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21.12.2010 · IWW-Abrufnummer 104212

Verwaltungsgericht Köln: Urteil vom 25.03.2010 – 1 K 665/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Verwaltungsgericht Köln
1 K 665/09

Tenor: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand Der Kläger ist ein in Köln wohnhafter Diplom-Ingenieur und zugleich staatlich anerkannter Sachverständiger für die Prüfung der Standsicherheit von Bauwerken.
Im Februar 2006 teilte die Vereinigung der Prüfingenieure NW e.V. der Beklagten mit, dass baustatische Prüfleistungen ohne Berechtigung übernommen worden sein könnten. Die Mitteilung bezog sich auf den Neubau des sogenannten L. -Hauses in X. . Die Beklagte erhielt von der Bauaufsichtsbehörde L1. die Mitteilung, dass die Prüfung der Standsicherheit durch Dr. Ing. T. aus L1. erfolge. Dessen statische Berechnungen seien von dem Kläger geprüft worden.
Die Beklagte stellte daraufhin unter Einbeziehung des Klägers seit März 2006 Ermittlungen an, da sie einen Verstoß gegen die sich aus § 6 der Sachverständigen-Verordnung (SV-VO NRW) ergebenden Pflichten vermutete. Nachdem der Kläger schließlich eine weitere Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts ablehnte, forderte die Beklagte bei dem Bürgermeister der Stadt L1. den Schlusskontrollbericht des Klägers vom 15. November 2005 an. Dieser war vom Kläger persönlich verfasst und unterschrieben. Die dem Bericht zugrunde liegenden zehn Kontrollen der Bauausführung und die Schlusskontrolle wurden nach den darüber gefertigten Berichtszetteln nicht von dem Kläger, sondern ausschließlich von Herrn L2. durchgeführt. Die Beklagte ermittelte, dass Herr L2. Bautechniker und im fraglichen Zeitraum Mitarbeiter des Ingenieurbüros U. aus L1. war. Die Beklagte befragte Herrn L2. zu dessen Tätigkeit für den Kläger und fertigte darüber einen Vermerk. Den Inhalt des Vermerks wollte Herr L2. durch seine Unterschrift nicht bestätigen.
Unter dem 02. Dezember 2009 hörte die Beklagte den Kläger zum Sacherhalt abschließend an und sprach gegen ihn unter dem 09. Januar 2009 unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 3 Satz 3 SV-VO NRW eine Ermahnung aus, in der sie zugleich darauf hinwies, dass im Falle eines weiteren Pflichtverstoßes die Möglichkeit des Widerrufs der Anerkennung bestehe. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der staatlich anerkannte Sachverständige dürfe sich nach § 6 Abs. 2 SV-VO NRW der Mithilfe nur solcher Mitarbeiter bedienen, die er voll überwachen könne. Daher sei der Einsatz von freien Mitarbeitern ausgeschlossen.
Am 07. Februar 2009 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe nicht gegen die ihm obliegenden Pflichten verstoßen. Der Einsatz des Bautechnikers L2. sei nicht zu beanstanden. Es sei nicht erforderlich, dass die eingesetzten Mitarbeiter des Sachverständigen bei diesem fest angestellt seien. Es genüge die freie Mitarbeit aufgrund eines Dienstvertrages. Die Prüf- und Kontrollfunktion des Sachverständigen sei auch in diesem Fall hinreichend gewährleistet. Er sei in der Lage, die ihm obliegenden Aufgaben wahrzunehmen und gegebenenfalls Weisungen zu erteilen. Für dieses Verständnis spreche auch § 28 Abs. 2 BauPrüfVO, weil dort - anderes als in § 6 SV-VO NRW - für bestimmte Aufgaben ein fest angestellter Mitarbeiter gefordert werde. Ferner könne sich ein staatlich anerkannter Sachverständiger durch einen anderen staatlich anerkannten Sachverständigen vertreten lassen, § 6 Abs. 3 SV-VO NRW. Dieser könne seine Mitarbeiter einsetzen. Diese stünden zu dem vertretenen Sachverständigen in keinerlei Rechtsverhältnis, was nach den Bestimmungen der Verordnung zulässig sei. Der Präsident der Beklagten rege bei dem Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Minister