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  • 24.02.2011 | Wohnvorteil

    So behalten Sie beim Wohnvorteil den Überblick

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    Der Wohnwert spielt in der Praxis bei der Unterhaltsberechnung eine große Rolle. Die folgende Übersicht zeigt Ihnen wichtige Grundlagen dazu:  

     

    Übersicht: Basics zum Wohnvorteil

    Arten des Wohnvorteils: Unterschieden werden muss zwischen dem eheprägenden und dem nicht eheprägenden Wohnvorteil:  

     

    • Eheprägender Wohnvorteil: Dieser wird dadurch gekennzeichnet, dass er den Eheleuten zugute kam, während sie noch zusammen lebten.

     

    • Nicht eheprägender Wohnvorteil: Diesen hat sich entweder der Unterhaltsberechtigte oder der Unterhaltspflichtige erstmals nach der Trennung oder Scheidung verschafft.

     

    Achtung: Häufig erwirbt ein Ehepartner oder erwerben beide Eheleute mit dem anteiligen Veräußerungserlös, den sie durch den Verkauf des beiden gemeinsam gehörenden Hauses nach der Trennung erhalten haben, eine neue Immobilie. Hierbei handelt es sich nach der Surrogat-Rechtsprechung des BGH um ein Surrogat und damit um einen eheprägenden Wohnvorteil (BGH FamRZ 01, 986 und 1143).

     

    Grundlagen des Wohnvorteils: Vorteile aus einer Vermögensnutzung mit geldwertem Charakter sind Vermögenserträge, die unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sind. Dazu gehört auch die Nutzung einer Immobilie als Ehewohnung, sei es ein Haus oder eine Eigentumswohnung. Vorteile des Bewohnens eines eigenen Hauses oder einer Eigentumswohnung wirken sich in einer Ersparnis von Kosten aus, die andere für die Wohnungsmiete aufbringen müssen.  

     

    Da es um Vorteile aus einer Vermögensnutzung geht, ist Voraussetzung, dass die Immobilie entweder den Eheleuten gemeinsam oder einem der Ehepartner gehört. Erst durch das Eigentum erhält der Wohnvorteil den Charakter der wirtschaftlichen Vermögensnutzung.  

     

    Auch die Ausübung eines Nießbrauchs oder eines dinglichen Wohnrechts reicht aus.  

     

    Anders verhält es sich demgegenüber, wenn den Eheleuten von dritter Seite ein Eigenheim kostenlos zur Nutzung überlassen wird. In diesem Fall handelt es sich um eine freiwillige Leistung Dritter, die bedarfsprägend nicht zu berücksichtigen ist (OLG München FamRZ 96, 196).  

     

    Einstellung des Wohnvorteils in die Unterhaltsberechnung: Hier gilt Folgendes:  

     

    • Berücksichtigung beim Bedarf: Haben die Eheleute während des Zusammenlebens in einer Immobilie gewohnt, die beiden gemeinsam oder einem von ihnen gehörte, ist der sich daraus ergebende Wohnvorteil als bedarfserhöhender Rechnungsposten bei der Ermittlung der ehelichen Lebensverhältnisse zu berücksichtigen.

     

    • Berücksichtigung bei der Bedürftigkeit/Leistungsfähigkeit: Bleibt der unterhaltsberechtigte oder der unterhaltspflichtige Ehegatte nach der Trennung in der Immobilie wohnen, ist der Wohnvorteil bei der Berechnung der Bedürftigkeit bzw. Leistungsfähigkeit erneut aufzugreifen Der jeweilige Ehegatte erspart durch diese Nutzung Kosten, die er sonst für eine Mietwohnung aufzubringen hätte. Folgen:

     

    • Beim bedürftigen Ehegatten: Bei diesem führt der Wohnvorteil dazu, dass sich seine Bedürftigkeit entsprechend mindert, da ihm sein Arbeitseinkommen bzw. Unterhalt zur Deckung seiner sonstigen Lebenshaltungskosten in vollem Umfang verbleibt.

