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02.11.2010

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 27.03.2009 – 1 K 11543/05

- Als Rechtsgrundlage für die gemeinschaftliche Beteiligung hinsichtlich der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte kommt auch eine ungeteilte Erbengemeinschaft in Betracht.


- Ein Nachlasspfleger ist kraft seiner Bestellung nach § 1960 Abs. 2 BGB nur gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben. Der Tatbestand der Einkünfteerzielung wird nach dem Tod des Erblassers allein von den Erben verwirklicht.


- Grundsätzlich ist das zivilrechtliche Beteiligungsverhältnis auch Maßstab für die anteilige steuerrechtliche Zurechnung der Einkünfte. Indes können die Miterben eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Vereinbarung treffen.


- Die vom zivilrechtlichen Beteiligungsverhältnis abweichende Verteilung der Einkünfte setzt voraus, dass alle an der Vereinbarung beteiligten Personen der Erbengemeinschaft angehören und die abweichende Verteilung ihren Grund im Gemeinschaftsverhältnis hat.


- Ist eine Steuerpflichtige wegen testamentarischer Enterbung nicht Miterbin geworden und hat das Testament auch nach der Anfechtung insoweit Bestand, so ist sie an den Einkünften nicht beteiligt.


Tatbestand

Streitig ist, ob Verluste einer Erbengemeinschaft aus einem verpachteten Reithallenbetrieb während der gerichtlich angeordneten Nachlasspflegschaft wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht steuerlich nicht zu berücksichtigen sind, wem gegebenenfalls die Verluste persönlich zuzurechnen sind und schließlich die Höhe der Verluste.

Kläger sind die Ehefrau (Klägerin zu 1.) und die beiden gemeinsamen Söhne der Klägerin zu 1. und des am 05.03.1996 verstorbenen Herrn X (Kläger zu 2. und 3.). Der Verstorbene hatte von 1985 bis zu seinem Tod einen Reithallenbetrieb in Z an seine Ehefrau verpachtet und dabei regelmäßig Verluste erzielt. Das mit der Reithalle und Nebengebäuden bebaute Betriebsgrundstück war ein 8.664 m2 großer Teil des dem Verstorbenen gehörenden Grundstücks mit einer Größe von 16.801 m2. Der Pachtvertrag aus dem Jahre 1985 hatte ursprünglich eine Laufzeit von 3 Jahren. Weil er nicht gekündigt wurde, verlängerte er sich nach den Regelungen des Pachtvertrages jeweils um 3 Jahre. Der Pachtvertrag war mit einer Frist von 1 Jahr zum jeweiligen Laufzeitende kündbar.

Der verstorbene Ehemann hinterließ ein Testament, in dem er seine Ehefrau enterbte und insgesamt 11 Erben einsetzte, zu denen auch die Kläger zu 2. und 3. gehörten. Das Testament wurde angefochten. Wegen der Unklarheit über die Erbfolge ordnete das Amtsgericht A eine Nachlasspflegschaft an und bestellte den Steuerberater S am 25.04.1996 zum Nachlasspfleger mit dem Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses und der Ermittlung der Erben. Die Nachlasspflegschaft dauerte bis zum 22.06.1999. Herr S führte das Pachtverhältnis mit der Klägerin bis zum Ende seiner Nachlasspflegschaft unverändert weiter. Er vereinnahmte die Pachtzahlungen und leistete die betrieblichen Ausgaben für Rechnung des Nachlasses.

Nach langwierigen Verhandlungen zwischen den im Testament bedachten Personen kam es im Jahr 1999 zu einer gütlichen Einigung. Die Kläger zu 2. und 3. wurden Erben zu je 1/2. Die übrigen im Testament bedachten Personen verzichteten auf ihre Erbansprüche und erhielten hierfür Vermächtnisse oder Abfindungen. Am 22.06.1999 stellte das Amtsgericht A einen Erbschein aus, der die Kläger zu 2. und 3. als alleinige Erben zu je 1/2 auswies.

Am 17.08.1999 schlossen die Klägerin zu 1. und die Kläger zu 2. und 3. einen außergerichtlichen Erbauseinansetzungsvertrag, in dem die Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsansprüche der Klägerin zu 1. in der Weise erfüllt wurden, dass der Klägerin zu 1. der gesamte Grundbesitz in Z – zu dem auch das bisherige Pachtgrundstück mit der Reithalle gehörte – und weiterer Grundbesitz in Ungarn übertragen wurde. Die Klägerin zu 1. übernahm außerdem auf dem Grundstück in Z ruhende dingliche Lasten und bestimmte Darlehensverpflichtungen ihres verstorbenen Ehemannes. Außerdem wurden ihr Ansprüche aus einer Lebensversicherung und Teilgeschäftsanteile an der Fa. X GmbH übertragen.

