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28.09.2010 · IWW-Abrufnummer 102556

Landgericht Köln: Urteil vom 14.07.2010 – 23 O 377/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Köln
23 O 377/09
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der private Krankenversicherungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten mit der Versicherungsnummer ###### zum Tarif KEH 750 rechtswirksam zustande gekommen ist, unveränderten Bestand hat und nicht durch Rücktritt, Kündigung oder sonstiges Gestaltungsrecht der Beklagten wieder aufgehoben wurde.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,30 € gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist hinsichtlich des Freistellungsanspruchs vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 180,00 €, und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Feststellung des Bestandes eines Krankenversicherungsvertrages.
Der Kläger beantragte am 29.11.2008 unter Zuhilfenahme der selbständigen Versicherungsmaklerin M für sich und seinen Sohn den Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages zum Tarif KEH 750 nebst Pflegeversicherung zum Tarif PVN. Die Beklagte nahm den Antrag an. Im Antragsformular der Beklagten hatte der Kläger auf die Gesundheitsfragen lediglich angegeben, dass Untersuchungen ohne Befund erfolgt seien und eine Sehhilfe benötigt werde.
Nachdem der Kläger am 07.04.2009 bei der Beklagten einen Kostenvoranschlag für die Versorgung mit einem Beatmungsgerät eingereicht hatte, teilte er am 28.04.2009 auf das Auskunftsverlangen der Beklagten mit, dass er seit etwa 10 Jahren an Schlafstörungen leide und im Jahre 2006 deswegen auch in stationären Behandlung gewesen sei.
Die Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 13.05.2009 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag bzgl. der Person des Klägers und lehnte die Erbringung tariflicher Leistungen ab, hilfsweise kündigte sie den Teilvertrag mit dem Kläger.
Zwischenzeitlich bot die Beklagte dem Kläger unter dem 04.11.2009 rückwirkend zum 01.05.2009 Versicherungsschutz im Basistarif an und setzte den Pflegeversicherungstarif rückwirkend wieder in Kraft.
Der Kläger behauptet, er habe der Versicherungsmaklerin M bei Antragsstellung mitgeteilt, dass er an Schlafstörungen leide und 2006 in stationärer Behandlung gewesen sein. Er behauptet, die Beklagte habe die Zeugin M mit der Vermittlung und Entgegennahme von Verträgen betraut. Er behauptet ferner, nicht über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung aufgeklärt worden zu sein.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass der durch schriftlichen Versicherungsantrag des Klägers vom 29.11.2008 geschlossene private Krankenversicherungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten mit der Versicherungsnummer 440/65806240 rechtswirksam zustande gekommen ist, unverändert Bestand hat und nicht durch Rücktritt, Kündigung oder sonstiges Gestaltungsrecht der Beklagten wieder aufgehoben wurde,2. die Beklagte des Weiteren zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,30 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten, d. h. den Kläger hiervon gegenüber Rechtsanwalt N, S-Straße, C freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie hätte bei Kenntnis der Schlafstörungen mit der Diagnose Schlafapnoe den Antrag des Klägers nicht angenommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und ganz überwiegend begründet.
Der Feststellungsantrag des Klägers war zunächst klarstellend dahin auszulegen, dass mit ihm die Feststellung des Bestehens des ursprünglich abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrags zum Tarif KEH 750 zwischen den Parteien begehrt wird, soweit er den Kläger als versicherte Person betrifft. Dass nicht darüber hinausgehend auch eine Feststellung des Bestands des Pflegeversicherungsvertrags mit dem Antrag zu 1 begehrt wird, ergibt sich aus den weiteren Ausführungen in der Klageschrift, wenn es dort heißt: "Der Kläger verfügt derzeit faktisch über keinen Krankenversicherungsschutz mehr (…)". Damit wird eindeutig klargestellt, dass sich das Begehren des Klägers auf Feststellung des Bestands des Krankenversicherungsvertrags beschränkt.
Insoweit ist der Feststellungsantrag auch zulässig. Insbesondere ist das Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO gegeben, da den Rechten des Klägers eine gegenwärtige Unsicherheit dadurch droht, dass die Beklagte unter Berufung auf Rücktritt, hilfsweise auf Kündigung, das Bestehen des ursprünglich geschlossenen Krankenversicherungsvertrags ernstlich bestreitet.
