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06.04.2011 · IWW-Abrufnummer 111140

Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 04.11.2010 – 4 K 10218/06 B

Nach der BFH-Rechtsprechung sind Beiträge eines beihilfeberechtigten Kindes für eine private Kranken- und Pflegeversicherung nicht in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 S. 2 EStG) einzubeziehen, soweit sie auf Tarife entfallen, mit denen der von der Beihilfe nicht freigestellte Teil der beihilfefähigen Aufwendungen für ambulante, stationäre und zahnärztliche Heilbehandlungen abgedeckt wird. Daher sind bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrags die entsprechenden, auf das Kind entfallenden Krankenversicherungsbeiträge auch dann mindernd zu berücksichtigen, wenn nicht das Kind selbst, sondern ein Elternteil als Versicherungsnehmer im Rahmen einer Familienversicherung für das in Ausbildung befindliche volljährige Kind eine private Krankenversicherung abgeschlossen und die Versicherungsbeiträge geleistet hat (Anschluss an FG Münster v. 4.6.2009, 3 K 840/08 Kg; gegen FG München v. 27.7.2009, 9 K 2237/08).


FG Berlin-Brandenburg v. 04.11.2010

4 K 10218/06 B

Tatbestand:
Der Kläger bezog laufend Kindergeld für seine am …1980 geborene Tochter A., die nach Beendigung ihrer Schulausbildung ein Studium an der … Universität B. begann.

In einer Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes vom 08.09.2004 gaben der Kläger und seine Tochter Zinseinnahmen in 2002 an, für die auf einen beigefügten Einkommensteuerbescheid des Kindes für 2002 vom 14.06.2004 verwiesen wurde. Darin wurden Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von …,– EUR abzüglich …,– EUR Werbungskosten und …,– EUR Sparerfreibetrag, mithin Einkünfte in Höhe von …,– EUR zu Grunde gelegt. Weiter ergeben sich aus dem Bescheid Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. …,– EUR und Sonstige Einkünfte/Leibrenten aus einem Ertragsanteil von 65 % von …,– EUR = …,– EUR abzüglich …,– EUR Werbungskostenpauschbetrag, also in Höhe von …,– EUR. Des Weiteren wurden außergewöhnliche Belastungen in Höhe von …,– EUR von dem Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen.

Die Beklagte ermittelte in einer – abschließenden – Berechnung für das Kalenderjahr 2002 vom 01.10.2004 die Einkünfte und Bezüge des Kindes A. mit …,– EUR, so dass der Grenzbetrag von 7.188,– EUR überschritten sei. In einem Anhörungsschreiben vom 11.10.2004 hörte sie den Kläger dazu an, dass er für den Zeitraum von Januar 2002 bis September 2004 möglicherweise Kindergeld in Höhe von …,– EUR zu Unrecht erhalten habe, weil das Einkommen des Kindes die maßgebliche Einkommensgrenze überschritten habe. In einer Stellungnahme hierzu vom 30.10.2004 führte der Kläger aus, die Rente der Tochter sei nur mit dem Ertragsanteil zu berücksichtigen. Außerdem müsste die außergewöhnliche Belastung (aufgrund des Todes der Mutter; durch entsprechende Urteile als Belastung anerkannt) abgezogen werden.

Mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 12.11.2004 hob die Beklagte gegenüber dem Kläger die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2002 gemäß § 70 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes auf und forderte das überzahlte Kindergeld für Januar bis Dezember 2002 zurück.

Bescheide gleichen Datums ergingen auch für die Kalenderjahre 2003 und 2004.

Am 13.12.2004 erhob der Kläger gegen die drei Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide Einspruch. Zur Begründung machte er die mögliche Abzugsfähigkeit der Sonderausgaben und der außergewöhnlichen Belastungen geltend.

Durch Einspruchsentscheidung vom 15.12.2005 wies die Beklagte den Einspruch gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid für 2002 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Einkünfte und Bezüge des Kindes in Höhe von …,– EUR im Streitjahr würden den Grenzbetrag überschreiten. Zugrunde gelegt wurden dabei Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von …,– EUR und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. …,– EUR sowie Bezüge in Gestalt der wegen des Sparerfreibetrages steuerfrei bleibenden Einkünfte aus Kapitalvermögen …,– EUR und der Halbwaisenrente …,– EUR.

