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02.11.2010

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 30.06.2010 – 15 K 1566/09 E

- Der – im Bereich des § 17 EStG für die Gleichstellung von Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters mit gesellschaftsrechtlichen Einlagen bedeutsame – Begriff der „Krise” der Gesellschaft stellt keinen nach vorgegebenen, absoluten Kriterien zu definierenden Zustand dar, sondern lässt sich nur bei Einbeziehung der Umstände des konkreten Finanzierungsanlasses beurteilen.


- Den Anforderungen an eine Kreditunwürdigkeit i. S. des Kapitalersatzrechts bzw. i. S. von § 17 EStG ist genügt, wenn für das Verlangen der kreditgebenden Bank nach ergänzenden Bürgschaften nicht das Begehren nach einer für sie besonders leicht verwertbaren und risikoarmen Sicherheit maßgebend war, sondern der Umstand, dass die seitens der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Sicherheiten aufgrund der niedrigen Eigenkapitalquote sowie der sich zusätzlich aus der Art der zu finanzierenden Geschäfte – Bauentwicklungsprojekte in nicht unerheblicher Größenordnung -, ergebenden Risikobehaftung als nicht ausreichend erachtet wurden.


- Der Auflösungsverlust bei wesentlicher Beteiligung ist nicht nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt, wenn der Steuerpflichtige keine durch seine Beteiligung vermittelten hälftig steuerbefreiten Einnahmen erzielt hat (Anschluss an BFH-Rspr.).


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Auflösungsverlustes i. S. von § 17 des Einkommensteuergesetzes – EStG –.

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter der zum 1. Oktober 1990 mit einem Stammkapital von 50.000 DM gegründeten „Q-GmbH” (im Folgenden: GmbH). Er hielt zunächst 49 v.H. treuhänderisch für „G”. Zum 15. April 1999 wurde das Kapital um 200.000 DM erhöht (Anteile: Kläger 102.000 DM, „G” 98.000 DM). Mit Vertrag vom 26. Juli 2002 erwarb der Kläger den Geschäftsanteil des „G” zum Nominalbetrag von 122.500 DM. Insgesamt wandte der Kläger originäre Anschaffungskosten von 127.823 EUR für die Beteiligung auf.

Die „T-Bank” „F-Stadt” hatte der GmbH einen Kontokorrentkredit über 2.000.000 DM (21. Februar 1995; Bl. 53) gewährt. Zur Absicherung hatte die GmbH ihre Ansprüche aus dem Generalübernehmervertrag „B-Straße 1” vom 29. Dezember 1994 (19.156.940 DM) abgetreten und hatten der Kläger sowie Herr „G” selbstschuldnerische Bürgschaften von je 2.000.000 DM (21. Januar 1995, Bl. 55) erteilt. Darüber hinaus hatte die „T-Bank” „F-Stadt” einen weiteren Kredit über 8.300.000 DM (14. Juni 1995; Bl. 51) gewährt, zu dessen Absicherung die GmbH Grundschulden an ihrem Objekt „L-Straße 2” eingeräumt (8.300.000 DM) und der Kläger sowie Herr „G” Bürgschaften von jeweils 3.300.000 DM (3. Juli 1995, Bl. 56) eingegangen waren. Über diese beiden Bürgschaften hinaus gewährte der Kläger der „T-Bank” „F-Stadt” am 15. Juni 1999 eine weitere Bürgschaft von 150.000 DM zur Sicherung des Geschäftskontos (Bl. 57).