Die Klage ist im Feststellungsantrag auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass der auf seinen Antrag vom 29.11.2008 hin abgeschlossene Krankenversicherungsvertrag weder durch einen Rücktritt der Beklagten noch durch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung mit Schreiben vom 13.05.2009 beendet worden ist. Denn der Beklagten, die ein Rücktrittsrecht bzw. Kündigungsrecht auf die Verletzung von Anzeigepflichten durch den Kläger stützt, stand gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG weder das Recht zum Rücktritt noch zur Kündigung des Krankenversicherungsvertrags zu, weil sie den Kläger nicht durch gesonderte Mitteilung auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat.
Der im Antragsformular der Beklagten enthaltene Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung entspricht in formeller Hinsicht nicht den Erfordernissen des Gesetzes.
Der Formularvordruck der Beklagten für Abschluss oder Änderung einer Krankenversicherung/Pflegeversicherung, den auch der Kläger für die Antragstellung verwendete, besteht aus drei an den Längsseiten zusammenhängenden Blättern im Format DinA 4. Die erste Seite des Formulars erscheint, wenn man das Deckblatt nach links aufklappt. Die zweite und dritte Seite des Formulars erscheinen, wenn man das darüber liegende dritte Blatt des Formularvordrucks nach rechts aufklappt. Klappt man dieses rechte Blatt wieder zur Mitte hin zu, erscheint auf der Rückseite der dritten Seite die vierte Seite des Formulars. Die fünfte und letzte Seite des Formulars erscheint, wenn man den Formularvordruck nach links zuklappt.
Die erste Seite ist für Angaben über den Versicherungsnehmer und (unter Gliederungspunkt A) die zu versichernden Personen vorgesehen. Auf der zweiten Seite sind unter Gliederungspunkt B die zu versichernden Tarife einzutragen. Gliederungspunkt C enthält mögliche Eintragungen hinsichtlich eines Wartezeiterlasses. Im unteren Drittel der zweiten Seite befinden sich unter Gliederungspunkt "D Gesundheitsangaben" die Gesundheitsfragen. Unterhalb des Balkens, der den neuen Gliederungspunkt D anzeigt, findet sich folgender Absatz in Normaldruck und in der auch sonst im Formular verwendeten Schriftgröße:
"Um Ihren Antrag prüfen zu können, benötigen wir Antworten auf einige Fragen. Bitte beantworten Sei diese wahrheitsgemäß und vollständig. Die Verletzung der Anzeigepflicht kann z.B. dazu führen, dass Sie keinen Versicherungsschutz haben und trotzdem Beiträge zahlen müssen. Beachten Sie dazu bitte unsere gesonderte Mitteilung "Wichtige Hinweise zur Anzeigepflicht" am Ende dieses Formulars."
Es folgen drei weitere Absätze in Normaldruck und in gleicher Schriftgröße mit Hinweisen dazu, wie die darunter stehende Tabelle mit den Gesundheitsfragen auszufüllen ist.
Die dritte Seite enthält in der oberen Hälfte unter Gliederungspunkt E Platz für ergänzende Angaben zu den Gesundheitsfragen. Die untere Hälfte ist dreigeteilt in die Gliederungspunkte "F Angaben zu weiteren Versicherungen", "G Schlusserklärung und Unterschriften" und "H Empfangsbestätigung". Die vierte Formularseite enthält unter der Überschrift "Schlusserklärung des Antragstellers und der zu versichernden Person(en)" in erster Linie Hinweise für den Versicherungsnehmer unter den Gliederungspunkten "I. Erklärung zur beantragten Versicherung", "II. Entbindung von der Schweigepflicht" und "III. Erklärung zum Datenschutz". Auf dieser vierten Seite ist ist nur noch anzukreuzen, ob die Entbindung von der Schweigepflicht erteilt wird oder nicht; darüber hinaus sind vom Versicherungsnehmer keine Angaben mehr zu machen. Die letzte Seite des zugeklappten Formularvordrucks enthält unter der Überschrift "Wichtige Hinweise zur Anzeigepflicht" drei weitere Gliederungspunkte, die wie auf alle anderen Gliederungspunkte des Formulars durch grau unterlegte Überschriften abgesetzt sind. Der zweite Gliederungspunkt trägt die Überschrift "Welche Folgen können eintreten, wenn eine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wird" und enthält die maßgeblichen Informationen im Sinne des § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG.
