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29.10.2010 · IWW-Abrufnummer 103454

Finanzgericht Köln: Urteil vom 09.09.2010 – 10 K 944/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FG Köln
v. 09.09.2010
10 K 944/06

Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen der Kläger für Räumlichkeiten in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder nur in Höhe von jeweils 1.250,- € (häusliches Arbeitszimmer) abzugsfähig sind.

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten.

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2002 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Produktmanager, die Ehefrau erzielte Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Des Weiteren erzielten die Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 20 Eigentumswohnungen, Häusern sowie Beteiligungen. Insgesamt geht es mehr als 50 Mietverhältnisse. Die geltend gemachten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in 2002 in Höhe von insgesamt -72.907,- € (Kläger) und - 58.368,- € (Klägerin) beinhalteten unter anderem Werbungskosten aus Verwaltungskosten in Höhe von 21.379,23 € (Bürokosten), die der Höhe nach unstreitig sind.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger erwarben zum 31. August 1997 zu je 50 % Miteigentumsanteil das Zweifamilienhaus „B ..., C”. Es handelt sich hierbei um ein auf einem Grundstück von 2291 m2 erbautes Zweifamilienhaus mit einer Gesamtwohnfläche von 395,80 m2. Die Wohnung im Kellergeschoss mit einer Größe von 42 m2 wurde ab 1999 an den Vater der Klägerin vermietet. Seit dessen Tod im August 2001 ist die Wohnung fremdvermietet. Die Hauptwohnung im Erd- und Obergeschoss wurde nach der Anschaffung durch die Kläger teilweise renoviert und neu geschnitten. Zwei Räume im Obergeschoss (früher Wohnzimmer und Büro des Obergeschosses) wurden durch eine auch schon teilweise bisher bestehende Zwischenwand von den übrigen Räumen des Obergeschosses (Schlafzimmer, Bad) getrennt. Diese jetzt abgetrennten Räume im Obergeschoss werden seit Fertigstellung der Baumaßnahmen durch die Kläger als Arbeitsräume für die Verwaltung der Mietobjekte genutzt. Für die Fläche der Hauptwohnung (ohne Büro) ermittelten die Kläger eine Größe von 265,20 m2 und für das Büro (mit dazu gehörigem Flurbereich und WC) eine Fläche von 88,4 m2.

Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2002 für dieses Büro Aufwendungen in Höhe von 21.379,23 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.

Der Beklagte behandelte demgegenüber die vorgenannten Räume als häusliches Arbeitszimmer und ließ die Kosten nur in Höhe von 2 x 1.250,- € (tatsächlich gewährte er nur 2 x 1.227,- €) als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung zum Abzug zu.

Den gegen den Einkommensteuerbescheid vom 4. November 2004 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 26. Januar 2006 als unbegründet zurück. Im Einspruchsverfahren hatte er aus anderen Gründen den Einkommensteuerbescheid mit Bescheid vom 23. Februar 2005 geändert. Zur Begründung der Zurückweisung führte der Beklagte im Wesentlichen aus:

Ein Arbeitszimmer sei in die häusliche Sphäre regelmäßig dann eingebunden, wenn es sich in einem Raum befinde, der zur privat genutzten Wohnung bzw. zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehöre. Diese innere Verbindung derartiger Arbeitsräume mit der privaten Wohnung sei dann anzunehmen, wenn die Räume z. B. unmittelbar an die private Wohnung angrenzten. Dies sei im Streitfall gegeben.

Mit der Klage tragen die Kläger vor:

Im Streitfall handele es sich nicht um einen häusliches Arbeitszimmer. Der Bürotrakt sei nur durch einen separaten Eingang und über ein separates Treppenhaus erreichbar. Die sogenannte feuerpolizeiliche Fluchttüre existiere tatsächlich nicht.

Der umfängliche Immobilienbestand könne nicht „vom Wohnzimmertisch aus” verwaltet werden. Zu so einer Verwaltung bedürfe es vielmehr eines funktional eingerichtete Immobilienbüros, das auch Arbeitsmöglichkeiten für die Hilfskräfte und einen Besprechungstisch für Besucher für die Verhandlung und Unterzeichnung von Mietverträgen biete. Insgesamt erfolge die Vermietungstätigkeit gegenüber ca. 80 verschiedenen Mietern.

Er, der Kläger, sei bei der Verwaltung des Immobilienbestands auf die Mitarbeit Dritter angewiesen, die das Immobilienbüro ebenfalls mitbenutzten bzw. mitbenutzt haben. So habe z. B. der Vater der Klägerin dort als Bauingenieur sein Fachwissen eingebracht, Objektdaten überprüft und die Objekte verwaltet. Ebenso habe der erwachsene Sohn langjährig Zahlungsströme verfolgt und Objekte verwaltet. Heute würden sie, die Kläger, nach dem Wegzug des Sohnes durch einen externen Angestellten bei diesen Tätigkeiten unterstützt.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids für 2002 vom 23. Februar 2005 und Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 26. Januar 2006 die Einkommensteuer 2002 mit der Maßgabe neu festzusetzen, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Kläger die vollen Bürokosten in Höhe von 21.379,23 € steuermindernd berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass es sich um ein häusliches Arbeitszimmer handele, da es sich im Obergeschoss um einen zusammenhängenden Wohnbereich handele, der lediglich durch das Schließen eines Durchgangs (mit oder ohne Fluchttüre) abgeteilt worden sei.