an, die Vorschriften derart anzupassen, dass künftig nur noch fest angestellte Mitarbeiter herangezogen werden dürften. Die Beklagte gehe also selbst davon aus, dass nach den geltenden Vorschriften auch freie Mitarbeiter eingesetzt werden könnten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09. Januar 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die ergangene Ermahnung. Ergänzend trägt sie unter anderem vor, grundsätzlich müsse der Sachverständige die Prüf- und Kontrollaufgaben in eigener Person ausführen. Der Verordnungsgeber habe in § 6 Abs. 3 SV-VO NRW zum Ausdruck gebracht, dass sich Sachverständige nur durch Sachverständige der gleichen Fachrichtung vertreten lassen dürften, sodass beliebige Dritte von der Stichprobenkontrolle ausgeschlossen seien. Der Verordnungsgeber habe sicherstellen wollen, dass die vormals rein hoheitliche Tätigkeit nur durch fachlich befähigte Personen wahrgenommen werden dürfe. Es sei davon auszugehen, dass bei der Formulierung der Verordnung mit dem "Mitarbeiter" der angestellte und in den Betrieb des Sachverständigen eingegliederte Mitarbeiter gemeint sei. Anders sei die gebotene vollständige Überwachung des Mitarbeiters nicht zu realisieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 09. Januar 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Ermahnung ist § 5 Abs. 3 Satz 3 der Verordnung über staatlich anerkannte Sachverständige nach der Landesbauordnung (SV-VO NRW) vom 29. April 2000 (GV NRW S. 422) in der bis zum 28. Dezember 2009 geltenden Fassung des Gesetzes vom 05. April 2005 (GV NRW S. 332). Danach kann ein wiederholter Verstoß gegen die dem staatlich anerkannten Sachverständigen obliegenden Pflichten zu einem Widerruf der Anerkennung führen, sofern gegen ihn wegen eines vorangegangenen Verstoßes eine Ermahnung ausgesprochen und er auf die Möglichkeit des Widerrufs zuvor hingewiesen wurde. Das Recht zur Ermahnung des Sachverständigen besteht demnach, wenn der staatlich anerkannte Sachverständige gegen die ihm obliegenden Pflichten verstoßen hat.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach § 12 Abs. 2 SV-VO NRW darf der staatlich anerkannte Sachverständige Bescheinigungen bei Fertigstellung nur ausstellen, wenn er sich stichprobenhaft bei der Bauausführung davon überzeugt hat, dass die geprüften Anforderungen erfüllt sind. Daran fehlt es ersichtlich, weil der Kläger den Schlusskontrollbericht Nr. 213/2004 vom 15. November 2005 für das Bauvorhaben L. -Haus in X. ausgestellt hat, obwohl er ausweislich der Kontrollberichte vom 17. März, 22. März, 14. April, 14. April, 26. April, 28. April, 23. Mai, 23. Mai, 31. Mai, 02. Juni 2005 und des Berichts über die Schlusskontrolle vom 11. November 2005 alle nachgewiesenen stichprobenhaften Kontrollen des Bauvorhabens nicht selbst vorgenommen hat. Vielmehr hat er dafür ausschließlich auf die Berichte des Bautechnikers L2. zurückgegriffen. Eine eigene stichprobenartige Kontrolle des Klägers ist nicht belegt und wird von dem Kläger auch nicht behauptet. Es ist daher davon auszugehen, dass ihm der durch den Schlusskontrollbericht 15. November 2005 beurteilte Sachverhalt aus eigener Anschauung nicht bekannt ist.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass Herr L2. für ihn die stichprobenhaften Kontrollen bei der Bauausführung vornehmen durfte. § 12 Abs. 2 SV-VO NRW fordert grundsätzlich die eigene stichprobenhafte Kontrolle des Sachverständigen. Er muss sich während der Bauausführung davon überzeugt haben, dass die geprüften Anforderungen erfüllt sind. Die Übertragung eigener Kontrollaufgaben des Sachverständigen auf Dritte ist nach den Bestimmungen der Sachverständigen-Verordnung im Rahmen des § 6 SV-VO NRW möglich, dessen Voraussetzungen jedoch nicht gegeben sind.