In den Jahren von 1998 bis 2000 gaben die Kläger Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte als „Erbengemeinschaft X” ab. Die erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung betrugen für 1996 DM 22.196,62, für 1997 DM 27.637,86, für 1998 DM 27.405,30 und für 1999 DM 47.693,66 und sollten im Verhältnis von 56% auf die Klägerin zu 1. und zu je 22% auf die Kläger zu 2. und 3. verteilt werden. Der Beklagte erließ zunächst antragsgemäße Feststellungsbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach Bekanntwerden des Erbscheins änderte der Beklagte am 08.01.2001 die Bescheide und rechnete die teilweise geringfügig erhöhten Verluste nur noch den Söhnen je zur Hälfte zu. Diese Änderungsbescheide wurden von den Klägern angefochten. In dem noch laufenden Einspruchsverfahren erließ der Beklagte am 26.08.2004 geänderte Bescheide für alle Jahre, in denen die Verluste wegen Liebhaberei nicht mehr anerkannt wurden. Der Beklagte ist außerdem zu der Auffassung gelangt, dass die Reithalle wegen des zu geringen Pachtzinses teilweise unentgeltlich an Frau X verpachtet gewesen sei. Wegen der vollständigen Nichtanerkennung der Verluste kam es aber auf diesen Gesichtspunkt bei Erlass der angefochtenen Bescheide nicht mehr an.

Mit der Klage begehren die Kläger weiterhin die steuerliche Anerkennung der geltend gemachten Verluste und die Anerkennung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen den drei Klägern mit der bereits erwähnten Gewinn-/Verlustbeteiligung von 56/22/22 %. Hierzu tragen sie vor, dass während der Zeit der gerichtlich angeordneten Nachlasspflegschaft die Familie der Kläger Entscheidungen zu treffen gehabt habe, wie die Einkünfte aus dem verpachteten Reithallenbetrieb zu verteilen seien. Einvernehmlich sei der erwähnte Gewinnverteilungsschlüssel beschlossen worden. Durch diesen Beschluss sei ab 1996 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts entstanden.

Bezüglich der vom Beklagten angenommenen Liebhaberei machen die Kläger geltend, dass ihnen nicht vorgeworfen werden könne, dass sie den Betrieb nach dem Tod von Herrn X zunächst unverändert fortgeführt hätten. Sie hätten gar nicht handeln können, weil Nachlasspflegschaft durch Herrn S angeordnet gewesen sei. Erst mit Erteilung des Erbscheins am 22.06.1999 sei die Ungewissheit beendet gewesen. Außerdem sei bezüglich der angefochtenen Bescheide Festsetzungsverjährung eingetreten.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 04.10.2005 die geänderten Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1996 bis 1999 jeweils vom 26.08.2004 zu ändern und die in den Feststellungserklärungen geltend gemachten Verluste in voller Höhe zu berücksichtigen und zu 56% auf Frau X und zu je 22% auf die Herren C. und D. X zu verteilen,

hilfsweise, die geltend gemachten Verluste den Herren C. und D. X je zur Hälfte zuzurechnen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bleibt bei seiner bereits im Vorverfahren vertretenen Auffassung. Festsetzungsverjährung ist nach seiner Auffassung nicht eingetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die angefochtenen Bescheide, die Einspruchsentscheidung vom 04.10.2005, die beigezogenen Steuerakten und die von den Beteiligten im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

A. Der erkennende Senat entscheidet über die tenorierten Rechtsfragen durch Zwischenurteil (§ 99 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –), weil dies sachdienlich ist und die Beteiligten nicht widersprochen haben. Der Rechtsstreit ist insoweit entscheidungsreif. Bezüglich der übrigen Streitfragen, insbesondere die Frage der Kürzung des Werbungskostenabzugs wegen der möglicherweise verbilligten Überlassung des Pachtgegenstandes an die Klägerin zu 1. hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, die der Beklagte bisher unter Hinweis auf die fehlende Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger unterlassen hat.

