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  • · Fachbeitrag · Kostenrecht

    Gebühren im gerichtlichen Mahnverfahren unter den Bedingungen der Inkassoregulierung

    von VRiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz

    | Das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht hat zum 1.10.21 die vorgerichtliche Vergütung von Rechtsanwälten und Inkassodienstleistern nach Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG und Nr. 1000 Nr. 2 VV RVG erheblich beschnitten, wenn unstreitige Forderungen für den Gläubiger eingezogen werden und auch im Übrigen keine Rechts-, sondern nur eine Inkassodienstleistung vorliegt (hierzu ausführlich Goebel, Inkassodienstleistung und Inkassokosten, 3. Aufl. 2022). Zu beachten ist, dass nicht etwa Inkassodienstleister Inkassodienstleistungen und Rechtsanwälte Rechtsdienstleistungen erbringen. Vielmehr leisten beide Rechtsdienstleister bei der Einziehung von Forderungen beides. Es kommt auf den jeweiligen Einzelfall an, welche Leistung erbracht wird. Während die Rechtsdienstleistung eine konkrete Rechtsprüfung im Einzelfall voraussetzt, erschöpft sich die Inkassodienstleistung in einer schlichten Schlüssigkeitsprüfung und sieht sich meist einem Schuldner gegenüber, der die Forderung weder bestreitet noch sich sonst überhaupt meldet. Der folgende Beitrag erläutert, was Sie hierzu wissen müssen. |

    1. Vorgerichtlicher Gebührenrahmen

    Statt bisher einen Gebührenrahmen einer 0,5- bis 2,5-Geschäftsgebühr bei einer 1,3-Schwellengebühr nutzen zu können, ist der Rahmen nun nach Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG auf eine 0,5- bis 1,3-Geschäftsgebühr bei einer 0,9-Geschäftsgebühr beschränkt. Noch dramatischer ist der Einschnitt bei der Einigungsgebühr, die von einer 1,5-Gebühr auf eine 0,7-Einigungsgebühr bei Inkassodienstleistungen mehr als halbiert wurde. Gerade bei vielen kleiner Forderungen bis 1.000 EUR hilft dabei auch die Anpassung des Gegenstandswerts in § 31b RVG von 20 Prozent der Hauptforderung auf 50 Prozent der Hauptforderung nicht.

     

    In der Praxis zeigt sich deshalb schon seit Inkrafttreten der Reform, dass die Rechtsdienstleister den vorgerichtlichen Einziehungsprozess auf eine bis zwei Mahnungen beschränken. Die Bereitschaft, vorgerichtlich eine gütliche Einigung zu suchen oder dieser auch nur bei einem entsprechenden Ansinnen des Schuldners zuzustimmen, hat merklich abgenommen.

    2. Verlagerung des Schwerpunkts ins gerichtliche Mahnverfahren

    Wie zu vermuten verlagert sich die Tätigkeit weiter ins gerichtliche Verfahren, insbesondere das gerichtliche Mahnverfahren nach §§ 688 Abs. 1 ZPO. Hierbei ist zu sehen, dass sich schon aus der Formulierung von Nr. 3305 VV RVG sowie der Existenz von Nr. 3306 VV RVG ergibt, dass das gerichtliche Mahnverfahren nicht erst mit Stellen des Mahnantrags beginnt. Vielmehr entsteht die Gebühr für das gerichtliche Mahnverfahren nach Nr. 3305 für das Betreiben des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der Stellung des Antrags auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids, der nach Nr. 3308 VV RVG vergütet wird. Die Gebühr entsteht damit im Zeitpunkt des unbedingten Auftrags auf Durchführung des gerichtlichen Mahnverfahrens und der ersten auf die Informationsbeschaffung gerichteten Handlung. Hier ist der Rechtsanwalt oder der Inkassodienstleister dann nicht gehindert, den Schuldner noch einmal unmittelbar vor Stellen des Mahnantrags zu kontaktieren. Im gerichtlichen Mahnverfahren können dann etliche Gebühren anfallen (s. u., Checkliste).

