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06.10.2010 · IWW-Abrufnummer 103250

Landessozialgericht Hamburg: Urteil vom 17.03.2010 – L 2 KA 37/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


LSG-Az.: L 2 KA 37/07
SG-Az.: S 3 KA 499/06
Landessozialgericht Hamburg
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Senat des Landessozialgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2010 durch
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. September 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am XX.XXXXXXXXX 1951 geborene Kläger ist seit dem 1. Mai 1985 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er hat seinen Praxis-Sitz in Hamburg-P. .
Aufgrund einer Strafanzeige mehrerer gesetzlicher Krankenkassen aus Niedersachsen leitete die Staatsanwaltschaft Duisburg (142 Js 251/01) im September 2001 ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges gegen Verantwortliche der Firma G. in M. und weitere Dentalhandelsgesellschaften ein. Nach den Feststellungen der Krankenkassen bot die Firma G. über Außendienstmitarbeiter Vertragszahnärzten im Rahmen eines so genannten Komfortangebots an, für sie Zahnersatz in zahntechnischen Laboren in China oder Hongkong zu den dortigen Preisen herstellen zu lassen und diesen alsdann zu den in Deutschland erstattungsfähigen Höchstpreisen nach dem Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnis weiterzuverkaufen, die erheblich über den Einstandspreisen lagen, eine entsprechende Rechnung zu erteilen und schlussendlich 20 % des in Rechnung gestellten Preises in bar als so genanntes "Kick-back" an die Zahnärzte zurückzuvergüten. Das hierfür erforderliche Bargeld werde durch einen Kurier aus dem Ausland geholt und dann auf dem Postwege an die an dem Handel teilnehmenden Vertragszahnärzte verteilt. Eines ähnlichen Systems bedienten sich andere Dentalhandelsgesellschaften. Durch einen Bericht des Fernsehmagazins F. am 19. November 2002 ("Falsche Zähne – Enthüllung eines gigantischen Abrechnungsbetrugs") wurde die Öffentlichkeit über den Vorgang informiert. Im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden am 20. November 2002 auch die Geschäftsräume der Firma G. durchsucht. Dabei wurden Unterlagen sichergestellt, die auf eine Verstrickung des Klägers hindeuteten. Im sich anschließenden Strafverfahren gab einer der beschuldigten Verantwortlichen der Firma G. an, dass etwa 1000 Zahnärzte bundesweit zu den Kunden der Firma zählten und der Kläger zu den etwa 150 Zahnärzten gehöre, die "Kick-back" Zahlungen erhalten hätten, und zwar bis zu einer Auftragssumme von 5112,00 € 20 % und darüber 25 %. Insgesamt seien im Zeitraum Mai 2000 – Oktober 2002 an den Kläger Zahlungen in Höhe von 32.907,68 € erfolgt. Daraufhin wurde bundesweit gegen 429 Zahnärzte in ca. 4.000 Behandlungsfällen ermittelt. Von den Ermittlungen betroffen war auch der Kläger. Die Auswertung der u.a. bei der Firma G. sichergestellten Unterlagen legte nahe, dass dieser von dort "Kick-back" Zahlungen in Höhe von 46.348,89 € und weitere Zahlungen von der Dentalhandelsgesellschaft A. erhalten hatte. Als so genannter G.-Skandal wurde der Fall presseöffentlich und fand Erwähnung in etlichen Veröffentlichungen.
Während der polizeilichen Ermittlungen nahm der Kläger bei seiner ersten Vernehmung am 3. Februar 2004 in Abrede, derartige Zahlungen erhalten zu haben. So etwas sei ihm nicht angeboten worden. Er hätte es auch nicht angenommen. Den in Asien hergestellten Zahnersatz habe er bezogen, weil dieser bei gleicher Qualität etwa 15 % günstiger gewesen sei, als in Deutschland hergestellter, so dass er – der Kläger – insgesamt kostengünstiger habe anbieten können. Daraufhin wurden nach Einsichtnahme in die bei der Beklagten vorhandenen Abrechnungsunterlagen seine Wohn- und Geschäftsräume durchsucht. Aus den Unterlagen der Deutschen Post AG wurde ferner ermittelt, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum mehrfach eigenhändig in Empfang zu nehmende Express-Paketsendungen der Firma S. GmbH erhalten hatte, welcher sich die Firma G. für die Übersendung der "Kick-back" Beträge bedient hatte. Der Kläger nahm weiterhin in Abrede, "Kick-back" Zahlungen erhalten zu haben. In den Express-Paketen hätten sich nur Rechnungen, jedoch habe sich darin kein Bargeld befunden.
