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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Schwester-GmbH: Nutzung von Verlustvorträgen durch Darlehensgewährung

    von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de

    | Bei Schwester-Kapitalgesellschaften laufen die Geschäfte nicht immer gleich gut. Macht eine Gesellschaft Verluste und die andere Gesellschaft erzielt Gewinne, stellt sich schnell die Frage, wie die Verluste steuerlich genutzt werden können. Benötigt die gewinnbringende Gesellschaft für Investitionen Kapital, kann aus der Darlehensgewährung bei geschickter Gestaltung Potenzial zur Verlustverrechnung geschöpft werden. Wie das geht, wird im Folgenden anhand eines Praxisfalls gezeigt. |

    1. Sachverhalt

    A verfügt über hohes Privatvermögen. Zudem ist er Alleingesellschafter von zwei Kapitalgesellschaften. Bei der Gewinn-GmbH 1 laufen die Geschäfte gut ‒ sie erzielt hohe Gewinne. Allerdings benötigt sie für den Ausbau der Produktion frisches Kapital i. H. v. 1 Mio. EUR. Soll A ihr zur Finanzierung ein Darlehen gewähren? Bei der Verlust-GmbH 2 sieht es dagegen nicht so gut aus. Die GmbH steht zwar nicht kurz vor der Insolvenz, aber es haben sich in den vergangenen Jahren hohe Verlustvorträge angesammelt. A fragt sich, wie er diese Verluste steuerlich nutzen kann. Eine Verschmelzung kommt für A nicht infrage, da er die Gesellschaften weiterhin voneinander trennen möchte.

     

     

    PRAXISTIPP | Bestehen Verlustvorträge, spielt das möglichst schnelle Ausnutzen dieses „Kapitals“ eine entscheidende Rolle. Zwar werden die Verluste Jahr für Jahr vorgetragen und könnten auch noch in 10 oder 20 Jahren mit Gewinnen verrechnet werden. Doch was ist der Verlust dann noch wert? Einerseits sinkt der wahre Wert des Verlusts durch die Inflation von Jahr zu Jahr, andererseits steht das in dem Verlust gebundene Kapital in Form einer Steuerermäßigung nicht für betriebliche Investitionen zur Verfügung.

    Besteht heute ein Verlustvortrag von 100.000 EUR, bedeutet dies bei einer GmbH eine umgerechnete Steuerforderung von rund 30.000 EUR. Beträgt die Inflation der kommenden fünf Jahre jährlich 4 % und der Refinanzierungszins für ein betriebliches Darlehen 3 %, ist der Steuerforderung nach nur fünf Jahren nur noch ein Wert von rund 20.800 EUR beizumessen.

     

    2. Lösungsmöglichkeiten zu Kapital für die Gewinn-GmbH 1

    Die Lösung des ersten Problems scheint in der Praxis schnell gefunden.

     

    2.1 Aufnahme eines Darlehens bei einer Bank

    Die Gewinn-GmbH 1 könnte ein Darlehen bei einer Bank aufnehmen. Dann stellt sich für den Gesellschafter A allerdings das Problem, dass die Bank für das Darlehen Zinsen verlangt. Bei einem Darlehen von 1 Mio. EUR und einem unterstellten Zins von 3 % p. a. betragen die Darlehenszinsen immerhin 30.000 EUR jährlich. Daraus folgt, dass sich einerseits der Gewinn der GmbH um jährlich 30.000 EUR mindert, andererseits sich für A die künftigen Gewinnausschüttungen durch den verringerten Gesellschaftsgewinn reduzieren. Diese Option kommt für A nicht infrage. Warum sollen andere von seiner guten Geschäftsidee profitieren?