B. Die zulässige Klage ist unbegründet, soweit geltend gemacht wird, die Klägerin zu 1. sei an den Einkünften der Erbengemeinschaft aus dem Verpachtungsbetrieb beteiligt (dazu nachfolgend I.). Die Klage ist begründet, soweit sich die Kläger gegen die Rechtsauffassung des Beklagten wehren, der Erbengemeinschaft habe die Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt (dazu nachfolgend II.).

I. Der Klägerin zu 1. sind die Einkünfte/Verluste aus der Verpachtung des Reithallenbetriebes nicht – auch nicht anteilig – zuzurechnen. Sie ist an diesen Einkünften nicht beteiligt.

1. Gemäß § 180 Abs.1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) sind Einkünfte i.S. von § 2 Abs.1 Nr.1 bis 7 Einkommensteuergesetz (EStG) gesondert und einheitlich festzustellen, wenn daran mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen zuzurechnen sind. Dies ist bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dann der Fall, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) verwirklichen und dadurch Einkünfte erzielen (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 07.04.1987 – IX R 103/85BStBl II 1987, 707 mit weiteren Nachweisen). Als Rechtsgrundlage für die gemeinschaftliche Beteiligung kommt u.a. auch eine ungeteilte Erbengemeinschaft in Betracht (vgl. BFH, Urteil vom 27.06.1978 – VIII R 168/73BStBl II 1978, 674), auf die die Vorschriften über die Verteilung der Aufwendungen und Erträge in einer Gemeinschaft Anwendung finden (§§ 2038, 743, 748 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB –).

2. Der Nachlasspfleger ist Kraft seiner Bestellung nach § 1960 Abs. 2 BGB nur gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben (vgl. BFH, Urteil vom 29.05.2008 – IX R 46/06BFH/NV 2008, 1479). Der Tatbestand der Einkünfteerzielung wird nach dem Tod des Erblassers allein von den Erben verwirklicht (BFH, Urteil vom 28.04.1992 – VII R 33/91BStBl II 1992, 781).

3. Das zivilrechtliche Beteiligungsverhältnis ist grundsätzlich auch Maßstab für die anteilige steuerrechtliche Zurechnung der Einkünfte (BFH, Urteil vom 05.02.1965 – VI 234/63 U – BStBl III 1965, 256). Allerdings können die Miterben eine von dem Beteiligungsverhältnis abweichende Vereinbarung hinsichtlich der Verteilung der Einnahmen und Ausgaben, z.B. entsprechend den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen, treffen. Eine solche Vereinbarung ist grundsätzlich auch steuerrechtlich bei der Zurechnung der Einkünfte zu beachten, soweit in ihr keine Verwendung des Einkommens zu sehen ist, sondern sie ihren Grund im Gemeinschaftsverhältnis hat (BFH-Urteile vom 27.06.1978 – VIII R 168/73BStBl II 1978, 674; vom 18.11.1980 – VIII R 194/78BStBl II 1981, 510, und vom 07.04.1987 – IX R 103/85BStBl II 1987, 707). Derartige (abweichende) Vereinbarungen zwischen Angehörigen sind nur dann steuerrechtlich zu beachten, wenn sie in Gestaltung und Durchführung des Vereinbarten dem zwischen fremden Personen Üblichen entsprechen (vgl. BFH, Urteil vom 07.10.1986 – IX R 167/83BStBl II 1987, 322).

4. Den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht schließlich auch, wer die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, eines der in § 21 Abs. 1 des EStG genannten Wirtschaftsgüter einem anderen gegen Entgelt zur Nutzung zu überlassen und Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag ist (z.B. BFH, Urteil vom 11.03.2003 – IX R 16/99BFH/NV 2003, 1043, m.w.N.). Nicht maßgebend ist, ob ein Steuerpflichtiger rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer des Mietobjekts ist und wem letztlich das wirtschaftliche Ergebnis der Vermietung zugute kommt (z.B. BFH, Urteil vom 16.04.2002 – IX R 53/98BFH/NV 2002, 1152, m.w.N.).

5. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Klägerin zu 1. nicht an den Einkünften aus dem verpachteten Reithallenbetrieb beteiligt.

a) Sie ist nicht Miterbin des an sie verpachteten Reithallenbetriebes geworden. Ihr verstorbener Ehemann hat sie testamentarisch enterbt. Das Testament hat auch nach der Anfechtung insoweit Bestand.

b) Eine vom zivilrechtlichen Beteilgungsverhältnis abweichende Verteilung der Einkünfte setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass alle an der Vereinbarung beteiligten Personen der Erbengemeinschaft angehören und die abweichende Verteilung ihren Grund im Gemeinschaftsverhältnis hat. Zwischen den drei Klägern ist schon kein durch Erbgang begründetes Gemeinschaftsverhältnis entstanden, weil die Klägerin zu 1. nicht Miterbin geworden ist. Deshalb stellt sich die der Klägerin zu 1. aufgrund zivilrechtlicher Vereinbarung eingeräumte Gewinn– und Verlustbeteiligung an dem Verpachtungsbetrieb in Höhe von 56% als Einkommensverwendung dar, die steuerlich unbeachtlich ist.

c) Schließlich ist von den Klägern auch nicht vorgetragen worden, dass die Klägerin zu 1. ohne dingliche Berechtigung eine Verpächterstellung innegehabt hätte. Auch die Umstände des Streitfalles lassen eine solche Annahme nicht zu. Die Nachlasspflegschaft, die während des gesamten streitigen Feststellungszeitraums andauerte, gab der Klägerin zu 1. weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, auf Verpächterseite in irgendeiner Weise auf das Pachtverhältnis einzuwirken. Die schlichte Verabredung zwischen den drei Klägern, die Einkünfte unter sich aufzuteilen, reicht für die Annahme einer Verpächterstellung im oben beschriebenen Sinne nicht aus.

II. Die aus den Klägern zu 2. und 3. bestehende Erbengemeinschaft hatte während des streitigen Feststellungszeitraums in Bezug auf den verpachteten Reithallenbetrieb Einkünfteerzielungsabsicht.

1. Auf die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger käme es nur dann nicht an, wenn die Auffassung der Kläger zuträfe, dass die angefochtenen Änderungsbescheide nach Ablauf der Feststellungsfrist erlassen worden wären. Die Feststellungsfrist ist indessen für keinen der angefochtenen Bescheide abgelaufen. Die Änderungs–/Erstbescheide für 1996 bis 1999 vom 08.01.2001 sind innerhalb der Feststellungsfrist erlassen worden. Nach § 181 Abs. 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO begann die Feststellungsfrist für die streitigen Gewinnfeststellungen jeweils am Ende des Jahres, in dem die Steuererklärungen abgegeben worden waren. Für 1996 und 1997 begann die Feststellungsfrist am 31.12.1998, für 1998 am 31.12.1999 und für 1999 am 31.12.2000. Die Feststellungsfrist endete gem. § 181 Abs. 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO für die Feststellungszeiträume 1996 und 1997 am 31.12.2002 und für die darauffolgenden Zeiträume jeweils ein Jahr später. Die Bescheide vom 08.01.2001 sind sämtlich durch die Einsprüche vom 11. bzw. 29.01.2001 angefochten worden. Sie wurden während des Einspruchsverfahrens durch die Änderungsbescheide vom 26.08.2004 ersetzt. Die Einspruchsentscheidung vom 05.10.2005 wurde mit der vorliegenden Klage angefochten. Die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 3a AO besteht demnach noch fort.

2. Bei der Ermittlung des Einkommens zum Zwecke der Einkommensbesteuerung sind nur solche positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, die unter die Einkünfte des § 2 Abs.1 Satz 1 Nr.1 bis 7 EStG fallen. Kennzeichnend für diese Einkunftsarten ist, dass die ihnen zugrundeliegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte oder Überschüsse dienen (vgl. § 2 Abs.2 EStG). Fehlt es an dieser Voraussetzung, so fallen die wirtschaftlichen Ergebnisse auch dann nicht unter eine Einkunftsart, wenn sie sich ihrer Art nach unter § 2 Abs.1 Satz 1 EStG einordnen lassen. Verluste, die dem Steuerpflichtigen durch ein solches unter keine Einkunftsart fallendes – auch als „Liebhaberei” bezeichnetes – Verhalten entstehen, wirken sich ebenso wenig einkommensmindernd aus, wie etwaige Gewinne oder Überschüsse daraus das steuerpflichtige Einkommen erhöhen. (vgl. BFH, Urteile vom 25.01.1994 – IX R 139/92BFH/NV 1995, 11 und vom 30.09.1997 – IX R 80/94 – BStBl II 1998, 771).