Im Hinblick auf wirtschaftliche Schwierigkeiten und eingetretene Zahlungsunfähigkeit der GmbH kündigte die „T-Bank” „F-Stadt” am 14. Januar 2004 die Geschäftsverbindung fristlos. Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich die offenen Forderungen der „T-Bank” auf 5.437.896 EUR (bei Gesamtverbindlichkeiten der GmbH von 5.840.264 EUR). Die „T-Bank” nahm den Kläger mit Schreiben vom 27. Januar 2004 aus den selbstschuldnerischen Bürgschaften über insgesamt 1.815.086 EUR (21. Januar 1995: 1.022.584 EUR; 3. Juli 1995: 715.809 EUR; 15. Juni 1999: 76.693 EUR) in Anspruch. Am 1. März 2004 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Dezember 2006 einigten sich der Kläger und Herr „G” mit der „T-Bank” „F-Stadt” dahin, dass der Kläger – ebenso wie Herr „G” – auf die Bürgschaften je 1.100.000 EUR entrichtet und die „T-Bank” im Gegenzug keine weiteren Rechte aus den Bürgschaften herleitet. Diesen Betrag bezahlten die Bürgen noch Ende des Streitjahres 2006.

Im Verfahren 15 K 3952/06 E verständigten sich die Beteiligten am 10. April 2008 dahin, den Auflösungsverlust i. S. von § 17 EStG zeitlich nicht im dortigen Streitjahr 2004, sondern im Veranlagungszeitraum 2006 zu berücksichtigen.

Im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 12. August 2008 setzte der Beklagte den Auflösungsverlust mit 92.176 EUR an:

Erlös/Wert 0,00 EUR
Stammeinlage 127.500 DM - 65.189,71 EUR
Stammeinlage „G” 122.500 DM - 62.633,26 EUR
Zahlung Bürgschaft 1,1 Mio. EUR, soweit auf Bürgschaft 150.000 DM entfallend (4,53 %) - 49.830,00 EUR
Beratungs- (Auflösungs-)kosten - 6.699,00 EUR
Differenz - 184.352,00 EUR
Halbeinkünfteverfahren - 92.176,00 EUR
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und machte geltend, den Verlust auf 612.633 EUR (50 % von 1.225.266 EUR) zu erhöhen. Die Bürgschaftsinanspruchnahme sei mit 1.100.000 EUR zu berücksichtigen, weil er sämtliche Bürgschaften in der Krise – im Zeitpunkt der Kreditunwürdigkeit der GmbH – eingegangen sei; jedenfalls seien die Bürgschaften krisenbestimmt gewesen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2009 als unbegründet zurück; hierbei berücksichtigte er die auf die Bürgschaften 1995 entfallenden Zahlungen nur noch mit 2,75 %, sodass sich ein Verlust von lediglich noch ./. 82.386 EUR ergab. Bei Übernahme der Bürgschaften aus dem Jahr 1995 habe sich die GmbH noch nicht in der Krise befunden; dass die Bank diese Absicherung ihrer Kredite verlangt habe, sei üblich und spreche weder für eine Krise noch für einen Mangel der Gesellschaft an Eigenkapital. Eine Krisenbestimmung der Bürgschaften sei ebenfalls nicht feststellbar, zumal diese der Finanzierung größerer Projekte gedient hätten.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und ergänzt sein bisheriges Vorbringen wie folgt:

