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02.11.2010

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 18.03.2010 – 11 K 2486/08 F

- Auch Kapitalgesellschaften als Gesellschafter von Personengesellschaften fallen in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a EStG.


- Dem Entnahmecharakter der Zahlungen steht nicht entgegen, dass die entnommenen Beträge im Konzern und damit letztlich der Muttergesellschaft verbleiben, die als Kapitalgesellschaft keine außerbetriebliche Sphäre besitzt. Eine konzernbezogene Betrachtungsweise sieht § 4 Abs. 4a EStG nicht vor.


- Die Ungleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften in Bezug auf die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen ist verfassungsrechtlich unbedenklich.


Tatbestand

Streitig ist die Anwendung des § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes – EStG – im kapitalistischen Konzern.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war im Streitjahr 1999 eine Tochtergesellschaft der A-GmbH. Letztere war eine deutsche Landesholding des englischen A-Konzerns mit der Muttergesellschaft A-plc. Natürliche Personen waren an der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht beteiligt. Am 1. Februar 2008 erwarb die BC N.V. das Eigentum an den Anteilen der A-plc. Im Zuge der konzerninternen Umstrukturierung sind die Anteile auf die BCD GmbH übergegangen, einer Enkelgesellschaft der BC GmbH.

Für das Streitjahr stellte der Beklagte zunächst den Gewinn aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß einheitlich und gesondert fest. In den Jahren 2002 bis 2004 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung betrugen die nicht abziehbaren Schuldzinsen gem. § 4 Abs. 4a EStG 1.401.016 DM. Dies beruht auf – der Höhe nach unstreitigen – Entnahmen in Höhe von 38.681.247 DM und Einlagen in Höhe von 4.386.999 DM. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb wurde unter Einbeziehung der Verluste aus Ergänzungsbilanzen in Höhe von ./. 7.014.565 DM und Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 4.386.999 DM auf 5.970.619,52 DM festgestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 16. August 2004 verwiesen.

Zur Berechnung des Hinzurechnungsbetrages verhält sich Anlage 10 zum BP-Bericht wie folgt:

Überentnahmen Vorjahr 0 DM

Einlagen laufendes Jahr 4.386.999 DM

Entnahmen laufendes Jahr -38.681.247 DM

= Entnahmenüberschuss -34.294.248 DM

Gewinn laufendes Jahr 5.970.619 DM

Verbleibende Überentnahmen -28.323.629 DM

6 % der Überentnahmen 1.699.418 DM

Schuldzinsen 1.401.016 DM

Sockelbetrag 4.000 DM

Hinzurechnungsbetrag 1.397.016 DM

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ am 17. November 2004 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 16. Dezember 2004 Einspruch ein, mit dem sie sich gegen die grundsätzliche Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG im kapitalistischen Konzern wandte. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2008 als unbegründet zurück. Dagegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin vorträgt:

Sinn und Zweck der Regelung des § 4 Abs. 4a EStG sei es, die Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit Entnahmen von Geldmitteln für private Zwecke stünden, als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben dem Gewinn hinzuzurechnen. Diesem Zweck werde die Regelung nur bedingt gerecht. Soweit eine Kapitalgesellschaft an der Personengesellschaft beteiligt sei, erfolge keine Entnahme zu privaten Zwecken, da die Kapitalgesellschaft keine Privatsphäre habe. Dementsprechend könne eine Kapitalgesellschaft als mittelbare oder unmittelbare Gesellschafterin von Personengesellschaften auch keine Entnahme für die Privatsphäre vornehmen. § 4 Abs. 4a EStG sehe keine Unterscheidung zwischen natürlichen und juristischen Personen als Gesellschaftern vor. Die Gesetzesbegründung beziehe sich auf Entnahmen für private Mittel. Vor diesem Hintergrund könne der Ergebnisabfluss innerhalb des Konzerns nicht von § 4 Abs. 4a EStG betroffen sein, denn es finde kein Mittelabfluss für private Zwecke statt. Die Mittelabführung diene der Finanzierung des Konzerns und sei somit betrieblich veranlasst. Durch die Konzernfinanzierung erfolge letztlich keine Verlagerung von Geldmitteln in die private Sphäre. Die Mittel blieben immer im Betriebsvermögen einer Personen- oder Kapitalgesellschaft.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 vom 14. Februar 2008 (Änderungsbescheid im Einspruchsverfahren) und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2008 dahingehend abzuändern, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um die bislang als nicht abzugsfähig angesehenen Zinsen i.H.v. 1.397.016 DM vermindert festgestellt wird,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Zielsetzung des Gesetzgebers sei es gewesen, den Schuldzinsenabzug bei Zwei- und Mehrkontenmodellen durch § 4 Abs. 4a EStG zu beschränken. Diese Zielsetzung rechtfertige auch eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips. Die Berechnung der nichtabzugsfähigen Schuldzinsen knüpfe typisierend an die rechnerischen Überentnahmen an. Es komme nach der gesetzlichen Regelung nicht darauf an, wofür die Entnahmen verwendet worden seien. Unbeachtlich sei deshalb, dass die Kapitalgesellschaft über keine Privatsphäre verfüge.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat den Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) dem Grunde und der Höhe nach zu Recht um nichtabzugsfähige Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG erhöht.

