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  • · Fachbeitrag · Haftungsrecht

    Warn- und Hinweispflichten bei Insolvenzreife

    von Oberstaatsanwalt a.D. Raimund Weyand, St. Ingbert

    | Die Warn- und Hinweispflichten des mit der Bilanzerstellung beauftragten Steuerberaters bei Insolvenzreife greifen erst für Tätigkeiten nach dem Januar 2017 (LG Erfurt 14.7.21, 8 O 15103/19). |

     

    Insolvenzverwalter stützte sich auf geänderte BGH-Rechtsprechung

    Der BGH hat unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung allgemeine Warn‒ und Hinweispflichten für den mit der Bilanzerstellung beauftragten Steuerberater postuliert (BGH 26.1.17, IX ZR 285/14). Danach muss er zur Vermeidung von Regressforderungen auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht von Gesellschaftsorganen hinweisen, wenn Anhaltspunkte offenkundig sind, er aber annehmen muss, dass die prekäre Situation dem Mandanten nicht bewusst ist. Hierauf gestützt verlangte der Insolvenzverwalter Schadenersatz von den früheren Beratern einer GmbH, weil diese zum einen fehlerhafte Jahresabschlüsse durch den unzutreffenden Ansatz von Fortführungswerten erstellt und zum anderen über die Insolvenzantragspflicht nicht aufgeklärt hätten. Seine Klage hatte keinen Erfolg.

     

    Berater musste die Rechtsprechungsänderung nicht antizipieren

    Das LG verweist auf die Rechtslage vor Januar 2017. Hier verneinte der BGH (7.3.13, IX ZR 64/12) auch bei einem Dauermandat explizit die Pflicht, auf eine mögliche bilanzielle Unterdeckung und hieraus resultierende Prüf- und Antragsobliegenheiten hinzuweisen. Hieraus folgt, dass den Beklagten für etwaige Versäumnisse vor Januar 2017 von vornherein kein Vorwurf schuldhaften Fehlverhaltens gemacht werden kann. Eine spezifische Pflicht für den Berater zu insolvenzrechtlichen Hinweisen bestand seinerzeit nicht. Die (plötzliche) Änderung der Rechtsprechung war auch für Berufsangehörige nicht absehbar.

     

    Berater hatten sogar auf Insolvenzrisiko hingewiesen

    Andererseits hatten die Beklagten nach dem vorliegenden Schriftverkehr auch explizit auf ein Insolvenzrisiko hingewiesen. Neben dieser nach damaliger Auffassung überobligationsmäßigen Aufklärung gab es zudem deutliche Hinweise auf die wirtschaftliche Schieflage, etwa durch Schreiben bzw. den folgenden Insolvenzantrag einer Krankenkasse. Aus der Sicht des LG war die Geschäftsführerin der Gesellschaft daher über die Situation rechtzeitig und vollständig im Bilde, sodass ein Regress auch deswegen nicht infrage kam.

     

    Geschäftsführung hatte Insolvenz vorsätzlich verschleppt

    Schließlich verneinte das LG auch die Kausalität zwischen einem etwaigen Fehler und einer unterlassenen Antragstellung. Denn die Geschäftsführerin wurde nach dem Unternehmenszusammenbruch wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung rechtskräftig verurteilt. Bei Vorsatztaten können das Vermögen treffende Folgen nicht auf den steuerlichen Berater abgewälzt werden (BGH 14.11.95, IX ZR 215/95). Die „Vermutung beratungsgerechten Verhaltens“ scheidet schon deswegen aus, weil die Geschäftsführerin die Gesellschaft trotz aller Warnzeichen offenkundig um jeden Preis hatte fortführen wollen.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2022 | Seite 50 | ID 47914340

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