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27.10.2010 · IWW-Abrufnummer 103468

Oberlandesgericht Zweibrücken: Urteil vom 14.04.2010 – 1 U 183/09

Zur Frage, ob allein die Zustellung eines die Forderung des Versicherungsnehmers aus der Kapitallebensversicherung sowie die Nebenrechte auf Kündigung und Bestimmung des Bezugsberechtigten (vgl. § 13 Abs. 1 AVB) erfassenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine Änderung des widerruflichen Bezugsrechts eines Dritten bewirkt .


1 U 183/09
3 O 469/08
LG Frankenthal (Pfalz)
Verkündet am 14.04.2010
Pfälzisches OberlandesgerichtZweibrücken
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
A… AG, vertreten durch d. Vorstand …, …, …
- Beklagte , Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …, …, …
S… , vertreten durch d. Vorstand, …, …
- Streithelferin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …, …, …
gegen
R… S…, …, …
- Klägerin , Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …, …, …
wegen Auszahlung einer Kapitallebensversicherung
hat der 1. Zivilsenat des Pfälzischen OberlandesgerichtsZweibrücken durch die Vorsitzende Richterin am OberlandesgerichtMorgenroth, den Richter am OberlandesgerichtKlüber und den Richter am OberlandesgerichtDr. Kaiser
auf die mündliche Verhandlung vom 24.03.2010
für Recht erkannt:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 17. September 2009 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird dieses Urteil wie folgt geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an S…, …, … und A… S…, …, … je 77.309,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21. Oktober 2009 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III. Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz werden der Klägerin 11 % und der Beklagten 89 % auferlegt.
Die Kosten der Streithelferin hat die Klägerin zu 11% zu tragen; im Übrigen trägt die Streihelferin ihre Kosten selbst.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Auszahlung einer Kapitallebensversicherung in Höhe von 154.618,10 € (nebst Zinsen) an ihre Kinder C… und A… S….
1982 nahm der Ehemann der Klägerin P… S… bei der Beklagten eine Kapitallebensversicherung mit einer Laufzeit bis 1. Januar 2008. 1999 setzte er die gemeinsamen Kinder A… und C… S… zu gleichen Teilen als Bezugsberechtigte ein. Das zunächst unwiderrufliche Bezugsrecht änderte der Versicherungsnehmer 2004 mit Zustimmung der (inzwischen volljährigen) Kinder A… und C… in ein widerrufliches Bezugsrecht.
Die Streithelferin erwirkte am 29. November 2007 wegen einer Hauptforderung von 179.000,00 € gemäß ihrem hauseigenen Antragsvordruck einen - am 10. Dezember 2007 zugestellten - Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, nach dem der Anspruch des Versicherungsnehmers P… S… aus der Lebensversicherung gepfändet und die gepfändeten Beträge auf ein angegebenes Konto überwiesen werden sollen. In einer Anlage zum Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen "Pfändung einer Lebensversicherung", die dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 22. November 2007 auch beigefügt ist, heißt es weiter:
"Gepfändet sind, solange bis der Gläubigeranspruch gedeckt ist, die Ansprüche und Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin
- auf Auszahlung der Versicherungssumme ...
- auf Widerruf der Bezugsberechtigung oder zur Benennung eines anderen Bezugs-
berechtigten anstelle der bisherigen Bezugsberechtigten,
- auf Kündigung des oder der Versicherungsverträge, - ..."
Am 11. Dezember 2007 gab die Beklagte gegenüber der Streithelferin eine Drittschuldnererklärung ab. Das Bezugsrecht der Kinder des Versicherungsnehmers erwähnte sie nicht.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2007 focht der Versicherungsnehmer die 2004 erfolgte Umwandlung des unwiderruflichen Bezugsrechts an. Gleichzeitig verlangte er die Auszahlung der Kapitallebensversicherung an die Klägerin, der er - was streitig ist - im Sommer 2007 in einem ihm vom Versicherungsvertreter der Beklagten S… übergebenen Formular "das Bezugsrecht abgetreten" haben soll. Nachdem die Streithelferin mit Schreiben vom 10. Januar 2008 von der Beklagten gleichfalls die Auszahlung der Kapitalversicherung begehrte, stellte die Beklagte in ihrem Schreiben vom 14. Januar 2008 zunächst die Hinterlegung des Betrages in Aussicht. Im April 2008 zahlte sie die Summe an die Streithelferin aus.