Nach § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung –a. F.- sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG a. F.). Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 v.H. der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG a. F. Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 4.000 DM verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen (sog. Sockelbetrag oder Mindestabzug), ist dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 4a Satz 5 EStG a.F.). Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt (§ 4 Abs. 4a Satz 6 EStG a.F.)

Die Beschränkung des § 4 Abs. 4a EStG ist auch bei Personengesellschaften zu beachten (vgl. Schallmoser, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rn. 1041). In diesem Fall ist die Schuldzinsenhinzurechnung gesellschafterbezogen zu bestimmen, wobei der Sockelbetrag (4.000 DM) den Gesellschaftern nur nach Maßgabe ihrer Anteile an den Schuldzinsen der Mitunternehmerschaft zusteht (BFH-Urteil vom 29. März 2007 IV R 72/02, BFHE 217, 514, BStBl II 2008, 420). Im Fall von Schwester-Personengesellschaften sowie doppelstöckigen Personengesellschaften ist § 4 Abs. 4a EStG für jede Personengesellschaft gesondert zu prüfen (vgl. Wacker, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 15 Rn. 430).

In Anwendung der zuvor dargestellten Grundsätze ergeben sich in den Streitjahren die der Höhe nach unstreitigen Überentnahmen (vgl. zur Berechnung Heinicke, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 4 Rn. 531). Durch die typisierte Zinsbesteuerung in § 4 Abs. 4 a EStG wird der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht verletzt. Betrieblich veranlasste Zinsen bleiben Betriebsausgaben. Die Vorschrift knüpft für den Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4 a EStG vielmehr an übermäßige Entnahmen des Steuerpflichtigen und damit an private Ursachen an (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 44/04, BFHE 212, 501, BStBl II 2006, 588). Hierdurch wird missbräuchlichen Finanzierungsgestaltungen im betrieblichen Bereich vorgebeugt, mit denen ein privater Finanzierungsaufwand durch Überentnahmen in den betrieblichen Bereich verlagert wird, indem diese Überentnahmen mit Kreditbedarf des betrieblichen Bereichs fremdfinanziert werden (vgl. FG Münster, Urteil vom 10. Februar 2005 8 K 3745/03 F, EFG 2005, 1177; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Januar 2006 10 K 99/03, DStRE 2006, 774).

Dem Entnahmecharakter der Zahlungen steht nicht entgegen, dass die entnommenen Beträge im Konzern der Klägerin verblieben und damit letztlich der Muttergesellschaft, die als Kapitalgesellschaft keine außerbetriebliche Sphäre besitzt (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123; BFH-Urteil vom 22. August 2007 I R 32/07, BFHE 218, 523, zur Rechtslage unter Geltung des sog. Halbeinkünfteverfahrens), zugeflossen sind. Ebenso wenig ist von Bedeutung, dass es mangels Beteiligung natürlicher Personen an den Konzerngesellschaften nicht zu einem Abfluss der Mittel in die Privatsphäre eines Gesellschafters gekommen ist. Denn auch Kapitalgesellschaften als Gesellschafter von Personengesellschaften fallen in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a EStG (Schallmoser, in: Hermann/Heuer/Raupach, KStG/EStG, § 4 Rn. 1042). Zwar ist der Klägerin dahingehend Recht zu geben, dass dieses Ergebnis dem ursprüngliche Zweck des § 4 Abs. 4a EStG, betrieblich finanzierte Privatentnahmen zu vermeiden, zuwiderläuft. Die Vorschrift stellt jedoch ausdrücklich – typisierend – nicht auf einzelne Privatvorgänge ab, sondern auf die Eigenkapitalentwicklung (vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 4 Rn. 535). Unerheblich ist, ob die Entnahmen für betriebliche oder private Zwecke verwendet werden. Eine – zur Vermeidung zweckwidriger Besteuerung möglicherweise erforderliche – konzernbezogene Betrachtungsweise sieht § 4 Abs. 4a EStG nicht vor.

Der Senat hat auch keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4a EStG im Hinblick auf die Ungleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften, die daraus resultiert, dass Kapitalgesellschaften betriebliche Geschäfte unabhängig von einer Eigenkapitalminderung durch Ausschüttungen für Privatzwecke der Gesellschafter steuerwirksam fremdfinanzieren können, wohingegen Personengesellschaften unter § 4 Abs. 4a EStG fallen (vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 4 Rn. 535; Herzig/Dinkelbach, BB 1999, 1136, 1140), Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der sachliche Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung besteht in den unterschiedlichen Besteuerungssystemen für Personengesellschaften (Transparenzprinzip) einerseits und Kapitalgesellschaften (Trennungsprinzip) andererseits.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen.

VorschriftenEStG § 4 Abs. 4a, GG Art 3 Abs.1

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