Bereits die beiden Bürgschaften vom 21. Januar und 3. Juli 1995 habe er in einer Krise der GmbH gewährt. Die „T-Bank” sei mit den Grundschulden von 8.300.000 DM und den abgetretenen Auszahlungsansprüchen aus dem Generalübernehmervertrag von 19.156.940 DM bei einem Kreditvolumen von 10.300.000 DM an sich mehr als 2,5fach abgesichert gewesen, habe aber dennoch – so auch die Bestätigung der „T-Bank” vom 9. Oktober 2009 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Klägers vom 4. Dezember 2009) – die Gewährung des Kredits von einer Übernahme der Bürgschaften abhängig gemacht. Dieses Verlangen zeige, dass die GmbH selbst jedenfalls aus Sicht der Bank nicht über ausreichende Sicherheiten verfügt habe, zumal die Forderungen aus dem Generalübernehmervertrag noch nicht fällig gewesen seien. Damit habe sich die GmbH schon damals in einer Krise befunden, nämlich in einer Situation, in der sie (ohne kapitalersetzende Maßnahmen der Gesellschafter) am Markt kreditunwürdig gewesen sei und in der ein „ordentlicher Kaufmann” Eigenkapital zugeführt hätte. Die im Jahr 1995 erfolgte Gewinnausschüttung von 440.000 DM stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Denn das Eigenkapitalersatzrecht gehe vom Grundsatz der Finanzierungsfreiheit aus; es stehe im Belieben der Gesellschafter, über das Stammkapital hinaus gehende Mittel zur Verfügung zu stellen und dies in Form entweder von Eigen- oder von Fremdkapital zu tun. Entscheide sich der Gesellschafter für die Überlassung als Kredit, komme es zu einer Unterkapitalisierung, die indes die Gläubiger nicht gefährden dürfe; i. R. der Finanzierungsfolgenverantwortung müsse das ausgereichte Kapital den Gläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung stehen. Die Eigenkapitalquote der GmbH habe schon 1994 bei nur 2,99 % gelegen und sei durch Ausschüttung des erfreulich hohen Jahresüberschusses 1994 (442.156 DM) im Streitjahr noch weiter gemindert worden (0,38 %). Zum Ausgleich hätten die Gesellschafter Bürgschaften hingegeben, die im Hinblick auf den Schutzzweck des § 32a GmbHG a. F. die Haftungsfolgen des Eigenkapitalrechts auslösten. Die Verursachung der Krise sei das haftungsbegründende Moment. Würde eine solche Verhaftung nicht eintreten, stünde der Gesellschafter, der sich nicht wie ein ordentlicher Kaufmann verhält, im Ergebnis besser da als ein Gesellschafter, der diesem Maßstab gerecht werde.

Jedenfalls aber seien die Bürgschaft krisenbestimmt und unter diesem Gesichtspunkt kapitalersetzend gewesen. Denn nach den Abreden in den Bürgschaftsverträgen seien die Bürgschaften nur mit Wirkung für die Zukunft kündbar gewesen, so dass die Absicherung gegriffen habe, sobald die Darlehen ausgezahlt oder auch nur zugesagt gewesen seien.

Darüber hinaus habe der Beklagte vorliegend zu Unrecht das Halbeinkünfteverfahren angewandt. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (Urteil vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2010, 220; Beschluss vom 18. März 2010 IX B 227/09, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2010, 1022) sei Erwerbsaufwand voll abzugsfähig, wenn dem Steuerpflichtigen nach der Umstellung auf das Halbeinkünfteverfahren keine nach § 3 Nr. 40 EStG hälftig steuerfreien Einnahmen zugeflossen seien, weil es dann an dem wirtschaftlichen Zusammenhang i. S. von § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG fehle. Das sei hier der Fall, weil die GmbH zuletzt im Jahr 1997 Gewinnausschüttungen vorgenommen habe. Der Auflösungsverlust betrage daher insgesamt 1.234.522 EUR (ursprüngliche Anschaffungskosten 127.823 EUR zzgl. Bürgschaften 1.100.000 EUR zzgl. Beratungskosten 6.699 EUR).

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 12. August 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2009 dergestalt zu ändern, dass ein Verlust nach § 17 EStG von 1.234.522 EUR berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verbleibt bei seiner bisherigen Auffassung. Bei Hingabe der Bürgschaften des Jahres 1995 habe sich die GmbH noch nicht in einer Krise befunden. Zwar sei die Gesellschaft stets mit einer dünnen Kapitaldecke ausgestattet gewesen und habe Projekte fremdfinanziert. Die Kreditunwürdigkeit der GmbH bzw. deren Krise sei indes erst durch die Totalabschöpfung der Gewinne – trotz Wissens um einen weiteren Kapitalbedarf zur Finanzierung von Bauvorhaben – herbeigeführt worden; ein fremder Dritter hätte nicht in dieser Weise gehandelt. Ob dies noch dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit entspreche und einen Abzug nach § 17 EStG rechtfertige, sei fraglich.

Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin „I”; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –); der Beklagte hat die im Jahr 1995 hingegebenen Bürgschaften des Klägers zu Unrecht nicht in die Berechnung des Auflösungsverlusts nach § 17 EStG einbezogen.

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört gemäß § 17 Abs. 1 und 4 EStG auch der Gewinn oder Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, an der der Steuerpflichtige wesentlich beteiligt war und deren Beteiligung er im Privatvermögen hielt. Auflösungsverlust ist der Betrag, um den die ursprünglichen sowie die nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung nebst Auflösungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.

Die Entstehung eines nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Verlustes aus der – hier mit Insolvenzeröffnung über das Vermögen der GmbH im Jahr 2004 erfolgten – Auflösung der Gesellschaft setzt voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden; dieser Zeitpunkt ist hier auf der Grundlage der zwischen den Beteiligten getroffenen tatsächlichen Verständigung für das Streitjahr anzunehmen. Wie die Beteiligten zutreffend übereinstimmend weiter annehmen, betrug der gemeine Wert des Vermögens der Gesellschaft bei Auflösung 0 EUR und sind hiervon ursprüngliche Anschaffungskosten des Klägers für die geleisteten Stammeinlagen von 127.823 EUR zzgl. Beratungs-(Auflösungs-)kosten von 6.699 EUR in Abzug zu bringen.

Darüber hinaus ist der Auflösungsverlust weiter zu mindern um – wovon im Grundsatz ebenfalls beide Beteiligten ausgehen – sog. nachträgliche Anschaffungskosten. Dazu gehören Aufwendungen des Gesellschafters aus der Inanspruchnahme von Bürgschaften, wenn die Rückgriffsforderung gegen die Gesellschaft wertlos ist und die Bürgschaften durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, d. h. nach zivilrechtlichen Grundsätzen eigenkapitalersetzenden Charakter haben. Das damit verbundene Haftungsrisiko rechtfertigt es, eigenkapitalersetzende Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters in der Frage der Anschaffungskosten i. S. von § 17 EStG den gesellschaftsrechtlichen Einlagen gleichzustellen. Diese Voraussetzung ist in der Regel erfüllt, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme bereits in der Krise war oder die Bürgschaft für den Fall einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft übernommen wurde und damit krisenbestimmt war (BFH-Urteil vom 26. Januar 1999 VIII R 32/96, BFH/NV 1999, 922). Den in der Krise übernommenen und den krisenbestimmten Bürgschaften stehen die sog. Finanzplanbürgschaften gleich, die vom Gesellschafter im Rahmen eines erkennbaren Finanzplans übernommen worden sind, sowie diejenigen Bürgschaften, die vor der Krise übernommen waren, aber bei Eintritt der Krise stehen gelassen werden (ständige Rechtsprechung, u. a. BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817). Diese Voraussetzungen nachträglicher Anschaffungskosten liegen hier vor.

Zwar waren die im Jahr 1995 gewährten Bürgschaften nicht krisenbestimmt. Eine krisenbestimmte Bürgschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass der Gesellschafter schon in einem vor der Krise liegenden Zeitpunkt mit bindender Wirkung gegenüber der GmbH erklärt, die Bürgschaft auch in der Krise stehen zu lassen, also auf deren ordentliche oder außerordentliche Kündigung verzichtet; dann beruht die Aufwendung des Gesellschafters nicht (erst) auf der (ggf. späteren) Krise der GmbH, sondern auf diesem Verzicht (BFH-Urteil vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348; Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 9. Oktober 1986 II ZR 58/86, Wertpapiermitteilungen –WM- 1987, 55). Das ist hier nicht der Fall. Zwar waren die Bürgschaften des Jahres 1995 lt. Vertrag mit der „T-Bank” „F-Stadt” nur für die Zukunft kündbar; indes ist der Kläger eine vergleichbare Bindung nicht gegenüber der GmbH eingegangen.

