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02.11.2010 · IWW-Abrufnummer 110233

Finanzgericht Münster: Urteil vom 08.12.2009 – 1 K 3655/06 E

1) Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen dienen der Tilgung eines Darlehens, wenn sie gepfändet werden oder vor ihrer Fälligkeit eine Tilgung/Sicherungsabrede zwischen dem Darlehensgeber und Darlehensnehmer getroffen worden ist.


2) Steuerunschädlich ist, wenn die Versicherungsleistungen erst nach Fälligkeit im Erlebensfall zur Darlehenstilgung verwendet werden, ohne dass vorher eine Tilgung/Sicherungsabrede bestanden hat.


3) Für den Begriff des „Dienens” i. S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG ist bei Abtretung der Ansprüche die zivilrechtliche Wirksamkeit der Abtretung nicht erforderlich.


Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 08.12.2009 für Recht erkannt:
Tatbestand:
Streitig ist, in welcher Höhe die Kläger Zinsen aus zwei Lebensversicherungsverträgen versteuern müssen.
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt u. a. als Glaser- und Malermeister gewerbliche Einkünfte.
Der Kläger war Inhaber von zwei Lebensversicherungen mit einer Versicherungssumme von 147.136,00 DM und 130.921,00 DM. Diese Versicherungen trat er mit zwei Abtretungsurkunden vom 28.01.2000 an die Kreissparkasse R zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen ab. Am gleichen Tage unterzeichnete er auf Vordrucken der Kreissparkasse Abtretungsanzeigen an die Lebensversicherung. Wegen des Inhalts der Abtretungsurkunden sowie der Abtretungsanzeigen wird auf die bei dem Betriebsprüfungsakten befindlichen Ausfertigungen bzw. Fotokopien der Urkunden Bezug genommen (Betriebsprüfungsakte Bd. II Bl. 76 bis 80 sowie Bl. 114 bis 117). Eine Anzeige der Abtretungen der vorbezeichneten Lebensversicherungen an die W Versicherungs AG erfolgte zunächst nicht.
Am 20.06.2000 trat der Kläger die Lebensversicherungen erneut an die Kreissparkasse R ab. Diese Abtretung zeigte die Kreissparkasse R dem Versicherungsunternehmen mit Schreiben vom 20.06.2000 an.
Nach Kündigung der vorbezeichneten Lebensversicherungen erfolgte im Februar 2003 der Abtretung entsprechend die Auszahlung der fälligen Vertragsguthaben an die Kreissparkasse in R. Ausweislich einer Mitteilung der W Lebensversicherungs AG betrugen die in den Vertragsguthaben enthaltenen Zinserträge für die gesamte Laufzeit der Versicherungen 96.010,93 EUR, für den Zeitraum von Juni 2000 bis Februar 2003 demgegenüber nur 43.201,00 EUR.
Im Frühjahr des Jahres 2005 fand beim Kläger eine Betriebsprüfung durch den Beklagten statt. Aufgrund der Ermittlung des vorstehend beschriebenen Sachverhaltes vertrat der Beklagte die Auffassung, die Lebensversicherungsverträge bei der W Lebensversicherungs AG hätten im Zeitraum vom 28.01.2000 bis zum 28.02.2003 als Sicherheit für betriebliche Darlehen gedient. Der Zeitraum der Sicherheitsgewährung betrage mehr als drei Jahre, so dass eine insgesamt schädliche Verwendung der Lebensversicherungsverträge im Sinne von § 10 Abs. 2 S. 2 Buchstabe c Einkommensteuergesetz (EStG) vorgelegen habe. Die während der Laufzeit der Versicherungen erzielten Kapitalerträge seien daher in ihrer Gesamthöhe steuerpflichtig.
Entsprechend dem Ergebnis der Betriebsprüfung änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2003 am 22.07.2005 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO). Mit der Änderung hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid am 01.08.2005 Einspruch ein.
Zur Begründung führte er aus, die im Januar 2000 erfolgte Abtretung der Lebensversicherungsverträge sei zivilrechtlich nicht wirksam geworden, da diese Abtretung dem Versicherungsunternehmen nicht angezeigt worden sei. Nach einem Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein (Urteil vom 13.11.2002, Az. 3 K 133/00, EFG 2003, S. 298) sei das Tatbestandsmerkmal des Dienens im Sinne von § 10 Abs. 2 S. 2 EStG nur dann erfüllt, wenn eine rechtlich verbindliche Verpflichtung des Darlehensnehmers vorliege. Diese Verpflichtung sei vorliegend erst durch die im Juni erneut erfolgte Abtretung entstanden. Die Lebensversicherungsverträge seien daher nur für einen Zeitraum von weniger als drei Jahren steuerschädlich verwendet worden. Nur für diesen Zeitraum der schädlichen Verwendung seien die Zinsen der Besteuerung zu unterwerfen.
Der Beklagte wies den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 25.07.2006 als unbegründet zurück.