     

    2.2 Gesellschafter als Darlehensgeber

    Alternativ könnte Gesellschafter A auch persönlich einspringen und seine Gewinn-GmbH 1 mit dem benötigten Kapital ausstatten. Gewährt er dieser ein Darlehen, so mindert sich zwar noch immer der Gewinn der GmbH. Allerdings fließen die zu zahlenden Zinsen von 30.000 EUR direkt an ihn. Die Reduzierung der Gewinnausschüttung wird daher durch die Zinserträge kompensiert. Aber auch diese Lösung stimmt Gesellschafter A nicht zufrieden, denn auf die Zinserträge muss er eine höhere private Einkommensteuer zahlen, als bei einer Gewinnausschüttung angefallen wäre. Die Gewinnausschüttung unterliegt nach § 32d Abs. 1 EStG nämlich der pauschalen Abgeltungsteuer von 25 %.

     

    Stellt er einen Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG, unterliegt die Ausschüttung zwar der tariflichen Einkommensteuer, allerdings unter Anwendung des lukrativen Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Buchst. d EStG). Für die Zinserträge greift hingegen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG zwingend die tarifliche Einkommensteuer ‒ ohne Anwendung des Teileinkünfteverfahrens. Selbst wenn sich aufgrund der geringeren Steuerbelastung bei der Gewinn-GmbH 1 doch noch ein Totalvorteil ergeben sollte, wäre das Problem der ungenutzten Verlustvorträge bei der Verlust-GmbH 2 noch ungeklärt.

    3. Steueroptimierte Lösung beider Probleme

    Bei geschickter Gestaltung gelingt es, beide Ziele gleichermaßen zu erreichen. Dazu stellt der Gesellschafter A zunächst seiner Verlust-GmbH 2 ein Darlehen in Höhe von 1 Mio. EUR zur Verfügung. Dieses ist kurzfristig fällig und wird vertraglich vereinbart nicht verzinst. Im Anschluss gewährt die Verlust-GmbH 2 der Gewinn-GmbH 1 ebenfalls ein Darlehen in Höhe von 1 Mio. EUR. Hier wird jedoch ein Zinssatz von jährlich 3 % (in Anlehnung an das Bankdarlehen) vereinbart.

     

     

    Durch diese Gestaltung tritt folgender Steuerspareffekt ein.

     

    3.1 Auswirkung bei der Gewinn-GmbH 1

    Bei der Gewinn-GmbH 1 wird das gewünschte Ziel erreicht. Die GmbH verfügt über Kapital von 1 Mio. EUR und kann damit ihre Produktion ausbauen bzw. erweitern. Zwar mindern die Darlehenszinsen den erzielten Gewinn und damit auch die Gewinnausschüttungen zugunsten des Gesellschafters A, aber die Zinsen werden nicht an „einen fremden Dritten“ gezahlt, sondern verbleiben im Konzern. Eine Effektivbelastung innerhalb der Konzernbilanz ergibt sich nicht. Verdeckte Gewinnausschüttungen i. S. d. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG liegen ebenfalls nicht vor, solange die Verzinsung angemessen ist und die Gewinn-GmbH 1 das empfangene Darlehen tatsächlich benötigt.

     

    PRAXISTIPP | Zur Dokumentation der Angemessenheit empfiehlt es sich, ein oder mehrere Referenzangebote von Kreditinstituten einzuholen.

     

    3.2 Auswirkung bei der Verlust-GmbH 2

    Die Verlust-GmbH 2 erhält die Darlehenszinsen von jährlich 30.000 EUR seitens der Gewinn-GmbH 1. Dies bedeutet einen zusätzlichen Ertrag, der die bestehenden Verlustvorträge mindert. Denn parallel hat die Verlust-GmbH 2 für das Darlehen keine Aufwendungen zu tragen ‒ sie muss an den ihr das Darlehen gewährenden Gesellschafter A keine Zinsen zahlen. Damit wurde auch hier das Ziel der Verlustverrechnung mit 30.000 EUR jährlich erreicht. Weiterhin unterbleibt eine ungewollte steuerliche Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG, da es sich nur um eine kurzfristige unverzinsliche Verbindlichkeit mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr handelt. Alternativ könnte auch ein minimaler Zins von beispielsweise 0,01 % vereinbart werden, um die drohende Abzinsung abzuwenden.