Mit der am 29.12.2005 bei der Beklagten angebrachten Klage zum Finanzgericht verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Ergänzend trägt er vor, die Ausgaben für die Krankenversicherung gehörten zu den berücksichtigungsfähigen Ausgaben bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge des Kindes, so dass bei deren Einbeziehung der Grenzbetrag unterschritten würde. Beiträge zur privaten Krankenversicherung seien denen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleichzustellen. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, das Kind sei beim Kläger familienversichert, treffe dies nicht zu, weil eine beitragsfreie Mitversicherung (Familienversicherung) nur im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung möglich sei. Er – der Kläger – und seine Tochter hätten ein gemeinsames Konto und eine gemeinsame Krankenversicherung, bei der beide die gleichen Beträge bezahlten, als wenn sie allein versichert wären. Im Übrigen könne nach der Auffassung des Bundesfinanzhofes nicht danach unterschieden werden, ob Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber einbehalten oder vom Kind aus seinen Einkünften entrichtet würden. Aufwendungen des Kindes zu einer Mindestvorsorge für den Krankheitsfall seien unvermeidbar, stünden zur Bestreitung von Lebensunterhalt oder Ausbildung nicht zur Verfügung und könnten daher nicht zu einer finanziellen Entlastung der unterhaltsverpflichteten Eltern führen.

Der Kläger hat einen Versicherungsschein der … Krankenversicherung AG vom 26.11.2001 über die Krankenversicherung Nr. … ab dem Zeitraum 01.01.2002 vorgelegt, wonach er Versicherungsnehmer ist. Versicherte Personen sind er und A.. Auf A. entfallen danach Monatsbeiträge für „Tarif … Krankheitskosten … … EUR Selbstbeteiligung pro Jahr” in Höhe von … DM sowie für „Tarif … Zusatzleistungen” in Höhe von … DM zuzüglich eines gesetzlichen Zuschlags (auf die Summe von … DM) von 4 % (BTZ – „Stabilisierung der Beiträge im Alter”) in Höhe von … DM. In dem Versicherungsschein wird erläutert, dass der Tarif … die Anhebung der Selbstbeteiligung von … EUR auf … EUR bedeutet. Die Gesamtmonatsbeitrag für beide Versicherte ist mit …DM (… EUR) angegeben.

Aus einem Kontoauszug der A. Bank für „Herrn X. oder Frau A.” vom 30.04.2002 ist eine Abbuchung in Höhe von … EUR an die „… Krankenvers. AG … Krankenv.” ersichtlich.

Aus einem weiteren Versicherungsschein ab 01.01.2003 geht hervor, dass der „Tarif … Krankheitskosten” die ambulante Heilbehandlung, allgemeine Krankenhausleistungen sowie 100 % Zahnbehandlung und 60 % Zahnersatz umfasst, bei einer Selbstbeteiligung von …,– EUR.

Der Kläger beantragt,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 12. November 2004 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

In der mündlichen Verhandlung hat sie ferner im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen III R 46/09 anhängige Verfahren das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes beantragt.

Ergänzend trägt sie vor, die Beiträge zur privaten Krankenversicherung des Kindes könnten nicht berücksichtigt werden, weil das Kind beim Kläger familienversichert gewesen sei. Beiträge zur privaten Krankenversicherung seien im übrigen nur abziehbar, soweit sie auf Tarife entfielen, mit denen der von der Beihilfe nicht freigestellte Teil der beihilfefähigen Aufwendungen für ambulante, stationäre und zahnärztliche Heilbehandlung abgedeckt sei, soweit sie vom Kind selbst auch tatsächlich gezahlt würden. Hier fehle es an Nachweisen dafür, dass das Kind die Beiträge selbst zahle. Auch sei das Kind beim Kläger lediglich mitversichert.



Entscheidungsgründe:
Der Senat folgt nicht dem Antrag der Beklagten, das Verfahren gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 251 der Zivilprozessordnung (ZPO) bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofes im Verfahren III R 46/09 ruhend zu stellen. Weder haben beide Parteien das Ruhen beantragt noch erscheint das Ruhen des bereits seit mehr als vier Jahren anhängigen Verfahrens zweckmäßig.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid vom 12.11.2004 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 15.12.2005 sind rechtswidrig und verletzen die Rechte des Klägers, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Die Beklagte hat die Kindergeldfestsetzung für Januar bis Dezember 2002 zu Unrecht gemäß § 70 Abs. 4 EStG aufgehoben. Nach dieser Vorschrift ist die Kindergeldfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, soweit nachträglich bekannt wird, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 EStG über- oder unterschreiten. Zu Unrecht hat die Beklagte angenommen, im Kalenderjahr 2002 sei der Grenzbetrag überschritten worden.

