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  • · Fachbeitrag · § 4 UStG

    Widerruf des Verzichts auf Steuerbefreiung

    Der Verzicht auf die Steuerbefreiung für Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, kann nach Auffasssung des BFH widerrufen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung noch anfechtbar ist oder noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.

     

     

    Sachverhalt

    Die Steuerpflichtige erwarb im Jahr 2009 mit notariell beurkundetem Grundstückskaufvertrag für 320.000 EUR ein Grundstück. Auf dem Grundstück stand ein sanierungsbedürftiges Gebäude. Die Veräußerin verzichtete im Notarvertrag auf die Steuerbefreiung für Grundstückslieferungen.

     

    Die Steuerpflichtige wollte das Objekt sanieren und steuerpflichtig weiterverkaufen. In ihrer Umsatzsteuererklärung 2009 gab sie daher im Juli 2010 Umsätze von 320.000 EUR an, für die sie als Leistungsempfängerin nach § 13b UStG in der damals geltenden Fassung die Steuer schulde. Die sich daraus ergebende Steuer von 60.800 EUR zog sie als Vorsteuer wieder ab. Eine Zahllast ergab sich somit nicht.

     

    Die Veräußerin reichte ihre Umsatzsteuererklärung 2009 im Juni 2010 ein. Das zuständige Finanzamt stimmte der Erklärung im September 2010 zu. Weitere Änderungen der Steuerfestsetzung ergaben sich bis zum Jahr 2013 nicht.

     

    Die Steuerpflichtige veräußerte im November 2011 mit notariellem Grundstückskaufvertrag eine Teilfläche des Grundstücks mit dem nicht sanierten Gebäude und ohne Verzicht auf die Steuerbefreiung für 820.000 EUR.

     

    Mit notariellem Vertrag („Änderung eines Grundstückskaufvertrags“) vereinbarten die Veräußerin und die Steuerpflichtige im April 2012 die Rückgängigmachung des im Grundstückskaufvertrag in 2009 erklärten Verzichts auf die Steuerbefreiung.

     

    In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2011 (Streitjahr) erklärte die Steuerpflichtige in 2013 eine steuerfreie Grundstückslieferung von 820.000 EUR. Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus dem Erwerbsvorgang nahm sie nicht vor. Die Steuererklärung des Jahres 2009 blieb ebenfalls unverändert.

     

    Aufgrund einer Außenprüfung hielt die Prüferin die Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung für nicht wirksam. Der im Jahr 2009 vorgenommene Vorsteuerabzug sei nach § 15a Abs. 2 UStG im Streitjahr i. H. v. 30.400 EUR zu berichtigen.

     

    Das Finanzamt erließ einen entsprechenden Umsatzsteuer-Änderungsbescheid. Der Vorbehalt der Nachprüfung im Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2009 wurde mit Änderungsbescheid vom gleichen Tag aufgehoben.

     

    Die Steuerpflichtige legte gegen den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Streitjahr Einspruch ein. Das Finanzamt wies diesen als unbegründet zurück. Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks könne nur in dem dieser Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariellen Vertrag erklärt werden. Gleiches gelte für die Rückgängigmachung des Verzichts.

     

    Das FG gab der Klage statt, ließ aber die Revision zu. Mit der Revision rügt das Finanzamt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

     

    Entscheidung

    Der BFH wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Veräußerin wirksam den Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 3 UStG widerrufen hat.

     

    Nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, steuerfrei. Der Unternehmer kann gemäß § 9 Abs. 1 UStG u. a. einen solchen Umsatz als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Der leistende Unternehmer kann, soweit ‒ wie im Streitfall ‒ die Lieferung eines Grundstücks außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens betroffen ist, nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG „nur in dem gemäß § 311b Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs notariell zu beurkundenden Vertrag“ auf die Steuerbefreiung eines Grundstücksumsatzes verzichten.

     

    Die Vorschrift ermöglicht nach ihrem Wortlaut in diesen Fällen den Verzicht „nur in dem“ der Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag. Dies ist der Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, welcher der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch vorhergeht (vgl. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB).

     

    Danach schließt der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG eine Option zur Steuerpflicht in einer nachfolgenden Neufassung dieses Vertrags selbst dann aus, wenn diese gleichfalls notariell beurkundet wurde.

     

    Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung

    Der Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung kann nach Meinung des BFH allerdings außerhalb dieser notariellen Urkunde erfolgen. Er ist möglich, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung noch

    • anfechtbar oder
    • nach § 164 AO änderbar ist.

     

    Der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG betrifft nur den auf die Steuerbefreiung (formal und auch zeitlich) begrenzten Verzicht. Die Regelung betrifft nicht den Widerruf. Der BFH lehnte damit die Auffassung der Finanzverwaltung in Abschnittes 9.2 Abs. 9 Satz 3 UStAE ausdrücklich ab.

     

    Der Grundsatz, dass sowohl die Option als auch der Widerruf der Option (als actus contrarius) in gleicher Weise auszuüben sind, gilt nicht mehr für die zeitliche Grenze der Ausübung des Wahlrechts. Denn würde das Recht zum Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung gleichzeitig mit dem Verzicht der Steuerbefreiung ausgeübt werden müssen, wäre der Widerruf des Verzichts faktisch ausgeschlossen.

     

    Der Zweck der Vorschrift des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG steht dem nicht entgegen. Die Regelung soll den Leistungsempfänger vor einem nachträglichen Verzicht des leistenden Unternehmers schützen, um eine nachträgliche Steuerschuld des Leistungsempfängers zu verhindern. Der Widerruf der Option führt dagegen zu einer Steuerbefreiung und damit nicht zu einer Belastung des Leistungsempfängers.

     

    Darüber hinaus drohen insoweit auch keine Steuerausfälle, da nicht nur die Steuerlast beim Empfänger entfällt, sondern ggf. gleichzeitig auch sein Recht zum entsprechenden Vorsteuerabzug.


    PRAXISTIPP | Für die Steuerberatung ist dies ein gutes Urteil. Die Option zur Steuerpflicht ist bei Grundstücksgeschäften ‒ wurde sie einmal ausgesprochen ‒ nunmehr nicht länger „in Stein gemeißelt“. Die vom BFH angeführten Gründe überzeugen vollends ‒ insbesondere im Hinblick auf die Entlastung des Leistungsempfängers. Aus all dem ergibt sich nunmehr für den Mandanten ein nicht zu unterschätzender Gestaltungsspielraum.


    Fundstelle

    Quelle: ID 47915292

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