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09.06.2011 · IWW-Abrufnummer 111923

Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 30.06.2010 – 2 K 742/09

Der Grundsatz, dass ein Steuerpflichtiger grob fahrlässig handelt, wenn er es unterlässt, die zur Einkommensteuererklärung dazugehörige „Anleitung zur Einkommensteuererklärung” – die sich auch im „Elster”-Programm befindet – im Einzelnen durchzulesen und die darin enthaltenen Erläuterungen zu beachten, gilt auch dann, wenn die Steuererklärung mit Hilfe des „Elster”-Programms der Finanzverwaltung erstellt wird.


FG des Landes Sachsen-Anhalt v. 30.06.2010

2 K 742/09

Tatbestand
Streitig ist, ob der bestandskräftige Steuerbescheid für 2006 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geändert werden kann.

Der Kläger ist unverheiratet. Er lebt zusammen mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen, am 17. Januar 2006 geborenen Kind in M. Seit 1992 erstellt der Kläger seine Steuererklärung selbst. Wie im Vorjahr erstellte der Kläger auch für das Streitjahr seine Einkommensteuererklärung mittels elektronischer Steuererklärung (Elster), einem Steuerklärungsprogramm der Finanzverwaltung. Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) erließ daraufhin am 18. Mai 2007 einen Einkommensteuerbescheid. Dieser erwuchs in Bestandskraft.

Mit Schreiben vom 23. März 2008 beantragte der Kläger die Einkommensteuerfestsetzung 2006 zu ändern und Unterhaltsleistungen an seine Lebenspartnerin zu berücksichtigen. Er habe diese aus Unerfahrenheit nicht erklärt. Nach einem Hinweis des Beklagten trug die Prozessbevollmächtigte des Klägers nunmehr vor, der Kläger habe die Aufwendungen nicht aus Unwissenheit nicht erklärt, sondern es schlichtweg vergessen, diese zu erklären. Ihm sei der Fehler auch nach nochmaliger Durchsicht des Ausdrucks nicht aufgefallen, weil im Ausdruck nur die Felder enthalten seien, bei denen zuvor Eintragungen gemacht worden seien. Die Abziehbarkeit derartiger Aufwendungen sei ihm aufgrund der Trennung von seiner früheren Ehefrau bekannt gewesen. Das Fehlen der Angaben zum Unterhalt wäre ihm nicht unterlaufen, wenn er die Erklärung in Papierform abgegeben hätte. Dass er dies bei dem Elster-Formular nicht überblickt habe, könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Letztlich habe die Unübersichtlichkeit des Elster-Formulars und seine fehlende Routine im Umgang mit dem Programm die Entdeckung des Fehlers verhindert. Der Fehler beruhe auf einem Versehen, welcher letztlich auf leichter Fahrlässigkeit beruhe.

Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. Juni 2008 ab. Zur Begründung führte es aus, den Kläger treffe grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Unterhaltsleistungen. In der Anleitung zur Steuererklärung und im Erklärungsvordruck werde auf den Abzug von Unterhaltsleistungen hingewiesen. Dies treffe auch auf das Elster-Formular zu. Von einer Unübersichtlichkeit könne keine Rede sein. Der Steuerpflichtige werde auf Seite 4 des Mantelbogens in Zeile 102 nach Angaben zur unterhaltenden Person gefragt. Werde eine im Steuervordruck ausdrücklich gestellte Frage nicht beantwortet, so liege grobes Verschulden vor.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trug die Prozessbevollmächtigte ergänzend vor, der Verweis auf die Anleitung zum Erklärungsvordruck sei verfehlt, da die Steuererklärungsvordrucke nicht mehr versandt würden, wenn die Steuererklärung mit dem Elster-Programm erstellt werde. Bei der Überprüfung der fertigen Steuererklärung habe der Fehler nicht mehr auffallen können, weil Kennziffern, die nicht angesprochen wurden, im Ausdruck nicht aufgeführt würden. Der Fehler sei auch nicht bei der Überprüfung des Steuerbescheides aufgefallen, da dieser mit den Angaben in der Erklärung übereingestimmt habe.

Mit Einspruchsbescheid vom 28. April 2009 wies das FA den Einspruch zurück. Es führte ergänzend aus, der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt, denn das Elster-Programm führe den Steuerpflichtigen Schritt für Schritt durch das Programm. Es enthalte dieselben Angaben wie die Steuererklärung und die Anleitung hierzu. Die eindeutigen Fragen seien trotz der Kenntnis des Klägers über die steuerliche Abzugsfähigkeit unbeantwortet geblieben. Steuerpflichtige, die steuerlich nicht beraten seien, diene die Anleitung als Hilfe bei der Anfertigung der Steuererklärung. Da der Kläger die Steuererklärung selbst angefertigt habe und die entsprechende Anleitung nicht beachtet habe, habe er die zumutbare Sorgfaltspflicht verletzt.