Nach Abschluss der Ermittlungen wurde der Kläger angeklagt, in der Zeit vom Mai 2000 bis Oktober 2002 gemeinschaftlich durch zwei selbständige Handlungen gewerbsmäßig in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt zu haben, dass er durch Vorspiegelung falscher oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregte oder unterhielt, indem er, um sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen, in seiner Zahnarztpraxis Patienten in Asien gefertigten Zahnersatz einsetzte, hierbei jedoch nicht den tatsächlichen Herstellungspreis, sondern den weit höheren Preis nach dem Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnis in Rechnung stellte, sich sodann den Differenzbetrag mit den Verantwortlichen der Denthalhandelsgesellschaften teilte, so Zahlungen in Höhe von 46.348,89 € bzw. 2.095,00 € erhielt und für sich verwendete. Seine dem entgegen stehenden Behauptungen seien als Schutzbehauptungen zu werten. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg-B., zu der auch die Verantwortlichen der Firmen G. und A. als Zeugen geladen waren, räumte der Kläger vor Eintritt in die Beweisaufnahme erstmals ein, Rückvergütungen für in China gefertigten Zahnersatz von verschiedenen Firmen bekommen zu haben. Das Geld sei mit der Post per Brief gekommen. Allerdings seien es insgesamt nicht mehr als 31.000,00 € gewesen. In der angeklagten Summe seien wohl Privatpatienten enthalten. Die bestellten Arbeiten seien in Deutschland, in M., kontrolliert und dann ausgeliefert worden. Die Rechnungen seien in M. erstellt worden. Die habe er dann eingereicht. Weil die Qualität zwischenzeitlich schlechter gewesen sei, habe er den Lieferanten gewechselt. Von A. habe er auch 20 % bekommen. Aber auch dort habe es mit der Qualität nicht geklappt. Jetzt arbeite er mit einem Labor in B1 zusammen, wo er 20 % bekomme. Die gebe er an die Patienten weiter. Ein als Zeuge vernommener Verantwortlicher der Firma G. bekundete, dass er den Kläger "vom Papier" her kenne. Er habe 20 % bekommen. Er, der Zeuge, habe auch versucht, ihn für G. "zurückzugewinnen" und er glaube, ihm ein gutes Angebot gemacht zu haben. Durch Urteil vom 17. August 2005 (Amtsgericht Hamburg-B. 843 – 68/05 = 3250 Js 11/05) wurde er wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt. Ein Tagessatz wurde auf 100,00 € festgesetzt. Das Gericht hielt es für erwiesen, dass der Kläger sich im Zeitraum Mai 2000 bis Oktober 2002 von den Verantwortlichen der Firmen G. und A. eine Barrückerstattung in Höhe von 20 % der Nettoleistungssumme versprechen ließ und auch erhielt, den Zahnersatz jedoch zu den Höchstpreisen des Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnisses abrechnete, obwohl er zur Weitergabe des Rabatts an die Krankenkassen und die Patienten verpflichtet gewesen wäre. Insgesamt habe er so einen Betrag von 31.000,00 € vereinnahmt, den er hätte weitergeben müssen. Das Urteil erlangte am 25. August 2005 Rechtskraft. Auf die Entscheidung (Blatt 425 ff. der Akte Amtsgericht Hamburg-B. 843 – 68/05 = 3250 Js 11/05) wird ergänzend Bezug genommen.
Am 15. März 2006 beantragte der Vorstand der Beklagten bei dem Disziplinarausschuss der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hamburg die Eröffnung des Disziplinarverfahrens wegen der Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten. Eine Abschrift des Antrages wurde dem Kläger am 20. März 2006 zugestellt. Am 15. Mai 2006 beschloss der Disziplinarausschuss die Eröffnung des Disziplinarverfahrens. Auf Blatt 1 der Akte des Disziplinarausschusses findet sich unter der Überschrift "KZV Hamburg Beschlussfassung Vorstandssitzung XXXXX am 17.5.2006" unter "7. Disziplinarangelegenheiten d) Sachstand G. und Disziplinarverfahren, Zahnarzt Dr. S.", die Mitteilung: "Der Vorstand beschließt: 1004/XXXXX Gegen den Zahnarzt Dr. S. ist beim Disziplinarausschuss ein Antrag auf Eröffnung eines Disziplinarverfahrens wegen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten durch unzulässige Rabattnahme zu stellen." Eine Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses wurde dem Kläger am 14. Juli 2006 zugestellt. Der Disziplinarausschuss bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung auf Montag, den 28. August 2006 und stellte die Ladung am 14. August 2006 zu.
In der Sitzung des Disziplinarausschusses am 28. August 2006 wurde der Zahnarzt zu den Vorwürfen angehört. Zur Niederschrift des Ausschusses gab er in seinem letzten Wort an, er lebe seit 15 Jahren im Scheidungskrieg. Die Praxis sei zu hoch bewertet worden. Sein Einkommen sinke. Wörtlich heißt es in der Niederschrift: Das Angebot von G. habe ihn zum Betrug verführt. Es sei für ihn die Möglichkeit gewesen, Geld an seiner Ex-Ehefrau vorbeizuschleusen. Auf die Niederschrift über die Sitzung des Disziplinarausschusses (Blatt 21-26 der Akte des Disziplinarausschusses) wird ergänzend Bezug genommen. Mit Beschluss vom selben Tage ordnete der Ausschuss das Ruhen der vertragszahnärztlichen Zulassung für einen Zeitraum von zwei Jahren und die anonymisierte Veröffentlichung der Disziplinarmaßnahme im Hamburger Zahnärzteblatt an. Zur Begründung heißt es, der Kläger habe gegen § 11 Abs. 2 a des VdAK-AEV Vertrages verstoßen, wonach er mit seiner Unterschrift unter dem Heil- und Kostenplan bestätige, dass er nur die tatsächlich entstandenen Material- und Laborkosten in Rechnung stelle und Rückvergütungen, wie Preisnachlässe, Rabatte, Umsatzbeteiligungen, Bonifikationen und rückvergütungsgleiche Gewinnbeteiligungen mit Ausnahme von Barzahlungsrabatten an die Vertragskasse weitergebe. Durch den vorsätzlich begangenen Verstoß habe er