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30.09.2010 · IWW-Abrufnummer 102852

Landgericht Ansbach: Beschluss vom 15.02.2010 – 3 O 1360/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Ansbach
Az.: 3 O 1360/09
In dem Rechtsstreit XXX
wegen Forderung
erlässt das Landgericht Ansbach -3. Zivilkammer- durch den Richter am Landgericht xxx als Einzelrichter am 15.02.2010 folgenden
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I)
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Leistungen aus einem Kfz-Versicherungsvertrag (Teilkasko).
Zwischen den Parteien bestehen zwei Versicherungsverträge über Schaustellerzugmaschinen. Beide Versicherungsverträge wurden vor dem 01.01.2007 abgeschlossen. Für das Fahrzeug Paccar amtl. Kennzeichen xxx gelten die AKB 2004. Für das Fahrzeug Scania amtl. Kennzeichen xxx gelten die AKB 2002. Beide Verträge wurden über die Generalagentur xxx in Ludwigshafen am Rhein abgeschlossen. Die Fahrzeuge sind an Frau xxx sicherungsübereignet. Versicherungsnehmer ist der Antragsteller.
Bei einem Brand in der Nacht vom 25. auf den 26.08.2008 wurden beide Fahrzeuge vollständig zerstört. Der Wert der Fahrzeuge mit serienmäßiger Ausstattung hätte laut Gutachten der DEKRA 52.500,00 € (Paccar) und 17.700,00 € (Scania) inclusiv pauschal 2.500,00 € Zubehör betragen. Nach einem weiteren von der Beklagten erholten DEKRA-Gutachten belief sich der Wert der Fahrzeuge inclusiv des tatsächlich eingebauten Zubehörs auf 99.000,00 € (Paccar) und 70.000,00 € (Scania). Der Antragsgegnerin war bekannt, dass der Antragsteller an den Fahrzeugen ständig Umbauten vornahm.
Der Antragsteller ist der Ansicht, selbst wenn nur eine Grunddeckung, also der Wert bei serienmäßiger Ausstattung, versichert wäre, würde die Antragsgegnerin aus einer Aufklärungspflichtverletzung des Versicherungsagenten Wiewecke haften, da dieser den Antragsteller darüber hätte aufklären müssen, dass der Mehrwert durch die vorgenommenen Umbauarbeiten nicht versichert sei.
Der Antragsteller beabsichtigt zu beantragen:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 168.694,00 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.181,60 € zu bezahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen.
Sie rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Ansbach und wendet ein, dass allenfalls der Wert der versicherten Fahrzeuge bei serienmäßiger Ausstattung zugesprochen werden könne. Darüberhinaus sei die Klage unschlüssig. Im Rahmen des Hauptsacheklageverfahrens werde sich die Antragsgegnerin auf Leistungsfreiheit wegen arglistiger begangener Verletzung der Aufklärungsobliegenheit berufen.
II)
Der Prozesskostenhilfeantrag war abzulehnen. Die Klage hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht Ansbach ist örtlich nicht zuständig. Zuständig ist das Landgericht Frankfurt am Main. Dort liegt sich der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten. Ferner kommt eine Zuständigkeit des Landgerichts Frankenthal gem. § 48 VVG a. F. in Betracht.