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor, ihm sei bei der Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 2007 aufgefallen, dass die Steuererklärung um den Vordruck „Anlage U” erweitert worden sei. Daraufhin habe er die Unterlagen für das Jahr 2006 nochmals hervorgeholt und festgestellt, dass er entgegen dem ursprünglich Gewolltem vergessen hatte, den Unterhalt für die Kindesmutter in der Erklärung für 2006 einzutragen. Es liege ein schlichtes Vergessen vor, weshalb ihm, dem Kläger, kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Unterhaltsleistungen vorgeworfen werden könne. Zu berücksichtigen sei, dass er, der Kläger, beim Umgang mit dem Elster-Programm ungeübt sei. Zudem hätten sich bis 2005 auf Seite 4 des Mantelbogens insgesamt 10 Zeilen mit dem Unterhalt befasst. Erstmals seit 2006 sei im Mantelbogen – in versteckter Weise – nur noch eine Zeile auszufüllen gewesen. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 23. Januar 2001 XI R 42/00 BStBl II 2001, 379) liege kein grobes Verschulden vor, wenn die Erklärungsvordrucke und Merkblätter für den steuerlichen Laien unzureichend verständlich, unklar und uneindeutig abgefasst seien. Dies sei der Fall.

Der Kläger beantragt,

den ablehnenden Bescheid vom 27. Juni 2008 und den Einspruchsbescheid vom 13. Mai 2009 aufzuheben und das Finanzamt zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 18. Mai 2007 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 7.130 EUR herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf seinen Einspruchsbescheid.



Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.

Das FA hat den Antrag des Klägers auf Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides zu Recht abgelehnt, denn die Voraussetzungen für die hier einzig in Betracht kommende Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) lagen nicht vor. Im Einzelnen:

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kann ein Steuerbescheid geändert werden, wenn nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden. Die dem FA erst durch den Änderungsantrag und damit nachträglich, d.h. nach Erlass des Einkommensteuerbescheides, dessen Änderung der Kläger begehrt, bekannt gewordenen Unterhaltsaufwendungen des Klägers gegenüber seiner Lebensgefährtin führen zu einer niedrigeren Steuer. Die Änderung ist daher nur zulässig, wenn den Kläger am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache kein grobes Verschulden trifft. Hieran fehlt es.

Nach ständiger Rechtsprechung handelt ein Steuerpflichtiger grob fahrlässig, wenn er es unterlässt, die zur Einkommensteuererklärung dazugehörige „Anleitung zur Einkommensteuererklärung” im Einzelnen durchzulesen und die darin enthaltenen Erläuterungen zu beachten (vgl. Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. September 2009 9 K 1081/05 B EFG 2010, 57 sowie das vom Kläger zitierte BFH-Urteil vom 23. Januar 2001 XI R 42/00 BStBl II 2001, 379). In der „Anleitung zur Einkommensteuererklärung” sind im ersten Absatz zur Anlage Unterhalt auf Seite 6 zwei Sachverhalte dargestellt, die auf den Kläger zutreffen. Zum einen lebt er mit der unterhaltenen Person in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammen und hätte bereits unter diesem Gesichtspunkt prüfen müssen, ob Unterhaltsaufwendungen steuerlich abzugsfähig sind. Zum anderen wird aufgeführt, dass eine Unterhaltspflicht gegenüber der Mutter des gemeinsamen Kindes bestehen kann, wenn dieses das 3. Lebensjahr noch nicht vollendetet hat. Der Kläger hätte auch unter diesem Gesichtspunkt prüfen müssen, ob die Unterhaltsaufwendungen steuerlich abzugsfähig sind. Hiernach ist der Kläger in der Steuererklärung gefragt worden. Der Hinweis des Klägers auf die Darstellung im Vordruck für 2005 ist unverständlich, denn in jenem Jahr sind nach seinem Vortrag keine Unterhaltsaufwendungen entstanden. Er konnte sich deshalb an die bisherige Darstellung in der Erklärung nicht „gewöhnt” haben.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er die Erklärung nicht in Papierform ausgefüllt habe und er deshalb keine „Anleitung zur Einkommensteuererklärung” zur Hand gehabt habe. Denn diese Informationen sind nicht nur zusammen mit den Steuererklärungsvordrucken erhältlich; sie befinden sich auch in dem vom Kläger verwendeten Elster-Programm der Finanzverwaltung.

Zudem handelt ein Steuerpflichtiger nach ständiger Rechtsprechung grob fahrlässig, wenn er eine im Steuererklärungsvordruck ausdrücklich gestellte Frage nicht beantwortet. Dies ist hier der Fall. Sowohl in der Papierform der Steuererklärung als auch in der – optisch identischen – elektronischen Form wird eindeutig und nach Auffassung des Senats in übersichtlicher Form nach dem Unterhalt für bedürftige Personen gefragt.

Es ist zwar zutreffend, dass auf der nach der elektronischen Erfassung ausgedruckten Erklärung nur die Werte und Kennziffern enthalten sind, bei denen der Steuerpflichtige zuvor Eintragungen vorgenommen hat. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass während der gesamten Zeit der elektronischen Bearbeitung am linken Bildschirmrand eine Formularauswahl zur Verfügung steht. Dabei rutscht jedes Formular, in dem Eintragungen vorgenommen wurden, von dem unteren Bedienungsfeld in das obere Bedienungsfeld. Zu den Formularen gehört seit 2006 auch der Vordruck „Unterhalt”. Dem Kläger hätte daher auffallen müssen, dass er im Vordruck „Unterhalt” noch keine Eintragungen vorgenommen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

RechtsgebietAOVorschriftenAO § 173 Abs. 1 Nr. 2

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