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17.06.2011 · IWW-Abrufnummer 112031

Landgericht Münster: Urteil vom 20.04.2011 – 1 S 128/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Münster

01 S 128/10

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Steinfurt vom 10.06.2010 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen hinsichtlich der Widerklage insoweit abgeändert, als auf die Widerklage festgestellt wird, dass der Kläger die Beklagten von der mit der im angefochtenen Urteil ausgeurteilten Zahlungsverpflichtung an die W, H, D zur Vertragsnummer ######## im Umfang von 639,60 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2008 freizustellen hat. Im Übrigen bleibt die Widerklage abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten tragen die Beklagten.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger selbst zu 26 % und die Beklagten zu 74 %.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 20 % und die Beklagten zu 80 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

G r ü n d e
I.
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 113 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache nur teilweise Erfolg.
1.
Hinsichtlich der Klage ist die Berufung unbegründet. Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht überwiegend stattgegeben.
a.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere bestehen aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft.
b.
Die Klage ist auch begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG, hinsichtlich des Beklagten zu 2) in Verbindung mit § 18 Abs. 1 StVG und hinsichtlich des Beklagten zu 3) in Verbindung mit § 115 Abs. 1 VVG. Beim Betrieb des vom Beklagten zu 2) geführten Fahrzeugs, dessen Halter der Beklagte zu 1) ist und das bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist, wurde der im Eigentum der W stehende Pkw beschädigt.
Die W als Geschädigte muss sich auch nicht die Betriebsgefahr des in ihrem Eigentum stehenden Fahrzeuges anspruchsmindernd anrechnen lassen. Zwar muss sich der Eigentümer eines beschädigten Pkw, der nicht gleichzeitig dessen Halter ist, im Haftungssystem des StVG – anders als bei Ansprüchen aus § 823 BGB – grundsätzlich das Verschulden des Fahrers des Pkw bei der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches gemäß §§ 9, 17 StVG, 254 BGB anspruchsmindernd zurechnen lassen (vergleiche BGH, Urteil vom 07.12.2010, VI ZR 288/09). Ein Verschulden des Klägers als Führer des beschädigten Pkw ist vorliegend indes – wie das Amtsgericht überzeugend und von der Berufung unangegriffen dargelegt hat – nicht feststellbar. Die bloße Betriebsgefahr wird von der Zurechnung der §§ 9, 17 StVG, 254 BGB nicht erfasst.
Zwar wird teilweise vertreten, dass § 9 StVG auch eine Zurechnung der (reinen) Betriebsgefahr ermögliche (vgl. Tomson, "Haftung ohne Grenzen? – Schadensersatzansprüche des nicht haltenden Fahrzeugeigentümers", NZV 2009, 577). Dem vermag sich die Kammer indes nicht anzuschließen (so im Ergebnis wohl auch OLG Hamm R+S 1996, 339).
Gegen eine solche Ausweitung des Zurechnungsbereichs des § 9 StVG auch auf die reine Betriebsgefahr spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift. In § 9 StVG ist von Verschulden und nicht etwa – wie beispielsweise in § 17 StVG – von einem Verursachungsbeitrag oder der Betriebsgefahr die Rede.
Dafür, dass § 9 StVG nicht über den Wortlaut hinaus auch die Betriebsgefahr umfassen sollte, spricht auch, dass § 9 StVG nur das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, also des Fahrers des Pkw, zurechnen will. Die Betriebsgefahr als solche ist im System des Straßenverkehrsgesetzes indes grundsätzlich zunächst dem Halter zugeordnet, der möglicherweise an dem Unfall selbst gar nicht beteiligt war. Die Bezugnahme auf denjenigen, der das Fahrzeug selbst geführt hat, spricht daher dafür, dass dessen (Fehl-)verhalten und nicht schon die abstrakte, von der Sache ausgehende Gefährdung zugerechnet werden soll.
Eine Zurechnung der reinen Betriebsgefahr kommt aber auch deshalb nicht in Betracht, weil grundsätzlich Voraussetzung für die Zurechnung einer mitwirkenden Betriebsgefahr – sei es in § 17 StVG oder im Rahmen des § 254 BGB – ist, dass die Mitwirkung der Betriebsgefahr in haftungsrechtlich zurechenbarer Weise erfolgt ist (vgl. BGH NJW 1972, 1415; OLG Hamm, NZV 1995, 320). Voraussetzung ist somit, dass der Geschädigte die Betriebsgefahr dem Unfallgegner gegenüber im Falle einer Inanspruchnahme durch diesen zu verantworten hätte. Er müsste also selbst aufgrund der Betriebsgefahr nach § 7 StVG dem Unfallgegner gegenüber ersatzpflichtig sein (vgl. BGH a.a.O.). Das ist vorliegend nicht der Fall, weil die W als nicht haltende Eigentümerin des Pkw den Beklagten gegenüber ihrerseits nicht haftet.
