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27.07.2012

Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 14.12.2011 – 2 K 1675/09

1. Kleinere inhaltliche Mängel führen nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und zur Anwendung der 1 %-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind und trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.

2. Ein Fahrtenbuch, das als Kombination aus einem handschriftlich, zeitnah und geschlossen geführten Buch und ergänzenden, per Computerdatei erstellten Erläuterungen besteht, kann als ordnungsgemäß anzuerkennen sein, wenn eine nachträgliche Manipulation hinsichtlich der gefahrenen Kilometer ausgeschlossen ist.

3. Hiervon ist auszugehen, wenn es sich bei den ergänzenden Erläuterungen zum Fahrtenbuch eines Versicherungskaufmanns um Ablichtungen eines vom Arbeitgeber geführten elektronischen Terminkalenders handelt, der Kläger darin eigene Korrekturen und Ergänzungen nur handschriftlich vornehmen konnte und ihm eine Manipulation der gefahrenen Kilometer deswegen nicht möglich war.


IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts … als Vorsitzenden, die Richterinnen am Finanzgericht … und … sowie die ehrenamtliche Richterin … und den ehrenamtlichen Richter … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2011 für Recht erkannt:

Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2009 wird insoweit geändert, als bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit ein um 4.983,12 EUR verminderter Sachbezug für die private PKW-Nutzung berücksichtigt wird.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird gestattet, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des für das Streitjahr anzusetzenden Nutzungswertes für ein betriebliches Fahrzeug.

Die Kläger wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Versicherungskaufmann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Arbeitgeber des Klägers überließ diesem im Streitjahr 2008 einen PKW, der auch für private Zwecke genutzt wurde. Der Arbeitgeber versteuerte hierfür einen Sachbezug, den er anhand der 1-%-Regelung nach § 8 Abs. 2 S. 2 EStG ermittelte. In ihrer Einkommensteuererklärung erklärten die Kläger abweichend hiervon einen nach § 8 Abs. 2 S. 4 EStG auf der Grundlage der tatsächlich entstandenen Fahrzeugkosten ermittelten Sachbezug. Der Beklagte folgte dieser Ermittlung unter Hinweis auf das seiner Auffassung nach nicht ordnungsgemäße Fahrtenbuch nicht und berücksichtigte mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15. Juli 2009 den anhand der 1-%-Regelung ermittelten Sachbezug.

Den Einspruch vom 18. Juli 2009 (Bl. 2 Rbh) wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2009 (Bl. 27 ff. Rbh) als unbegründet zurück.

Am 23. Dezember 2009 haben die Kläger Klage erhoben (Bl. 1).

Sie beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2009 insoweit zu ändern, als bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit ein um 4.983,12 EUR verminderter Sachbezug für die private PKW-Nutzung berücksichtigt wird.

Der Kläger habe den privaten Nutzungsanteil für den betrieblichen PKW durch die Vorlage eines Fahrtenbuchs hinreichend nachgewiesen. Das Fahrtenbuch sei ordnungsgemäß geführt worden. Der Kläger habe als Versicherungskaufmann ausschließlich im Außendienst gearbeitet und an einem Tag mehrere Kundenbesuche erledigt. Der Kläger unterfalle der Verwaltungsregelung, wonach Steuerpflichtige, die regelmäßig aus betrieblichen Gründen große Strecken mit mehreren unterschiedlichen Reisezielen zurücklegen, eine Erleichterung dahingehend zu gewähren sei, dass lediglich anzugeben ist, welche Kunden an welchem Ort besucht wurden. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Die Fahrten seien täglich und fortlaufend im Fahrtenbuch erfasst worden. Aufgrund der Vielzahl der Termine sei dem Fahrtenbuch eine separate Aufstellung der besuchten Kunden beigefügt worden. Die Aufstellung sei vom Arbeitgeber erstellt worden und habe vom Kläger nicht geändert werden können. Bei der Tätigkeit des Klägers sei auch keine Zeit für private Fahrten – außer denen, die im Fahrtenbuch erfasst worden seien – geblieben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger habe ausweislich des vorgelegten Fahrtenbuchs ausschließlich an Wochenenden, Feiertagen oder Urlaubstagen Privatfahrten unternommen. Dies sei unglaubhaft. Eine stichprobenartige Überprüfung der Eintragungen habe im übrigen ergeben, dass beispielsweise im Terminkalender unter dem 1. August 2008 „Reparatur (Auto) in C, anschließend Betriebsversammlung in D” gestanden habe, während im Fahrtenbuch „Außendienst” vermerkt gewesen sei. Das Fahrtenbuch sei nach alledem nicht ordnungsgemäß.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Nutzungswert des betrieblich genutzten Fahrzeugs ist nach den individuell entstandenen Kosten zu ermitteln.

a) Für die Bewertung der privaten Nutzung eines Kraftfahrzeug enthält § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG eine spezielle Bewertungsregel (vgl. BFH vom 19. März 2009 IV R 59/06, BFH/NV 2009, 1617). Danach ist für jeden Kalendermonat 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen (sog. 1 %-Regelung). Abweichend davon kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG die private Nutzung mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (sog. Fahrtenbuchregelung).

Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss nach der Rechtsprechung des BFH (z.B. BFH vom 9. November 2005 VI R 27/05, BStBl II 2006, 408; vom 16. November 2005 VI R 64/04, BStBl II 2006, 410; vom 16. März 2006 VI R 87/04, BStBl II 2006, 625) zeitnah und in geschlossener Form geführt werden. Die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes müssen im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Dabei ist jede einzelne berufliche Verwendung grundsätzlich für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Besteht eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, so können diese Abschnitte miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden. Es genügt dann die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Gesamtkilometerstands, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden, in der sie aufgesucht worden sind. Wird andererseits der berufliche Einsatz des Fahrzeugs zugunsten einer privaten Verwendung unterbrochen, so stellt diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, der im Fahrtenbuch durch Angabe des bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstands zu dokumentieren ist. Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch müssen außerdem eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten. Sie müssen mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Ein Verweis auf ergänzende Unterlagen ist nur zulässig, wenn der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen dadurch nicht beeinträchtigt wird (vgl. BFH vom 16. März 2006 VI R 87/04, BStBl II 2006, 625). Ein Fahrtenbuch, das als Kombination aus einem handschriftlich zeitnah und geschlossen geführten Buch und ergänzenden Erläuterungen besteht, genügt diesen Anforderungen daher nur, wenn eine nachträgliche Manipulation hinsichtlich der gefahrenen Kilometer ausgeschlossen ist (FG Berlin-Brandenburg vom 14. April 2010 12 K 12047/09, EFG 2010, 1306, Revision eingelegt).

Weisen die Fahrtenbücher inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, kann dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen. Ebenso wie eine Buchführung trotz einiger formeller Mängel aufgrund der Gesamtbewertung noch als formell ordnungsgemäß erscheinen kann, führen jedoch auch kleinere Mängel nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1 %-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind. Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist (zum Ganzen BFH vom 10. April 2008 VI R 38/06, BStBl. II 2008, 768, vgl. auch BFH vom 13. Oktober 2008 VIII B 203/07, juris).

b) Im Streitfall wurde das vorgelegte Fahrtenbuch ordnungsgemäß geführt. Die Grundaufzeichnungen im handschriftlich geführten Fahrtenbuch sind vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt, wieso die Kilometerangaben bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte teilweise differieren und bei den „Bürotagen” teilweise keine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitstelle eingetragen wurde. Er konnte auch erklären, wie es zu Korrekturen bei den Kilometerständen kam.

Der Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuch steht nicht entgegen, dass es sich um es sich um eine Kombination aus handschriftlich in einem geschlossenen Buch eingetragenen Daten – Datum, Uhrzeit, Zweck der Fahrt, Kilometerstände und gefahrene Kilometer – und zusätzlichen, per Computerdatei erstellten Erläuterungen handelt. Denn der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen wird durch die ergänzenden Erläuterungen nicht beeinträchtigt. Die ergänzenden Angaben – Ausdruck aus einem in elektronischer Form mittels „Microsoft Outlook” geführten Terminkalenders unter Angabe von Datum, Uhrzeit, Name und Adresse des jeweiligen Kunden – liegen zwar nicht in geschlossener Form vor. Dies ist nach Auffassung des Senats indessen unschädlich. Denn die ergänzenden Angaben sind nur im Zusammenhang mit dem handschriftlich geführten Fahrtenbuch verwendbar; sie dürfen daher nicht isoliert, sondern nur zusammen mit diesem gesehen werden. Eine zusätzliche Manipulationsmöglichkeit hinsichtlich der gefahrenen Kilometer ergibt sich hieraus nicht, zumal der elektronische Terminkalender – wie der Kläger glaubhaft dargelegt hat – vom Arbeitgeber geführt worden ist und eigene Ergänzungen und Korrekturen nur handschriftlich möglich waren.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision zum Bundesfinanzhof war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren VI R 33/10 zuzulassen.

VorschriftenEStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3, EStG § 8 Abs. 2 S. 2

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