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  • · Fachbeitrag · Führungskräfte

    DÄB sieht „Gleichstellung im Schneckentempo“: 13 Prozent Ärztinnen in Spitzenpositionen

    von Alexandra Buba M. A., Wirtschaftsjournalistin, Fuchsmühl

    | Es ist etwas passiert, allerdings viel zu wenig. So lässt sich die Dokumentation der „Medical Women on Top“-Umfrage des Deutschen Ärztinnenbunds (DÄB) 2019 vereinfacht zusammenfassen (online unter iww.de/s5831 ). Untersucht wurde, wie sich der Anteil der Ärztinnen in Führungspositionen verändert. Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk (Interview in CB 04/2021, Seite 19 ), die Initiatorin, erklärt außerdem, inwiefern die gesamte Gesellschaft von mehr Frauen auf medizinischen Lehrstühlen profitiert. |

    35 Universitätskliniken befragt ‒ Parität erst im Jahr 2051

    Die Zeichnung einer Schnecke schließt den Text ab und das nicht ohne Grund: Das Update der „Medical Women on Top“-Untersuchung zeichnet ein ernüchterndes Bild davon, wie schnell es mit Gleichstellung der Geschlechter in medizinischen Führungspositionen vorangeht: Bleibt es beim gegenwärtigen Tempo, ist die Parität erst im Jahr 2051 erreicht. Der Bericht schließt sich an die Dokumentation „Medical Women on Top“ von 2016 an. Diese hatte in den wichtigsten klinischen Führungspositionen in deutschen Universitätskliniken (z. B. Lehrstühle, Klinikdirektionen, unabhängige Abteilungsleitungen) einen durchschnittlichen Frauenanteil von nur 10 Prozent festgestellt.

     

    In der neuerlichen Untersuchung sollte geklärt werden, ob die Unterstützungsangebote für entsprechend qualifizierte Medizinerinnen in den letzten drei Jahren erfolgreich waren. Dazu wurden 13 klinische Fächer und zwei Institute an den ‒ damals ‒ 35 deutschen Universitätskliniken analysiert. Im Zuge der Untersuchung waren die Dekanate gebeten worden, die Zahlen von Frauen und Männern in Führungspositionen anzugeben. Um einen Vergleich zu erstellen, wurden nur klinische Fächer berücksichtigt, die in allen Universitätskliniken vertreten und stark in die Krankenversorgung eingebunden sind. Es fehlen daher u. a. Allgemeinmedizin und Zahnheilkunde.

     

    • Zentrale Ergebnisse der Umfrage „Medical Women on Top“ (2019)
    • Der Anteil von Frauen in Spitzenpositionen hat sich von 2016 bis 2019 in drei Jahren von 10 auf 13 Prozent erhöht. Setzt man einen linearen Anstieg voraus, wäre die Parität zwischen Männern und Frauen erst im Jahr 2051 erreicht.
    • An drei Universitätskliniken (Homburg, Magdeburg, Würzburg) gab es gar keine Frau auf einer Spitzenposition in einem der geprüften Fächer. Im Jahr 2016 war dies in Homburg, in Greifswald und in Mannheim so gewesen.
    • Spitzenplätze in Sachen Gleichstellung hatten im Jahr 2016 die Universitäten in Hamburg, Münster, Berlin, Dresden und Freiburg belegt. Neu in diese Gruppe kam jetzt Frankfurt, verlassen hat sie Hamburg. In Berlin und Dresden liegt der Anteil bei jeweils 23 Prozent, in Frankfurt und Freiburg immerhin noch bei jeweils 21 Prozent.
    • Bezogen auf die Führungspositionen in den einzelnen Fachrichtungen schneiden die Frauen am besten in den Fächern zur seelischen Gesundheit ab: Hier liegt ihr Anteil bei 25 Prozent. Es folgen die Kinderheilkunde mit 21 Prozent und die Pathologie mit 20 Prozent. Am unteren Ende rangieren Urologie und Orthopädie, mit jeweils nur 3 Prozent Topärztinnen. Sehr gering ist der Anteil auch in der Chirurgie mit 5 Prozent.
     

