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15.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121694

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 16.02.2012 – 4 K 639/11

Der Gewinn aus der Veräußerung von obligationsähnlichen Genussscheinen ist aufgrund Bestandsschutzes nach § 52a Abs. 10 S. 7 EStG nicht kapitalertragsteuerpflichtig, wenn es sich um vor dem 31.12.2008 erworbene und nicht binnen Jahresfrist äußerte Papiere handelt.

20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 1 a-d EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) erwähnte Kapitalforderung handelt, für die jedoch nach der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage eine Behandlung als veräußerungsgewinnsteuerpflichtige Finanzinnovation im Sinne von § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 1-4 EStG wegen der Anwendung der in § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 5 EStG geregelten Ausnahme im Ergebnis nicht stattfand.


Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Einbehaltung, Anmeldung und Abführung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag beim Beklagten (dem Finanzamt, im Folgenden: ,FA'). Im Streitjahr unterhielt der Kläger bei der X-AG, das Direkt-Depot Nr. 1, in dem er zum Nominalwert von 5.160,- Euro im Jahre 2006 von der Sparkasse A auf sein Depot bei der X-AG übertragene Inhaber-Genussrechtsscheine der Y-AG (Kennzeichnung ISIN 2) hielt. Auf die vom FA als Kopien bzw. Ausdrucke zu den Akten genommenen Prospektunterlagen (Genusscheinbedingungen sowie Merkmalsbeschreibungen) und öffentlichen Mitteilungen bezüglich dieser Wertpapiere wird Bezug genommen. Die Genussscheine gewährten ihrem Inhaber einen dem Gewinnanteil der Aktionäre vorgehenden Anspruch auf Gewinnausschüttung und einen Rückzahlungsanspruch bei Beendigung der Genussscheine (§ 3 Abs. 1 Satz 1 der Genussscheinbedingungen). Dem Inhaber standen keinerlei Teilnahme-, Mitwirkungs- oder Stimmrechte zu (§ 3 Abs. 2 der Genussscheinbedingungen). Der dem Inhaber zustehende Gewinnanteil betrug vorbehaltlich eines ausreichenden Konzernjahresüberschusses für jedes volle Geschäftsjahr des Konzerns 15% des Grundbetrages von 10,- Euro pro Genussschein (§ 4 Abs. 1 Satz 1 der Genussscheinbedingungen). Laut § 15 Abs. 6 der Genussscheinbedingungen nahm das Genusskapital am Liquidationserlös der Y-AG im Falle deren Auflösung nicht teil und trat der Anspruch auf Rückzahlung des Genussrechtskapitals im Auflösungsfall gegenüber den Forderungen aller Gläubiger, die nicht ebenso nachrangig waren, im Rang zurück. Infolge eines Rückkaufersuchens der Y-AG vom 02.02.2010 (beendet am 23.02.2010 durch Annahme der daraufhin erklärten Verkaufsangebote), zu dessen Abwicklung vorübergehend die Kennzeichnung ISIN 3 vergeben worden war, veräußerte der Kläger seine Genussscheine am 01.03.2010 im Direkthandel unter der Ordernummer 4 zu einem Kurswert von 9.228,- Euro. Im Zuge dessen behielt die X-AG für Rechnung des Klägers Kapitalertragsteuer i.H.v. 696,60 Euro und Solidaritätszuschlag i.H.v. 38,31 Euro ein und berücksichtigte diese Beträge im Rahmen ihrer am 01.04.2010 beim FA eingereichten Kapitalertragsteueranmeldung für März 2010.