     

    3.3 Auswirkung bei dem Gesellschafter A

    Die unverzinsliche Darlehensgewährung an die Verlust-GmbH 2 bedeutet für A, dass er keine Zinserträge erhält und damit bei ihm auch keine Versteuerung erfolgt. Insbesondere ergibt sich aufgrund der fehlenden Verzinsung auch keine verdeckte Einlage in das Vermögen der Verlust-GmbH 2. Denn bei der fehlenden Verzinsung handelt es sich nicht um einen einlagefähigen Vermögensvorteil (BFH 26.10.87, GrS 2/86, BFHE 151, 523 und H 8.9 „Nutzungsvorteile“ KStH). Zudem reduzieren sich die bisher von der Gewinn-GmbH 2 erhaltenen und zu 25 % steuerpflichtigen Ausschüttungen infolge der Zinsbelastung um jährlich 30.000 EUR.

    4. Damoklesschwert: Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO?

    Der Nutzen der Gestaltung ist ebenso einfach wie effizient. Schnell kommt da die Frage auf, ob das FA diese Dreieckskonstellation zwischen Mutter, Tochter und Schwester anerkennt oder sich auf das Damoklesschwert des § 42 AO berufen wird. Doch hier kann der Gesellschafter m. E. unbesorgt sein:

     

    • Einerseits ist das Damoklesschwert ziemlich stumpf und in der Vergangenheit wurden nur wenige Fallgestaltungen als unzulässig eingestuft, da sich in aller Regel außersteuerliche Gründe finden, welche die Anwendung des § 42 AO verhindern.

     

    • Andererseits hat der BFH bereits am 17.10.01 (I R 97/00, BFHE 197, 63) geurteilt, dass die Gewährung eines zinslosen Gesellschafterdarlehens und dessen anschließende zinsbringende Verwendung durch die Gesellschaft nicht allein deswegen als Gestaltungsmissbrauch anzusehen sind, weil die Verlagerung von Erträgen auf die Gesellschaft dem Verbrauch eines vom Verfall bedrohten Verlustabzugs dient.

    5. Risiko: Insolvenz der Verlust-GmbH 2

    Das Risiko in dieser Gestaltung besteht allein in der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung der Verlust-GmbH 2. Erleidet diese weiterhin massive Verluste und rutscht sie in die Insolvenz, kann dies den Ausfall der Darlehensforderung seitens des Gesellschafters A bedeuten.

     

    Beachten Sie | Dieses Risiko sollte bei Wahl der aufgezeigten Gestaltung immer bedacht und mit dem Mandanten besprochen werden. Denn gewährt er das Darlehen direkt der Gewinn-GmbH 1, reduziert sich das Risiko des Darlehensausfalls auf die wirtschaftlichen Entwicklungen bei der Gewinn-GmbH 1.

     

    FAZIT | Durch das schnellere Ausnutzen der Verlustvorträge bei der Verlust-GmbH 1 kann die Gesamtsteuerbelastung innerhalb des Konzerns schnell und effektiv gesenkt werden. Zugleich wird das für Investitionen benötigte Kapital bereitgestellt. Wurden die Verluste vollkommen aufgebraucht, kann das Darlehen gekündigt und in einer anderen Form gewährt werden.

     

    Diese Gestaltung bietet sich ebenso an, wenn eine Verschmelzung beider Gesellschaften anstehen sollte und hierbei die Verlustvorträge untergehen würden. Mittels entsprechender Darlehensgewährung können die bestehenden Verluste noch vor Durchführung der Verschmelzung im Idealfall auf 0 EUR reduziert werden, sodass zum Verschmelzungszeitpunkt kein untergehender Verlustvortrag existiert.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2022 | Seite 241 | ID 48086048

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