Rückvergütungen in Höhe von insgesamt 31.000,00 € erhalten. Zu der Disziplinarmaßnahme des Ruhens der Zulassung für die Dauer von zwei Jahren habe den Ausschuss die gezeigte kriminelle Energie bewogen. Der Kläger habe trotz erkannter Rechtswidrigkeit des Vorgehens dieses bis zur Einstellung der Betriebstätigkeit von G. fortgeführt und zudem gegenüber dem Ausschuss erklärt, dass eine Vertragsarztpraxis unter dem geltenden System kaum wirtschaftlich geführt werden könne, so dass gezwungenermaßen nach Wegen gesucht werden müsse, um Wirtschaftlichkeit und Ertrag der Praxis zu erhöhen. Bei dieser Sachlage drängten sich dem Ausschuss ernstliche Zweifel an der Eignung des Klägers zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung auf. Jedoch sei er davon überzeugt, dass die ausgesprochene Maßnahme ausreiche, um das Vergehen zu "sanktionieren" und dem Kläger zumindest nach Ablauf der Ruhensfrist die Möglichkeit zu geben, wieder an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Eine Ausfertigung des Beschlusses wurde dem Kläger am 22. September 2006 zugestellt. Auf die Entscheidung (Blatt 27-32 der Akte des Disziplinarausschusses) wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger hat am 16. Oktober 2006 beim Sozialgericht Klage erhoben und zur Begründung zunächst darauf hingewiesen, dass das Protokoll der Sitzung des Disziplinarausschusses seine Äußerungen sinnentstellend bzw. unzutreffend wiedergebe. So habe er weder erklärt, dass er Provionszahlungen und Rabatte für einen fast notwendigen Ausweg halte, um eine vertragsärztliche Praxis halbwegs wirtschaftlich betreiben zu können, noch, dass ein Unternehmen wie G. in Zeiten sinkender Einkommen und Budgetierungen zum Betrug verführe. Ihm sei es vielmehr darum gegangen, preisgünstigen Zahnersatz anbieten zu können. Auch seien ihm die rechtlichen Konsequenzen seiner Vorgehensweise nicht bewusst gewesen. Die verhängte Disziplinarmaßnahme sei unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Es handele sich um die schärfste dem Ausschuss mögliche Maßnahme. Sie zerstöre seine – des Klägers – berufliche Existenz. Dies sei angesichts der geringen Schwere der Schuld und des seit Oktober 2002 gezeigten Wohlverhaltens nicht angemessen. Denn die Summe der erlangten Gelder sei vergleichsweise gering. Der Vorteil habe im Zeitraum Mai 2000 bis Oktober 2002 nur etwa 1000,00 € pro Monat betragen. Er habe zudem einen Teil des erlangten Vorteils an Patienten und Kostenträger weitergegeben, welcher nicht wesentlich kleiner gewesen sei, als derjenige, den er für sich selbst behalten habe. Die Komplexität des Abrechnungssystems begünstige überdies Taten wie die seine. Berücksichtigt werden müsse schließlich, dass seit der Tat, also seit vier Jahren, keinerlei vertragsärztliche Pflichten mehr verletzt worden seien. Es bestehe deshalb kein Anlass, ihm diese Tätigkeit zu untersagen. Der angegriffene Beschluss leide schließlich unter mehreren Verfahrensfehlern, die zu seiner Rechtswidrigkeit führten. So habe der Vorstand des Beklagten den Beschluss zur Einleitung des Disziplinarverfahrens erst am 17. Mai 2006 gefasst, während der Antrag auf Eröffnung schon zwei Monate zuvor gestellt worden und auch der Eröffnungsbeschluss noch zwei Tage vor dem Vorstandsbeschluss ergangen sei. Auch sei die Frist nach § 10 Nr. 1 der Disziplinarordnung der Beklagten nicht eingehalten worden. Danach solle die mündliche Verhandlung innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach dem Eröffnungsbeschluss stattfinden. Obwohl dieser bereits am 15. Mai 2006 erfolgt sei, habe die mündliche Verhandlung erst am 28. August 2006 stattgefunden. Dies hätte zumindest begründet werden müssen. Eine Begründung für das Abweichen von der Vorgabe sei aber nicht erfolgt. Schließlich sei auch die Ladungsfrist nach § 11 Nr. 1 der Disziplinarordnung von zwei Wochen nicht eingehalten worden. Da die Ladung am 14. August 2006 zugestellt worden sei, habe die Frist am 15. August 2006 zu laufen begonnen und am 28. August 2006 geendet, so dass die mündliche Verhandlung erst am 29. August 2006 hätte stattfinden dürfen.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat gemeint, die verhängte Disziplinarmaßnahme sei keineswegs unverhältnismäßig. Der Kläger habe über einen Zeitraum von zwei Jahren vorsätzlich Abrechnungsbetrug verübt und er sei von allen in die G.-Affäre verwickelten Zahnärzten derjenige, der am tiefsten in die strafbare Zusammenarbeit verstrickt gewesen sei. Der Betrag von 31.000,00 € sei der höchste widerrechtlich erlangte Betrag. Sein Fall habe die höchste Aufmerksamkeit in der Presse gefunden und damit in besonderem Maße das Vertrauen in das vertragsärztliche System in der Öffentlichkeit geschädigt. Bei vorsätzlichem Abrechnungsbetrug stehe die Frage der Entziehung der vertragszahnärztlichen Zulassung stets im Raum. Deshalb hätten sich Disziplinarmaßnahmen wegen bewusster Fehlabrechnung im oberen Bereich des disziplinarrechtlichen Maßnahmekataloges zu bewegen. Für die Verhängung der Höchstmaßnahme sei zudem die absolute Uneinsichtigkeit des Klägers mitbestimmend gewesen, der sehr wohl gegenüber dem Ausschuss erklärt habe, dass er sein Vorgehen für einen fast notwendigen Ausweg halte, um eine vertragsärztliche Praxis wirtschaftlich betreiben zu können. Dies könnten die Mitglieder des Ausschusses bestätigen. Der Fall des Klägers sei auch der einzige, der (in Hamburg) zu einer Verurteilung geführt habe. Alle anderen Zahnärzte hätten Einsicht gezeigt und durch Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens gegen Bußgeldzahlungen oder Akzeptanz von Strafbefehlen Aufsehen vermieden.