Es handelt sich auch nicht um sog. Finanzplanbürgschaften. Das hätte deren Einbeziehung in die Finanzplanung der Gesellschaft in der Weise vorausgesetzt, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung der Gesellschaft durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erreicht werden soll (sog. „finanzplanmäßige” Bürgschaft zur Finanzierung des Unternehmenszwecks). Eine derartige planmäßige Gesellschafterfinanzierung ergibt sich vorliegend bei Gesamtwürdigung des Gesellschaftsvertrages, der Bürgschaftsverträge und der sonstigen im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Verträge vorliegenden Umstände nicht (vgl. zu Darlehen: BFH-Urteil vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344).

Ein Klageerfolg rechtfertigt sich ebenso wenig unter dem Gesichtspunkt einer bei Eintritt der Krise stehen gelassenen Bürgschaft. In dieser Hinsicht hätte – was auch der Kläger nicht in Abrede stellt – lediglich ein Wert von 0 EUR berücksichtigt werden können, wie der Beklagte in der Einspruchsentscheidung zutreffend dargelegt hat (vgl. § 105 Abs. 5 FGO). Der Wert der Darlehensforderung zu diesem Zeitpunkt war nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihrer Werthaltigkeit zu schätzen; vorliegend hätte der Kläger bei einer Veräußerung der Rückgriffsforderung von einem fremden Dritten keinen Erlös erzielt (zu den Grundsätzen s. auch BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589 betr. Darlehen).

Indes hat das Klagebegehren einer Anerkennung nachträglicher Anschaffungskosten insofern Erfolg, als sich die GmbH im Zeitpunkt der Übernahme der beiden Bürgschaften vom 21. Januar und 3. Juli 1995 bereits in der Krise befand.

Die „Krise” ist im Eigenkapitalrecht der Zeitpunkt, in dem die Gesellschafter der Gesellschaft „als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten”, vgl. § 32a GmbHG. Eine Krise besteht – außer in dem hier für das Jahr der Bürgschaftsübernahme (1995) unstreitig nicht zu bejahenden Fall der Insolvenzreife der Kapitalgesellschaft – dann, wenn die Gesellschaft kreditunwürdig ist. Kreditunwürdigkeit liegt vor, wenn die Gesellschaft unter den bestehenden Verhältnissen von einem Dritten einen Kredit zu marktüblichen Verhältnissen nicht mehr erhalten hätte (BFH-Urteil vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348; BGH-Urteil vom 12. Juli 1999 II ZR 87/98, Der Betrieb – DB – 1999, 1894) bzw. die Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft so gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko der Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre, sondern Eigenkapital zugeführt hätte (BFH-Urteil vom 22. April 2008 IX R 75/06, BFH/NV 2008, 1994). Die tatrichterliche Würdigung zur Frage der Kreditunwürdigkeit ist unter Heranziehung der zivilrechtlichen Grundsätze aus der Sicht ex ante nach einem objektiven Maßstab zu prüfen (BFH-Urteil vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724). Die objektive Feststellungslast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Eigenkapitalersetzung trägt der Gesellschafter.

Nach diesen Grundsätzen war die Gesellschaft bei Bürgschaftserteilung am 21. Januar und 3. Juli 1995 kreditunwürdig i. S. von § 17 EStG, wie aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände unter Einbeziehung des Ergebnisses der Beweisaufnahme festgestellt werden kann.

Zwar hat die GmbH in jener Zeit – am 21. Februar und am 14. Juni 1995 – Kredite der „T-Bank” „F-Stadt” über 2.000.000 DM und 8.300.000 DM erhalten. Indes erfolgten die Darlehensgewährungen, wie die „T-Bank” mit Schreiben vom 9. Oktober 2009 bestätigt hat, nur unter der Voraussetzung der o. a. Bürgschaftsübernahmen durch den Kläger. Das Verlangen der persönlichen Sicherheiten von den beiden Gesellschaftern ist hier zur Überzeugung des Senats Ausdruck einer Krise der GmbH im Sinne der o. a. Rechtsprechung.