     

    • Beim unterhaltspflichtigen Ehegatten: Bei diesem erhöht der Wohnvorteil dementsprechend die Leistungsfähigkeit.

     

    • Ansatz des Wohnvorteils: Er ist nach dem reinen Halbteilungsgrundsatz zu berücksichtigen.

     

    • Folgen der Veräußerung der gemeinsam genutzten Immobilie: Hier gilt Folgendes:

     

    • Wegfall des Wohnvorteils: Nach der Surrogatsrechtsprechung prägt der Wohnwert der während der Ehe genutzten Immobilie die ehelichen Lebensverhältnisse mit deren Verkauf nicht mehr. Der bis dahin berücksichtigte Wohnvorteil entfällt.

     

    • Berücksichtigung von Surrogaten: Anstelle des Wohnvorteils treten die Zinsen aus dem Veräußerungserlös als Surrogat und prägen nun ihrerseits die ehelichen Lebensverhältnisse.

     

    Dies gilt auch für einen neuen Wohnvorteil, der mit dem Veräußerungserlös geschaffen worden ist.

     

    Achtung: Unerheblich ist, ob die aus dem Veräußerungserlös erzielten Zinsen oder der neue Wohnvorteil höher sind als der frühere, die ehelichen Lebensverhältnisse prägende Wohnvorteil. Eine Deckelung der ehelichen Lebensverhältnisse durch die Höhe der während intakter Ehe erzielten Vorteile aus der Vermögensnutzung tritt nicht ein (BGH NJW 02, 436). Folge: Die Zinsen bzw. der neue Wohnwert stellen auch über den früheren Wohnwert hinaus prägende Einkünfte dar und sind in die Unterhaltsberechnung in voller Höhe einzusetzen.

     

    Berechnung des eheprägenden Wohnvorteils: Bei der Berechnung des eheprägenden Wohnvorteils ist zwischen Trennungs- und nachehelichem Unterhalt zu unterscheiden:  

     

    • Nachehelicher Unterhalt: Hier ist grundsätzlich die objektive Marktmiete für die von den Eheleuten genutzte Immobilie zugrunde zu legen. Dies folgt daraus, dass nach der Scheidung die unterhaltsrechtliche Obliegenheit besteht, vorhandenes Vermögen so ertragreich wie möglich anzulegen. Deswegen ist es gerechtfertigt, den erzielbaren Wohnwert als Vermögensnutzung heranzuziehen (BGH FamRZ 95, 869). Voraussetzung ist allerdings eine Verletzung der Obliegenheit zur optimalen Vermögensnutzung. Daraus folgt, dass die objektive Marktmiete nicht ausnahmslos den Wohnwert widerspiegelt, sondern nur, wenn demjenigen, der nach der Trennung in der Immobilie wohnen geblieben ist, der Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung zu machen ist.

     

    Ausnahme: Der Ansatz eines - geringeren - angemessenen Wohnwerts kommt danach nur in Betracht, wenn unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben eine Veräußerung oder Weiter- bzw. Untervermietung unzumutbar ist (BGH FamRZ 94, 1100; 00, 351; 950).

     

    • Trennungsunterhalt: Beim Trennungsunterhalt ist zu differenzieren:

     

    • Bis zur Zustellung des Scheidungsantrags oder der Vermögensauseinandersetzung: Bis dahin bemisst sich der eheprägende Wohnvorteil nach einem eingeschränkten Gebrauchsvorteil, den der in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte aufgrund einer angemessenen Wohnungsnutzung der für ihn zu großen Immobilie erzielt. Dies folgt daraus, dass der ursprünglich dem Ehegatten, der die Wohnung verlassen hat, zuzurechnende Teil der Wohnungsnutzung nicht mehr gezogen wird (BGH FamRZ 89, 1160; 90, 989).
    Nach Ansicht des BGH muss dieser Anteil als „totes Kapital“ schon bei der Bestimmung des Unterhaltsbedarfs nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse außer Betracht bleiben (FamRZ 00, 665; 950; 351).