Mit Bescheid vom 2. Juli 2007 verfügte der Vorstand der Beklagten die sofortige Vollziehung der Ruhensanordnung im Beschluss des Disziplinarausschusses vom 28. August 2006 mit Wirkung vom 1. August 2007, weil wegen der voraussichtlichen Dauer des sozialgerichtlichen Verfahrens die Anordnung sonst ihren Sinn und Zweck verlieren würde. Auf den Antrag des Klägers stellte das Sozialgericht mit Beschluss vom 17. Juli 2007 (S 3 KA 119/07 ER) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Disziplinarverfügung wieder her, weil aus den für die Anordnung der sofortigen Vollziehung angeführten Gründen ein besonderes Vollziehungsinteresse nicht abzuleiten sei. Der Rechtsstreit fand im Beschwerdeverfahren (L 2 B 311/07 ER KA) seine Erledigung, weil die Antragsgegnerin im Weiteren von der Zulässigkeit eines Widerspruches gegen die Vollziehungsanordnung und dessen aufschiebender Wirkung ausging und im Gefolge dessen von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen bis zur Entscheidung über den Widerspruch absah.
Durch Urteil vom 26. September 2007 hat das Sozialgericht die Klage gegen den Beschluss des Disziplinarausschusses vom 28. August 2006 abgewiesen. Das Disziplinarverfahren leide nicht an einem Formmangel. Soweit auf dem Antrag zur Eröffnung des Disziplinarverfahrens als Beschlussdatum der 17. Mai 2006 angegeben sei, könne dies vor dem Hintergrund der Chronologie nur als Schreibfehler gewertet werden, der die Ordnungsgemäßheit der Antragstellung nicht in Frage stelle. Die Ladungsfrist sei auch gewahrt. Dies sei auch noch dann der Fall, wenn die Ladung am gleichen Wochentag zwei Wochen vor dem Verhandlungstag zugestellt werde. Schließlich habe die mündliche Verhandlung zwar nicht zwei Monate nach Fassung des Eröffnungsbeschlusses stattgefunden. Insoweit handele es sich aber lediglich um eine Soll-Vorschrift, hinsichtlich derer nicht nur der Verstoß, sondern auch gerügt werden müsse, aufgrund welcher besonderen Umstände das Überschreiten der Frist einen Verfahrensmangel darstellen solle. Dies sei nicht geschehen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme lägen vor. Zu den vertragsärztlichen Pflichten gehörten die ordnungsgemäße Abrechnung und die Wahrheitsgemäßheit der in diesem Zusammenhang gemachten Angaben. Gegen diese Verpflichtung habe der Kläger schuldhaft verstoßen, indem er die erhaltenen Rückvergütungen nicht angegeben habe. Vor diesem Hintergrund erweise sich die ausgesprochene Maßnahme auch als verhältnismäßig, zumal der Kläger noch im Ermittlungsverfahren die Richtigkeit der Vorwürfe bestritten habe. Auf die Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen. Sie ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19. Oktober 2007 zugestellt worden.
Durch Bescheid vom 2. November 2007 (Vorstandsbeschluss vom 30. Oktober 2007) verfügte der Vorstand der Beklagten erneut die sofortige Vollziehung der Ruhensanordnung im Beschluss des Disziplinarausschusses vom 28. August 2006, weil wegen der voraussichtlichen Dauer des sozialgerichtlichen Verfahrens die Anordnung sonst ihren Sinn und Zweck verlieren würde. Von der Vollziehung sei deshalb nur bis zum Ende des erstinstanzlichen Verfahrens abgesehen worden. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Der Kläger hat am 12. November 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Ergänzend trägt er vor, wenn das Sozialgericht die Eintragung des Datums "17. Mai 2006" auf dem Beschluss des Vorstandes auf Blatt 1 der Sachakte der Beklagten für einen Schreibfehler halte, so könne dem nicht gefolgt werden. Es handele sich nämlich um einen Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Vorstandes vom 17. Mai 2006 und es liege doch fern, dass nachträglich in dieses Protokoll ein bereits am 15. März 2006 gefasster Beschluss aufgenommen wurde. Es werde auch entgegen der vom Sozialgericht geäußerten Auffassung daran festgehalten, dass die Ladungsfrist für die mündliche Verhandlung vor dem Disziplinarausschuss nicht eingehalten worden sei. Insoweit müssten § 217 Zivilprozessordnung und § 102 Verwaltungsgerichtsordnung vergleichend herangezogen werden, welche beide von Ladungsfrist sprächen, und nicht § 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz , der von Terminsmitteilung spreche. Bei der Berechnung der Frist nach § 217 ZPO bzw. § 102 VwGO sei aber der Zustellungstag nicht mitzuzählen. Danach sei hier die Ladungsfrist nicht eingehalten. In der Sache werde daran festgehalten, dass er – der Kläger – die ihm vorgeworfenen Äußerungen vor dem Disziplinarausschuss nicht getan habe und weiter, dass die verhängte Disziplinarmaßnahme unverhältnismäßig und damit rechtswidrig sei. Sie sei die schärfste mögliche Maßnahme und der Schwere der Schuld und dem seit der Tat gezeigten Wohlverhalten nicht angemessen, zumal es der Ausschuss bei den anderen in Hamburg anhängig gewesenen Verfahren bei milderen Maßnahmen belassen habe.
