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02.11.2010

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 10.11.2009 – 14 K 2361/06 F

- Bei der Unterscheidung des § 12 Nr. 5 EStG i. d. F. vom 21.07.2004 zwischen Aufwendungen für die nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindende erstmalige Berufsausbildung einerseits (hier: Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer) und sonstigen als Werbungskosten abziehbaren Fortbildungskosten andererseits handelt es sich um eine verfassungsrechtlich unbedenkliche, im gesetzgeberischen Ermessensspielraum liegende Typisierung.


- Ein die unechte Rückwirkung des § 12 Nr. 5 EStG i. d. F. vom 21.07.2004 im Veranlagungszeitraum 2004 rechtfertigendes überwiegendes Gemeinwohlinteresse folgt aus der vom Gesetzgeber nicht gewollten Rechtsprechungsänderung.


Tatbestand

Streitig ist der Umfang der steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung. Der Kläger schloss am 17.08.2004 einen Ausbildungsvertrag zum Verkehrsflugzeugführer bei der B in Z-Stadt ab.

Im Veranlagungszeitraum 2004 erzielte der Kläger keine Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG). In der Einkommensteuererklärung 2004 beantragte er die Berücksichtigung von Ausbildungskosten zum Verkehrsflugzeugführer in Höhe von 9.057,37 EUR als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sowie die Durchführung einer gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.12.2004 in Höhe von 9.057,37 EUR.

Der Beklagte berücksichtigte die Aufwendungen als Sonderausgaben (Berufsausbildungskosten) nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Höhe von 4.000 EUR, da nach § 12 Nr. 5 EStG 2004 Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung ohne ein gleichzeitiges Dienstverhältnis nicht abzugsfähig seien. Die Einkommensteuer 2004 setzte er im Bescheid vom 12.07.2005 auf 0 EUR fest. Ferner lehnte der Beklagte im Bescheid vom 11.11.2005 die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2004 ab.

Gegen den Bescheid vom 11.11.2005 legte der Kläger am 24.11.2005 Einspruch ein und trug zur Begründung vor: Die rückwirkende Gesetzesänderung zum 01.01.2004 zur Neureglung der einkommensteuerlichen Behandlung von Berufsausbildungskosten gemäß §§ 10 Abs. 1 Nr. 7 und 12 Nr. 5 EStG sei verfassungswidrig. Durch die „unechte Rückwirkung” würden die vorrangigen Grundrechte des Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) völlig entwertet. In die grundrechtliche Bewertung seien auch die allgemeinen rechtstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen. Daraus könne die Erforderlichkeit von Übergangsregelungen folgen. Die gesetzliche Änderung beinhalte die Änderung steuerrechtlicher Normen, deren Auslegung gerade erst durch die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auf Grund der Urteile vom 04.12.2002, 17.12.2002 und 27.05.2003 geregelt worden sei. Der steuerrelevante Sachverhalt, nämlich seine vertragliche Bindung als Flugschüler an die Flugschule, sei bereits im Laufe des Jahres geschehen. Es seien deshalb im Vertrauen auf den Fortbestand der ursprünglichen Regelung Dispositionen getroffen worden. In diesen Fällen sei die tatbestandliche Rückanknüpfung nicht grundsätzlich als zulässig anzusehen. Er habe bereits im Juli 2004 vorbereitende Maßnahmen für die Ausbildung in Form einer medizinischen Voruntersuchung am 07.07.2004 getroffen.

Die Regelung verstoße zudem gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.

In der Einspruchsentscheidung vom 09.05.2006 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. In den Gründen führte er aus: Im Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.07.2004 sei nunmehr der Abzug der Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium ab dem 01.01.2004 neu geregelt worden. Nach § 12 Nr. 5 EStG 2004 seien Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung Aufwendungen der privaten Lebensführung und damit nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn sie nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses anfielen. Ein Abzug der genannten Aufwendungen sei im Rahmen des Sonderausgabenabzugs nach dem ebenfalls neu gefassten § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Höhe von maximal 4.000 EUR zulässig. Die gesetzliche Neuregelung stelle unter Berücksichtigung des steuerlichen Prinzips der Abschnittsbesteuerung eine unechte Rückwirkung dar, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zulässig sei.

Der gesetzlichen Rückanknüpfung stehe auch kein überwiegend schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen entgegen. Ein solch schutzwürdiges Verhalten liege nicht in der Erwartung des Steuerpflichtigen, dass beispielsweise steuerliche Vergünstigungen für die Berufsausbildung, die vor der gesetzlichen Neuregelung bestanden haben, weiterhin steuerlich in dem Umfang für die Zukunft begünstigt bleiben, wie dies die bis 2003 angewandte Rechtslage und Rechtsprechung zuließ. Darüber hinaus sei die Neuregelung vom 21.07.2004 zur einkommensteuerlichen Behandlung von Berufsausbildungskosten in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze am 26.07.2004 im Bundesgesetzblatt (BGBl) I, Seite 1753, veröffentlicht worden und sei somit schon vor Beginn der Ausbildung des Klägers bekannt gewesen.

Gegen die Einspruchsentscheidung hat der Kläger am 08.06.2006 Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er ergänzend vor: Da er seit März 2006 einen Anstellungsvertrag als Co-Pilot bei der C habe, seien unstrittig vorab entstandene Werbungskosten, die in einem direkten konkreten Zusammenhang mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Veranlagungszeitraums 2006 stünden, gegeben.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.11.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.05.2006 zu verpflichten, einen Bescheid zum 31.12.2004 über die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer in Höhe von 9.057,37 EUR zu erlassen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt Bezug auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach

§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einverstanden erklärt.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die ablehnende Bescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

1. Der Beklagte hat die geltend gemachten Aufwendungen ohne Rechtsverstoß als nach § 12 Nr. 5 EStG nicht abzugsfähige Ausgaben eingeordnet und dem entsprechend zutreffend den Erlass eines Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2004 abgelehnt.