Dafür, dass diese grundsätzlichen Anforderungen an eine Zurechnung der Betriebsgefahr durch § 9 StVG abgeändert werden sollen, findet sich in der Vorschrift kein Anhaltspunkt. Ohne Feststellung eines tatsächlichen Verschuldens des Fahrzeugführers, kommt daher eine Schadensminderung gemäß den §§ 9, 17 StVG, 254 BGB nicht in Betracht (so auch Lemke, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 10.07.2007 in R+S 2007, 435 und Heß, Anmerkung zum selben Urteil in NZV 2007, 610).
2.
Hinsichtlich der Widerklage ist die Berufung indes teilweise begründet, da den Beklagten gegen den Kläger der geltend gemachte Freistellungsanspruch zusteht. Dieser folgt aus § 426 Abs. 1 BGB, da der Kläger der W gegenüber gesamtschuldnerisch mit den Beklagten haftet.
a.
Zwar besteht ein Schadensersatzanspruch der W gegen den Kläger nicht aus § 7 Abs. 1 StVG (vergleiche BGH, Urteil vom 07.12.2010, 6 ZR 288/09). Der Kläger haftet der W indes aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen ihm und der W geschlossenen Sicherungsübereignungsvertrag. Dieser Sicherungsübereignungsvertrag, der ein Schuldverhältnis im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB darstellt, begründet die Pflicht des Sicherungsgebers gegenüber dem Sicherungsnehmer, das ihm zur weiteren Verwendung überlassene Sicherungsgut sorgsam zu behandeln und nicht zu beschädigen. Diese vertragliche Pflicht besteht auch ohne die insoweit vom Amtsgericht herangezogene Reparaturklausel in Ziffer 1 der Darlehnsbedingungen. Die Pflichtverletzung liegt hier in der durch die Benutzung des PKW herbeigeführten Beschädigung desselben. Das für den Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Der Kläger hat sich insoweit nicht entlasten können und insbesondere auch nicht dargelegt, dass die Nutzung des Pkw für ihn nicht zurechenbar war.
b.
Für den Schadensersatzanspruch der W gegen den Kläger haftet dieser gesamtschuldnerisch mit den Beklagten. Die hierfür erforderliche Gleichstufigkeit der Verpflichtungen ist gegeben. Es liegt eine Tilgungsgemeinschaft vor, das heißt, die Erfüllung der Verpflichtung durch einen der Schuldner bringt die Pflicht des anderen zum Erlöschen, da durch die Erfüllung ein weiterer Schaden der W als Gläubigerin nicht mehr gegeben wäre.
c.
Die Beklagten können daher im Innenverhältnis gemäß § 426 BGB Freistellung von der Inanspruchnahme durch den Kläger verlangen. Hinsichtlich der insoweit zugrundezulegenden Quote kann vorliegend dahinstehen, ob für deren Bemessung die straßenverkehrsrechtliche Quote im Sinne des § 17 StVG zugrundezulegen ist. Diese beliefe sich – wie im angefochtenen Urteil unangegriffen dargelegt – auf 50 %. Soweit man nicht auf diese Quote abstellen wollte, käme nämlich die Zweifelsregelung des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Anwendung, die vorliegend ebenfalls zu einer hälftigen Teilung und somit zum gleichen Ergebnis führen würde.
Die Beklagten können folglich eine hälftige Freistellung von der mit dem Urteil des Amtsgerichts Steinfurt ausgeurteilten Zahlungspflicht an die W verlangen.
3.
a.
Hinsichtlich der Drittwiderbeklagten ist die Widerklage indes unbegründet, da die Drittwiderbeklagte nicht Partei des Sicherungsvertrages mit der W ist und dieser daher auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB haftet. Da deliktische oder sonstige Ansprüche der W gegen die Drittwiderbeklagte ebenfalls nicht in Betracht kommen, fehlt das für § 426 BGB erforderliche ausgleichsbegründende Gesamtschuldverhältnis zwischen dieser und den Beklagten.
b.
Die Beklagten haben gegen die Drittwiderbeklagte auch keinen Anspruch auf Freistellung von der Inanspruchnahme durch die W aus §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, da der geltend gemachte Schaden ein Vermögensschaden ist, der vom Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 StVG nicht umfasst ist. Es handelt sich nicht um einen Schaden infolge der Beschädigung des auf Beklagtenseite verwendeten Fahrzeuges.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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