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  • 01.07.2005 | Nach der Schuldrechtsreform

    20 aktuelle Fragen zur Nacherfüllung beim Verkauf eines Fahrzeugs

    Die Zahl der Käufer, die bei Mängeln am verkauften Fahrzeug ihre (vermeintlichen) Rechte gegenüber dem Händler geltend zu machen versuchen, nimmt zu. Erst aber wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist, kann der Kunde vom Vertrag zurücktreten. Sie als Händler haben erst einmal das so genannte Recht zur zweiten Andienung. Auf dem verminten Neuland „Nacherfüllung“ jagt derzeit eine Entscheidung der Gerichte die andere. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu diesem Thema haben wir auf den nächsten Seiten zusammengestellt.  

     

    Checkliste „Nacherfüllung“

    Frage  

    Antwort  

    1. Wie muss der Käufer den Anspruch auf Nacherfüllung geltend machen?

    Das Gesetz schreibt keine bestimmte Form vor. Der Käufer kann sein Wahlrecht zwischen Ersatzlieferung und Nachbesserung ausüben, muss es aber nicht. Für den Verkäufer muss klar sein, was der Käufer von ihm verlangt. Eine Fristsetzung ist nicht notwendiger Bestandteil der Aufforderung zur Nacherfüllung, kann aber damit kombiniert werden.  

    2. Welche inhaltlichen Anforderungen muss ein Nachbesserungsverlangen erfüllen?

    Der Käufer muss den Mangel möglichst konkret bezeichnen. Es genügt, wenn er die Mangelerscheinungen (Symptome) rügt. Mangelursachen müssen nicht thematisiert werden. Wird dem Aufforderungsschreiben ein Gutachten, zum Beispiel ein ADAC-Prüfbericht, beigefügt, reicht zur Konkretisierung eine Bezugnahme.  

    3. Welche Fehler kann der Käufer beim Setzen einer Nachfrist machen?

    Die Anforderungen an eine (Nach-)Fristsetzung (§ 440 BGB) – unabhängig von der Fristlänge – sind im Gesetz nicht geregelt. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Köln muss der Käufer unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass der Verkäufer eine „letzte Gelegenheit“ erhält, die vertragliche Leistung zu erbringen (Urteil vom 1.9.2003, Az: 19 U 80/03, ZGS 2003, 392).  

    4. Ist eine Ablehnungsandrohung erforderlich?

    Die Fristsetzung muss keine Ablehnungsandrohung enthalten (OLG Köln, siehe unter 3.)  

    5. Wie lang muss die Frist bemessen sein?

    Für die Angemessenheit der Nachfrist haben sich noch keine klaren Maßstäbe herausgebildet. Es kommt ganz auf die Umstände des Einzelfalls an. Maßgebend sind: Art der Nacherfüllung (Ersatzlieferung oder Nachbesserung), bei verlangter Nachbesserung die Eigenart des Mangels, der Umfang der Mangelhaftigkeit und die Leistungsfähigkeit des Verkäufers (verfügt er zum Beispiel über eine Werkstatt?).  

    6. Welche Folgen hat eine unangemessen kurze Frist?

    Eine zu kurze Frist ist nicht wirkungslos, es wird eine Frist angemessener Länge in Gang gesetzt (OLG Celle, Urteil vom 4.8.2004, Az: 7 U 30/04; Abruf-Nr. 042828).  

    7. Genügt es als Fristsetzung, wenn der Käufer den Händler lediglich auffordert, seine Bereitschaft zur Nachbesserung zu erklären?

    Ob die Aufforderung genügt, binnen einer bestimmten Frist die Bereitschaft zur Nachbesserung zu erklären, hat die Rechtsprechung bislang offengelassen. Die Literaturmeinung geht davon aus, dass es nicht ausreicht (Palandt/Heinrichs, § 323 Randnummer 13).  

    8. Was ist, wenn der Käufer in seinem Aufforderungsschreiben etwas verlangt, was er nicht oder so nicht beanspruchen kann?