Diese Grundsätze gelten nicht nur für den Bereich der Gewinneinkünfte i.S. von § 2 Abs.1 Satz 1 Nr.1 bis 3 EStG, sondern auch bei den Überschusseinkünften i.S. von § 2 Abs.1 Satz 1 Nr.4 bis 7 EStG (vgl. § 2 Abs.2 EStG). Steuerfreie Veräußerungsgewinne sind nicht in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. BFH, Urteil vom 25.01.1994 – IX R 139/92BFH/NV 1995, 11).

Die Absicht, Gewinne oder Einnahmeüberschüsse zu erzielen, ist eine innere Tatsache, die nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umständen muß auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden. Dabei können einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis liefern, der vom Steuerpflichtigen entkräftet werden kann. Alle Umstände des Einzelfalles sind zu berücksichtigen. Wenn dauernde Verluste auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht hindeuten, so gibt dies allein jedoch noch nicht den Ausschlag. Bei längeren Verlustperioden muss aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt. Steuervorteile, die sich aus der Verrechnung der erzielten Verluste mit anderen Einkünften ergeben, gehören zum persönlichen Lebensführungsbereich. Entsprechende Grundsätze gelten auch für Überschusseinkünfte (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 – GrS 4/82 – unter C IV. 3., 4., BStBl II 1984, 751; für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung BFH, Urteile vom 31.03.1987 – IX R 111/86BStBl II 1987, 668 und vom 06.11.2001 – IX R 97/00 – BStBl II 2002, 726).

An dieser Absicht fehlt es, wenn die Prognose des zu erwirtschaftenden Totalgewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26. Februar 2004 – IV R 43/02BStBl II 2004, 455, vom 17. November 2004 – X R 62/01 – BStBl II 2005, 336 und vom 11.10.2007 – IV R 15/05BStBl II 2008, 465; sog. zweigliedriger Liebhabereibegriff, vgl. dazu Schmidt / Weber-Grellet, EStG, 29 Aufl. 2009, § 2 Tz 22, BVerfG, Beschluss vom 30.09.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88-100).

3. Im Streitfall hat der Beklagte nach Auffassung des erkennenden Senats zu Unrecht angenommen, dass für die Zwecke der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht der Erbengemeinschaft die langjährigen Verluste des Erblassers in die Überschussprognose einzubeziehen seien. Vielmehr ist bei der Überschussprognose auf den einzelnen Steuerpflichtigen und auf dessen Betrieb abzustellen (vgl. BFH, Urteile vom 24.08.2000 – IV R 46/99BStBl II 2000, 674 und vom 11.10.2007 – IV R 15/05BStBl II 2008, 465). Bei der Prüfung der Frage, ob die Überschussprognose negativ ist und die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausgeübt wird, ist deshalb im Streitfall allein auf die Kläger und den ihnen nach dem Erbfall zuzurechnenden Verpachtungsbetrieb abzustellen. Für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht kommt es auf das Verhalten des Nachlasspflegers nicht an, weil dieser Kraft seiner Bestellung durch das Nachlassgericht (§ 1960 Abs. 2 BGB) lediglich gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben ist (BFH, Urteil vom 29.05.2008 – IX R 46/06BFH/NV 2008, 1479).

4. Das Gericht lässt die Frage dahinstehen, ob mit dem Betrieb der Kläger auf lange Sicht ein Überschuss erzielt werden konnte. Jedenfalls liegt das subjektive Tatbestandsmerkmal, die Hinnahme von Verlusten aus in der Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen, nicht vor.

Im Streitfall beruht die Fortführung des Verpachtungsbetriebs nicht auf einem eigenen Entschluss der beiden Kläger. Vielmehr ist das Pachtverhältnis allein deshalb fortgeführt worden, weil nach dem Tod des Vaters Ungewissheit über die Erben bestand und Nachlasspflegschaft angeordnet worden war. Wem letztlich die Einkünfte bzw. Verluste aus der Verpachtung zuzurechnen sein würden, war vom Eintritt des Erbfalls am 04.03.1996 bis zur Erteilung des Erbscheins am 22.06.1999 unklar. Zu der Fortführung des Pachtverhältnisses, in das die damals unbekannten Erben durch den Erbfall als Verpächter eingerückt waren, gab es keine Alternative. Die Kläger konnten bis zur Erteilung des Erbscheins im Juni 1999 das Pachtverhältnis weder kündigen oder verändern, noch das Grundstück verkaufen, weil ihre dingliche Berechtigung noch nicht festgestellt war und das Grundstück unter der Verwaltung des Nachlasspflegers stand. Sie hatten objektiv keine Möglichkeit die – ihnen letztlich zuzurechnende – verlustbringende Verpachtung vor der Klärung ihrer Erbenstellung zu beenden. Die für die Annahme einer Liebhaberei notwendige Feststellung, dass der Betrieb aus persönlichen, nicht wirtschaftlichen Gründen der Lebensführung unterhalten oder fortgeführt wird (vgl. BFH, Urteil vom 15.11.1984 – IV R 139/81 – a.a.O), kann hier also nicht getroffen werden. Die Kläger zu 2. und 3. haben vielmehr, sobald ihre Erbenstellung bestätigt war, das Grundstück an die Klägerin zu 1. übertragen und damit die verlustbringende Tätigkeit beendet.

