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  • · Fachbeitrag · Apothekenentwicklung

    Preisgestaltung im nicht preisgebundenen Sortiment: komplex, aber unverzichtbar

    von Prof. Dr. Thomas Schmid, Apotheker, MBA (Stanford University), Kempten

    | Die Festlegung der Preise von nicht preisgebundenen Artikeln wird von vielen Apothekern vernachlässigt. Dies ist nicht zuletzt auf die hohe Komplexität der Problemstellung zurückzuführen, denn hierfür müssen neben Analysen zum Standort auch artikelspezifische Überlegungen durchgeführt und psychologische Aspekte berücksichtigt werden. Apothekenspezifische Software für das Preismanagement soll helfen, das Problem zu lösen. |

    Stiefmütterliche Behandlung der Preispolitik in Apotheken

    Apotheker sind Arzneimittelspezialisten und keine Marketingmanager oder Controller. Trotzdem sind selbstständige Apotheker immer auch Unternehmer und müssen sich mit zentralen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen beschäftigen. Dazu gehört u. a. die Preispolitik bei nicht preisgebundenen Artikeln, z. B. Arzneimitteln der Selbstmedikation, Nahrungsergänzungsmitteln oder Kosmetik. Hierbei ist offensichtlich, dass eine Vernachlässigung der Preise in diesem Sortimentsbereich betriebswirtschaftliches Potenzial der Apotheke verschenkt. Klar ist aber auch, dass viele selbstständige Apotheker sich oft nur widerwillig mit dem Thema Preispolitik beschäftigen. Letzteres lässt sich gut nachvollziehen, denn eine fundierte Preisgestaltung im nicht preisgebundenen Sortiment der Apotheken ist komplex und damit aufwendig.

    Vielzahl an strukturellen Faktoren ist zu berücksichtigen

    Für die grundsätzliche Ausrichtung der Preispolitik einer Apotheke sind zahlreiche strukturelle Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere solche, die sich auf den Standort der Apotheke beziehen. In diesem Zusammenhang sind die Antworten auf die folgenden Fragen für die Leitplanken einer fundierten Preispolitik unverzichtbar:

     

    • Wie viele Wettbewerbsapotheken gibt es im Umkreis?
    • Verhalten sich diese preisaggressiv?
    • Wie ist die Kaufkraft im Umkreis der Apotheke?
    • Wie hoch ist der PKV-Anteil unter den Versicherten im Einzugsgebiet?
    • Wie ist die Altersstruktur der Kundschaft, deren Internetaffinität und damit der Wettbewerb mit Versendern einzuschätzen?
    • Ist der Standort städtisch, liegt er in der Peripherie einer Stadt, ist er ländlich oder handelt es sich um eine Center-Apotheke?

    Eine optimale Preispolitik differenziert nach Artikeln

    Leider ist die Analyse der Standortbedingungen nicht einmal die halbe Miete. Eine fundierte Preisgestaltung muss auf Ebene der einzelnen Artikel stattfinden. Dies lässt sich u. a. damit begründen, dass sich Kunden bei unterschiedlichen Produkten unterschiedlich preissensibel verhalten. Bei bestimmten Artikeln reagieren Verbraucher „preiselastisch“, d. h., selbst geringe Preissteigerungen führen zu einem starken Rückgang der Nachfrage. Bei anderen Produkten wiederum, z. B. bei solchen, die dringend benötigt werden, ist die Nachfrage „preisunelastisch“. Selbst größere Preiserhöhungen haben hier nur einen geringen Rückgang der Nachfrage zur Folge. Es erklärt sich von selbst, bei welcher Kategorie eine Preiserhöhung leichter durchzusetzen ist.

     

    Gerade auch die Preispolitik von Herstellern im nicht preisgebundenen Bereich impliziert die Notwendigkeit für ein artikelindividuelles Pricing der Apotheke. So melden manche Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln im Verhältnis zum Einkaufspreis (z. B. 69,60 Euro) exorbitant hohe UVPs (z. B. 259,60 Euro). Was nach einem Geschenk an die Apotheken aussieht, ist vermutlich als Steilvorlage für den Versandhandel gedacht, der solche Artikel mit hohen Preisabschlägen auf den UVP bewirbt. Ohne artikelindividuelle, wettbewerbsgerechte Preisgestaltung droht nicht nur, dass der Verbraucher das Produkt nie wieder in dieser Apotheke erwirbt, sondern auch, dass die Wahrnehmung des überhöhten Preises eines einzelnen Produkts auf das komplette Angebot der Apotheke abstrahlt. Daneben variiert die Preisgestaltung der Wettbewerber (inklusive des Versandhandels) sowie die Preiskenntnis der Verbraucher von Artikel zu Artikel, sodass auch diese Aspekte berücksichtigt werden sollten.

    Komplexe preispolitische Maßnahmen

    Bei der konkreten Preisgestaltung sind darüber hinaus zahlreiche, oft psychologisch motivierte Besonderheiten zu beachten. So wird z. B. häufig argumentiert, dass Preisschwellen beachtet werden müssen, bei denen Konsumenten ihre Preiswahrnehmung sprunghaft ändern (z. B. bis unter zehn Euro angemessen, über zehn Euro teuer). Oft wird auch zu „gebrochenen“ im Gegensatz zu runden oder „glatten“ Preisen (z. B. fünf Euro) geraten, weil hiermit eine positivere Wahrnehmung des Preis-Leistungs-Verhältnisses assoziiert sein soll. Daneben gibt es Empfehlungen über die reine Preisfestlegung hinaus, z. B. die aus verhaltenspsychologischen Studien, das „Euro“-Symbol beim Preisschild wegzulassen, da der Konsument dann die entsprechende Zahl weniger stark mit Geldausgeben verbindet.

    Professionelle Unterstützung des Pricings

    Es gibt viele Angebote, die mit dezidierter Pricing-Software die Apotheken bei ihrer Preisgestaltung unterstützen sollen. Sie berücksichtigen zahlreiche der genannten Faktoren und erlauben damit eine artikelindividuelle Preisgestaltung. Die entsprechenden Angebote bzw. Entwicklungen stammen u. a. von Anbietern von Apothekensoftware, vom pharmazeutischen Großhandel, von Datendienstleistern im Arzneimittelmarkt und von auf Apotheken spezialisierten IT-Unternehmen. Apotheker können sich selbst schnell einen aktuellen Überblick verschaffen, indem sie die Begriffe „Apotheke Preisgestaltung Software“ in eine Suchmaschine eingeben. Dabei sollte jeder Apotheker eine eigene Kosten-Nutzen-Bewertung der Dienstleistung für sich durchführen. Die Chancen stehen gut, dass diese Bewertung weniger komplex ist als die Entwicklung einer fundierten, artikelspezifischen Preispolitik.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2022 | Seite 5 | ID 48033413