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 in Verbindung mit § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Jahr 2002 geltenden Fassung (EStG) wird Kindergeld nur dann gewährt, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.188,– EUR im Kalenderjahr hat.

Zu Recht hat die Beklagte zunächst die Einkünfte des Kindes aus Kapitalvermögen in Höhe der Zinseinnahmen von …,– EUR abzüglich der tatsächlichen Werbungskosten von …,– EUR (höher als der Pauschbetrag von 51,– EUR nach § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG) und gemäß § 20 Abs. 4 EStG abzüglich des Sparer-Freibetrages in Höhe von 1.550,– EUR mit …,– EUR ermittelt. Hinzu kommen die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. …,– EUR sowie die sonstigen Einkünfte aus der Leibrente in Höhe des Ertragsanteils (65% von …,– EUR laut Einkommensteuerbescheid) von …,– EUR abzüglich des Pauschbetrages nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG in Höhe von 102,– EUR. Insgesamt ergeben sich damit Einkünfte in Höhe von …,– EUR.

Die vom Kläger geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG sind zutreffend nicht berücksichtigt worden. Denn der Begriff der „Einkünfte” in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG und bedeutet damit je nach Einkunftsart „Gewinn” oder „Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten”. Er ist nicht zu verstehen als „zu versteuerndes Einkommen” im Sinne des § 2 Abs. 5 EStG oder im Sinne des § 2 Abs. 4 EStG, wonach als „Einkommen” der Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen bezeichnet wird (Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 21.07.2000 – VI R 153/99 –, Bundessteuerblatt II [BStBl II] 2000, 566; BFH, Urteil vom 23.07.2002 – VIII R 63/00 –, Sammlung der Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 2003, 24; BFH, Urteil vom 15.07.2010 – III R 70/08 –, zitiert nach Juris). Die vom Finanzamt durch Bescheid vom 14.06.2004 bei der Einkommensteuer 2002 berücksichtigten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von …,– EUR können daher bei den Einkünften des Kindes im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zum Abzug gebracht werden.

Bezüge im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfasst werden (BFH, Urteil vom 23.07.2002 – VIII R 63/00 –, a.a.O.). Zu den Bezügen gehören zum einen die nach § 20 Abs. 4 EStG steuerfrei bleibenden Einkünfte in Höhe der …,– EUR. Soweit der Bundesfinanzhof diese Einnahmen nicht als Bezug angesehen hat (BFH, Urteil vom 26.09.2000 – VI R 85/99 –, BStBl II 2000, 684), hat der Gesetzgeber dies durch die Einfügung von § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG korrigiert, der mit Geltung für das Streitjahr ausdrücklich klargestellt, dass auch steuerfreie Gewinne nach § 20 Abs. 4 EStG zu den Bezügen gehören.

Hinzu kommen im Streitfall die Leistungen der Rentenversicherung. Diese sind mit dem Ertragsanteil abzüglich des Werbungskostenpauschbetrages (§ 9a Abs. 1 Nr. 3 EStG) als Einkünfte zu erfassen (s.o.) und mit dem Kapitalanteil – abzüglich der Unkostenpauschale – als Bezüge. Dem steht nicht entgegen, dass sie insofern Unterhaltsersatzfunktion haben, als sie an die Stelle der sonst von den Eltern erbrachten Unterhaltsleistungen treten. Da Kindergeld typischerweise dafür gewährt wird, dass Eltern eigene Unterhaltsleistungen erbringen, bleiben im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auch nur diese Unterhaltsleistungen außer Ansatz, während Leistungen Dritter – wie die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung – grundsätzlich zu erfassen sind (BFH, Urteil vom 14.11.2000 – VI R 52/98 –, BStBl II 2001, 489). Die Bezüge errechnen sich aus der Leibrente in Höhe von …,– EUR abzüglich des Ertragsanteils von …,– EUR mit …,– EUR.

Die Summe der Bezüge in Höhe von …,– EUR ist einmalig um die Kostenpauschale von insgesamt 180,– EUR im Kalenderjahr nach der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) – Stand Januar 2009 – DA 63.4.2.3.1 Abs. 4 zu kürzen. (BFH, Urteil vom 23.07.2002 – VIII R 63/00 –, a.a.O.), so dass sich Bezüge von insgesamt …,– EUR ergeben.