Die Anforderung von Bürgschaften kann auf verschiedenen Gründen beruhen. Eine derartige Absicherung von Darlehen entspricht einer verbreiteten Praxis im Bankgeschäft, so dass sie nicht ohne Weiteres Rückschlüsse auf die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft zulassen. Das gilt erst recht im Hinblick darauf, dass eine Bank oftmals weniger auf die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft als auf die Verwertbarkeit der Kreditsicherheit und damit auf ihre Ausfallsicherheit achten wird (Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 14. A., §§ 32a/b Rdn. 30). Entsprechend ist eine Gesellschaft nicht kreditunfähig, wenn sie selbst ausreichende Sicherheiten stellen kann, die Bank diese aber nur deswegen nicht akzeptiert, sondern persönliche Absicherung durch die Gesellschafter verlangt, weil das ihren allgemeinen Gepflogenheiten entspricht oder sie kein Vertrauen in die Sanierungsbemühungen der Geschäftsführung hat (BGH-Urteil vom 27. November 1989 II ZR 310/88, DB 1990, 319). Wird dagegen die Kreditsicherheit der Gesellschafter verlangt und gewährt, damit die Gesellschaft, die kein eigenes Sicherungsgut hat, überhaupt einen Kredit erhält, dann spricht das gegen ihre Kreditwürdigkeit. Ebenso kann der Fall zu beurteilen sein, dass der Gesellschafter zusätzliche Sicherheiten stellt, weil diejenigen der Gesellschaft allein dem Kreditgeber nicht ausreichen (Urteil des BGH vom 28. September 1987 II ZR 28/87, DB 1988, 38; Lutter/Hommelhoff a. a. O. Rdn. 31). Eine derartige Situation im letztgenannten Sinne lag hier im Jahr 1995 vor. Die Absicherung ihrer beiden Kredite durch die GmbH selbst (2 Mio. DM durch Abtretung der – nicht fälligen – Auszahlungsansprüche aus dem Generalübernehmervertrag von 19 Mio. DM; 8,3 Mio. DM durch Grundschulden über 8,3 Mio. DM) war aus Sicht der „T-Bank” nicht ausreichend, wie die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin „I” ergeben hat, die als Sachbearbeiterin der „T-Bank” bereits 1995 mit der Kreditvergabe an die GmbH befasst war und auch heute noch im Kreditwesen tätig ist.