Mit der am 25.08.2006 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Zur Begründung der Klage trägt er ergänzend vor, die im Januar 2000 erfolgten Abtretungen der Ansprüche des Klägers aus den Lebensversicherungsverträgen bei der W Versicherungs AG seien nicht nur deswegen unwirksam, weil diese Abtretung dem Lebensversicherungsunternehmen nicht angezeigt worden sei. Im zu beurteilenden Fall seien die Sicherungsabreden mit der Sparkasse auch aufgrund anfänglicher Übersicherung nach den §§ 138, 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig. Der Sparkasse R hätten bei einem Kontokorrentrahmen aus dem Darlehensvertrag i. H. v. 600.000,00 EUR Sicherheiten i. H. v. insgesamt mindestens 1.780.000,00 EUR zur Verfügung gestanden. Dies entspreche einer Sicherungsquote von beinahe 300 %. Diese Sicherungsquote sei sittenwidrig und führe zur Nichtigkeit der Sicherungsabrede. Wegen der Ausführungen des Klägers insoweit wird auf den Schriftsatz vom 28.02.2007 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einkommensteueränderungsbescheid vom 22.07.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.07.2006 geändert durch Änderungsbescheid vom 12.03.2008 dergestalt zu ändern, dass Zinserträge aus den abgetretenen Lebensversicherungen nur in Höhe von 43.201,00 EUR bei den Einkünften aus Kapitalvermögen angesetzt werden;
im Fall des Unterliegens,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, auf eine zivilrechtlich wirksame Abtretung komme es im Streifall entscheidungserheblich nicht an. Der Begriff des Dienens im Sinne des § 10 Abs. 2 S. 2 EStG sei bereits dann erfüllt, wenn die Versicherungsansprüche und die Darlehensverbindlichkeit objektiv in einem bestimmten Zusammenhang zueinander stünden. Dieser Zusammenhang sei im Streitfall bereits durch die Abtretung der Versicherungsansprüche am 28.01.2000 hergestellt worden.
Gründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Der Beklagte hat bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr 2003 zutreffend die auf die gesamte Laufzeit der streitbefangenen Lebensversicherungsverträge entfallenden Zinserträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt.
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S.1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens – oder Todesfall enthalten sind. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrages nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden.
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG gilt nicht in den Fällen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b S. 5 EStG bzw. in den Fällen des § 10 Abs. 2 S. 2 EStG nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 S. 2 Buchstabe a oder b EStG erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsverträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 S. 2 Buchstabe c abgezogen werden können.
Nach dieser Regelung gehören die Kapitalerträge aus einer Lebensversicherung für die Dauer der gesamten Laufzeit der Versicherung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag länger als drei Jahre der Sicherung betrieblich veranlasster Darlehen gedient haben.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein derartiger Zusammenhang zwischen den Ansprüchen aus den Versicherungsverträgen und den unstreitig betrieblich veranlassten Darlehen bei der Kreissparkasse in R nicht erst durch die Abtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen im Juni 2000 entstanden.
Nach Auffassung des Senates dienten die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen bei der W Versicherungs AG bereits mit der möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Abtretung im Januar 2000 der Absicherung der angeführten Darlehen.
Wann die Ansprüche aus einer Versicherung zur Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, ist im EStG nicht näher definiert. Der Bundesfinanzhof hat jedoch in zahlreichen Entscheidungen vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Regelungen in § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 4 i. V. m. § 10 Abs. 2 S. 2 EStG sowie des Normzwecks zu Fragen eines steuerschädlichen Einsatzes von Ansprüchen aus Kapitallebensversicherungen Stellung genommen (vgl. BFH-Urteile vom 13.07.2004 VIII R 48/02, BFH/E 207, 136, BStBl. II 2004, 1060; zuletzt vom 04.07.2007 VIII R 46/06, Der Betrieb – DB – 2007, 2403, jeweils mit weiteren Nachweisen) und hat im Wesentlichen den Rechtsgrundsätzen im BMF – Schreiben vom 15.06.2000 IV C 4 – S 2221 – 86/00, BStBl. I 2000, 2118 Tz. 4 zugestimmt. In diesem BMF-Schreiben wird in Übereinstimmung mit bereits früheren Schreiben klargestellt, dass Ansprüche aus Lebensversicherungen in diesem Sinne der Tilgung eines Darlehens dienen, wenn sie gepfändet werden oder vor ihrer Fälligkeit eine Tilgung/Sicherungsabrede zwischen dem Darlehensgeber und Darlehensnehmer getroffen worden ist.