Gegen diese Steueranmeldung der X-AG legte der Kläger beim FA in Bezug auf die für seine Rechnung einbehaltenen Beträge von 696,60 Euro und 38,31 Euro am 13.04.2010 Einspruch ein, den er mit der Erwägung begründete, dass die lange vor 2006 angeschafften Wertpapiere als festverzinsliche Altpapiere den Bestandsschutzregeln zur Einführung der Abgeltungssteuer unterlägen und der erzielte Veräußerungsgewinn daher der Einkommensteuer nicht unterliege. Das FA zog die X-AG mit Verfügung vom 08.06.2010 zum Einspruchsverfahren hinzu. Mit Schreiben vom 09.10.2010 kündigte der Kläger an, sich wegen der genauen Anschaffungskosten der Wertpapiere erneut zu melden, da zu deren Bezifferung noch weitere Ermittlungen durch ihn notwendig seien. Nach dem sich der Kläger jedoch nicht weiter geäußert hatte, wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11.02.2011 als ungegründet zurück. Hierauf wird Bezug genommen. Darin stufte das FA die unter der internationalen Kennzeichnung ISIN 2 gehandelten Inhaber-Genussscheine mangels einer durch sie vermittelten Beteiligung am Liquidationserlös als sonstige Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG (in der Fassung des Streitjahres) in Gestalt von obligationsähnlichen Genussrechten ein, bei denen Veräußerungsgewinne nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG ab 2009 nunmehr steuerpflichtig seien. Ein Bestandsschutz bestehe für Gewinne aus der Veräußerung von Vermögenspositionen i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG nach § 52a Abs. 10 Satz 6 EStG grundsätzlich nicht (Verweis auf BMF vom 22.12.2009,BStBl. I 2010, 94, Rn. 319). Die Ausnahmevorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG greife nicht ein, da die Wertpapiere jedenfalls dem Grunde nach unter den vormals geltenden Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 lit. c EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) fielen. Für die Gewährung des gesetzlichen Bestandsschutzes nach § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG sei allein das Nichtvorhandensein einer Kapitalforderung i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 lit. a bis d EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) maßgeblich. Irrelevant sei, ob nach Satz 5 dieser Vorschrift eine Besteuerung der Erträge stattgefunden habe oder nicht. Nach dem Gesetzeszweck (Verweis auf BR-Drucksache 545/08, S. 101 f.) sollte aus nachvollziehbaren Vereinfachungsgründen gerade vermieden werden, dass das fraglich Finanzprodukt nach Maßgabe der die Rechtsfolgen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG erheblich einschränkenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (Verweis auf z.B. BFH vom 20.11.2006 - VIII R 97/02, BStBl. II 2007, 555) im Einzelfall einer Prüfung unterzogen werden muss, um zur Anwendung oder Nichtanwendung der Übergangsregelung zu gelangen.
Mit seiner am 10.03.2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Rechtsbegehren weiter. Er vertritt die Auffassung, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Genussscheine nicht kapitalertragsteuerpflichtig sei, da die Papiere nach § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG Bestandsschutz genössen. Da es sich um vor dem 31.12.2008 erworbene und nicht binnen Jahresfrist veräußerte Papiere handele, unterliege der in 2010 erzielte Veräußerungsgewinn nicht der Einkommensteuer. Entgegen der Ansicht des FA sei § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) nicht einschlägig. Denn im Streitfall greife die für diesen Tatbestand geltende Rückausnahme des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Var. 3 EStG (in der Fassung bis 31.12.2008), da es sich bei den streitigen Wertpapieren zweifelsfrei um Genussrechte gehandelt habe, „die nicht in § 20 Abs. 1 Nr. 1 genannt sind”. Die von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 20.12.2009 unter Rn. 319 veröffentlichte Rechtsauffassung sei unzutreffend. Soweit das FA anführt, dass es nur auf die Einschlägigkeit der in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 lit. a bis d EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) aufgeführten Fallgruppen, nicht dagegen auch auf die Anwendbarkeit der Rückausnahme des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) ankomme, könne dem nicht gefolgt werden. Hätte der Gesetzgeber diese Rückausnahme im Rahmen der Übergangsregelung ausschließen wollen, so hätte er diese schlicht aufheben können. Das sei jedoch gerade nicht geschehen.