Die Einkünfte und Bezüge des Kindes im Kalenderjahr 2002 haben damit, wie von der Beklagten berechnet, …,– EUR betragen und liegen über dem Grenzbetrag von 7.188,– EUR. Es kommt mithin für den Kindergeldanspruch des Klägers darauf an, ob die Beiträge zur privaten Krankenversicherung des Kindes im Jahr 2002 dessen Einkünfte und Bezüge mindern und dadurch der Grenzbetrag unterschritten wird. Dies hat die Beklagte zu Unrecht verneint.

Einkünfte und Bezüge im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes um die Beiträge des Kindes zur gesetzlichen Sozialversicherung zu mindern (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 11.01.2005 – 2 BvR 167/02 –, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG [BVerfGE] 112, 164). Zu dieser Entscheidung ist das Bundesverfassungsgericht auf Grundlage des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gelangt. Es hat ausgeführt, dass Eltern mit Kindern, welche nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen und deren Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag unterschreiten, durch die Gewährung des Kindergeldes einen Ausgleich für ihre durch Unterhaltsverpflichtungen geminderte finanzielle Leistungsfähigkeit erhielten. Demgegenüber würden die Eltern von sozialversicherungspflichtigen Kindern benachteiligt, wenn die Einkünfte und Bezüge der Kinder den Jahresgrenzbetrag nur deshalb überschreiten, weil – auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung – die Einkünfte in Höhe der abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge voll berücksichtigt würden. Diesen Eltern würde der Ausgleich ihrer durch Unterhaltsverpflichtungen geminderten finanziellen Leistungsfähigkeit vorenthalten, obwohl die gesetzlichen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung nicht für den laufenden Unterhalt des Kindes zur Verfügung stünden und deshalb die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eltern nicht erhöhen könnten. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes sind daher (neben den Bezügen) auch „Einkünfte” des Kindes nur dann in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen, wenn sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Nicht als Einkünfte anzusetzen sind daher jedenfalls diejenigen Beträge, die – wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge – von Gesetzes wegen „dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern” nicht zur Verfügung stünden und deshalb die Eltern finanziell nicht entlasten könnten (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2005 – 2 BvR 167/02 –, a.a.O.).

Nach den Grundsätzen dieses Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes hat der Bundesfinanzhof auf Grund verfassungskonformer Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entschieden, dass auch die Beiträge eines Kindes für die private Krankenversicherung nicht in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag einzubeziehen sind (BFH, Urteil vom 14.12.2006 – III R 24/06 –, BStBl II 2007, 530). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die uneingeschränkte Einbeziehung von Beiträgen für eine private Krankenversicherung in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag ebenfalls gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen würde. Denn andernfalls würden unterhaltsverpflichtete Eltern von privat krankenversicherten Kindern, deren Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nur wegen der für die Versicherungsbeiträge aufzuwendenen Einkünfte überstiegen, ebenso benachteiligt, wie die vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobene Gruppe der Eltern pflichtversicherter Kinder. Dass die (freiwillige) Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung auf einem Willensentschluss des Kindes und nicht auf einer gesetzlichen Versicherungspflicht beruhe, stelle keinen hinreichenden Differenzierungsgrund für eine solche Ungleichbehandlung dar. Die Einbeziehung der Einkünfte, die für eine private Krankenversicherung verwendet werden, wäre deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn diese Einkünfte – anders als die Beiträge eines Pflichtmitglieds zu einer gesetzlichen Krankenversicherung – die unterhaltsverpflichteten Eltern tatsächlich entlasten würden. Das sei jedoch nicht der Fall, weil es sich bei den Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung um unvermeidbare (zwangsläufige) Aufwendungen handele, die nicht zur Bestreitung des Existenzminimums zur Verfügung stünden. Die (Mindest-)Vorsorge für den Krankheitsfall führe zu Aufwendungen, welche die steuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen unvermeidbar mindern und für ihn nicht disponibel seien. Denn die Absicherung gegen existenzgefährdende Wechselfälle des Lebens sei zwingendes Erfordernis einer „sozialgerechten Existenz”. Versicherungsschutz insbesondere gegen Krankheit sei existentiell notwendig (BFH, Urteil vom 14.12.2006 – III R 24/06 –, a.a.O., m.w.N.).

Sind danach Beiträge zu der privaten Krankenversicherung des Kindes grundsätzlich von den Einkünften und Bezügen des Kindes in Abzug zu bringen, stellt sich im Streitfall zusätzlich die Rechtsfrage, ob Gleiches in dem Fall gilt, dass das Kind lediglich bei dem Elternteil, der das Kindergeld beansprucht, mitversichert ist, Versicherungsnehmer also nicht das Kind, sondern allein dieser Elternteil – hier der Kläger – ist. Diese Frage ist nach Auffassung des Senats zu bejahen.