Hingegen soll es steuerunschädlich sein, wenn erst nach Fälligkeit der Versicherung im Erlebensfalle die Versicherungsleistungen zur Darlehenstilgung verwendet werden, ohne dass vorher eine Tilgung/Sicherungsabrede bestanden hat (so auch FG Schleswig-Holstein Urteil vom 13.11.2002 – 3 K 133/00, EFG 2003, 298 rkr). Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 15.06.2000 a.a.O. werden ebenso im überwiegenden Schrifttum gebilligt (vgl. Blümich/Hutter, § 10 EStG RdZiff. 350; Schlenker in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10 RdZiff. 565; Söhn in: Kirchhoff/Söhn/Mellinghof, EStG, § 10 RdZiff. p 30 und 32; ferner Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG RdZiff. 300, Söhn, in Kirchhoff/Söhne/Mellinghof a. a. O.; RdZiff. p 30 und 32; Heinicke in Schmidt, EStG, 26. Auflage, § 10 RdZiff. 195). Es wird somit eine funktionale Verknüpfung für das Merkmal „Dienen” verlangt. Nach der hM ist wesentlich, dass objektive Umstände erkennen lassen, dass der Steuerpflichtige den Versicherungsanspruch zur Tilgung oder Sicherung eines Kredites einsetzt.
Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streifall ist nach Auffassung des Senates eine zivilrechtlich wirksame Abtretung nicht erforderlich, um ein Dienen im Sinne von § 10 Abs. 2 S. 2 Buchstabe c EStG annehmen zu können. Bereits mit der am 28.01.2000 unterzeichneten Abtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen hat der Kläger mit der Kreissparkasse R zumindest eine entsprechende Sicherung/Tilgungsabrede getroffen. Unabhängig von der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Abtretung ist durch diese Abrede zumindest im Innenverhältnis zwischen dem Kläger als Darlehensnehmer und der Kreissparkasse als Darlehnsgeberin rechtlich verbindlich ein Zusammenhang zwischen den Ansprüchen aus der Lebensversicherung und dem Kontokorrentkredit hergestellt worden. Ab diesen Zeitpunkt stand für die an dem Kreditgeschäft Beteiligten fest, dass die Guthaben aus den Lebensversicherungen des Klägers zur Rückführung des Kontokorrentkredites dienen sollten.
Dass bereits diese, möglicherweise zivilrechtlich unwirksame Abtretung die Rechtsfolgen von § 10 Abs. 2 S. 2 Buchstabe c EStG auslöst, wird im Streitfall insbesondere dadurch deutlich, dass der Kläger am 28.01.2000 neben der Abtretung der Lebensversicherungsansprüche gleichzeitig eine Abtretungsanzeige an das Versicherungsunternehmen unterschrieben hat (Bl. 82 Prüferhandakte). Da nach der laufenden Nr. 6 der Abtretungsbedingungen die Sparkasse berechtigt sein sollte, die Mitteilung über die erfolgte Abtretung an das Versicherungsunternehmen zu übersenden, hatte der Kläger als Sicherungsgeber bereits zu diesem Zeitpunkt alle seinerseits notwendigen Erklärungen abgegeben, so dass die Sparkasse R als Sicherungsnehmerin die zivilrechtliche Wirksamkeit der Abtretung jederzeit hätte herbeiführen können. Der Kläger hatte sich damit zu diesem Zeitpunkt zumindest im Innenverhältnis jedweder Verfügungsmöglichkeit über die Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen begeben. Bei diesem Sachverhalt kann es nicht entscheidungserheblich darauf ankommen, ob und wann die Kreissparkasse R als Abtretungsempfängerin von dem ihr zustehenden Anzeigerecht gegenüber dem Versicherungsunternehmen Gebrauch macht. Die schädliche Verwendung von Lebensversicherungsansprüchen im Sinne des § 10 Abs. 2 S. 2 Buchstabe c EStG knüpft insoweit im Ergebnis an die Dispositionsbefugnis des Steuerpflichtigen an. Hat der Steuerpflichtige aus seiner Sicht alle Dispositionsmöglichkeiten ausgeschöpft, die für eine steuerschädliche Verwendung notwendig aber auch ausreichend sind, ist in jedem Fall von einem Dienen im Sinne der angeführten Vorschrift auszugehen.
Nach den vorgenannten Grundsätzen kann es auf eine mögliche Übersicherung der Kreissparkasse R, die im Weiteren zivilrechtlich zu einer Nichtigkeit der Abtretung führen würde, entscheidungserheblich ebenfalls nicht ankommen, da jedenfalls tatsächlich der Versicherungsanspruch zur Tilgung eines Kredits eingesetzt wurde und der Kläger auch eine solche Disposition wollte.
Der Beklagte hat danach nicht nur dem Grunde, dies ist zwischen den beteiligten Parteien unstreitig, sondern auch der Höhe nach die Zinserträge in der zutreffenden Höhe erfasst, da nach alledem die Versicherungen länger als 3 Jahre der Sicherung betrieblicher Darlehen gedient haben.
Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

VorschriftenEStG § 10 Abs 2 Satz 2, EStG § 20 Abs 1 Nr 6

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