Der Kläger hat während des Berufungsverfahrens erneut um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht, nachdem die Beklagte durch Beschluss ihres Widerspruchsausschusses vom 17. Januar 2008 die Anordnung der sofortigen Vollziehung aus der Entscheidung des Vorstandes vom 30. Oktober 2007 (Bescheid vom 2. November 2007) bestätigt hatte. Daraufhin hat das erkennende Gericht durch Beschluss vom 14. Mai 2008 (L 2 KA 14/08 ER) festgestellt, dass der Klage gegen den Beschluss des Disziplinarausschusses weiterhin aufschiebende Wirkung zukomme, weil der Vorstand der Beklagten außerhalb seiner Zuständigkeit tätig geworden sei. Allein dem Disziplinarausschuss komme die Befugnis zu, über die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu entscheiden. Auf den Beschluss wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. September 2007 und den Beschluss des Disziplinarausschusses der Beklagten vom 28. August 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und diejenige des Disziplinarausschusses und trägt ergänzend vor, ihr Vorstand habe bereits am 25. Januar 2006 den Beschluss zur Beantragung der Eröffnung des Disziplinarverfahrens gefasst. Die schriftliche Abfassung dieses Beschlusses sei allerdings erst in der Vorstandssitzung am 17. Mai 2006 erfolgt, so dass nicht davon auszugehen sei, dass das Disziplinarverfahren ohne Vorliegen des entsprechenden Antrages des Vorstandes eingeleitet worden sei. Im Übrigen sei verständlich, dass der Kläger versuche, seine Äußerungen gegenüber dem Disziplinarausschuss abzuschwächen, welche hätten erkennen lassen, dass er ein absolut gestörtes Verhältnis zur Bedeutung der vertragsärztlichen Pflichten habe. Dass dieses Verhältnis aber noch immer gestört sei, folge aus seiner Verteidigung, die auf der Behauptung gründe, dass sein vergleichsweise geringes Verschulden und die geringe Schadenshöhe die ergriffene Maßnahme als unangemessen erscheinen lasse. Dabei sei ein Vertragsarzt zur peinlich genauen Abrechnung verpflichtet, denn das vertragsärztliche System beruhe auf der korrekten Abrechnung durch die Vertragsärzte. Die Pflicht zur Einhaltung der Abrechnungsvorschriften sei deshalb den anderen vertragsärztlichen Pflichten gleichwertig, so dass falsche Abrechnungen die Entziehung der Zulassung begründen könnten. Die ausgesprochene Strafe stehe dem nicht entgegen. Dort sei vielmehr berücksichtigt worden, dass zusätzlich eine disziplinarische Ahndung erfolgen werde. Vor diesem Hintergrund sei die Maßnahme absolut sachgerecht und auch angemessen. Soweit der Kläger nun die Auffassung vertrete, er habe mittlerweile in einer Weise Wohlerhalten gezeigt, dass es einer disziplinarischen Ahndung bzw. der Vollstreckung der vom Disziplinarausschuss verhängten Sanktion nicht mehr bedürfe, so stehe dieser Überlegung der Gedanke der Spezialprävention, vor allem aber derjenige der Generalprävention entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Senatssitzung am 17. März 2010 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie richtet sich zutreffend ebenso wie schon die Klage gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung als Beklagte. Diese ist Rechtsträger des Disziplinarausschusses und ihr sind deshalb die Entscheidungen des Ausschusses als eigene zuzurechnen, weil der Disziplinarausschuss zwar an Weisungen nicht gebunden ist, seine Entscheidungsmacht aber unmittelbar von der Beklagten entlehnt (vgl. BSG vom 28.01.2004 – B 6 KA 4/03 RSozR 4-1500 § 70 Nr. 1 sowie juris Rn. 23 ff.).
Die Berufung ist aber nicht begründet.
Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung des Disziplinarausschusses ist § 19 der Satzung der Beklagten vom 14. September 1989 in der Fassung des 5. Nachtrages vom 28. November 2001 i.V.m. der Disziplinarordnung der Beklagten vom 2. Oktober 1969 in der Fassung des 5. Nachtrages vom 28. November 2001 , welche ihre Ermächtigungsgrundlage in § 81 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – in der Fassung von Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes vom 23. Oktober 2001, BGBl I 2702, haben. Nach dieser Vorschrift müssen die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen die Mitglieder bestimmen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen (§ 81 Abs. 5 Satz 1 SGB V). Maßnahmen sind je nach Schwere der Verfehlung Verwarnung, Geldbuße oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung oder der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu zwei Jahren (§ 81 Abs. 5 Satz 2 SGB V). Die Verhängung einer der in § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB V vorgesehenen Maßnahmen setzt nach allgemeiner Auffassung tatbestandlich voraus, dass das Mitglied seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt (vgl. BSG vom 28.08.1996 – 6 BKa 22/96 – juris Rn. 4).