Der Kläger beantragt,
die durch die X-AG erfolgte Steueranmeldung zur Kapitalertragsteuer für den Monat März 2010 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung des FA vom 09.02.2011 um die für den Kläger angemeldeten Beträge zur Kapitalertragsteuer in Höhe von 696,60 Euro und zum Solidaritätszuschlag in Höhe von 38,31 Euro zu mindern sowie die vorgenannten Beträge an den Kläger zu erstatten.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen sowie hilfsweise die Revision zuzulassen.
Durch Beschluss vom 20.01.2012 hat das Gericht die X-AG zum Verfahren beigeladen. Mit Schriftsätzen vom 10.03.2011 (Kläger), 10.06.2011 (Beklagter) und 06.02.2012 (X-AG) haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Auf die dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakten (1 Band Kapitalertragsteuerakten der X-AG für März 2010 und 1 Band Rechtsbehelfsakten) wird ergänzend Bezug genommen. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Ferner wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Gründe
1. Die ausschließlich gegen die nach § 168 Satz 1 AO i.V.m. §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10, 44 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 4 Nr. 1 lit. a. aa. als Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkende Steueranmeldung der X-AG gerichtete Klage ist in Bezug auf die für Rechnung des Klägers einbehaltenen und abgeführten Beträge zulässig. Der Kläger kann die Steueranmeldung insoweit kraft eigenen Rechtes anfechten (vgl. BFH vom 12.10.1995 - I R 36/95, BStBl. II 1996, 87; BFH vom 13.08.1997 - I B 30/97, BStBl. II 1997, 700; BFH vom 07.11.2007 - I R 19/04, BStBl. II 2008, 228). Soweit der Kläger darüber hinaus beantragt hat, die fraglichen Beträge an ihn „zu erstatten”, wertet der Senat dies trotz der eigenen Fachkunde des Klägers und der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht als eigenständigen Klageantrag, sondern lediglich als Anregung an das FA und / oder die X-AG, ein stattgebendes Urteil umzusetzen. Diese Auslegung erfolgt im Hinblick auf den Umstand, dass eine in diesem Punkt eigenständige Klage unzulässig wäre, weil sie sich gegen das für Angelegenheiten der Finanzkasse zuständige Finanzamt hätte richten müssen (§ 23 Abs. 2 der Verordnung über die Zuständigkeit der hessischen Finanzämter vom 16.12.2008, GVBl. I 2008, 1050) und sowohl der Kläger als auch sein Prozessbevollmächtigter nicht in Hessen ansässig sind.
2. Die Klage ist begründet. Die Kapitalertragsteueranmeldung der X-AG für März 2010 vom 01.04.2010 ist in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.02.2011 insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, als die X-AG bezüglich der am 01.03.2010 veräußerten Genussscheine dem Grunde nach Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag einbehalten, angemeldet und an das FA abgeführt hat.
a) Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Var. 2 EStG wird die Einkommensteuer bei Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben, wobei das inländische Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut, das die Teilschuldverschreibungen, Anteile an einer Sammelschuldbuchforderung, Werterechte, Zinsscheine oder sonstigen Wirtschaftsgüter verwahrt, verwaltet oder deren Veräußerung durchführt und die Kapitalerträge auszahlt oder gutschreibt, den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 4 Nr. 1 lit. a. aa. EStG), die einbehaltene Steuer an das Finanzamt abzuführen (§ 44 Abs. 1 Satz 5 EStG) und diese anzumelden hat (§ 45a Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG (in der Fassung des Veranlagungszeitraums 2010) zählt zu den einkommensteuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wonach Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art - unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage – zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählen, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder das Entgelt von einem ungewissen Ereignis abhängen. Im Streitfall erfüllt der vom Kläger durch die Veräußerung der Genussscheine am 01.03.2010 erzielte Veräußerungsgewinn – wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen – den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2010 geltenden Fassung, weil die mit den Genussscheinen laufend zu erzielenden Einnahmen aufgrund der Regelungen in § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 der Genusscheinbedingungen unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen, was unter alleiniger Zugrundelegung der für das Streitjahr geltenden Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zur Einkommensteuer- und Kapitalertragsteuerpflichtigkeit des vom Kläger aus ihrer Veräußerung erzielten Gewinns führen würde.
