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12.10.2010 · IWW-Abrufnummer 103015

Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 17.08.2010 – 1 SsBs 97/10

Dem tatrichterlichen Urteil muss auch im Bußgeldverfahren i.d.R. zu entnehmen, sein auf welcher Grundlage der Tatrichter zu der Überzeugung gelangt ist, der Betroffene habe den ihm zur Last gelegten Verkehrsverstoß begangen.



Die Hinweis auf die „in der Akte befindlichen Lichtbilder" ist keine i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO ausreichende Bezugnahme auf ein Lichtbild.


1 SsBs 97/10
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ
Beschluss
In der Bußgeldsache gegen pp.
wegen Fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
hier: Rechtsbeschwerde des Betroffenen
hat der 1. Strafsenat — Senat für Bußgeldsachen r— des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Richter am Landgericht am 17.08.2010 beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 11. Mai 2010 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zu erneuter Entscheidung — auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde — an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Koblenz zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Mit Bußgeldbescheid der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz vom 3. August 2009 wurde gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 53 km/h eine Geldbuße von 240 Euro festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.
Auf den hiergegen rechtzeitig eingelegten Einspruch des Betroffenen setzte das Amtsgericht Koblenz mit Urteil vom 11. Mai 2010 eine Geldbuße in Höhe von 240 Euro wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 53 km/h fest und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat an.
Gegen das Urteil legte der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsanwalt vom 18. Mai 2010 Rechtsbeschwerde ein. Nach der Zustellung des Urteils, die am 23. Juni 2010 an den Verteidiger Rechtsanwalt erfolgte, begründete der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsanwalt Frese vom 22. Juli 2010 die Rechtsbeschwerde. Er erhebt eine Verfahrensrüge und rügt außerdem die Verletzung materiellen Rechts sowohl im Schuldspruch als auch im Rechtsfolgenausspruch.
II.
Das gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsmittel, das rechtzeitig eingelegt und auch form- und fristgerecht begründet worden ist, hat in der Sache zumindest vorläufigen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Sache an das Amtsgericht. Eines Eingehens auf die erhobene Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
1. Das angefochtene Urteil leidet an einem wesentlichen Darstellungsmangel, der eine rechtliche Überprüfung des Sachverhalts nicht erlaubt. Es ist für das Rechtsbeschwerdegericht nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage das Amtsgericht zu der Überzeugung gelangt ist, der Betroffene habe den ihm zur Last gelegten Verkehrsverstoß begangen. Das Amtsgericht führt hierzu in seinem Urteil aus:
„Zur Überzeugung des Gerichts steht sicher fest, dass der Betroffene vorliegend die zu- lässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 53 km/h am 04.05.2009 gegen 10:06 Uhr auf der A61, Gemarkung Winningen in Fahrtrichtung Ludwigshafen überschritten hat. Diese Feststellung beruht auf den Bekundungen des Zeugen Stein, der in der Hauptverhandlung vom 11.05.2010 gehört worden ist, dem Messprotokoll der Messung vom 04.052009 nebst der dazugehörigen Skizze, dem Bußgeldbescheid vom 03.08.2009 sowie den in der Akte befindlichen Lichtbildern."
a) Demnach hat das Amtsgericht seine Überzeugung nicht auf eine Einlassung des Betroffenen gestützt, in welcher er seine Fahrereigenschaft eingeräumt hätte. Es lässt sich dem Urteil auch nicht in anderer Weise entnehmen, dass es eine solche Einlassung des Betroffenen gab. Im Rahmen der Feststellungen zur Sache führt das Amtsgericht zu der Einlassung des Betroffenen lediglich aus: „[..] Der Betroffene hat die Ordnungsgemäßheit der Messung bestritten." Dabei bleibt jedoch offen, ob es sich um eine Teileinlassung des Betroffenen handelt, die als Beweisanzeichen im Rahmen der Beweiswürdigung verwertet werden kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 261 Rn. 17 m.w.N.), oder ob sich der Betroffene auch zu der Fahrereigenschaft eingelassen hat, dieses aber keinen Niederschlag in den schriftlichen Urteilsgründen