Der durch § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG n.F. geforderte Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung erfüllt so, wie er dem Kläger im Antrag vom 29.11.2008 erteilt worden ist, in formeller Hinsicht nicht die Erfordernisse des Gesetzes. Dabei kann hier offen bleiben, ob die Wendung "gesonderte Mitteilung" so zu verstehen ist, dass die Belehrung auf einem vom Antragsformular verschiedenen eigenen Schriftstück zu erfolgen hat (so bspw. Rolfs in Bruck/Möller VVG, 9. Aufl. 2009, § 19 Rn. 115; Funck VersR 2008, 163, 166), oder ob die Belehrung auf dem Antragsformular ausreicht, wenn sie nur deutlich abgesetzt oder sonst hervorgehoben ist (vgl. LG Dortmund VersR 2010, 58 ff.; Looschelders in Looschelders/Pohlmann VVG, 2010, § 19 Rn. 66 m.w.N.). Entscheidend für die Frage, wann die Anforderungen des Gesetzes als erfüllt angesehen werden können, sind nicht formale Kriterien, sondern der Sinn und Zweck der Regelung, der hier im Schutz des Versicherungsnehmers liegt (amtliche Begründung, BT-Drucks. 16/3945, 65 f.).
Zur Verwirklichung dieses Schutzes muss nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers die Belehrung so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss erfolgen, dass der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht noch erfüllen kann (BT-Drucks. 16/3945, 66). Das kann nach Auffassung des Gerichts nur dadurch hinreichend sichergestellt werden, dass ein in Schrifttype und/oder -farbe hervorstechender Hinweis in räumlichem Zusammenhang entweder mit den Gesundheitsfragen oder jedenfalls mit der Unterschriftsleiste (so LG Dortmund VersR 2010, 58 ff.) die rechtzeitige Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers gewährleistet. Denn in aller Regel füllt nicht der Versicherungsnehmer das Antragsformular selbständig aus. Vielmehr füllt regelmäßig der Vermittler oder Makler das Formular nach den Angaben des Versicherungsnehmers aus und legt es ihm dann zur Durchsicht und Unterschrift vor. Dass der Versicherungsnehmer dabei den Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtversetzung bemerkt, ist nur dann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, wenn dieser Hinweis sich vom sonstigen Textbild unterscheidet und so deutlich abzeichnet, dass er beim ersten Blick ins Auge fällt.
Das von der Beklagten verwendete Antragsformular entspricht diesen Anforderungen nicht. Darauf hatte die Kammer bereits mit Beschluss vom 22.04.2010 hingewiesen. Denn die Ausführungen "Wichtige Hinweise zur Anzeigepflicht" stehen weder in räumlichem Zusammenhang mit den Gesundheitsfragen noch mit der Unterschriftsleiste. Vielmehr befinden sie sich auf der Rückseite des zugeklappten Formulars, also auf seiner letzten Seite und damit an einer Stelle, die dem Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen bzw. bei der Durchsicht des Formulars und bei der Leistung seiner Unterschrift zwangsläufig verborgen ist.
Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob den eben angeführten Anforderungen an die gesonderte Mitteilung dadurch Genüge getan werden kann, dass sich in räumlichem Zusammenhang mit den Gesundheitsfragen (oder ggf. mit der Unterschriftsleiste) lediglich ein Verweis auf die Hinweise zur Anzeigepflicht befindet, wenn die Hinweise selbst an einer anderen Stelle des Formularvordrucks zu finden sind. Denn jedenfalls könnte ein solcher Verweis allenfalls dann den Erfordernissen des § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG genügen, wenn er selbst sich in Schrifttype, -größe und/oder -farbe deutlich vom sonstigen Textbild abhebt. Dies ist bei dem von der Beklagten verwendeten Antragsformular nicht der Fall.
Im Antrag zu 2 ist die Klage ganz überwiegend begründet. Der Kläger hat einen Freistellungsanspruch in Höhe von 155,30 € gegen die Beklagte aus den §§ 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 1, 257 Satz 1 BGB. Der Antrag zu 2 des Klägers ist dahin auszulegen, dass Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt wird, nicht dagegen Erstattung im Sinne von einer Zahlung an den Kläger. Das ergibt sich eindeutig aus der Erläuterung im letzten Halbsatz des Antrags zu 2, mit dem das Begehren des Klägers klargestellt wird.
Der vom Freistellungsanspruch umfasste Betrag ist jedoch nicht zu verzinsen. Insoweit hat der Kläger nicht dargelegt, dass er seinem Prozessbevollmächtigten den als Gebühr für dessen vorprozessuale Tätigkeit geschuldeten Betrag seinerseits zu verzinsen hat. Eine Verzinsung ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz, da gemäß § 8 Abs. 1 RVG der Gebührenanspruch grundsätzlich erst mit Erledigung des Auftrags fällig wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Streitwert: 8.625,12 €

RechtsgebietVVGVorschriften§ 19 Abs. 5 VVG

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