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31.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111849

Oberlandesgericht München: Urteil vom 04.05.2010 – 9 U 4557/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


9 U 4557/09
In dem Rechtsstreit
...
erlässt der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2010
folgendes Endurteil:

Tenor:
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 12.08.2009 dahin abgeändert, dass
1.

der in Ziffer I. des Tenors genannte Hauptsachebetrag 163.549,27 EUR lautet, dass

2.

Ziffer IV. des Tenors aufgehoben wird und dass

3.

Ziffer III. des Tenors lautet: Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1), 2) und 3) verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche über 163.549,27 EUR hinausgehenden Aufwendungen und Schäden zu ersetzen, die durch die Beseitigung des mangelhaften Steigungsmaßes der Treppenläufe im Bauvorhaben der Klägerin, T.-Str. 29, München, entstanden sind oder noch entstehen.

II.
Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 10% und die Beklagten zu 90%.
Die Kosten der Streithelferin der Klägerin tragen die Beklagten zu 90%. Im Übrigen trägt sie ihre Kosten selbst.

IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin bzw. deren Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
VI.
Der Streitwert der Berufung beträgt 95.000 EUR, der Streitwert der Anschlussberufung beträgt 25.000 EUR und Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 120.000 EUR.
Gründe
I.

Die Klägerin begehrte vor allem Schadensersatz in Höhe von 181.149,27 EUR nebst Zinsen und Feststellung wegen übersteigender Beträge von den beklagten Architekten.

Durch Vertrag vom 05.03./19.04.2002 beauftragte die Klägerin die Beklagten mit den Leistungsphasen 1 - 5 des § 15 HOAI. Die Klägerin wirft den Beklagten vor, infolge deren fehlerhafter Werkplanung seien pro Stockwerk nur 15 statt 16 Stufen errichtet worden mit der weiteren Folge, dass die bauordnungsrechtlich zulässige Stufenhöhe von 19 cm nun überschritten sei und die gesamte Treppenanlage umgebaut werden müsse.

Durch Urteil vom 12.08.2009 hat das Landgericht München I die Beklagten unter anderem zu Schadensersatz in Höhe von 90.574,63 EUR nebst Zinsen und Feststellung der hälftigen Ersatzpflicht wegen über 181.149,27 EUR hinausgehender Beträge verurteilt. Ein Planungsverschulden der Beklagten liege vor und habe zu dem unzulässigen Steigmaß im Treppenhaus geführt, in dem ein zulässiges Steigmaß hergestellt werden müsse. Da die Klägerin den Fehler der Werkplanung (statt 16 nur 15 Stufen) jedoch leicht hätte erkennen können, müsse sie sich ein Mitverschulden von 50% anrechnen lassen.

Mit der Berufung verfolgte die Klägerin ihren ursprünglichen Antrag zunächst weiter, nahm jedoch in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2010 die Zahlungsklage in Höhe von 17.600 EUR zurück, so dass der geltend gemachte Zahlungsbetrag nur mehr 10.000 EUR Architektenhonorar enthält, statt zuvor 27.600 EUR (vgl. LGU S. 16). Die Beklagten stimmten der Rücknahme zu.

Die Klägerin beantragt mit ihrer Berufung nun:

1.
Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 163.549,27 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8% Punkten über dem Basiszinssatz ab 16.05.2008 zu bezahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren Aufwendungen und Schäden zu ersetzen, die durch die Beseitigung des mangelhaften Steigungsmaßes der Treppenläufe im Bauvorhaben der Klägerin, T.-Str. 29, entstanden sind oder noch entstehen.
Die Beklagten beantragen mit ihrer Anschlussberufung:

1.
Ziffer I. des erstinstanzlichen Urteils wird dahin abgeändert, dass die Beklagten zu 1), 2) und 3) samtverbindlich verurteilt werden, an die Klägerin 66.550,97 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8% Punkten über dem BZS seit 16.05.2008 zu bezahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen wird.
2.
Das Feststellungsurteil unter Ziffer III. wird dahin abgeändert, dass die Beklagten zu 1), 2) und 3) verpflichtet sind, die Hälfte sämtlicher über 133.100,95 EUR hinausgehenden Aufwendungen und Schäden zu ersetzen, die durch die Beseitigung des mangelhaften Steigungsmaßes der Treppenläufe im Bauvorhaben der Klägerin, T.-Str. 29, entstanden sind oder noch entstehen.
Die Parteien beantragen jeweils

die Zurückweisung der Berufung der Gegenseite.

Die Streithelferin der Klägerin

schließt sich den Anträgen der Klägerin an.

Beide Parteien wiederholen im Wesentlichen ihren Vortrag erster Instanz.

Auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, das angefochtene Urteil und das Protokoll vom 04.05.2010 samt Senatshinweisen wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist mit dem zuletzt gestellten Antrag begründet. Auf die zutreffenden tatsächlichen Feststellungen und Entscheidungsgründe des Ersturteils wird mit folgenden Erwägungen Bezug genommen (§ 540 I 1 ZPO).

1.

Zutreffend hat das Landgericht dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch der Klägerin angenommen, den die Beklagten auch nicht bestreiten.

2.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts muss sich die Klägerin jedoch kein Mitverschulden anrechnen lassen. Der Werkunternehmer hat keinen Anspruch auf Überwachung durch den Auftraggeber. Ebenso hat der planende Architekt keinen Anspruch gegen den Bauherrn auf Überprüfung seiner Planungsleistung während der Bauausführung durch einen etwa mit der Bauaufsicht beauftragten Architekten. Zum einen hat die Klägerin keinen Architekten mit der Bauüberwachung beauftragt. Zum anderen bestünde auch dann der behauptete Überwachungsanspruch nicht (BGH BauR 1989, 86). Auf die Hinweise des Senats zu Protokoll vom 04.05.2010 wird Bezug genommen.

Es spricht auch nichts dafür, dass bei einer Auslegung der genehmigten Pläne (16 Stufen) auf der Baustelle die ausführende Baufirma - die Streithelferin - eine Abweichung der Werkpläne (15 Stufen) bemerkt und gerügt hätte. Die Anzahl der Treppenstufen ist aus Sicht der Baufirma ein untergeordnetes Detail. Daher könnte insoweit selbst eine etwaige bauordnungswidrige Nichtauslegung der Genehmigungsplanung auf der Baustelle kein Mitverschulden der Klägerin begründen.

3.

Auch nach Würdigung der Ausführungen der Beklagten zur Schadenshöhe besteht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch, da das Landgericht einen sicher anfallenden Mindestbetrag geschätzt hat (LGU S. 16) und diese Schätzung sich auf die fachkundigen Angaben der Beklagten stützt (BGH BauR 2003, 1211 [BGH 10.04.2003 - VII ZR 251/02]). Für die entstehenden Architektenkosten haben die Beklagten nach Maßgabe des Protokolls vom 04.05.2010 einen Betrag von 10.000 EUR für das vorliegende Berufungsverfahren unstreitig gestellt.

4.

Demzufolge ist die Berufung der Klägerin begründet, soweit sie nicht zusammen mit der Klage zurückgenommen wurde.

III.

Die unselbständig zulässige Anschlussberufung ist unbegründet. Auf die vorangegangenen Ausführungen und die zutreffenden tatsächlichen Feststellungen und Entscheidungsgründe des Ersturteils wird Bezug genommen (§ 540 I 1 ZPO).

IV.

Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 91, 92, 97, 269, 100, 101, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung.

Streitwert: §§ 45, 47, 48 GKG.

Verkündet am 04.05.2010

RechtsgebieteHOAI, ZPOVorschriften§ 15 HOAI § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO

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