1 StraBEG) die regelmäßigen Veranlagungsarbeiten noch nicht abgeschlossen waren.

    • Entscheidungsgründe: Straffreiheit nach § 1 Abs. 1 StraBEG tritt nur ein, wenn die mit der strafbefreienden Erklärung offenbarte Steuerhinterziehung im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung bereits vollendet war. Dafür spricht der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 1 StraBEG, der voraussetzt, dass der Erklärende die Steuer verkürzt hat. Der Senat schließt sich mit dieser Auslegung der ganz überwiegenden Ansicht im Schrifttum an, dass der Versuch der Tat (§ 370 Abs. 2 AO i.V. mit § 23 StGB) durch das StraBEG nicht privilegiert wird.

    Literaturhinweis: Tormöhlen, AO-StB 11, 238

    BFH 9.6.11,VI B 146/10,BFH/NV 11, 1530 = BeckRS 2011, 95884,Abruf-Nr. 123428 

    Übernahme der Feststellungen aus Strafurteilen II

    • Leitsatz: Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 S. 1 FGO, der einen Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründet, liegt auch dann vor, wenn das FG seiner Entscheidung eine strafgerichtliche Verurteilung zugrunde legt, die sich so aus dem herangezogenen Urteil des LG nicht ergibt.

    BFH 11.8.11,V R 50/09,BFHE 235, 32 = BeckRS 2011, 96408,Abruf-Nr. 113309 

    Versagung der Steuerbefreiung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

    • Leitsatz: Beteiligt sich ein Unternehmer vorsätzlich durch Täuschung über die Identität des Abnehmers an einer USt-Hinterziehung, um hierdurch die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat zu vermeiden, ist die Lieferung nicht nach § 6a UStG steuerfrei.

    • Kernaussagen: Erbringt der Unternehmer den Beleg- und Buchnachweis (§ 6a Abs. 3 UStG i.V. mit § 17a UStDV) nicht vollständig, erweisen sich Angaben als unzutreffend oder bestehen berechtigte und nicht durch den Unternehmer ausgeräumte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, ist die Lieferung steuerpflichtig, wenn diese Mängel den „sicheren Nachweis“ der materiellen Anforderungen verhindern. Darüber hinaus ist die Lieferung auch steuerpflichtig, wenn - obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit objektiv vorliegen - der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der RiL 77/388/EWG beruhenden Pflichten zum Beleg- und Buchnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen.

    Literaturhinweise: Esskandari/Bick, UStB 12, 139; Jope, NZWiSt 12, 153

    BFH 19.12.11,VII B 27/11,BeckRS 2012, 94721,Abruf-Nr. 121142 

    Übernahme der Feststellungen aus Strafurteilen III

    • Leitsätze: 1. Die Feststellungen aus einem Strafbefehl bzw. aus einem Strafurteil kann sich das FG zu Eigen machen, sofern der Verfahrensbeteiligte keine substantiierten Einwendungen erhebt oder entsprechende Beweisanträge stellt. 2. Weist das FG einen Beteiligten schriftlich auf einen rechtskräftigen Strafbefehl und auf das Protokoll über die Hauptverhandlung hin, muss zumindest ein rechtskundig vertretener Beteiligter von einer Verwertung der in den Strafakten getroffenen Feststellungen ausgehen, sodass es eines gesonderten Hinweises des FG nicht bedarf.

    Literaturhinweis: Wegner, PStR 12, 134

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