Nach § 12 Nr. 5 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Gesetzesfassung sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine erstmalige Berufsausbildung nicht abzugsfähig, es sei denn, was vorliegend unstreitig nicht der Fall ist, die Berufsausbildung fände im Rahmen eins Dienstverhältnisses statt. Es liegen lediglich Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG vor, die sich im Rahmen der Verlustfeststellung nach § 10d Abs. 4 EStG nicht auswirken.

2. Die durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.07.2004 (BGBl I 2004, 1753) rückwirkend in Kraft getretene (siehe Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes) Bestimmung des § 12 Nr. 5 EStG ist nicht verfassungswidrig. Der Senat folgt hierzu den Begründungen des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) im Urteil vom 15.05.2007 13 K 570/06 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2007, 1431, Revisionsverfahren VI R 31/07) und des FG Düsseldorf im Urteil vom 03.12.2008 2 K 3575/07 F (EFG 2009, 1201, Revisionsverfahren VI R 8/09, mit Anmerkung Wagner).

a) Maßgeblich für die Beurteilung, dass kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG in der Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips und dem daraus entwickelten objektiven Nettoprinzip vorliegt, ist, dass die in §§ 12 Nr. 5, 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG angelegte Unterscheidung zwischen Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung und das Erststudium einerseits und sonstigen Fortbildungskosten andererseits eine sich im gesetzgeberischen Ermessensspielraum haltende Typisierung darstellt. Nur wenn die Aufwendungen im Rahmen einer beruflichen Neuorientierung nach einer erstmaligen Berufsausbildung oder für eine erstmalige Berufsausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden, wird der Werbungskostenabzug zugelassen. Bei Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung verneint der Gesetzgeber eine berufliche Veranlassung i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG im Hinblick auf die generalisierende Beurteilung der erstmaligen Berufsausbildung als Grundlage für die berufliche, soziale und wirtschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen und beurteilt die Aufwendungen als Lebensführungskosten mit einfach handhabbaren Abgrenzungskriterien zur Ermöglichung eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs (vgl. Niedersächsisches FG, EFG 2007, 1431; FG Düsseldorf, EFG 2009, 1201; Fischer in Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, 6. Aufl., § 10 Rz.28 und 30; a. A. Drenseck in Schmidt, EStG , 28. Aufl., § 10 Rz. 57).

b) Die Änderung der Abziehbarkeit der Aufwendungen für eine Erstausbildung verstößt auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot, rückwirkende Gesetze zu erlassen.

§ 12 Nr. 5 EStG wurde zur Änderung der AO und weiterer Gesetzes vom 21.07.2004 (BGBl I 2004, 1753) in das Gesetz eingefügt. Die Regelung trat rückwirkend ab dem 01.01.2004 in Kraft. Da die Aufwendungen für eine Piloten-Ausbildung auf Grund der geänderten Rechtsprechung des BFH (siehe Urteil vom 27.05.2003 VI R 33/01, Bundessteuerblatt – BStBl - II 2004, 884) bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen waren, handelt es sich nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BVerfG um eine sogenannte unechte Rückwirkung, die vorliegt, wenn zwar die Rechtsfolgen des Gesetzes erst nach der Verkündung der Norm eintreten, aber der Tatbestand gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte erfasst, die auch schon vor der Verkündung ins Werk gesetzt worden sein können (vgl. Beschluss des BVerfG vom 03.12.1997 2 BvR 882/97, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – BVerfGE – 97, 67). Gerechtfertigt ist eine solche Rückwirkung, wenn die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl auf der einen Seite den durch die Gesetzesänderung verursachten Vertrauensschaden des Einzelnen auf der anderen Seite überwiegt (vgl. Beschluss des BVerfG vom 05.02.2002 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17; BFH-Beschluss vom 06.11.2002 XI R 42/01, BStBl II 2003, 257). Abstrakt gesehen folgt vorliegend ein überwiegendes Gemeinwohlinteresse aus der vom Gesetzgeber nicht gewollten Rechtsprechungsänderung (vgl. ausführlich Niedersächsisches FG, EFG 2007, 1433 m.w.N.; a. A. Drenseck in Schmidt, EStG, 28. Aufl., § 12 Rz. 57). Zudem lässt sich bezogen auf den Streitfall ein konkretes schutzwürdiges – aber nicht vorrangiges – Vertrauen des Klägers auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage allenfalls hinsichtlich der von ihm aufgewendeten Kosten für die ärztlichen Voruntersuchungen, nicht aber hinsichtlich des ganz überwiegenden Teils der Aufwendungen für den erst nach der Veröffentlichung der gesetzlichen Neuregelung am 26.07.2004 (BGBl I 2004, 1753) abgeschlossenen Ausbildungsvertrag vom 17.08.2004 ausmachen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Im Hinblick auf die vom BFH noch nicht entschiedene Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung war die Revision zuzulassen.

VorschriftenEStG 2004 § 9 Abs. 1 Satz 1, EStG 2004 § 10 Abs. 1 Nr. 7, EStG 2004 § 12 Nr. 5, GG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 20 Abs. 3

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