Dies hat der Kläger nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens getan. Indem er im Zeitraum von Mai 2000 bis Oktober 2002 für Zahnersatz, den er bei den Gesellschaften G. und A. für die von ihm versorgten Kassenpatienten bestellte und erhielt, bare Rückvergütungen der Lieferanten in Höhe von insgesamt 31.000,00 € in Empfang nahm, die erhaltene Rückvergütung aber nicht gegenüber der Beklagten in der Abrechnung angab, sondern im Rahmen seiner vertragszahnärztlichen Abrechnung dort und gegenüber den Patienten den höheren Rechnungsbetrag ansetzte und vergütet erhielt, weswegen er vom Amtsgericht Hamburg-B. wegen Betruges in zwei Fällen verurteilt wurde, hat er nicht nur eine strafrechtliche Verfehlung begangen, sondern auch vorsätzlich die ihm als Vertragsarzt obliegenden Verpflichtungen verletzt. Es gehört nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. zuletzt BSG vom 09.04.2008 – B 6 KA 18/07 B – juris m.N.) zu den Grundpflichten eines Vertragsarztes, dass er die erbrachten Leistungen "peinlich genau" abrechnet. Diese Pflicht ist eine der essentiellen Grundlagen seiner Mitgliedschaft in der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung, zumal nach den Besonderheiten des vertragsärztlichen Vergütungssystems unberechtigte Leistungsanforderungen des einen Arztes zu Honorarverlusten bei den übrigen Ärzten führen (BSG a.a.O. Orientierungssatz 2 und Rn. 12). Laborleistungen gibt der behandelnde Vertragszahnarzt in Auftrag und legt darüber nach den Regeln des Auftragsverhältnisses Rechnung. Sie sind für ihn nur "durchlaufender" Posten, wie sich aus § 30 Abs. 4 SGB V (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626) ergibt. Der Vertragszahnarzt hat deshalb nach § 11 Abs. 2 des Vertrages zwischen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und dem Verband der Arbeiter-Ersatzkassen e.V. auf dem Heil- und Kostenplan zu bestätigen, dass die abgerechneten Materialkosten tatsächlich entstanden sind und er Rückvergütungen mit Ausnahme von Barzahlungsrabatten an die Vertragskasse weitergibt. Im Bereich der Primärkassen wird ebenfalls auf dem Heil- und Kostenplan der Umfang der anfallenden Material- und Laborkosten bescheinigt.
Während das Vorliegen eines schuldhaften Pflichtenverstoßes gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar ist, steht den Disziplinarorganen bei der Auswahl der zu ergreifenden Maßnahme ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum zu. Die Gerichte haben nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Voraussetzungen des Ermessens festzustellen, d.h. insbesondere zu prüfen, ob von einem vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde und sachgerechte Erwägungen für die Entscheidung leitend waren. Dabei ist die Prüfung auf die im Bescheid mitgeteilten Erwägungen beschränkt (vgl. BSG vom 08. März 2000 – B 6 KA 62/98 RSozR 3-2500 § 81 Nr. 6 m.w.N; BSG vom 14. März 2001 – B 6 KA 36/00 RSozR 3-2500 § 81 Nr. 7; BSG vom 06. November 2002 – B 6 KA 9/02 RSozR 3-2500 § 81 Nr. 9). Diesen Anforderungen wird der angefochtene Disziplinarbescheid gerecht.
Begeht ein Vertragsarzt einen vorsätzlichen Abrechnungsbetrug, dann steht seine persönliche Eignung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung generell in Frage. Hierauf weist der angefochtene Beschluss zutreffend hin. Denn das System der vertragsärztlichen Versorgung beruht ganz maßgeblich auf dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Institutionen des Vertragsarztrechts. Bei einem Verstoß gegen Vorschriften des Strafrechts, namentlich bei der Begehung von Vermögensdelikten zum Nachteil von Kassen und Versicherten, ist dieses Vertrauen daher im Regelfall so gestört, dass die vollständige Beendigung der Vertragsarzttätigkeit in Gestalt der Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V wegen gröblicher Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten angezeigt ist (BSG vom 24.11.1993 – 6 RKa 70/91 – SozR 3-2500, § 95 Nr. 4, Seite 13 = BSGE 73, 234, 237 = juris Rn. 23). Bei dem Kläger tritt erschwerend hinzu, dass er sein betrügerisches Verhalten über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren fortgesetzt und es erst eingestellt hat, nachdem die Tat bereits entdeckt war. Er hat es zudem in der Weise nachhaltig betrieben, dass er bei Beibehaltung des "Geschäftsmodells" sogar – nach eigenem Bekunden wegen Qualitätsmängeln – im Tatzeitraum den Lieferanten gewechselt und mit diesem ebenso kollusiv zusammengearbeitet hat. Bereits damit hat er dokumentiert, dass für ihn diese Art zusätzlicher Einkommenserzielung selbstverständlicher Bestandteil des Praxisbetriebes geworden war. Wenn der Kläger gegenüber dem Disziplinarausschuss davon spricht, er habe "seinen Gewinn" dadurch geschmälert, dass er eine zusätzliche Versicherung für den Zahnersatz in Deutschland abgeschlossen habe, so belegt dies in Gestalt der Wendung "mein Gewinn" sein gestörtes Verhältnis zu den ihm obliegenden vertragsärztlichen Pflichten und es belegt den Mangel an Einsicht in die Verwerflichkeit seines Tuns auch in berufsrechtlicher Hinsicht. Denn einem Vertragszahnarzt ist es schlicht verwehrt, aus der Abwicklung der Aufträge für Zahnersatz irgendeinen persönlichen Gewinn zu erzielen. Die vor dem Ausschuss protokollierte und von dem Kläger auch nicht in Abrede genommene Äußerung, die Zusammenarbeit mit G. sei für ihn eine Möglichkeit gewesen, Geld an seiner Ex-Ehefrau, der er zum Unterhalt verpflichtet war, vorbeizuschleusen, zeigt ebenfalls ein gebrochenes Verhältnis zu den Regeln der Rechtsordnung. Das hartnäckige Leugnen des Klägers im Ermittlungsverfahren, welches er auch noch nach Vorhalt der bereits dort vorhandenen Beweise für seine Schuld fortgesetzt hat, die Fortsetzung dieses Verhalten bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht, der Umstand, dass er sein Geständnis im Angesicht der erschienenen Zeugen und erst unmittelbar vor Eintritt in die Beweisaufnahme gemacht hat und schließlich der noch im Verfahren vor dem Disziplinarausschuss fortgesetzte Versuch, die Gewichtigkeit seines Fehlverhaltens zu leugnen, zeugen von Uneinsichtigkeit.