b) Entgegen der Auffassung des FA ist jedoch der erst zum 01.01.2009 eingeführte Besteuerungstatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG für den vom Kläger im Streitjahr erzielten Gewinn aus der Veräußerung der von ihm vor dem 01.01.2009 erworbenen Genussscheine nicht anwendbar. Es greift vielmehr die Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG, nach der eine Besteuerung aus Gründen des Bestandsschutzes nicht stattfindet.
aa) Die für die zum 01.01.2009 neu eingeführten Besteuerungstatbestände des § 20 Abs. 2 EStG einschlägige zeitliche Übergangsregelung ergibt sich im Einzelnen aus § 52a Abs. 10 EStG. Nach dessen Satz 6 ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG (in der Fassung ab 01.01.2009) erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden, was bedeutet, dass ein Bestandsschutz mit Rücksicht auf den vor dem 01.01.2009 liegenden Zeitpunkt des Erwerbes der Forderung nicht gewährt wird. Etwas anderes gilt nach § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG jedoch bei vor dem 01.01.2009 erworbenen sonstigen Kapitalforderungen, wenn es sich bei diesen Forderungen zum Zeitpunkt ihres Erwerbs zwar um Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung), nicht aber um „Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nummer 4 in der am 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung” handelte. Dabei liegen Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 (in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung) auch dann vor, wenn die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist oder wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint. Die vom Kläger veräußerten Genussscheine erfüllen damit dem Grunde nach die Tatbestandsmerkmale des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 lit. c EStG (in der Fassung bis 31.12.2008), da es sich nach der Ausgestaltung der Genussscheinbedingungen um sonstige Kapitalforderungen mit Zinsforderungen (hier: in Höhe von 15% des Grundbetrages von 10,- Euro pro Genussschein) handelte, bei denen die Höhe der (Zins-) Erträge von einem ungewissen Ereignis (hier: der Existenz eines ausreichenden Konzernjahresüberschusses) abhing.
bb) Dass die fraglichen Genussscheine die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 lit. c EStG (in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung) dem Grunde nach erfüllen, genügt für den Ausschluss der Ausnahmeregelung nach § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG jedoch nicht. Vielmehr ist entsprechend der Rechtsauffassung des Klägers zu berücksichtigen, dass die vor dem 31.12.2008 ausgeschütteten Gewinnanteile aus den Genusscheinen gemäß der Rückausnahme des alten § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG vor dem 01.01.2009 gerade nicht als nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 bis 4 EStG steuerpflichtige Einnahmen aus Finanzinnovationen behandelt wurden, weil es sich i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Var. 2 EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) um Zinsen aus Genussrechten handelte, die nicht in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannt waren. Für das Eingreifen der Bestandsschutzregelung des § 52a Abs. 10 Satz 7 wegen Nichtvorhandenseins einer „Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4” genügt es, wenn es sich bei dem veräußerten Recht zwar um eine in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 lit. a bis d EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) erwähnte Kapitalforderung handelt, für die jedoch (wie im Streitfall) nach der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage eine Behandlung als veräußerungsgewinnsteuerpflichtige Finanzinnovation i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 bis 4 EStG wegen der Anwendung der in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG geregelten Rückausnahme im Ergebnis nicht stattfand.