Zwar stellt § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf die Einkünfte und Bezüge des Kindes ab, die durch die Aufwendungen des Vaters für die private Krankenversicherung des Kindes unmittelbar nicht tangiert werden. Darüber hinaus gehören die Beiträge zu Krankenversicherungen zu den als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG (i.d.F. des Streitjahres), deren Abzug als Vorsorgeleistungen bei dem Versicherten – hier bei dem Kind – nach der dazu ergangenen Rechtsprechung voraussetzt, dass der Versicherte nicht nur die Beiträge entrichtet, sondern sie auch selbst schuldet. Der Versicherte muss sie also als Versicherungsnehmer geleistet haben; es muss eine gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung zur Entrichtung der Aufwendungen zugrunde gelegen haben (Kulosa, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 37; BFH, Urteil vom 19.04.1989 – X R 2/84 –, BStBl II 1989, 683; BFH, Urteil vom 19.04.1989 – X R 28/86 –, BStBl II 1989, 862).

Diese Überlegungen stehen jedoch einer Berücksichtigung der vom Kläger für das Kind geleisteten Beiträge zur privaten Krankenversicherung bei dessen Einkünften und Bezügen nicht entgegen (a.A.: Finanzgericht [FG] München, Gerichtsbescheid vom 27.07.2009 – 9 K 2237/08 –, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 2010, 63). Im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG werden zwar die Einkünfte und Bezüge des Kindes ermittelt. Auch ist der in dieser Vorschrift geregelte Grenzbetrag Maßstab für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kindes. Dies jedoch nur insoweit, als er diejenigen Eltern von der Gewährung des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes ausschließt, deren Kind über Einkünfte und Bezüge in einer den Grenzbetrag übersteigenden Höhe verfügt. Übersteigen die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag, sind die Eltern durch das Kind nicht (mehr) belastet und deshalb in gleicher Weise wie ein kinderloses Ehepaar steuerlich leistungsfähig (BFH, Urteil vom 21.07.2000 – VI R 153/99 –, BStBl II 2000, 566). Anders als etwa bei § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG liegt deshalb der Sinn und Zweck des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht darin, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kindes – etwa zum Zwecke der gleichmäßigen Besteuerung – zu beurteilen, sondern darin, die wirtschaftliche Belastung der Eltern mit Unterhaltsleistungen für das Kind zu ermitteln und zu berücksichtigen. Dementsprechend wird mit der Ermittelung der Einkünfte und Bezüge des Kindes darüber entschieden, ob die Eltern einen Ausgleich ihrer durch Unterhaltsverpflichtungen geminderten finanziellen Leistungsfähigkeit erhalten. Auch das Bundesverfassungsgericht führt in diesem Sinne aus, der Zweck des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG liege darin, diejenigen Eltern von finanziellen Entlastungen durch Freibeträge und Kindergeld auszuschließen, deren Kinder über eigene Einkünfte und Bezüge in einer das zu schützende Existenzminimum übersteigenden Höhe verfügen, so dass zugleich die Unterhaltspflicht der Eltern entfällt oder sich mindert. Die folgerichtige Beachtung dieses Zwecks verlange, dass für die Einbeziehung von Mitteln des Kindes in die Bemessungsgröße für die Freigrenze die mögliche Entlastungswirkung solcher Mittel bei den unterhaltspflichtigen Eltern entscheide, denn auf deren Leistungsfähigkeit komme es für Gewährung und Begrenzung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen an (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2005 – 2 BvR 167/02 –, a.a.O.). In derselben Entscheidung stellt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich darauf ab, dass bestimmte Beiträge dem Einkünfte erzielenden Kind „oder dessen Eltern” nicht zur Verfügung stünden und deshalb die Eltern finanziell nicht entlasten könnten (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2005 – 2 BvR 167/02 –, a.a.O.). Auch der Bundesfinanzhof stellt in seiner Entscheidung zur Berücksichtigung von Beiträgen zu privaten Krankenversicherungen darauf ab, ob bestimmte Einkünfte die unterhaltsverpflichteten Eltern tatsächlich entlasten würden (BFH, Urteil vom 14.12.2006 – III R 24/06 –, a.a.O.).