Vor dem Hintergrund dieser Umstände, die Gegenstand sowohl des Straf- als auch des Disziplinarverfahrens gewesen sind und die der angegriffene Bescheid auch erwogen hat, erweist sich die angegriffene Disziplinarmaßnahme als sachgerechte, ermessensfehlerfreie Reaktion. Sie dient entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht dem Zweck, sein strafrechtlich relevantes Verhalten nochmals zu sühnen, sondern entsprechend dem Sinn und Zweck des Disziplinarrechts, nur geeigneten Ärzten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu ermöglichen, dazu, ihn wegen des diesem Ziel entgegenstehenden gezeigten Gesamtverhaltens nachhaltig an die Einhaltung seiner Pflichten als Vertragsarzt zu mahnen, und sie ist den Tat- und Verhaltensumständen angemessen.
Dies gilt auch mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Erfordernis der Überprüfung der für einen Vertragsarzt negativen Prognose bei nicht sofort vollzogenen Entscheidungen über die Entziehung der Zulassung im gerichtlichen Verfahren (BSG vom 19.07.2006 – B 6 KA 1/06 R, SozR 4-2500 § 95 Nr. 12; BSG vom 20.10.2004 – B 6 KA 67/03 R, SozR 4-2500 § 95 Nr. 9).
Nach dieser Rechtsprechung ist – in Abkehr von dem für reine Anfechtungssachen geltenden Grundsatz, wonach für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen ist – maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachlage die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz und für die Beurteilung der Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz. Das Bundessozialgericht hat dies mit der Erwägung gerechtfertigt, dass die Fallgestaltung wegen der Fortsetzung der vertrags(zahn)ärztlichen Tätigkeit derjenigen von Dauerverwaltungsakten gleiche, deren Rechtmäßigkeit ebenfalls unter Berücksichtigung nachträglicher Änderungen der Sach- und Rechtslage zu beurteilen sei (vgl. BSG vom 24.11.1993 – 6 RKa 70/91 – SozR 3-2500, § 95 Nr. 4 = BSGE 73, 234), und ferner mit der Erwägung, dass die gerichtliche Überprüfung nicht im Wege des Sofortvollzugs tatsächlich umgesetzter Zulassungsentziehungen wegen der Bedeutung dieser Entscheidungen für das Grundrecht des (Zahn-)Arztes auf Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit stets die Frage zu beantworten habe, ob sich die Sachlage während des Prozesses zugunsten des (Zahn-) Arztes in einer Weise geändert habe, die eine Entziehung der Zulassung nicht mehr als angemessen erscheinen lasse (BSG vom 19.07.2006 – B 6 KA 1/06 RSozR 4-2500 § 95 Nr. 12 = juris, jeweils Orientierungssatz 2 und Rn. 16 m.N.).
Diese Rechtsprechung ist auf die Überprüfung vertrags(zahn)ärztlicher Disziplinarentscheidungen nicht übertragbar. Während nämlich die Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 SGB V die zwingende Folge der Feststellung einer gröblichen Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten ist, liegt der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme neben der Feststellung eines Pflichtenverstoßes im Hinblick auf das Gewicht der Maßnahme eine Betätigung des Ermessens zugrunde, in deren Rahmen auch Erwägungen zu ihrer Angemessenheit einzustellen sind. Auch wird durch die Entziehung der Zulassung die vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit unmittelbar und auf Dauer beendet, während die Disziplinarentscheidung – auch in ihrer schärfsten Form der Anordnung des Ruhens der Zulassung auf die Dauer von zwei Jahren – dem Arzt seinen Status als Vertragspartner der Kassen belässt. Das vertragsärztliche Disziplinarrecht hält überdies – anders als das Zulassungsrecht – im Rahmen der Vollstreckung von Disziplinarentscheidungen in Gestalt des Begnadigungsrechts ein Instrumentarium bereit, welches eine angemessene Reaktion auf veränderte Umstände ermöglicht. Dies folgt aus § 22 DO, wonach die Bestimmungen der Hamburgischen Disziplinarordnung in der jeweils gültigen Fassung sinngemäß Anwendung finden, soweit nicht die Eigenart des zahnärztlichen Berufsstandes entgegensteht. Das Disziplinarrecht der Freien und Hansestadt Hamburg ist gegenwärtig durch das Hamburgische Disziplinargesetz vom 18. Februar 2004 (HGVBl Seite 69) geregelt, welches zum 1. März 2004 die Hamburgische Disziplinarordnung abgelöst hat. Nach § 80 HmbDG steht dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg das Begnadigungsrecht zu. Für den Bereich der Beklagten wird dieses Recht durch ihren Vorstand ausgeübt, dem nach § 20 DO die Vollstreckung getroffener Disziplinarmaßnahmen obliegt. Einer Korrektur des im Disziplinarverfahren ermessensfehlerfrei gefundenen Ergebnisses bedarf es deshalb aus Verfassungsgründen im gerichtlichen Verfahren auch dann nicht, wenn der Arzt seine vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit nach Verhängung der Maßnahme über einen Zeitraum von Jahren fortgesetzt und Pflichtverletzungen seitdem nicht mehr begangen hat. Ein nachgehendes Wohlverhalten ist für die gerichtliche Beurteilung einer Disziplinarmaßnahme ohne Belang (im Ergebnis, allerdings ohne Begründung, ebenso Steinmann-Munzinger in: jurisPK-SGB V, § 81 Rn.51).