Eine Zuständigkeit des Landgerichts Ansbach könnte sich allenfalls nach § 215 VVG n. F. geben. Das VVG, einschließlich des § 215 VVG ist jedoch in seiner Fassung ab dem 01.01.2008 auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Es liegt ein sogenannter Altfall vor. Die Verträge stammen sämtlich aus Zeiten vor dem 01.01.2008. Der Versicherungsfall trat im August 2008 ein. Die Anwendbarkeit des Versicherungsvertragsgesetzes in seiner alten oder neuen Fassung bestimmt sich nach Art. 1 EGVVG. Ob und inwieweit Art. 1 Abs. 1 und/oder Abs. 2 EGVVG auf § 215 VVG n. F. anzuwenden ist, ist in der Literatur und Rechtsprechung umstritten. Nach einer Ansicht (OLG Frankfurt NJOZ 2009, 2246; OLG Saarbrücken NJW 2008, 3579; LG Stendal, NJOZ 2009, 2668; Schneider VersR 2008, 859; Fricke VersR 2009, 15) soll dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 EGVVG zu entnehmen sein, dass es bei der Anwendung des Versicherungsvertragsgesetzes in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung nur dann verbleiben soll, wenn materiell rechtliche Vorschriften des Versicherungsvertragsrechts betroffen sind. Da § 215 VVG n. F. das Prozessrechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien beträfe, sei § 215 VVG n. F. ab dem 01.01.2008 anzuwenden.
Die Gegenansicht (OLG Stuttgart NJOZ 2009, 1722; OLG Hamburg NJW-RR 2009, 966; OLG Köln NJW-RR 2009, 1543; OLG Hamm BeckRS 2009 19104; Abel/Winkens r+s 2009, 103; OLG Jena NJOZ 2009, 1701) wendet § 215 VVG n. F. auf Altfälle jedenfalls dann nicht an, wenn die Klage bis zum 31.12.2008 erhoben wurde. Diese Ansicht stützt sich darauf, dass die Unterscheidung zwischen materiellen und prozessrechtlichen Vorschriften im Gesetz keine Stütze finde und § 215 VVG n. F. bei Altverträgen jedenfalls bis zum 31.12.2008 nicht anzuwenden sei.
Wenn - wie hier - der Versicherungsvertrag aus seinem Zeitraum vor dem 01.01.2008 und der Versicherungsfall im Jahr 2008 liegt, Klage aber erst im Jahr 2009 oder später erhoben wird, soll nach Ansicht des OLG Hamburg (NJW RR 2009, 966) in einem obiter dictum, dem sich das OLG Köln (a.a.O.) angeschlossen hat, § 215 VVG n.F. bei Klagen, die ab dem 01.01.2009 eingehenm, unbeschränkt gelten.
Die Kammer schließt sich der erstgenannten Ansicht (insbesondere OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Saarbrücken a.a.O.) nicht an. Die Unterscheidung zwischen Regelung des Versicherungsvertragsgesetzes in materieller Hinsicht und anderen ergibt sich aus Art. 1 EGVVG nicht. Hierfür gibt bereits der Wortlaut nichts her. Die Kammer schließt sich insoweit auch argumentativ der anderen Ansicht an.
Soweit in der Rechtsprechung (OLG Köln a.a.O.; OLG Hamburg a.a.O.; OLG Jena NJOZ 2009, 1701) vertreten wird, dass auch auf Altverträge für Klagen ab dem 01.01.2009 das Versicherungsvertragsgesetz in seiner neuen Fassung, jedenfalls § 215 VVG n. F. anzuwenden sei, kann sich die Kammer dem ebenfalls nicht anschließen. Dafür gibt Art. 1 EGVVG nichts her. Art. 1 Abs. 1 EGVVG stellt auf Versicherungsverhältnisse ab, die bis zum Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes am 01.01.2008 entstanden sind (Altverträge). Für diese Versicherungsverhältnisse ist das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis dahin geltenden Fassung anzuwenden. So liegt der Fall dem eindeutigen Wortlaut nach auch hier. Es handelt sich um Altverträge. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Abs. 2 der Vorschrift. Denn danach ist bei Altverträgen, bei denen ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten ist, insoweit das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Auch diese Vorschrift ist sprachlich und grammatikalisch eindeutig. Die Kammer hat daher bereits erhebliche Zweifel daran, dass Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG der Auslegung überhaupt zugänglich sind. Mangels systematischer Einfassung in ein komplettes Gesamtgesetzeswerk, sind Anhaltspunkte für eine systematische Auslegung nicht erkennbar. Die teleologische Auslegung führt auch nicht zu einem anderen Ergebnis. Es ist nicht ersichtlich, dass nach Sinn und Zweck des Versicherungsvertragsgesetzes in seiner neuen Fassung gegen den eindeutigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 VVG die Neufassung des Gesetzes anzuwenden ist, wenn zwar ein Altvertrag und ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 vorliegt, die Klage aber erst im Jahr 2009 erhoben wird. Dies ergibt sich entgegen der Ansicht des OLG Köln (a. a. O.) auch nicht aus der Gesetzesbegründung. In der Gesetzesbegründung (BT Drucksache 16/3945 auf Seite 118) heißt es:
"Das Inkrafttreten des VVG zum 31.12.2008 für Altverträge ist im Hinblick auf bereits laufende Schadensfälle problematisch. (...) Um eine verfassungsrechtlich problematische Rückwirkung der Übergangsregelung in diesen Fällen zu vermeiden, bestimmt Abs. 2, dass bei Eintritt des Versicherungsfalls bis zum 31.12.2008 auf die sich hieraus ergebenden Rechte und Pflichten der Vertragsparteien weiterhin das Gesetz über den Versicherungsvertrag anzuwenden ist."
Entgegen der Ansicht des OLG Köln stellt die Gesetzesbegründung nicht auf materielle Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag ab, sondern spricht allgemein von Rechten und Pflichten der Vertragsparteien. Die Wahl eines ihr günstigen Gerichtsstandes stellt für eine Vertragspartei ein prozessuales Recht dar. Es ist für die Kammer nicht ersichtlich, weshalb sich aus der Gesetzesbegründung nun eine Unterscheidung zwischen materiellen und prozessualen Rechten und Pflichten ergeben soll, die zu einer gespaltenen Anwendung des VVG, abhängig von seiner materiellen oder prozessualen Wirkung führen soll. Dies steht in Widerspruch zur richtigen Auffassung, die im übrigen auch das OLG Köln (a.a.O) vertritt, wonach Art. 1 EGGVG gerade nicht zwischen materiellen und prozessualen Wirkungen unterscheidet. Sowohl aus dem Gesetzeswortlaut, als auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich für die Kammer daher eindeutig, dass der historische Gesetzgeber mit Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG eine Regelung geschaffen hat, die zu einer einheitlichen Anwendung des VVG in seiner alten oder seiner neuen Fassung führen soll. Die Aufspaltung des Gesetzes in seiner Normwirkung ist weder unter dem argumentativen Gesichtspunkt des OLG Saarbrücken (a.a.O.) noch des OLG Köln (a.a.O.) nachvollziehbar und lässt sich weder dem Wortlaut noch dem gesetzgeberischen Willen entnehmen. Dem historischen Gesetzgeber hätte es unproblematisch freigestanden, § 215 VVG in der Zivilprozessordnung zu verorten. Diesen Weg, der zu einer sofortigen Anwendbarkeit der Norm hätte führen können, hat der Gesetzgeber jedoch - mangels anderer Anhaltspunkte bewußt - nicht gewählt.
Nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden ist die Kammer daher davon überzeugt, dass Art. 1 Abs. 1 und 2 EGGVG auf das gesamte VVG anzuwenden sind. Da bei dem zu entscheidenden Prozesskostenhilfeantrag ein Altvertrag vorliegt und der Versicherungsfall aus dem Jahr 2008 stammt, ist das Gesetz über dem Versicherungsvertrag in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung insgesamt anzuwenden. Die Kammer ist daher örtlich nicht zuständig.
Über die weiteren Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage, die - der Höhe nach - Bedenken begegnet war daher nicht weiter zu entscheiden.

RechtsgebieteVersicherungsrecht, Kfz-Versicherung, ProzesskostenhilfeVorschriftenArt. 1 EGVVG, § 215 VVG N.F.

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