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03.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110500

Amtsgericht Mannheim: Urteil vom 28.01.2011 – 10 C 269/10

1. Der Geschädigte muss sich bei der Regulierung eines Kraftfahrzeugunfallschadens auch dann noch auf die Stundensätze nicht markengebundener, von der Arbeitsqualität her gleichwertiger, Fachwerkstätten verweisen lassen, wenn der Schädiger bzw. dessen Versicherung den entsprechenden Einwand erst im Laufe des Prozesses erhebt.



2. Bleibt das Gutachten lückenhaft, weil der beauftragte Sachverständige die maßgebliche Rechtsprechung der Obergerichte zur fiktiven Schadensberechnung nicht berücksichtigt und daher keine Tarife nicht markengebundener Reparaturwerkstätten benennt, geht dies zu Lasten des Geschädigten.


AG Mannheim Urteil vom 28.1.2011, 10 C 269/10
Gründe
1
Der Kläger fordert von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall....
2
Im Rahmen der vom Kläger gewählten Abrechnung auf Gutachtensbasis ist zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision fast 7 Jahre alt war und nicht regelmäßig in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet wurde. Es sind deshalb nur die Stundenverrechnungssätze einer nicht markengebundenen, von der Arbeitsqualität gleichwertigen Fachwerkstatt anzusetzen (vgl. hierzu Palandt BGB 70. Aufl. § 249 Rn. 14), wie der Höhe nach von den Beklagten belegt (Anl. B 1, AS 44-46).
3
Dabei ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte erst im Prozess entsprechende Werkstätten benannt hat. Die abweichende Ansicht des Klägers, sowie die Ausführungen in den zitierten Urteilen, auf welche dieser sich stützt, teilt das Gericht nicht. Die vorliegende Konstellation ist für den Geschädigten nicht mit der vergleichbar wie bei der Benennung von günstigeren Restwertangeboten. Für Letztere ist es typisch, dass der Geschädigte auf eine möglichst zeitnahe Benennung angewiesen ist, um seine Dispositionen im Hinblick auf die Veräußerung des Unfallfahrzeugs und eine damit in der Regel verbundene Neuanschaffung treffen zu können.
4
Anders verhält es sich hier. Der Geschädigte sieht gerade davon ab, die Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt durchführen zu lassen und entscheidet sich stattdessen für eine Abrechnung auf fiktiver Basis. Aufgrund der neueren Rechtsprechung muss er angesichts des Alters seines Fahrzeugs von vornherein damit rechnen, dass er auf niedrigere Stundensätze verweisen wird.
5
Auch kann nicht erkannt werden, in welcher Weise der Kläger in seiner Dispositionsfreiheit beschränkt wird. Er muss stets damit rechnen, dass der Ersatzpflichtige Einwendungen gegen das Gutachten vorbringt, beispielsweise hinsichtlich der Notwendigkeit des Reparaturumfangs, angesetzter Arbeitszeiten oder die Erforderlichkeit des Austauschs beschädigter Teile. Erweisen sich derartige Einwendungen des Schädigers nach durchgeführter Beweisaufnahme als begründet, ist die Klage entsprechend abzuweisen. Nach Kenntnis des Gerichts in keiner dieser Situationen entscheidungserheblich darauf abgestellt worden, der entsprechende Einwand sei erst im Prozess erhoben worden. Derartige Risiken nimmt der Geschädigte von vornherein in Kauf, wenn er - aus welchen Gründen auch immer - den Schaden auf fiktiver Basis abrechnet. Tatsächliche Dispositionen sind hiervon deshalb ja - wie eigentlich schon aus der Bezeichnung als fiktive Schadensabrechnung sich ergebend - gerade nicht betroffen.
6
In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass letztlich unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung das vom Kläger vorgelegte Gutachten lückenhaft ist. Die Problematik und die hierzu ergangenen Urteile werden seit einigen Jahren nicht nur in der juristischen Literatur diskutiert, sondern sind auch regelmäßiger Gegenstand der Berichterstattung in der Tages- wie auch der Motorpresse. Bezeichnenderweise wird diese Problematik von den Unfallsachverständigen bislang gleichwohl konsequent ignoriert. Die von ihnen ausgewiesenen Stundensätze beruhen nämlich noch immer nur auf der Annahme einer Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt, unabhängig davon, ob angesichts des Alters des Fahrzeugs diese bei einer Abrechnung auf Basis dieses Gutachtens überhaupt noch erstattungsfähig sind. Zu der Möglichkeit eines Verweises auf die Stundensätze einer Fachwerkstatt äußern sich diese nicht, obwohl im Rhein-Neckar-Raum nach den Erfahrungen des Gerichts hinreichend fachkundige und zuverlässige, nicht markengebundenen Fachwerkstätten angesiedelt sind. Der Argumentation der Klägerseite folgend, ginge die Lückenhaftigkeit dieser Gutachten ohne rechtfertigenden Anlass zu Lasten des Schädigers, wenn diesem die Möglichkeit abgeschnitten würde, noch im Prozess vorbringen zu können, dass bei der von dem Geschädigten gewählten fiktiven Abrechnung nur die Stundensätze nicht markengebundenen Fachwerkstatt erstattungsfähig sind.
7
Dazu kommt, dass der Schädiger erst im Prozess von der endgültigen Disposition des Geschädigten erfährt. Selbst wenn dieser vorgerichtlich auf Gutachtensbasis seinen Schaden geltend macht, ist es ein nicht selten zu beobachtendes Phänomen, das dann bei Einleitung des Verfahrens im Hinblick auf die mittlerweile verstrichenen Zeit das Fahrzeug repariert wurde. Außerdem kann der Geschädigte, falls die konkrete Schadensabrechnung günstiger wäre, immer noch zu dieser übergehen. Er müsste dann lediglich die ihm tatsächlich entstandenen Aufwendungen belegen.

RechtsgebieteUnfallregulierung, StundenverrechnungssätzeVorschriften§ 249 BGB

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