Die Zeugin „I”, die sich auf die Ladung hin verschiedene Einzelheiten zu den Verhandlungen der GmbH mit der „T-Bank” nochmals in Erinnerung gerufen und daher trotz des Zeitablaufs (auch daten- und betragsmäßig) präzise und detaillierte Angaben machen konnte, hat überzeugend bekundet, dass im Jahr 1995 die beiden Bürgschaften des Klägers angefordert worden seien, weil die von der GmbH gewährten Sicherheiten nicht ausreichten, um die Risiken der Bank abzudecken. Die Zeugin hat den Bedarf zusätzlicher persönlicher Sicherheiten mit – kumulativ – der geringen Haftung der GmbH (Stammkapital damals 50.000 DM), der niedrigen Eigenkapitalquote der Gesellschaft, der Größenordnung der zu finanzierenden Projekte sowie der sich zusätzlich aus der Art und der Langwierigkeit der Bauvorhaben ergebenden Risikobehaftung begründet. Auf nochmaligen Vorhalt hat die Zeugin bekräftigt, dass das Bürgschaftsverlangen insbesondere auf die Art der zu finanzierenden Geschäfte – Bauentwicklungsprojekte in nicht unerheblicher Größenordnung –, aber auch auf die geringe Eigenkapitaldecke der GmbH zurückzuführen sei. Die aus den Bauprojekten resultierenden Risiken hat die Zeugin zudem für beide Kredite und dementsprechend für beide Bürgschaftsanforderungen des Jahres 1995 im Einzelnen plausibel dargelegt. Zum ersten der beiden betroffenen Kredite hat sie u. a. ausgeführt, dass die der „T-Bank” abgetretenen Auszahlungsansprüche aus dem Generalübernehmervertrag zwar mehr als 19 Mio. DM betragen, diesen aber laufende Baukosten von mehr als 20 Mio. DM gegenüber gestanden hätten; den sich – bei Berücksichtigung entsprechend dem Baufortschritt laufend vom Auftraggeber zu entrichtender Zahlungen an die GmbH – hieraus voraussichtlich ergebenden „Spitzenbetrag” von rund 2 Mio. DM habe die „T-Bank” zusätzlich durch die Gesellschafter persönlich absichern müssen, weil derartige Objekte regelmäßig risikobehaftet seien – wie der hier für das Objekt „B-Straße” von der GmbH letztlich erwirtschaftete Verlust von rund 2,6 Mio. DM bestätigt habe. Hinsichtlich des Kredits für das Projekt „L-Straße” hat die Zeugin ebenfalls nachvollziehbar erläutert, dass die seitens der GmbH gestellte Grundschuld als Sicherheit für den in gleicher Höhe gewährten Kredit (8,3 Mio. DM) nicht ausreichend war; die angeforderte Bürgschaft entsprach mit 3,3 Mio. DM der – von einem Gutachter im Auftrag der „T-Bank” ermittelten – Differenz zwischen dem Beleihungswert und dem Kaufpreis des Objekts. Zudem bargen auch hier die der Kalkulation der GmbH zugrunde gelegten Umstände – wie etwa der Zeitpunkt der Schlussabnahme sowie die Mietgarantien – besondere Risiken.

Damit steht aufgrund der Zeugenaussage fest, dass die GmbH die Darlehen ohne die Bürgschaften der Gesellschafter aus Gründen nicht hätte erhalten können, die in ihrem Bereich – nicht in dem Bereich der „T-Bank” – lagen. Maßgebend für das Bürgschaftsverlangen war nicht ein Begehren der „T-Bank” nach einer für sie besonders leicht verwertbaren und risikoarmen Sicherheit, sondern der Umstand, dass die seitens der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Sicherheiten das Risiko nicht ausreichend abzusichern vermochten. Die Rückzahlung der Bankdarlehen war derart risikobehaftet, dass ein ordentlicher Kaufmann in dieser Situation Eigenkapital zugeführt hätte, statt eine Bürgschaft zu gewähren. Zugleich hätte die Gesellschaft ohne eine Kreditgewährung die Bauentwicklungsprojekte nicht realisieren und damit letztlich ihren Geschäftsbetrieb nicht fortführen können.

Angesichts dieser Umstände ist den Anforderungen an eine Kreditunwürdigkeit i. S. des Kapitalersatzrechts bzw. i. S. von § 17 EStG ungeachtet dessen genügt, dass die Gesellschafter die Kredite ggf. nicht zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs persönlich hätten absichern müssen, wenn die Gesellschaft entweder Geschäfte anderer Art oder in geringerer Größenordnung betrieben hätte oder wenn sie mit einer höheren Eigenkapitaldecke ausgestattet gewesen wäre. Eine „Krise” der Gesellschaft stellt keinen nach vorgegebenen, absoluten Kriterien zu definierenden Zustand dar, sondern lässt sich nur bei Einbeziehung der Umstände des konkreten Finanzierungsanlasses beurteilen. Das gilt hier um so mehr, als – wie oben dargelegt – nicht nur Größenordnung und Art des abzusichernden Geschäfts, sondern daneben auch die Kapitalausstattung der GmbH maßgebend waren.