Die Klägerin, die von den Kindern C… und A… zur Geltendmachung der Ansprüche auf Auszahlung der Kapitallebensversicherung an sie, die Kinder, ermächtigt worden ist, hat vorgetragen, die Ansprüche der Bezugsberechtigten auf Auszahlung bestünden trotz der Auszahlung der Summe an die Streithelferin fort. Sie hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an C… S… und A… S… 154.618,10 € nebst
ZInsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Januar
2008 zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 154.618,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Januar 2008 zu zahlen.
Die Beklagte, die der Ansicht ist, sie habe leistungsbefreiend an die Streithelferin gezahlt, hat Klageabweisung beantragt. Dem hat sich ihre Streithelferin angeschlossen.
Der Einzelrichter der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) hat durch Urteil vom 17. September 2009 dahin erkannt, dass die Beklagte an C… und A… S… 154.618,10 € Zug um Zug gegen Einreichung des Versicherungsscheins für die Lebensversicherung zu zahlen hat. Die weitergehende Klage hat er abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat er ausgeführt, C… und A… S… seien zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls bezugsberechtigt gewesen. Die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses habe daran nichts geändert, weil die Bezugsberechtigung von A… und C… S… damit nicht widerrufen worden sei (OLG Dresden, OLG-Recht, Dresden 2007, 773). Von der Beklagten zitierte Gegenmeinungen in Rechtsprechung und Literatur beträfen andere Sachverhalte.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Tatbestand und Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Nach Abschluss des Rechtsstreits in erster Instanz stellte die Klägerin der Beklagten am 21. Oktober 2009 den Versicherungsschein zu.
Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte weiterhin die (vollständige) Abweisung der Klage. Die Klägerin will mit der Anschlussberufung den Wegfall der Zug-um-Zug-Verurteilung und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 154.618,10 € seit 1. Januar 2008 erreichen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Anschlussberufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.
1. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag beurteilen sich nach dem Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 in Kraft gewesenen Fassung (vgl. Art. 1 Abs. 1 EGVVG).
2. Der Erstrichter hat einen Anspruch der Klägerin auf Auszahlung der Kapitallebensversicherung in Höhe von 154.618,10 € an deren Kinder C… und A… S… als die im Versicherungsvertrag bestimmten Bezugsberechtigten zu Recht bejaht. Klarstellend ist lediglich zu ergänzen, dass die Bezugsberechtigten keine Gesamtgläubiger sind sondern das Bezugsrecht ihnen zu gleichen Teilen zusteht, und zwar als Einzelgläubiger nach Kopfteilen (vgl. § 167 Abs. 1 1. Halbs.VVG; BGHZ 13, 226/240; VersR 1981, 372).
Die Berufung der Beklagten führt zu keiner anderen Beurteilung.
a) Ein eigenes (unwiderrufliches) Bezugsrecht hat die Klägerin nicht bewiesen. Sie hat zwar behauptet, Anfang/Mitte September 2007 habe ein unwiderrufliches Bezugsrecht zu ihren Gunsten eingerichtet werden sollen. Dem Einwand der Beklagten, eine derartige Willenserklärung sei ihr, der Beklagten, nicht zugegangen - mit der Folge, dass sie keine Wirksamkeit erlangen konnte (vgl. § 12 Abs. 1 AVB), ist die Klägerin nicht (mehr) erheblich entgegengetreten. Sie hat vielmehr mit der Behauptung, der Hauptvertreter der Beklagten habe bei der Übermittlung des Antrags auf Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts zu ihren Gunsten wohl einen Fehler gemacht, einen (hilfsweise geltend gemachten) Schadensersatzanspruch begründet.