5. Ebenso hat der BFH in einem vergleichbaren Fall entschieden. Ein Steuerpflichtiger hatte seinen verlustbringenden Reithallenbetrieb nach mehreren Jahren eingestellt und ihn mangels sofortiger Verkäuflichkeit über mehrere Jahre verpachtet, um die Verluste zu begrenzen (Urteil vom 15.11.1984 – IV R 139/81BStBl II 1985, 205). Der BFH verneinte die Liebhaberei in diesem Fall. Auch in dieser Entscheidung betont der BFH, dass zur Annahme der Liebhaberei neben der Feststellung andauernder Verluste in jedem Fall die Feststellung dazukommen müsse, dass der Betrieb aus persönlichen Gründen unterhalten werde. Zur Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht führt der BFH in dieser Entscheidung folgendes aus:

„Was die Verluste des Klägers nach der Einstellung seines eigenen Betriebes, d.h. während der Weiterführung als Verpachtungsbetrieb betrifft, so sind sie allein eine Folge des Umstandes, dass es dem Kläger zunächst nicht gelungen ist, die Grundstücke mit der Reithalle und den anderen Anlagen zu veräußern, und er sich – zumindest für die nächste Zeit – mit der nicht ertragbringenden Verpachtung des Betriebes begnügen mußte. Mit Liebhaberei hat das schon deshalb nichts zu tun, weil es sich um keine Betriebsfortführung im eigentlichen Sinne handelt. Auch diese Abwicklungsverluste sind daher steuerlich anzuerkennen”.

Im vorliegenden Streitfall kann bis zur Erteilung des Erbscheins ebenso wie in dem vom BFH entschiedenen Fall keine Betriebsfortführung durch die Kläger zu 2. und 3. angenommen werden. Die in den streitigen Feststellungszeiträumen entstandenen Verluste waren für die Kläger zu 2. und 3. unvermeidlich und sind deshalb grundsätzlich steuerlich anzuerkennen.

6. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass der BFH in Einzelfällen eine subjektübergreifende Totalgewinnprognose vornimmt (vgl. etwa BFH, Urteile vom 11.10.2007 – IV R 15/05BStBl. II 2008, 465 und vom 28.08.2008 – VI R 50/06BFH/NV 2009, 261) und dabei die mögliche Nutzung des Vermögensgegenstandes durch einen unentgeltlichen Rechtsnachfolger einbezieht. Der BFH beschränkt dies aber zutreffend auf die Fälle, in denen der Steuerpflichtige in seinem defizitären Betrieb Umstrukturierungsmaßnahmen tätigt, die erst bei seinem Rechtsnachfolger zu einem nachhaltigen Abbau der Verluste führen. Eine subjektübergreifende Totalgewinnprognose in der Weise, dass die Verluste des Rechtsvorgängers in die Betrachtung einbezogen werden, hat der BFH – soweit ersichtlich – in keinem Fall befürwortet. Vielmehr weist er immer wieder darauf hin, „dass die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht notwendigerweise auf den einzelnen Steuerpflichtigen und damit primär auch auf dessen Betrieb bezogen ist” (so BFH, Urteil vom 11.10.2007 – IV R 15/05BStBl II 2008, 465, m.w.N.).

C. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten, weil das Zwischenurteil das Klageverfahren nicht insgesamt beendet, § 143 Abs. 1 FGO.

D. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

VorschriftenAO § 180 Abs. 1 Nr. 2, EStG § 2 Abs. 1, BGB § 1960 Abs. 2, BGB § 2038

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