Dies ergibt sich aus einer historisch-systematischen Auslegung des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG in der ursprünglichen Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 und in der für den Streitfall einschlägigen Fassung des Jahressteuergesetzes 2009. Der in § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG geregelte Verweis auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG, der sowohl in der ursprünglichen Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 als auch in der durch das Jahresssteuergesetz 2009 modifizierten Gesetzesfassung enthalten ist, lässt offen, ob lediglich ein Verweis auf die in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG (alte Fassung bis 31.12.2008) enthaltene Aufzählung der hierunter dem Grunde nach fallenden Kapitalforderungen, oder auf das gesamte, aus insgesamt 5 Sätzen bestehende Regelungsgefüge gemeint ist. Insoweit ist § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. Die parlamentarischen Vorgänge zu dieser durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007 (BGBl. I 2007, 1912 [1926]) eingeführten Vorschrift lassen erkennen, dass der Gesetzgeber ursprünglich nur solche Gewinne aus der Veräußerung von vor dem 31.12.2008 angeschafften Kapitalforderungen als i.S.v. § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG (in der ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung) steuerpflichtig behandeln wollte, die auch schon zuvor der Besteuerung unterlagen (vgl. Elser/Bindl FR 2010, 360 [367]; Weber-Grellet in L. Schmidt, EStG, 28. Auflage 2009, § 20 Rn. 150). So war nach dem ersten Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 durch die Bundesregierung nur die Besteuerung von Kapitalerträgen aus solchen Forderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vorgesehen, „die zum Zeitpunkt des vor dem 01.01.2009 erfolgten Erwerbs nicht Kapitalforderungen i.S.d. § 20 in der am 31.12.2008 geltenden Fassung, sondern ausschließlich private Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 in der am 31.12.2008 geltenden Fassung sind” (vgl. BR-Drucksache 220/07 vom 30.03.2007, S. 27, sowie die Begründung auf S. 120). Der in der endgültigen Gesetzesfassung auf Empfehlung des Finanzausschusses (vgl. BT-Drucksache 16/5452 vom 23.05.2007, S. 39) stattdessen eingefügte Verweis auf § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG (in der am 31.12.2008 geltenden Fassung) wurde ebenfalls mit der Erwägung begründet, dass nur die „unter § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG fallenden ,Altpapiere' in die neue Besteuerung nach § 20 Abs. 2 EStG” einbezogen werden sollten (so die Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 16/5377 vom 18.05.2007, Anlage 4, S. 17) und die Übergangsvorschrift damit regeln solle, „dass bislang steuerfreie Kursgewinne aus vor dem 01.01.2009 erworbenen zinstragenden Forderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 auch weiterhin steuerfrei bleiben” (so die Begründung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucksache 16/5491 vom 24.05.2007, S. 21). Diese ursprünglichen Erwägungen im parlamentarischen Verfahren sprechen dafür, dass es nach dem ursprünglichen Sinn und Zweck des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG nicht lediglich darauf ankommen sollte, ob dem Grunde nach eine i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 Satz 1 lit. a bis d EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) tatbestandsmäßige Kapitalforderung vorliegt, sondern ob die mit dieser Kapitalforderung erzielten Erträge nach der Rechtsfolgenanordnung des alten § 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 auch schon vor dem 01.01.2009 als finanzinnovative Gewinne zu behandeln und als solche steuerpflichtig waren. Da an dieser Rechtsfolgenanordnung als Rückausnahme auch Satz 5 der Vorschrift teilnimmt, sprechen diese Erwägungen für den Rechtsstandpunkt des Klägers. Danach findet § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG mit der Folge der fehlenden Kapitalertragsteuerpflichtigkeit des Veräußerungsgewinns Anwendung, weil ein Gewinn aus der Veräußerung der Genussrechte vor dem 01.01.2009 nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 bis 4 EStG steuerpflichtig war, da er insoweit mit dem Gewinn aus der Veräußerung einer schlichten Festzinsanleihe gleichgestellt wurde (vgl. Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, EStG, Altkommentierung Stand 11/2003, § 20 Rn. 1155; Elser/Bindl FR 2010, 360 [367]; Jachmann/Lindenberg in Lademann, EStG, Stand 01/2011, § 20 Rn. 699).
Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht aus dem vom FA angeführten Umstand ableiten, dass § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG in der auch für das Streitjahr geltenden Fassung durch das Jahressteuergesetz 2009 modifiziert wurde, in dem der den Satz bisher abschließende Punkt durch ein Semikolon ersetzt und die Anordnung ergänzt wurde, dass Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung auch dann vorliegen sollen, wenn „die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist oder wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint”. Dem Wortlaut nach ist dieser Zusatz für den Streitfall nicht einschlägig. Aus ihm lassen sich auch keine anderweitige Auslegung des in § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG bereits vorher enthaltenen Verweises auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) entnehmen. Nach der zwischen den Beteiligten erörterten parlamentarischen Begründung (Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2009, BR-Drucksache 545/08 vom 08.08.2008, S. 101 f.) sowie auch nach wohl einhelliger Auffassung in der Literatur (Treiber in Blümich, EStG, Stand 09/2011, § 52a Rn. 11; Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, EStG, Stand 08/2010, § 20 Rn. 1369; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, EStG, Stand 07/2011, § 52a Rn. 11; Hahn/Krause DStR 2008, 1724 [1728] sowie auch Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Stand 02/2010, § 20 Anm. 511) sollte durch die Ergänzung im Jahresssteuergesetz 2009 bewirkt werden, dass es für die Anwendung der Übergangsregelung (anders als für die damalige Anwendung des alten § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG im Lichte der diese Vorschrift erheblich einschränkenden höchstrichterlichen Rechtsprechung) auf eine tatsächliche Abgrenzbarkeit zwischen Ertrag- und Vermögensebene der Kapitalforderungen aus Vereinfachungsgründen nicht ankommt. Der Gesetzesbegründung lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass es – entgegen der bisherigen Intention des Verweises – fortan nur noch darauf ankommen sollte, dass dem Grunde nach eine unter eine Fallgruppe des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 lit. a bis d EStG subsumierbare Kapitalforderung gegeben ist, ungeachtet der Frage, ob vor dem 01.01.2009 eine Besteuerung als Finanzinnovation stattfand oder nicht. Die Ergänzung der Übergangsvorschrift beschränkte sich auf die Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH zur einschränkenden Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG bei einfacher Trennbarkeit von Ertrags- und Vermögensebene oder bei teilgarantierter Rückzahlung (BFH vom 04.12.2007 - VIII R 53/05, BStBl. II 2008, 563; BFH vom 20.11.2006 - VIII R 97/02, BStBl. II 2007, 555; BFH vom 13.12.2006 - VIII R 6/05, BStBl. II 2007, 751; BFH vom 13.12.2006 - VIII R 62/04, BStBl. II 2007, 568). Soweit im Regierungsentwurf ausgeführt wird, dass die Ergänzung des § 50a Abs. 10 Satz 7 EStG bewirke, „dass es ab 2009 für die steuerrechtliche Behandlung eines Finanzprodukts ausschließlich darauf ankommt, dass es unter den Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a. F. fällt” (BR-Drucksache 545/08 vom 08.08.2008, S. 101, letzter Satz), kann damit nur gemeint sein, dass die vom BFH in ausdrücklicher Abweichung vom Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG entwickelten Rechtsgrundsätze für Zwecke der Prüfung der Übergangsregelung ignoriert werden sollen und stattdessen weiterhin auf den Gesetzeswortlaut abgestellt werden soll, weil die Berücksichtigung dieser Rechtsprechung die Prüfung der Übergangsregelung in unverhältnismäßiger Weise verkomplizieren würde. Ein weitergehender Erklärungswert kann der parlamentarischen Gesetzesbegründung nicht entnommen werden. Da die fraglichen Genussrechte nach altem Recht bereits nicht als Finanzinnovationen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG (alte Fassung) eingestuft wurden, besteht für ein weitergehendes Verständnis auch keinerlei Anlass (Elser/Bindl FR 2010, 360 [367]).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO. Entsprechend dem Antrag des unterlegenen FA hat der Senat nach § 115 Abs. 2 FGO die Revision zugelassen, weil die entschiedene Rechtsfrage wegen der für die Verwaltung allgemeinverbindlichen Regelung in einem BMF-Schreiben trotz ihrer Eigenschaft als auslaufendes (Übergangs-) Recht eine Vielzahl von Fällen betrifft.

VorschriftenEStG § 52a Abs. 10 Satz 6, EStG § 52a Abs. 10 Satz 7, EStG § 20 Abs. 2 Nr. 7

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