b) Danach kommt es für den Hauptantrag der Klägerin auf Auszahlung des Lebensversicherungskapitals von 154.618,10 € an C… und A… S… darauf an, ob deren 1999 begründetes, seit 2004 widerrufliches Bezugsrecht zum Zeitpunkt des Vertragsablaufs am 1. Januar 2008 bestanden hat oder ob es durch den von der Streithelferin erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 29. November 2007 widerrufen worden ist. Weitere Einwirkungen auf das widerrufliche Bezugsrecht sind weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich. Die vom Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 17. Dezember 2007 erklärte Anfechtung der im Jahre 2004 erfolgten "Umwandlung des widerruflichen Bezugsrechts in ein widerrufliches Bezugsrecht wegen Erklärungsirrtums" ist schon wegen offensichtlicher Verspätung unbeachtlich. Nach § 121 Abs. 1 BGB hätte die Anfechtung der Erklärung aus 2004 "ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich)" erfolgen müssen. Das ist nicht geschehen. Eine plausible Begründung der Klägerin dafür, warum dem Versicherungsnehmer die Anfechtung wegen Erklärungsirrtums ohne Verschulden erst Ende 2007 möglich gewesen sein soll, fehlt.
Ob allein die Zustellung eines die Forderung des Versicherungsnehmers aus der Kapitallebensversicherung sowie die Nebenrechte auf Kündigung und Bestimmung des Bezugsberechtigten (vgl. § 13 Abs. 1 AVB) erfassenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine Änderung des widerruflichen Bezugsrechts eines Dritten bewirkt oder ob der Gläubiger nach Pfändung und Überweisung eine solche Erklärung gesondert gegenüber dem Lebensversicherer abgeben muss, ist umstritten (vgl. einerseits das Urteil des OLG Köln vom 01.10.2001, VersR 2002, 1544, auf das sich die Beklagte stützt, und andererseits das Urteil des OLG Dresden vom 22. Februar 2007, OLGR Dresden 2007, 773, dem sich der Erstrichter angeschlossen hat). MIt dem Erstrichter ist der Senat der Auffassung, dass vorliegend allein die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 29. November 2007 eine Änderung des widerruflichen Bezugsrechts von C… und A… S… nicht bewirkt hat. Da bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages am 1. Januar 2008 kein Widerruf erfolgt ist, steht die Versicherungsleistung den bezugsberechtigten Abkömmlingen des Versicherungsnehmers, A… und C… zu gleichen Teilen zu, ohne durch das Pfandrecht beschränkt zu sein (vgl. RGZ 127, 269; Benkel/Hirschberg, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung, § 13 ALB, Rn. 250; Hasse, VersR 2005, 15).
aa) Der Hinweis der Beklagten, der Erstrichter habe entgegen der "herrschenden Meinung (Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 13 ALB 86, Rn. 14; Benkel/Hirschberg, § 13 ALB Rn. 14; Heilmann VersR 1972, 997, 100; Schwintowski, Berliner Kommentar zum VVG,
§ 166 Rdn. 36; OLG Köln VersR 2002, 1544)_ entschieden, trifft nicht zu.
Dem Urteil des OLG Köln vom 1. Oktober 2001 (VersR 2002, 1544), wonach im Rahmen einer Zwangsvollstreckung des Finanzamts nach § 309 ff AO die Einziehungsverfügung als Widerruf des Bezugsrecht aufgefasst werden müsse, steht das Urteil des OLG Dresden vom 22. Februar 2007 (OLGR Dresden 2007, 773) gegenüber, wonach allein die Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in der Einzelzwangsvollstreckung in Ansprüche aus einer Lebensversicherung den Widerruf der Bezugsberechtigung nicht entbehrlich macht. Die von der Beklagten für sich in Anspruch genommene Kommentierung in Benkel/Hirschberg, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung, spricht eher für die (gegenteilige) Auffassung des Landgerichts. Dort heißt es zu § 13 ALB unter Rn. 38 (unter Bezugnahme auf RGZ 127, 269, 271; 153, 220, 225), dass die Pfändung und Überweisung für sich allein noch nicht das Erlöschen des widerruflichen Bezugsrecht bewirke. Die von der Beklagten genannte Fundstelle "§ 13 ALB, Rn. 14" verhält sich dazu nicht. Auch Schwintowski in BK, § 166, spricht dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss insoweit keien Regelwirkung zu, sondern meint, es sei im Einzelfall zu erforschen, wohin der Wille der Parteien gehe (vgl. Rn. 36 und 27; ähnlich Ortmann in Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum neuen Versicherungsvertragsrecht, § 159, VVG, Rn. 68). Teslau in van Büren, Handbuch Versicherungsrecht (Anwaltspraxis), 3. Aufl., macht in auch textlich hervorgehobener Weise deutlich, dass mit Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses "nach herrschender Meinung nicht zugleich der Widerruf eventuell bestehender Bezugsrechte bewirkt" wird (§ 14, Rn. 442 m.w.N.).