    Wenn der Käufer zu viel fordert, kann das Nacherfüllungsverlangen/die Nachfristsetzung unbeachtlich sein. Rechtsprechung dazu liegt aber noch nicht vor.  

    Ob der Käufer zu viel fordert, hängt vom Inhalt der Nacherfüllungspflicht ab. Insoweit gibt es Zweifelsfragen: Kann der Käufer eines GW den Einbau von Neuteilen fordern? (dazu Frage 13). Was ist mit dem Ausbau eines schadhaften Teils und seiner Entsorgung? Kann der Käufer das Abholen seines Fahrzeugs verlangen? (dazu Frage 9).  

    9. Kann der Käufer fordern, dass das Fahrzeug zur Reparatur abgeholt wird?

    Ist zur Nachbesserung die Mitwirkung des Käufers notwendig, muss er sich mitwirkungsbereit halten. Ob der Käufer das Fahrzeug auf Kosten des Händlers zu dessen Werkstatt bringen muss oder ob ein Bereitstellen des Fahrzeugs am momentanen „Belegenheitsort“ (in der Regel der Wohnsitz des Käufers) genügt, ist strittig. Nach herrschender Meinung muss an dem Ort nacherfüllt werden, an dem der Käufer das Fahrzeug bestimmungsgemäß einsetzt (vgl. Lorenz, ZGS 2004, 408 )  

    10. Wie kann der Händler ein Nacherfüllungsverlangen abwehren?
    • Zunächst ist zu prüfen, ob die Nacherfüllung objektiv unmöglich ist (§ 275 Absatz 1 BGB). Dann ist die Nacherfüllung ausgeschlossen. Im GW-Geschäft ist die Ersatzlieferung in der Regel unmöglich, weil es sich um eine nicht austauschbare Sache handelt. Wenn der Mangel am GW auch nicht behebbar ist (keine Nachbesserung), sind beide Arten der Nacherfüllung unmöglich. Beispiel: Verkauf eines Fahrzeugs als „unfallfrei“ mit Unfallvorschaden.
    • In zweiter Linie ist zu prüfen, ob der Händler sich gegen das Nachbesserungsverlangen wehren kann, weil unverhältnismäßige Kosten verursacht würden. Dazu Frage 11.
    11. Unter welchen Voraussetzungen darf der Händler die Nacherfüllung aus Kostengründen verweigern?

    Heikel ist die Rechtslage im Neufahrzeuggeschäft. Hier kommen beide Arten der Nacherfüllung (Nachbesserung und Ersatzlieferung) in Betracht, so dass es auch auf einen Kostenvergleich ankommt (relative Unverhältnismäßigkeit).  

    Dagegen stellt sich im GW-Handel (im Fall eines behebbaren Mangels) nur die Frage der absoluten Unverhältnismäßigkeit (dazu AG München, Urteil vom 31.3.2004, Az: 112 C 12685/03; Abruf-Nr. 042771). Bei welcher Kostenhöhe die absolute Grenze überschritten ist, ist ungeklärt. Faustformel: Nachbesserungskosten unterhalb des Kaufpreises sind zumutbar.  

    Beachten Sie: Zur relativen Unverhältnismäßigkeit beim Neufahrzeuggeschäft liegen mehrere Entscheidungen vor (OLG Braunschweig, Urteil vom 4.2.2003, Az: 8 W 83/02; Abruf-Nr. 030549 und LG Ellwangen, Urteil vom 13.12.2002, Az: 3 O 219/02; Abruf-Nr. 030390)  

    12. Was ist, wenn die Nacherfüllung unmöglich ist bzw. der Händler sie zu Recht verweigert?

    Ist die Nacherfüllung unmöglich oder wird sie zu Recht verweigert, ist der Nacherfüllungsanspruch ausgeschlossen bzw. nicht durchsetzbar.  