Der angefochtene Bescheid erweist sich aber auch ungeachtet der vorstehenden Erwägungen als rechtsfehlerfrei. Denn wie die mündliche Verhandlung in Gestalt der Einlassungen des Klägers unmittelbar ergeben hat, räumt er zwar nunmehr die "juristische" Fehlerhaftigkeit seines Tuns ein, unternimmt aber weiterhin den Versuch einer Rechtfertigung, indem er es für notwendig erachtet, auf die aus dem Vorgang für alle Beteiligten erwachsenen "Vorteile" und den letztlich fehlenden "Schaden" hinzuweisen. Hieraus hat der Senat den Eindruck gewonnen, dass der Kläger durchaus Ansätze von Einsicht zeigt, dass er jedoch noch immer nicht vollen Umfanges zu der Verwerflichkeit seines Handelns steht. Dies rechtfertigt die Aufrechterhaltung der Maßnahme auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt und auch im Angesicht der seit ihrem Ausspruch fehlenden Auffälligkeit bei der Abrechnung von Zahnersatz. Inwieweit die besonderen persönlichen Umstände des Klägers sich auf den Vollzug der Maßnahme auswirken, wird im Rahmen ihrer Vollstreckung durch den Vorstand der Beklagten zu klären sein.
Auch die Rüge formeller Mängel des Disziplinarverfahrens führt nicht zur Aufhebung des Beschlusses. So stellt es keinen unüberwindbaren Formmangel dar, dass der Beschluss des Vorstandes der Beklagten dem von dem Vorstand gestellten Eröffnungsantrag und auch dem Eröffnungsbeschluss erst nachfolgte. Denn der Eröffnungsbeschluss ist – durch Zustellung an den Kläger am 14. Juli 2006 – erst nach außen zutage getreten, nachdem die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses des Vorstandes zur Akte des Disziplinarausschusses gelangt und damit der Mangel der fehlenden Befassung des gesamten Vorstandes nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – im Sinne einer nachträglichen Antragstellung geheilt war. Aus diesem Grunde kann der Senat auch dahingestellt sein lassen, ob der Beschluss des Vorstandes bereits am 25. Januar 2006 gefasst wurde. Dem Disziplinarausschuss ist er jedenfalls erst in Gestalt der Niederschrift vom 17. Mai 2006 zur Kenntnis gelangt. Einer Vertagung des Rechtsstreits, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, diesen erst in der mündlichen Verhandlung eingeführten Umstand durch Einsicht in die Akten der Beklagten zu überprüfen und alsdann hierzu Stellung zu nehmen, bedurfte es nicht. Hierauf kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an.
Der Kläger kann sich auch nicht auf die fehlende Einhaltung der Ladungsfrist berufen, die nach § 11 Abs. 1 DO zwei Wochen beträgt. Dies gilt selbst dann, wenn wegen der Bezeichnung als Ladungsfrist für ihre Berechnung § 217 ZPO Anwendung fände und im Hinblick darauf, dass die Ladung den Kläger erst am Montag, dem 14. August 2006 erreichte, der Termin zur mündlichen Verhandlung jedoch bereits am Montag, dem 28. August 2006 stattfand, so dass zwischen Ladung und Termin keine volle Zwei-Wochenfrist lag. Denn der Kläger hat den Termin wahrgenommen, ohne in seiner Verteidigung darauf hinzuweisen, dass und in welcher Weise diese dadurch erschwert war, dass der Termin nicht erst am nächsten Tage stattfand. Nach § 295 ZPO i.V.m. 202 SGG bleibt aber ein Mangel des Verfahrens außer Betracht, wenn der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung erschienen ist und den Mangel nicht gerügt hat, obwohl er ihm bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. So liegt es aber hier. Denn der Kläger ist nicht nur zu dem anberaumten Termin erschienen, er hat sich vielmehr trotz fehlender Einhaltung der Ladungsfrist in dem anberaumten Termin in der Sache rügelos eingelassen und hierdurch dokumentiert, dass es zu seiner Verteidigung der Einhaltung der Zwei-Wochenfrist nicht bedurfte. Demgemäß stellt eine fehlerhafte Ladung einen absoluten Revisionsgrund im Sinne der §§ 162, 202 SGG, § 547 Nr. 4 ZPO nur dann dar, wenn der Beteiligte am Termin nicht teilgenommen hat und auch nicht vertreten war. Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze bleibt die Nichteinhaltung der Ladungsfrist hier folgenlos.
Ebenso ohne Folgen für das Disziplinarverfahren bleibt es, dass die mündliche Verhandlung vor dem Disziplinarausschuss erst am 28. August 2006 und damit nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fassung des Eröffnungsbeschlusses stattgefunden hat. Wenn § 10 Abs. 1 Satz 2 DO davon spricht, dass die mündliche Verhandlung "innerhalb von zwei Monaten nach Eröffnungsbeschluss" stattfinden soll, dann ist auch insoweit auf dessen Zustellung abzustellen. Diese wahrt indessen die Zwei-Monats-Frist. Aber auch dann, wenn auf die eigentliche Beschlussfassung abzustellen wäre, begründete der Zeitablauf allein keinen wesentlichen Verfahrensmangel. Denn gemessen am Wortlaut handelt es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift, so dass die Frist folgenlos je nach Sachlage nicht nur über- sondern auch unterschritten werden kann, sofern dadurch keine Beschränkung des rechtlichen Gehörs stattfindet (vgl. BSG v. 16.03.1973 – 10 RV 552/72 SozR Nr. 7 zu 110 SGG). Besondere Umstände, die die Verteidigung des Klägers hätten erschweren können, hat dieser aber nicht dargetan.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Als erfolgloser Berufungsführer hat der Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens, d.h. nach § 162 Abs. 1 VwGO sowohl die Gerichtskosten als auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beklagten zu tragen, da weder er noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört.
Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.

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