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  • · Fachbeitrag · Verfahrensrecht

    Keine Aktenübersendung durch das Finanzgericht

    von OStA Raimund Weyand, St. Ingbert

    Führt das FG seine Prozessakte in Papierform, kann der Rechtsbeistand des Klägers nicht verlangen, dass ihm die Gerichtsakte und dort vorgelegte Behördenakten zur Akteneinsicht in seine Kanzleiräume übersandt werden (BFH 6.9.19, III B 38/19).

     

    Sachverhalt

    Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers hatte beantragt, ihm Gerichts- und Beiakten in seine Praxisräume zu senden, um dort ungestört und umfassend Akteneinsicht nehmen zu können. Das FG entsprach diesem Antrag nicht und verwies ihn auf die Möglichkeit, die Akten an Amtsstelle bei einem Gericht oder bei einem HZA einzusehen. Die Beschwerde des Anwalts blieb erfolglos.

     

    Entscheidungsgründe

    Form und Ort der Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren sind seit dem 1.1.18 ausdrücklich geregelt. Beides hängt nach § 78 Abs. 2 und 3 FGO davon ab, ob die Prozessakten elektronisch oder in Papierform geführt werden. Werden die Akten ‒ wie hier ‒ noch in Papierform angelegt, ist die Akteneinsicht durch Einsichtnahme „in Diensträumen“ zu gewähren, § 78 Abs. 3 S. 1 FGO. Diensträume in diesem Sinn sind allein die Räumlichkeiten des FG oder des BFH sowie außerhalb des Gerichts befindliche Räume eines anderen Gerichts oder einer Finanzbehörde, nicht aber die Kanzleiräume eines Rechtsanwalts (allg. Ansicht, s. nur Brandis, in: Tipke/Kruse AO und FGO, § 78 Rz. 13a m. w. N.).

     

    Ohne sich endgültig festzulegen, sieht der Senat angesichts des klaren Gesetzeswortlauts auch keinen Ermessensspielraum. Anders als in anderen Verfahrensordnungen, die der betreffenden Stelle ein solches Ermessen ausdrücklich einräumen (s. etwa § 100 Abs. 3 S. 3 VwGO, § 120 Abs. 3 S. 3 SGG, § 37f Abs. 2 S. 3 StPO), hat der Gesetzgeber von einer solchen Regelung in der FGO gezielt abgesehen. Gründe für eine ergänzende Gesetzesauslegung waren für das Gericht nicht erkennbar.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Akteneinsicht kann ‒ soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen ‒ nach § 78 Abs. 3 S 2 FGO auch durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf gewährt werden. Diese Regelung ist zum einen anwendbar auf die Einsichtnahme in die EDV-geführten Prozessakten sowie dem Gericht vorliegenden elektronischen Beiakten, also etwa elektronisch geführte Akten des FA oder eines Dritten. Zum anderen ist die Regelung anwendbar auf Papierakten, die anstelle der vorgesehenen Einsichtnahme in Diensträumen bei Gericht eingescannt und so zur Verfügung gestellt werden. Das FG ist aber aktuell nicht verpflichtet, Papierakten zu digitalisieren. Erst ab dem 1.1.26 müssen FG-Prozessakten zwingend elektronisch geführt werden (§ 52b Abs. 1a S. 1 FGO). Rechtsbeistände haben außerdem die Möglichkeit, sich gegen Gebühr vom Gericht Kopien aus den Akten erstellen zu lassen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2020 | Seite 71 | ID 46368478

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