bb) Der von der Streithelferin erwirkte Pfändungs-und Überweisungsbeschluss vom 29. November 2007 enthält einen Widerruf der Bezugsberechtigung der Abkömmlinge des Versicherungsnehmers A… und C… nicht.
(1) Soweit die Beklagte auf eine nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. das von ihr dazu zitierte Urteil des BGH vom 21. Mai 2008 - IV ZR 238/06 = VersR 2008, 1054 und juris) vorzunehmende interessengerechte Auslegung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlussesabhebt, nimmt sie nicht genügend in den Blick, dass die Ausführungen des BGH im Urteil vom 21. Mai 2008 aaO die Auslegung eines anwaltlichen Schreibens betrafen, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aber ein staatlicher Hoheitsakt ist (vgl. z. B. BGH VersR 2002, 334). Für dessen Auslegung ist allein der objektive Inhalt des Beschlusses maßgeblich, aus dem sich für die Beteiligten, aber auch für Dritte (z. B. andere Gläubiger) dessen Reichweite klar ergeben muss (vgl. BGHZ 86, 337; MDR 1978, 839; NJW 1983, 1273; NJW 1988, 845; NJW 2000, 1268 und VersR 2002, 334). Auf die bei der Auslegung von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen nach § 133 BGB einzubeziehende besondere Interessenlage des Erklärenden, wie sie sich gerade dem Empfänger einer Erklärung darstellt, kommt es bei der Auslegung des hoheitlichen Aktes nach seinem objektiven Inhalt nicht maßgeblich an. Somit ist vorliegend auch nicht erheblich, ob gerade die Beklagte den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als Widerruf der Bezugsberechtigung der Abkömmlinge des Versicherungsnehmers gedeutet und es deswegen unterlassen hat, in ihrer Drittschuldnererklärung vom 11. Dezember 2007 das Kästchen zu Ziffer 11 des Formulartextes, der ein widerrufliches Bezugsrecht betrifft, nicht anzukreuzen.
(2) Danach kann dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 29. November 2007 keine darüber hinausgehende rechtsgeschäftliche Erklärung des Streithelferin beigegeben werden, sie wolle das mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erhaltene Recht auf Widerruf der Bezugsberechtigung sogleich ausüben. Dem objektiven Inhalt des Beschlusses ist eine solche Erklärung nicht zu entnehmen. Die auf Antragsvordrucken der Streithelferin ergangene Entscheidung bestimmt in ihrer Anlage zu "Pfändung einer Lebensversicherung" ausdrücklich nur die Pfändung der Rechte auf Widerruf der Bezugsberechtigung und auf Kündigung der Verischerungsverträge; von der gleichzeitigen Ausübung eines dieser Rechte ist nicht die Rede.
Die Erwägung der Beklagten, dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss liege ein Antrag der Streithelferin zugrunde, stellt den hoheitlichen Charakter des Beschlusses und der Grundsätze, nach denen er auszulegen ist, nicht in Frage. Der Antrag ist lediglich der Anlass für den Hoheitsakt, der daraufhin ergeht, für sich selber steht und wirkt. Durch diesen Hoheitsakt hat die Streithelferin die Rechte und Möglichkeiten aus dem Versicherungsvertrag übertragen bekommen. Was sie daraus machte, blieb ihr überlassen. Die dafür notwendigen Erklärungen sind durch den Hoheitsakt nicht ersetzt worden.
Mithin hätte die Streithelferin in einer gesonderten Willenserklärung gegenüber dem Versicherer deutlich machen müssen, wie sie mit den von der Pfändung mitumfassten Nebenrechten des Vertrags wie Bestimmung des Bezugsberechtigten und Kündigung verfahren will. Das hat sie bis zum Vertragsablauf am 1. Januar 2008 nicht getan.