     

    Maßgebend ist für diesen Fall zwar die objektive Miete, aber nicht der Immobilie, die die Eheleute bewohnt haben, sondern einer kleineren Immobilie, die den Wohnbedürfnissen und Ansprüchen des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten nach den ehelichen Lebensverhältnissen entspricht. Dies unterliegt der Schätzung. Dabei sind zwei Kriterien zu berücksichtigen, zum einen die Größe der Wohnung, die auf die Wohnbedürfnisse des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten zugeschnitten sein muss. Dabei werden sich die Wohnbedürfnisse danach beurteilen lassen, mit wie vielen Personen der Ehegatte in der Immobilie wohnen bleibt. Zum anderen sind die finanziellen Verhältnisse, die den finanziellen Lebensstandard geprägt haben, zu berücksichtigen.

     

    Schließlich kann sich der Wohnwert erhöhen, wenn Kinder aufgenommen werden. In diesem Fall wäre eine größere Wohnung anzumieten. Dies belastet den Ehegatten nicht, da der bezogene Kindesunterhalt zu 20 % des Tabellenbetrags den Wohnbedarf des Kindes deckt.

     

    Steht die Wohnungsgröße fest, ließe sich anhand des Mietspiegels feststellen, welche Kategorie nach dem sich aus den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ergebenden Lebensstandard für die Berechnung des Mietzinses in Betracht kommt.

     

    Tipp: In Mangelfällen scheint es angebracht, den angemessenen Wohnwert mit den in die Selbstbehaltsätze eingearbeiteten Aufwendungen für die Kaltmiete festzusetzen. Die Leitlinien der meisten OLGe geben Auskunft über den Wohnkostenanteil, der in ihren Selbstbehaltsätzen enthalten ist. Dabei werden die Wohnkosten teilweise untergliedert nach Werten für Warm- und Kaltmiete, teilweise wird nur die Warmmiete ausgewiesen. Nicht berücksichtigt werden allerdings die Kosten für den allgemeinen Strom. Diese werden in der Regel vom Mieter direkt bezahlt.

     

    Beim Ehegattenunterhalt dürfte von einem Warmmietanteil von 400 EUR bei einem Selbstbehalt von 1.050 EUR auszugehen sein. Da der Wohnvorteil dem Kaltmietanteil entspricht, muss der Mietaufwand um die Nebenkosten bereinigt werden. Angemessen dürfte es sein, von dem Betrag von 400 EUR einen Nebenkostenanteil von 100 EUR abzuziehen, sodass ein Kaltmietanteil von 300 EUR verbleibt. Dieser Ansatz kommt auch in Betracht, wenn der Wohnvorteil dem Unterhaltsberechtigten zuzurechnen ist und der Unterhalt einschließlich Einkommen das Existenzminimum - 770 EUR - nicht überschreitet.

     

    • Nach Zustellung des Scheidungsantrags oder der Vermögensauseinandersetzung: Ab diesem Zeitpunkt ist nicht mehr zu erwarten, dass sich die Eheleute wieder versöhnen. Daher sieht es der BGH nun als angemessen an, von da an die objektive Miete zuzurechnen (BGH FK 08, 91, Abruf-Nr. 080907 = FamRZ 08, 963). Zunächst entsteht mit dem Scheitern die eine Verwertungsobliegenheit. Für die Zurechnung der objektiven Miete dürfte es allerdings auf einen Verstoß dagegen ankommen (BGH FK 09, 147, Abruf-Nr. 092236 = FamRZ 09, 1300). Ein solcher Fall und damit der Ansatz eines - geringeren - angemessenen Wohnwerts kommt danach nur in Betracht, wenn unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben eine Veräußerung oder Weiter- bzw. Untervermietung unzumutbar ist (BGH FamRZ 94, 1100; 00, 351; 950).
     

     

    Quelle: Ausgabe 03 / 2011 | Seite 50 | ID 142510