§ 6 Abs. 3 SV-VO NRW lässt zu, dass sich staatlich anerkannte Sachverständige durch andere staatlich anerkannte Sachverständige desselben Fachbereichs und derselben Fachrichtung vertreten lassen. Herr L2. ist selbst kein staatlich anerkannter Sachverständiger für die Prüfung der Standsicherheit, sondern Bautechniker. Er durfte auch nicht als Mitarbeiter der Herren U. aus L1. (I. U. jun. und I. U. sen.) tätig werden, weil die Herren U. den Kläger als staatlich anerkannte Sachverständige zulässig nicht hätten vertreten können. Sie sind als staatlich anerkannte Sachverständige für Schall- und Wärmeschutz tätig und für die Prüfung der Standsicherheit nicht anerkannt (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 4 SV-VO NRW).
Eine Aufgabenübertragung in dem hier streitigen Umfang ist auch nicht nach § 6 Abs. 2 SV-VO NRW zulässig. Nach dieser Vorschrift kann sich der Kläger der Mithilfe von befähigten und zuverlässigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur in solchem Umfang bedienen, wie er deren Tätigkeit voll überwachen kann. Wer Mitarbeiter ist, lässt die Verordnung offen. Insbesondere ist offen, ob im Sinne des Arbeitsrechts fest angestellte oder auch freie "Mitarbeiter" gemeint sind. Diese von den Beteiligten in den Mittelpunkt ihrer Auseinandersetzung gestellte Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung.
Die Mithilfe eines Mitarbeiters ist unabhängig von der näheren arbeitsrechtlichen Bewertung nur zulässig, soweit der Sachverständige dessen Tätigkeit voll überwachen kann, § 6 Abs. 2 SV-VO NRW. Daran fehlte es.
Die Vorschrift knüpft an die Überwachung der Tätigkeit an, nicht an den Status des Mitarbeiters. Die von der Verordnung geforderte volle Überwachung steht im Zusammenhang mit § 12 Abs. 2 SV-VO NRW und der gesetzlichen Aufgabe des Sachverständigen. Staatlich anerkannte Sachverständige nehmen in bestimmten Bereichen die vormals hoheitliche Aufgabe der Bauaufsicht wahr. Diese Aufgabe darf nur von besonders sachkundigen und befähigten Personen durchgeführt werden. Nach § 81 Abs. 1 Satz 3 LBauO NRW entfällt die Bauaufsicht in den Fällen, in denen Bescheinigungen staatlich anerkannter Sachverständiger vorliegen, etwa in Fällen des § 72 Abs. 6 BauO NRW (Standsicherheit). In diesen Fällen kontrollieren die Sachverständigen stichprobenhaft, ob das Bauvorhaben entsprechend den Bescheinigungen ausgeführt wird, § 81 Abs. 1 Satz 3, 2.HS LBauO NRW. Die Verordnung über staatlich anerkannte Sachverständige enthält die Bestimmungen über die staatliche Anerkennung von Sachverständigen, die nach dem Gesetz mit der Erstellung der erforderlichen Nachweise und Bescheinigungen betraut werden dürfen, § 85 Abs. 2 Nr. 4 BauO NRW. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Sachverständige zumindest einzelne Kontrollen stichprobenhaft selbst durchzuführen hat. Im Fall des § 6 Abs. 2 SV-VO NRW darf er nur solche Mitarbeiter einsetzen, deren volle Überwachung er garantieren kann. Bei der Einschaltung von sogenannten freien Mitarbeitern sind diese Grundsätze tatsächlich kaum zu wahren, weil diese in die Arbeitsorganisation des Sachverständigen nicht dauerhaft eingegliedert sind und im Zweifel nicht der umfassenden Überwachung des Sachverständigen unterliegen.
Hinzu kommt, dass sich der Kläger nach § 6 Abs. 2 SV-VO NRW nur der Mithilfe des Mitarbeiters bedienen darf. Da dem Kläger entsprechend den vorangegangenen Ausführungen nach dem Gesetz und der Verordnung die eigene stichprobenartige Kontrolle obliegt, kann diese Kontrolle durch den Mitarbeiter nicht - wie hier - vollständig ersetzt, sondern allenfalls ergänzt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

RechtsgebieteBauPrüfVO, SV-VO NRWVorschriftenBauPrüfVO § 28 Abs. 2; SV-VO NRW § 5 Abs. 3 Satz 3, § 12 Abs. 2

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