     

    Checkliste / Gebühren und Auslagen im gerichtlichen Mahnverfahren

    Im gerichtlichen Mahnverfahren können für den Rechtsanwalt in unmittelbarer Anwendung der Vorschriften des Vergütungsverzeichnisses zum RVG und für Inkassodienstleister nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Gläubiger und der Begrenzung in § 13e Abs. 1 RDG vom Schuldner folgende Gebühren erstattet verlangt werden:

     

    • 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG für das Betreiben des Mahnverfahrens, einschließlich der Beantragung des Mahnbescheids unter Berücksichtigung der Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG,
    • 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3308 VV RVG für die Beantragung des Vollstreckungsbescheides,
    • 1,2-Terminsgebühr nach Vorbem. 3.3.2 i. V. m. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 i. V. m. Nr. 3104 VV RVG,
    • Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG,
    • 1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1000 Nr. 1, 1003 VV RVG,
    • 0,7-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 2 VV RVG,
    • Hebegebühr nach Nr. 1009 VV RVG,
    • Auslagen nach Teil 7 VV RVG.
     

    3. Gibt es wirklich eine Terminsgebühr im Mahnverfahren?

    Eher überraschend dürfte die Erkenntnis sein, dass die Terminsgebühr nach der Vorbem. 3.3.2 i. V. m. Nr. 3104 VV RVG und der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG auch im gerichtlichen Mahnverfahren anfallen kann. Da eine mündliche Verhandlung nicht stattfindet, liegt der Anwendungsfall in der Mitwirkung an Besprechungen, die ‒ als wesentliche Tatbestandsvoraussetzung ‒ auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind.

     

    Beachten Sie | Ziel der Besprechung muss es also sein, den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids oder Vollstreckungsbescheides oder jedenfalls durch einen Verzicht auf Widerspruch oder Einspruch das nachfolgende streitige Verfahren zu vermeiden und dadurch das gerichtliche Verfahren zu erledigen.

     

    PRAXISTIPP | Die Honorierung dient einerseits dazu, den Mehraufwand abzugelten, und andererseits dazu, die Justiz zu entlasten. Sie wirkt sich letztlich positiv auf die Gesamtkostenlast des Schuldners aus, da das Durchführen des Streitverfahrens den Schuldner teurer kommt und ‒ bei erfolglosen Besprechungen ‒ die Terminsgebühr dort ggf. kein zweites Mal anfällt, sondern anzurechnen ist. Das ist nach § 13f S. 3 RDG allerdings anders, wenn erst durch seinen Widerspruch oder Einspruch nach der Ausgangsbeauftragung eines Inkassodienstleisters im streitigen Verfahren dann die Beauftragung eines Rechtsanwalts notwendig wird.

     

    Die Gebühr fällt ‒ anders als die Einigungsgebühr ‒ unabhängig davon an, ob das Ziel der Besprechung auch tatsächlich erreicht wurde, da es sich nicht um eine Erfolgs-, sondern um eine Tätigkeitsgebühr handelt. Vor diesem Hintergrund kann sie bei beiden Bevollmächtigten entstehen. Die Gebühr kann auch schon anfallen, bevor der Mahnantrag gestellt wurde (Goebel/Wagener-Neef, Anwaltsgebühren im Forderungseinzug, 2017, § 5 Rn. 35.)

     

    • Beispiel

    Rechtsdienstleister R. wird beauftragt, eine Forderung in Höhe von 12.000 EUR unmittelbar gerichtlich geltend zu machen. Auf die außergerichtlichen Mahnungen des Gläubigers G. hat sich Schuldner S. nicht gemeldet, sodass R. dem S. zunächst eine Zahlungsaufforderung übersendet und die Beantragung des Mahnbescheids ankündigt, wenn kein fristgerechter Forderungsausgleich erfolgt. Darauf meldet sich Bevollmächtigter B. für S. und die Angelegenheit wird im Hinblick auf die Zahlungsfähigkeit des S. und mit dem Ziel besprochen, die weitere Durchführung des gerichtlichen Mahnverfahrens zu vermeiden. S. erkennt die Forderung dann weitgehend an, es wird eine verjährungsverlängernde Vereinbarung getroffen und eine Abtretung von Gehalts- und Guthabenansprüchen ebenso vereinbart wie die Kostenübernahme durch S. Zugleich wird eine Zahlung in Raten vereinbart.