gefunden hat. Zwar ergibt sich aus der Verfahrensvorschrift des § 267 Abs. 1 StPO nicht, dass das Gericht in jedem Fall verpflichtet ist, eine Beweiswürdigung im Urteil wiederzugeben, in der die Einlassung des Betroffenen mitgeteilt und diese Einlassung unter Bewertung der sonstigen Beweismittel gewürdigt wird. Doch ist eine entsprechende Erörterung und Würdigung dann notwendig, wenn das Rechtsbeschwerdegericht nur auf dieser Grundlage nachprüfen kann, ob das materielle Recht richtig angewendet worden ist. Gänzlich entbehrlich ist die Wiedergabe und Auseinandersetzung mit der Einlassung grundsätzlich nur in seltenen Ausnahmefällen, die sachlich und rechtlich einfach gelagert und von geringer Bedeutung sind (OLG Koblenz, Beschluss vom 5. Juli 2007, 2 Ss 114/07 m.w.N.). Ein Fall von geringer Bedeutung liegt hier schon deshalb nicht vor, da neben einer nicht unbeträchtlichen Geldbuße von 240 Euro auch ein Fahrverbot von einem Monat gegen den Betroffenen verhängt wurde. Demnach hätte es einer knappen Darlegung der Einlassung des Betroffenen und einer Auseinandersetzung mit derselben bedurft, falls darauf die Überzeugung des Amtsgerichts beruht, der Betroffene habe den Verkehrsverstoß begangen.
b. Auch der Hinweis auf die „in der Akte befindlichen Lichtbilder" reicht nicht aus, um eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht zu ermöglichen. Die Urteils- gründe entsprechen insoweit nicht den Anforderungen, die an die Darlegung der Beweiswürdigung zur Identifizierung des Betroffenen anhand der bei Verkehrsüberwachungsmaßnahmen gefertigten Beweisfotos zu stellen sind. Danach müssen die Urteilsgründe dem Rechtsbeschwerdegericht die Möglichkeit zur Prüfung der Geeignetheit des Fotos zur Identifizierung des Betroffenen eröffnen. Dies kann in der Weise geschehen, dass auf das bei den Akten befindliche Foto vom Tatrichter in den Urteilsgründen gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug genommen wird. Eine zusätzliche Beschreibung einzelner ldentifizierungsmerkmale ist dann entbehrlich. Die Bezugnahme muss jedoch deutlich und zweifelsfrei sein, den Ausführungen muss eindeutig zu entnehmen sein, dass das Foto zum Bestandteil der Urteilsgründe gemacht werden soll. Das Rechtsbeschwerdegericht kann dann das Foto aus eigener Anschauung würdigen und beurteilen, ob es als Grundlage der Identifizierung geeignet ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03.01.2008, 3 Ss OWi 822/07, abgedruckt in zfs 2008, 294). An einer solchen Verweisung auf das bei den Akten befindliche Lichtbild von dem Messvorgang fehlt es hier. Die Erwähnung der „in der Akte befindlichen Lichtbilder" nimmt nicht auf ein bestimmtes Foto Bezug, anhand dessen das Amtsgericht die Identifizierung vorgenommen haben könnte. Im Übrigen handelt es sich lediglich um die Beschreibung des Beweiserhebungsvorgangs, aufgrund dessen sich das Amtsgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen möglicherweise gebildet hat (vgl. OLG Hamm a.a.O.).
Fehlt eine Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWG, muss der Tatrichter durch eine ausführliche Beschreibung der Bildqualität und der charakteristischen ldentifizierungsmerkmale der abgebildeten Person dem Rechtsbeschwerdegericht in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglichen, dass dieses zur Identifizierung geeignet ist. Ausnahmsweise sind Ausführungen zur Bildqualität dann entbehrlich, wenn sich aus der ins Einzelne gehenden Beschreibung der individuellen Merkmale des Betroffenen zwanglos ergibt, dass die in Augenschein genommenen Lichtbilder zur Identifizierung geeignet sind (vgl. OLG Hamm a.a.O. m.w.N.). Eine Beschreibung der Lichtbilder; anhand derer das Amtsgericht die Identifizierung des Betroffenen vorgenommen haben könnte, findet sich in dem Urteil aber nicht.
c. Die weiteren Beweismittel, auf denen die getroffenen Feststellungen laut der Urteilsgründe beruhen, sind allesamt nicht dazu geeignet, eine Identifizierung des Betroffenen als Täter des Verkehrsverstoßes herbeizuführen.
Wegen des bestehenden Darstellungsmangels kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Eine eigene Sachentscheidung des Senats gemäß § 79 Abs. 6 OWiG kommt nicht in Betracht, da noch weitere tatsächliche Feststellungen getroffen werden müssen. Daher war der Beschluss in vollem Umfang aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.

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