Diese Ausrichtung der Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf die Frage der Entlastung der unterhaltsverpflichteten Eltern rechtfertigt und gebietet es nach Auffassung des Senates, Unterhaltsleistungen der Eltern an das Kind in Gestalt der Übernahme von dessen privater Krankenversicherung – vertragliche Verpflichtung und/oder Zahlung – nicht anders zu beurteilen, als Unterhaltszahlungen mit dem Zweck, dem Kind die Bezahlung seiner eigenen privaten Krankenversicherung zu ermöglichen. Es kann und darf keinen maßgeblichen Unterschied machen, ob das Kind sich selbst krankenversichert hat und die Beiträge im Rahmen des Unterhaltes von den Eltern zur Verfügung gestellt bekommt oder ob die Eltern das Kind versichern und unmittelbar die Beiträge als eigene Verpflichtung an die Versicherung abführen. Denn in beiden Fällen werden die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern und die Frage ihrer finanziellen Entlastungen durch Freibeträge und Kindergeld in derselben Weise betroffen. In beiden Fällen werden Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung des Kindes geleistet, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes unvermeidbar (zwangsläufige) Aufwendungen darstellen. Im erstgenannten Fall mindern die Beiträge zur privaten Krankenversicherung nach nunmehr allgemeiner Meinung die Einkünfte des Kindes, während die Hilfeleistungen der Eltern außer Betracht bleiben; sie sind weder mittelerhöhend noch bedarfsmindernd zu berücksichtigen, da ansonsten genau die Unterhaltsbeiträge der Eltern zum Ausschluss des Kindergeldanspruches führen können, die das Kindergeld abgelten soll (BFH, Urteil vom 24.08.2004 – VIII R 59/01 –, BFH/NV 2004, 1715; BFH, Urteil vom 14.11.2000 – VI R 52/98 –, a.a.O.). Ein sachlicher Differenzierungsgrund, dies im Fall der unmittelbaren Übernahme der Versicherungsschuld durch die Eltern anders zu beurteilen, obwohl § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG für die Frage der Gewährung von Kinderfreibetrag oder Kindergeld mit seiner Zweckrichtung auf die Eltern deren Belastung mit Unterhalt über die Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des Kindes zur Grundlage nimmt, besteht nach Auffassung des Senats nicht. Demzufolge sind im Streitfall die Beiträge zur privaten Krankenversicherung des Kindes von dessen Einkünften und Bezügen in Abzug zu bringen (so auch FG Münster, Urteil vom 04.06.2009 – 3 K 840/08 Kg –, EFG 2009, 1654 – Rev. eingelegt: III R 46/09).

Inwieweit sich auf Grund von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG n. F. etwas anderes ergeben könnte, muss nicht entschieden werden, da diese Regelung hier noch nicht zur Anwendung kommt.

Hiervon ausgehend wird der im Streitjahr 2002 maßgebliche Grenzbetrag von 7.188,– EUR nicht überschritten. Bei Beiträgen des Kindes zu einer privaten Krankenversicherung ist zwar zu berücksichtigen, dass der Leistungsumfang der privaten Krankenversicherung – im Unterschied zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht gesetzlich bestimmt ist, sondern sich nach den im Krankenversicherungsvertrag vereinbarten Tarifen richtet. Als unvermeidbar (zwangsläufig) sind nur die Beiträge für Tarife anzusehen, mit denen der für ambulante, stationäre und zahnärztliche Heilbehandlungen notwendige Teil abgedeckt wird (BFH, Urteil vom 14.12.2006 – III R 24/06 –, a.a.O.). Denn nur in diesem Umfang sind die Aufwendungen des Kindes für Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung als (Mindest-)Vorsorge für den Krankheitsfall anzusehen. Angesichts der geringen Differenz zwischen den oben ermittelten Einkünften und Bezügen des Kindes im Jahr 2002 in Höhe von …,– EUR und dem Grenzbetrag von 7.188,– EUR, die sich in Höhe von …,– EUR errechnet, bedarf es jedoch keiner weiteren Ermittlungen zum Versicherungsumfang, da schon bei Abzug eines Monatsbeitrages für den Grundtarif der Grenzbetrag unterschritten wird.

Im Ergebnis hat der Kläger materiell-rechtlich für das gesamte Kalenderjahr 2002 einen Anspruch auf Kindergeld für die Tochter, so dass die Aufhebung und Rückforderung rechtwidrig ist und ihrerseits aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.

Die Revision war im Hinblick auf das anhängige Verfahren beim Bundesfinanzhof (III R 46/09) zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 32 Abs. 4 S. 2 EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG § 62 Abs. 1 EStG § 63 Abs. 1

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