    Männerdominanz prägt klinische universitäre Medizin

    Wenn aktuell 87 Prozent der Topjobs in der klinischen universitären Medizin mit Männern besetzt sind, hat dies weitreichenden Einfluss. Denn es seien die Führungspositionen, in denen therapeutische Konzepte, medizinische Meinungsbildungen, Strategien in der studentischen Lehre, Personalpolitik, Außendarstellung und anderes gestaltet würden, heißt es in der Dokumentation. Die Initiatorin, Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk, Senior Consultant des DÄB und Gastprofessorin an der Berliner Charité, erklärt die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen genauer: „Männer setzen andere Schwerpunkte in der Forschung, sie legen mehr Wert auf ihren Impact Factor, also darauf, wie oft ihre Fachartikel in anderen wissenschaftlichen Publikationen durchschnittlich zitiert werden. Frauen dagegen forschen anwendungsbezogener.“

     

    Daraus lässt sich ableiten, dass durch das Übergewicht von Männern auf W3-Lehrstühlen wertvolle Forschungsergebnisse für Patientenversorgung verloren gehen. Insofern betrifft eine stärkere Berücksichtigung von Frauen bei der Besetzung der Top-Jobs in der Medizin auch die gesamtgesellschaftliche Gesundheit. „Wir dürfen die große Ausstrahlung, die von Lehrstühlen ausgeht, nicht unterschätzen. Welches Geschlecht einen Lehrstuhl innehat, hat großen Einfluss darauf, wie und was gelehrt wird“, so Prof. Dr. Kaczmarczyk.

    Ursachen: Strukturelle und subtile Diskriminierung

    Dass bislang so wenige Frauen Spitzenpositionen einnehmen, kann nicht am qualifizierten Nachwuchs liegen, heißt es in der Dokumentation. Denn fast ein Drittel der Oberarztstellen an den untersuchten Universitätskliniken seien mit Frauen besetzt. Z. T. waren sie sogar habilitiert oder auch leitend tätig. Tatsächlich seien Ärztinnen durch zwei Formen von Diskriminierung von Toppositionen ausgeschlossen, erklärt Prof. Dr. Kaczmarczyk. Zum einen ist dies die strukturelle Diskriminierung, wie sie sich etwa in der Behandlung schwangerer Ärztinnen (Interview in CB 10/2021, Seite 15) oder der mangelnden Kinderbetreuungsmöglichkeiten wiederfände. „Wir verlieren in vielen Studienfächern eine große Menge an Frauen zwischen Promotion und Habilitation, aber in der Medizin sind es die meisten“, so Prof. Dr. Kaczmarczyk. Neben die strukturelle Diskriminierung, die in dieser Lebensphase ‒ in die meist die Geburt von Kindern fällt, am stärksten greift ‒ trete die subtile Diskriminierung. Dieser Faktor sei statistisch nicht erfassbar, habe aber einen unfassbar großen Einfluss.

    Abhilfe schaffen geteilte Topjobs

    Einen Ausweg sieht Prof. Dr. Kaczmarczyk in der Teilung von Spitzenpositionen. Tatsächlich könne sich das der Großteil hoch qualifizierter Fachärztinnen gut vorstellen, nicht aber die männlichen Stelleninhaber. „Die halten sich für unentbehrlich und können doch gleichzeitig mehrere Tage zu Kongressen reisen oder parallel Privatpraxen betreiben“, so Prof. Dr. Kaczmarczyk. Die grundsätzliche Ablehnung einer Teilung von Spitzenpositionen ist in ihren Augen schlichtweg sachlich nicht begründbar. Umgekehrt sieht sie darin nicht nur den Vorteil einer stärkeren Beteiligung von Frauen, sondern auch generell flachere Hierarchien. Und Letzteres könne dem Arztberuf nur guttun.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2022 | Seite 16 | ID 47888538