Wegen der Baupläne wird auf Bl. 52 – 54 und 58 – 60 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Im Rahmen einer Ortsbesichtigung durch den Berichterstatter am 29. April 2010 wurde Folgendes festgestellt (wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 29. April 2010 Bezug genommen):

Das Streitobjekt verfügt über drei Eingänge. Links geht es an der Hausseite zu der Souterrainwohnung, die unter anderem im Streitjahr fremdvermietet war. In der Mitte befindet sich der Eingang zu der eigengenutzten Wohnung der Kläger. Daran schließt sich eine Garage an. Neben der Garage ist dann der Eingang zu dem „Bürotrakt”. Wenn man dort die Haustür hinein geht, gibt es einen Treppenaufgang. Vor dem Treppenaufgang ist eine Öffnung, in der sich früher eine Tür befand, durch die man in den Wohnteil der Kläger gelangen konnte. Diese haben die Kläger unmittelbar nach dem Erwerb des Objektes mit einer festen Platte zugemacht. Die Platte ist genau angepasst und „verfugt”. Geht man die Treppe hoch, gibt es zwei große Räume, die zum Arbeiten genutzt werden. Eine Tür, die von einem der beiden Räume in den Wohnbereich der Kläger ging, wurde mit Dämmmaterial zugemacht. Derzeit gibt es deshalb keine direkte Verbindung zwischen dem „Bürotrakt” und dem Wohnbereich der Kläger. Der rechte Arbeitsraum hat einen Zugang zum Balkon. Die Balkontür ist von Außen nicht zu öffnen, das heißt sie kann nur von innen geöffnet werden. Der Balkon selber umfasst sowohl den Wohnbereich als auch den „Bürobereich”, das heißt, über den Balkon kann man zwischen dem Arbeitsbereich und dem Wohnbereich der Kläger hin und her wechseln. Vom Garten aus gibt es einen Zugang zum Keller. Aus dem Keller gibt es jedoch keinen Zugang zu den „Büroräumen”.

Ergänzend zu dem bisherigen Vorbringen hat der Kläger in diesem Termin ausgeführt, dass aufgrund der großen Anzahl von Mietobjekten regelmäßig Mietinteressenten bzw. Mieter zu ihnen nach Hause kämen, um dort Mietangelegenheiten zu besprechen bzw. Mietverträge abzuschließen. Diese würden jeweils in den Büroräumen empfangen. Insoweit wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 31. Mai 2010 Bezug genommen. Danach werden die Räumlichkeiten durchschnittlich einmal pro Woche von externen Besuchern frequentiert. Hierzu haben die Kläger Beweis angetreten. Nach Auffassung des Beklagten sind die in diesen Räumlichkeiten erfolgten Besprechungen mit Publikum (Handwerker, Mieter) bei einer durchschnittlichen Frequentierung von einmal wöchentlich noch als gelegentlich im Sinne der Rechtsprechung anzusehen. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte die Häufigkeit der Besuche fremder Personen im „Büro” mit Nichtwissen bestritten.



Gründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt daher die Kläger in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung.

Der Beklagte hat die der Höhe nach unstreitigen Aufwendungen für die Arbeitszimmer zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt. Bei den streitbefangenen Räumen handelt es sich um ein „außerhäusliches” Arbeitszimmer, dessen Kosten uneingeschränkt abzugsfähig sind.

Nach § 9 Abs. 1 S. 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG- sind Werbungskosten die Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die streitbefangenen Räumlichkeiten von den Klägern genutzt werden, um ihre Immobilien, aus denen sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG erzielen, zu verwalten. Damit sind die Aufwendungen durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung veranlasst und dem Grunde nach als Werbungskosten abzugsfähig. Da dies zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab.

Entgegen der Auffassung des Beklagten unterliegen die Aufwendungen der Höhe nach nicht der Abzugsbeschränkung gem. § 9 Abs. 5 i. V. m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG. Es handelt sich nicht um Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer.

Entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich zwar nicht um ein Büro, so dass § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG bereits dem Ansatz nach nicht anwendbar wäre. Ein Arbeitszimmer ist nach der Definition des Bundesfinanzhofs, der sich der erkennende Senat anschließt, ein Arbeitsraum, der seiner Funktion und Ausstattung nach der Erledigung der gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient. Das zentrale Möbelstück des jeweiligen Raumes ist der Schreibtisch. Darüber hinaus wird solch ein Raum regelmäßig mit Bücher- und Aktenschränken bzw. Regalen, Aktenbock und ähnlichen „Büromöbel” sowie mit Büchern, Aktenordnern, Schreibmaschinen bzw. Computern und ähnlichen Arbeitsmitteln ausgestattet (vgl. z. B. Bundesfinanzhof – BFH-, Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, BStBl 2003 II S. 185, 186; Schmidt/Heinicke, EStG 29. Auflage 2010 § 4, Rz. 591 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Damit ist die Ausstattung eines Arbeitszimmers im Regelfall mit desjenigen eines Büros identisch. Die Abgrenzung, wann es sich um ein Arbeitszimmer und wann es sich um ein Büro handelt, ist danach zu treffen, ob und in welchem Umfang Publikumsverkehr in den Räumen stattfindet und ob fremdes Personal in den Räumen tätig wird (vgl. BFH, a.a.O., Seite 187 unter 4.). Danach kann im Streitfall nicht von einem Büro ausgegangen werden. Zumindest im Streitjahr 2002 kamen nach den eigenen Angaben der Kläger durchschnittlich 1 mal pro Woche Mietinteressenten bzw. Handwerker in die Räume. Solch gelegentliche Besuche fremder Dritter mache aus einem Arbeitszimmer noch kein Büro. Außerdem war zumindest im Streitjahr kein fremdes Personal beschäftigt. Unter „fremd” versteht der Senat dabei Personen, die nicht zur Familie des Steuerpflichtigen gehören. Familienangehörige werden auch in die privaten Räume eines Steuerpflichtigen gelassen, so dass die Abgrenzung zwischen einem Arbeitszimmer und einem Büro nur danach getroffen werden kann, ob es sich um Personen handelt, die man normalerweise nicht in seine Privatsphäre lässt.

Die geltend gemachten Aufwendungen sind gleichwohl in voller Höhe abzugsfähig, da es sich nicht um ein „häusliches” Arbeitszimmer handelt.

Der Begriff des „häuslichen” Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zufolge erfasst die Abzugsbeschränkung das häusliche Büro, das heißt einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (vgl. zusammenfassend Urteil des erkennenden Senats vom 29. August 2007 10 K 839/04 mit Rechtsprechungsnachweisen, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 205). In die häusliches Sphäre eingebunden ist ein solches Arbeitszimmer regelmäßig nur, wenn es sich in einem Raum befindet, der zur privat genutzten Wohnung oder zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen einschließlich der Zubehörräume wie Abstell-, Keller- und Speicherräume gehört. Voraussetzung dafür ist, dass die für berufliche Zwecke genutzten Räumlichkeiten aufgrund der unmittelbaren räumlichen Nähe mit den privaten Räumen des Steuerpflichtigen als gemeinsame Wohneinheit verbunden sind ( Finanzgericht Baden Württemberg, Urteil vom 15. Mai 2009 10 K 3583/08, EFG 2010, 1114 mit Anmerkung Hoffmann, BFH-Aktenzeichen: VIII R 7/10). Die Häuslichkeit beruflich genutzter Räumlichkeiten bestimmt sich deshalb danach, ob sie sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als dem Wohnbereich und damit der privaten Lebenssphäre des Steuerpflichtigen zugehörig darstellen.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausführungen kommt der Senat im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um ein „häusliches” Arbeitszimmer handelt. Maßgeblich ist für den Senat dabei, dass die Räumlichkeiten nicht derart miteinander verbunden sind, dass man vom Arbeitszimmer in den Wohnteil und umgekehrt wechseln kann, ohne das Haus zu verlassen. Die Verbindung über den Balkon reicht nicht aus, da zumindest die zu den Arbeitsräumen führende Balkontür nicht von außen geöffnet werden kann.

Der Bundesfinanzhof hat zwar entschieden, dass sich ein „häusliches” Arbeitszimmer auch in einem Anbau zum Wohnhaus befinden kann, dass nicht direkt vom Wohnhaus aus zugänglich ist (Urteil vom 13. November 2002 VI R 164/00, BStBl II 2003, 350). Im Unterschied zu dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall kommt im Streitfall aber hinzu, dass sich in dem Gebäude eine fremdvermietete Wohnung befindet und die Kläger sich deshalb, um in den Arbeitsbereich zu kommen, aus ihrer Privatsphäre heraus begeben und in einen Raum eintreten müssen, der auch von fremden Personen genutzt wird.

Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird gem. § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem Beklagten übertragen. Die Beteiligten haben der Anwendung dieser Vorschrift nicht widersprochen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 FGO, 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Der Senat lässt gem. § 115 Abs. 2 FGO die Revision zu, und zwar sowohl wegen grundsätzlicher Bedeutung als auch wegen evtl. Abweichung von dem BFH-Urteil vom 13. November 2002 VI R 164/00.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG § 9 Abs. 5 EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG § 21

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