Auch der vom Beklagten angeführte Gesichtspunkt, dass der Kläger die Kreditwürdigkeit der GmbH durch eine unzureichende Ausstattung der GmbH mit Eigenkapital bzw. durch Gewinnabschöpfungen erst herbeigeführt habe, steht einem Klageerfolg nicht entgegen. Außerhalb der durch das Kapitalersatzrecht bewirkten Kapitalbindung einer von den Gesellschaftern geleisteten Finanzierungshilfe muss auch das Einkommensteuerrecht die Entscheidung der Gesellschafter respektieren, dass sie der Gesellschaft nicht Eigenkapital, sondern Fremdkapital zur Verfügung stellen wollen (zum Grundsatz der Finanzierungsfreiheit im Gesellschaftsrecht vgl. u.a. BGH-Urteil 13. Juli 1981 II ZR 256/79, BGHZ 81, 252, 257, DB 1981, 2066). Selbst wenn ein Gesellschafter sich insoweit „nicht ordnungsgemäß verhält” – indem er der Gesellschaft Eigenkapital entzieht –, darf er nicht besser gestellt sein als ein Gesellschafter, der eine Einlage leistet; in beiden Fällen tritt dessen Haftung ein – sei es in Höhe der Bürgschaft oder der Einlage. Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Gestaltung i. S. von § 42 der Abgabenordnung sind weder vom Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich – zumal der Kläger selbst hier mit Inanspruchnahme aus den Bürgschaften einen finanziellen Nachteil erlitten hat.

Der Auflösungsverlust i. S. von § 17 EStG ist somit unter Einbeziehung der Bürgschaften aus dem Jahr 1995 zu berücksichtigen; er beträgt unstreitig in seiner Gesamtsumme 1.234.522 EUR. Nur nachrichtlich – da bereits ein hälftiger Ansatz des Verlustes zu einer Steuerherabsetzung auf 0 EUR führen würde – merkt der Senat an, dass eine Kürzung auf die Hälfte nicht in Betracht kommt.

Der Abzug von Erwerbsaufwand (z.B. Betriebsvermögensminderungen, Anschaffungskosten oder Veräußerungskosten) im Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG ist jedenfalls dann nicht nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt hat. Dann fehlt es an einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen. Das entspricht dem Gesetzeszweck des Abzugsverbots, eine Doppelbegünstigung auszuschließen (BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl 2010, 220). Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden. Fallen keine Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nicht in Betracht und tritt die Bedingung für die lediglich hälftige Berücksichtigung der entsprechenden Aufwendungen nicht ein BFH-Urteil vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399). Nach den Grundwertungen des Halbeinkünfteverfahrens sollen Gewinne und Verluste gleich behandelt werden; das Gesetz fordert in § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG zunächst einen wirtschaftlichen Zusammenhang der dort aufgeführten Aufwendungen mit nach § 3 Nr. 40 EStG zum Teil steuerfreien Einnahmen; zwar ist unerheblich, in welchem Veranlagungszeitraum die Einnahmen anfallen (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG), sie müssen aber – wie das Gesetz explizit verlangt – „anfallen” (BFH-Beschluss vom 18. März 2010 IX B 227/09, DStR 2010, 639). Die Finanzverwaltung hat ihren sog. Nichtanwendungserlass zu dieser Rechtsprechung (BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010, BStBl I 2010, 181) zwischenzeitlich wieder aufgehoben (BMF-Schreiben vom 28. Juni 2010, juris).

Nach diesen Grundsätzen kann der Verlust vorliegend ungekürzt anerkannt werden, weil der Kläger unstreitig seit Geltung des Halbeinkünfteverfahrens keine ganz oder zum Teil steuerfreien Einnahmen aus der Beteiligung an der GmbH erhalten hat.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Frage, ob der Begriff der Krise im Bereich des § 17 EStG nach absoluten oder nach (auch) auf das zu finanzierende Geschäft abzust

VorschriftenEStG § 3 Nr. 40, EStG § 3c Abs. 2 Satz 1, EStG § 17 Abs. 1, EStG § 17 Abs. 4, GmbHG § 32a

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