3. Die Anschlussberufung der Klägerin hat zum Teil Erfolg.
a) Der Zug-um-Zug-Verurteilung durch den Erstrichter hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 30. Juli 2009 die prozessuale Grundlage gefehlt. Für eine Zug-um-Zug-Verurteilung ist zwar keine formelle Antragstellung der Beklagten erforderlich gewesen; vielmehr hätte ausgereicht, wenn sie einen uneingeschränkten Klageabweisungsantrag gestellt und ihren Willen eindeutig zum Ausdruck gebracht hätte, die eigene Leistung im Hinblick auf das Ausbleiben der Gegenleistung zurückzuhalten (BGHZ 168, 64; WM 2008, 1758; Urteil vom
8. Dezember 2009, XI ZR 183/08, juris Rn. 51). Das hat die Beklagte aber nicht getan. Sie hat die Auszahlung der von der Klägerin begehrten Versicherungssumme nicht wegen der Nichtvorlage des Versicherungsscheins verweigert, sondern der Klägerin sowie C… und A… S… die Bezugsberechtigung abgesprochen und die Leistung an die Streithelferin ausgezahlt.
Der Hinweis des Erstrichters im Termin vom 30. Juli 2009 auf den Versicherungsschein und das Zurückbehaltungsrecht kann die Geltendmachung der Einrede durch die Beklagte als Voraussetzung für die Zug-um-Zug-Verurteilung nicht ersetzen. In ihrer Stellungnahme zu den Hinweisen des Erstrichters hat die Beklagte auf der Grundlage ihrer bisherigen Rechtsverteidigung weiterhin einen Anspruch der Klägerin dem Grunde nach in Abrede gestellt und nicht zu erkennen gegeben, dass sie zumindest hilfsweise die Auszahlung der Versicherungssumme von der Überlassung des Versicherungsscheins abhängig mache.
Mit der unstreitigen Zustellung des Versicherungsscheins an die Beklagte am 21. Oktober 2009 ist das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen Nichtvorlage des Versicherungsscheins entfallen.
b) Ab Zustellung des Versicherungsscheins hat die Klägerin Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen. Der darüber hinausgehende Zinsanspruch für die Zeit ab 1. Januar 2008 ist dagegen unbegründet. Die Leistungspflicht der Beklagten setzt grundsätzlich die Übergabe des Versicherungsscheins voraus (vgl. § 9 Abs. 1 ALB; z. B. Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., ALB 86 § 9 Rn. 1). Ohne Übergabe des Versicherungsscheins gerät die Beklagte in der Regel nicht in Verzug. Dass hier unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben etwas anderes gelten müsste, steht nicht fest. Der Hinweis der Klägerin auf die Auszahlung der Versicherungssumme an die Streithelferin ohne Vorlage des Versicherungsscheins reicht dafür nicht aus. Das Verhältnis zwischen der Klägerin und der Streithelferin ist durch den Pfändungs_ und Überweisungsbeschluss als öffentlicher Urkunde bestimmt. Außerdem kann die Klägerin aus dem Verhalten der Beklagten in dem dadurch geprägten Einzelfall nicht aus § 242 BGB herleiten, dass für den streitgegenständlichen Anspruch auf Auszahlung der Versichungsleistung der Verzug des Beklagten ohne Überlassung des Versicherungsscheins eintrete.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO (zur Berücksichtigung des Teilunterliegens mit einer Nebenforderung vgl. z. B.: Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 92, Rn. 3 m.w.N.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Die Revision wird zugelassen, weil die Beantwortung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob mit der Zustellung eines - auf verbreiteten Antragsformularen wie den Streitgegenständlichen beruhenden - Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, der Ansprüche des Schuldners aus einem Lebensversicherungsvertrag betrifft, grundsätzlich der Widerruf der Bezugsberechtigung eines Dritten verbunden ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

RechtsgebieteVVG, AVB, ALB, EGVVGVorschriften§ 167 Abs. 1 Hs. 1 VVG § 13 Abs. 1 AVB § 9 Abs. 1 ALB § 13 ALB Art. 1 Abs. 1 EGVVG

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