     

    Hier ist durch die Zahlungsaufforderung bereits die 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG angefallen, die sich aber durch die vorzeitige Erledigung auf eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3306 VV RVG reduziert. Da R. keinen Auftrag für die vorgerichtliche Tätigkeit hatte, konnte weder die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG anfallen, noch ist eine solche anzurechnen. Die Besprechung löst die 1,2-Terminsgebühr aus, während die Einigung zusätzlich nach Nr. 1000 Nr. 2 VV RVG die Einigungsgebühr entstehen lässt, wobei § 31b RVG zu beachten ist, weil die Forderung als solches nicht im Streit stand. Insgesamt ergibt sich folgende Berechnung:

     

    • Berechnung

    Gegenstandswert: 12.000 EUR (6.000 EUR)

    0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305, 3306 VV RVG aus 12.000 EUR

    333,00 EUR

    1,2-Terminsgebühr nach Vorbem. 3.3.2 i. V. m. Nr. 3104 VV RVG und der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG aus 12.000 EUR

    799,20 EUR

    0,7-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 2 VV RVG aus 6.000 EUR

    273,00 EUR

    Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    zuzüglich 19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG

    270,79 EUR

    1.695,99 EUR

     

    Sofern die Besprechung erst nach dem Mahnbescheidsantrag stattfindet, wird die 1,0-Verfahrensgebühr nicht nach Nr. 3305, 3306 VV RVG reduziert, sodass die Vergütung um 333 EUR netto höher ausfällt.

     

    Dem Anfall der Terminsgebühr steht nicht entgegen, wenn Teil der in der Besprechung erzielten Einigung ist, dass der Antragsgegner aus Gründen der Sicherung des Antragstellers gegen den Mahnbescheid keinen Widerspruch und gegen den Vollstreckungsbescheid keinen Einspruch einlegt. Vermieden wird gleichwohl noch das streitige gerichtliche Verfahren nach Widerspruch/Einspruch. Das genügt den Voraussetzungen der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG.

     

    MERKE | Wurde die Besprechung vor dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids bzw. dem Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids durchgeführt, soll aber zur Sicherheit des Antragstellers ein Vollstreckungsbescheid ergehen, kann die Terminsgebühr als sonstige Nebenforderung in den Mahnbescheid wie als sonstige Kosten in den Vollstreckungsbescheid noch mit aufgenommen werden.

     

    Gleiches gilt für die Einigungsgebühr, wenn im Hinblick auf § 98 ZPO im Sinne des § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO glaubhaft gemacht werden kann, dass der Schuldner diese Kosten tragen muss (OLG München AGS 08, 100). Aus diesem Grund sollte die Einigung grundsätzlich schriftlich dokumentiert werden.

     

    Sofern es unterlassen wurde, die Terminsgebühr ‒ und ggf. auch die Einigungsgebühr ‒ in den Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid aufzunehmen, ist auch eine nachträgliche gesonderte Kostenfestsetzung möglich.

     

    Zuständig ist das zentrale Mahngericht, das das Verfahren durchzuführen hat (BGH AGS 09, 252). Nach dem BGH ergeht insoweit allerdings kein gesonderter Kostenfestsetzungsbeschluss, sondern der Vollstreckungsbescheid ist zu ergänzen.

     

    PRAXISTIPP | Die Ergänzung des Vollstreckungsbescheids kann der Nutzung der Möglichkeiten der elektronischen Antragstellung nach §§ 829a, 754a ZPO entgegenstehen, wenn dieser nicht gänzlich neu ausgefertigt, sondern durch Beschluss ergänzt wird. Dann müssen nämlich andere Urkunden im Sinne des §§ 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 754a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO vorgelegt werden. Achten Sie deshalb auf eine konsequente Berücksichtigung der Kosten im frühestmöglichen Zeitpunkt.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2022 | Seite 17 | ID 47887642