    13. Muss der Verkäufer unbedingt Neuteile einsetzen?

    Wie der Händler den Mangel beseitigt, geht den Käufer nichts an. Entscheidend ist der Erfolg der Maßnahme. So liegt es im Ermessen des Händlers, ob er das defekte Teil repariert oder austauscht. Bei einem GW müssen nicht in jedem Fall Neuteile eingesetzt werden (AG Kenzingen, Urteil vom 27.4.2004, Az: 2 C 56/03; Abruf-Nr. 041932; bei einem Opel Astra, 86.000 km).  

    14. Kann der Händler einen Ausgleich „neu für alt“ verlangen, wenn eine Wertsteigerung vorhanden ist?

    Grundsätzlich ist die Nachbesserung kostenlos. Eine „Vorteilsabschöpfung“ kommt nur in engen Grenzen in Frage. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das ausgetauschte Teil außer dem Mangel einen vom Käufer selbst verursachten Defekt hatte.  

    15. Muss ein NW-Käufer den Händler informieren, wenn er sich an einen Drittbetrieb wendet? Wenn ja, wann?

    Nach den Neuwagen-AGB besteht eine Unterrichtungspflicht. Über den Zeitpunkt wird nichts gesagt. Spätestens vor dem Rücktritt muss der Händler unterrichtet werden (LG Duisburg, Urteil vom 24.11.03, Az: 2 O 196/03; Abruf-Nr. 040445).  

    16. Was ist, wenn für den verkauften Gebrauchtwagen noch die Herstellergarantie läuft, der Kunde aber vom Händler auch kaufrechtliche Nachbesserung verlangen könnte?

    Wenn der Käufer Garantiearbeiten in einer Fremdwerkstatt ohne ausdrückliche Zustimmung des Händlers durchführen lässt, läuft er Gefahr, seinen Nachbesserungsanspruch wegen Unmöglichkeit der Nachbesserung zu verlieren oder bei mangelhafter Garantieleistung keine Deckung beim Händler zu finden (AG Landau/Pfalz, Urteil vom 22.2.05, Az: 4 C 1337/04; Abruf-Nr. 050705).  

    17. Kann ein Kfz-Händler ohne eigene Werkstatt sich auf sein Recht zur zweiten Andienung berufen?

    Der Händler darf sich auch dann auf sein Recht zur zweiten Andienung berufen, wenn er nicht über eine Werkstatt verfügt. Wenn der Käufer behauptet, sich mit dem Händler darauf geeinigt zu haben, dass dieser auf sein Recht zur zweiten Andienung verzichtet, muss er dies beweisen.  

    18. Kann der Käufer Kostenerstattung verlangen, wenn er – ohne eine Nachbesserungsfrist gewährt zu haben – in einer Drittwerkstatt nachbessern lässt?

    Nein, einen solchen Anspruch hat der Käufer nicht (BGH, Urteil vom 23.2.2005, Az: VIII ZR 100/04; Abruf-Nr. 050706. Es gilt: Wer zu früh nachbessert, bleibt auf den Kosten sitzen.  

    19. Schuldet der Käufer im Fall der Ersatzlieferung für die Nutzung des mangelhaften Fahrzeugs einen Ausgleich?

    Diese Frage hat die Rechtsprechung noch nicht entschieden. Die herrschende Meinung plädiert für einen Anspruch auf Ersatz der gezogenen Nutzungen (§§ 439 Absatz 4, § 346 Absatz 1, 2 BGB).  

    20. Kann der Käufer für die Zeit, in der sein Fahrzeug zur Nachbesserung in der Werkstatt ist, einen Ausgleich für entgangene Nutzung verlangen?

    Eine Entschädigung kommt erst nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Nacherfüllungsfrist in Frage. Vor Ablauf der gesetzten Nacherfüllungsfrist liegt trotz einer Aufforderung mit Fristsetzung kein Verzug vor, so dass der Händler keinen „Verzögerungsschaden“ ersetzen muss.  

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2005 | Seite 14 | ID 85776