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09.09.2010 · IWW-Abrufnummer 102901

Oberlandesgericht Naumburg: Beschluss vom 04.03.2010 – 8 WF 33/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG
BESCHLUSS
8 WF 33/10 OLG Naumburg
3 F 347/09 AG Naumburg
In der Familiensache

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Feldmann und der Richter am Oberlandesgericht Harms und Bisping am 04. März 2010 beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Naumburg vom 01. Februar 2010 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 15. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.
G r ü n d e
I.
Die Antragstellerin hat am 27. November 2001 beim Familiengericht einen Antrag auf Ehescheidung anhängig gemacht und um Prozesskostenhilfe nachgesucht. Mit Beschluss vom 04. Januar 2002 hat ihr das Familiengericht Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr ihren jetzigen Rechtsanwalt beigeordnet (§ 608 in Verbindung mit §§ 114 ff. ZPO). Mit Verfügung vom 22. Februar 2002 hat das Familiengericht von Amts wegen als Folgesache das Versorgungsausgleichsverfahren eingeleitet (§ 623 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO). Mit einem am 18. Oktober 2002 verkündeten Urteil wurde die Ehe der Parteien geschieden und der Versorgungsausgleich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 des Versorgungsausgleichsüberleitungsgesetzes (VAÜG) ausgesetzt. Das Urteil wurde infolge Rechtsmittel- und Anschlussrechtsmittelverzichts sofort rechtskräftig.
Nachdem am 01. September 2009 das VAÜG außer Kraft und das Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) in Kraft getreten war (Art. 23 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs – VAStrRefG), nahm das Familiengericht mit Verfügung vom 27. November 2009 den Versorgungsausgleich gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG von Amts wegen wieder auf.
Daraufhin hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2009 ein „Prozesskostenhilfegesuch“ eingereicht.
Das Familiengericht hat das Gesuch als „Verfahrenskostenhilfegesuch“ behandelt und es mit der Begründung abgewiesen, dass der Antragstellerin bereits mit Beschluss vom 04. Januar 2002 – unter Beiordnung ihres jetzigen Bevollmächtigten – „Prozesskostenhilfe“ bewilligt worden sei.
II.
1. Zutreffend hat das Familiengericht das Gesuch nicht als „Prozesskostenhilfegesuch“ nach der ZPO (§ 608 in Verbindung mit §§ 114 ff. ZPO), sondern als „Verfahrenskostenhilfegesuch“ nach dem FamFG (§ 111 Nr. 7 in Verbindung mit § 76 Abs. 1 FamFG und §§ 114 ZPO) gewertet. Das vorliegende Versorgungsausgleichsverfahren ist nämlich – inzwischen – nach dem seit 01. September geltenden FamFG zu behandeln, wie sich aus den Überleitungsvorschriften zu § 48 Abs. 2 VersAusglG und zu Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG ergibt:
Nach § 48 Abs. 2 VersAusglG gilt für „ausgesetzte“ Versorgungsausgleichsverfahren unabhängig davon, ob die Aussetzung vor oder nach dem 01. September 2009 erfolgt ist, nicht nur neues materielles Recht, sondern auch neues Verfahrensrecht.
Die Vorschrift wird durch die Bestimmung zu Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG (in der Fassung des am 01. September 2009 in Kraft getretenen VAStrRefG) ergänzt, nach der auf Versorgungsausgleichsverfahren, die am 01. September 2009 „abgetrennt sind“, die Vorschriften des FGG-RG angewendet werden müssen. Der Versorgungsausgleich wurde im vorliegenden Fall – gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 VAÜG – am 18. Oktober 2002 „ausgesetzt“. Die Rechtsfolge der Aussetzung bestand – nach dem vor dem 01. September 2009 geltenden Recht – darin, dass gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 VAÜG die Bestimmung zu § 628 Abs. 1 ZPO entsprechend galt. Demnach wurde die Aussetzung in der Rechtsfolge wie eine „Abtrennung“ behandelt. Da nach neuem Recht auch auf die nach altem Recht „abgetrennten“ Versorgungsausgleichsverfahren die Vorschriften des FGG-RG – mithin über Art. 1 FGG-RG die Bestimmungen des FamFG – anzuwenden sind, findet also auch gemäß Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG das FamFG Anwendung (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 25. Januar 2010 – 8 UF 180/09 – m. w. N.).
Bei dem Rechtsmittel der Antragstellerin handelt es sich demnach um eine – nach § 111 Nr. 7 in Verbindung mit § 76 Abs. 2 FamFG und § 127 Abs. 2 Satz 2, 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige – sofortige Beschwerde.
2. Abweichend von der Ansicht des Familiengerichts ist die zulässige sofortige Beschwerde begründet. Denn die Zulässigkeit des Verfahrenskostenhilfegesuchs (§ 111 Nr. 7 in Verbindung mit § 76 Abs. 1 FamFG und §§ 114 ZPO) scheitert nicht an einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, wie das Familiengericht meint:
a) Zutreffend weist das Familiengericht allerdings darauf hin, dass der Antragstellerin bereits mit Beschluss vom 04. Januar 2002 – unter Beiordnung ihres jetzigen Bevollmächtigten – „Prozesskostenhilfe“ bewilligt wurde. Der Antragstellerin wurde also bereits damals ihr jetziger Rechtsanwalt beigeordnet (§ 121 ZPO) und sie erwarb schon zu jener Zeit einen Anspruch auf Befreiung von den Prozess- bzw. Verfahrenskosten (§ 122 Nr. 2 ZPO). Weitergehende Ansprüche gewährt auch die Verfahrenskostenhilfe nicht, weil das Verfahrenskostenhilferecht gemäß § 76 Abs. 1 FamFG wieder auf das Prozesskostenhilferecht – mithin auch auf § 121 und § 122 Nr. 2 ZPO – zurückgreift.
Es ist auch zutreffend, dass sich die damalige Prozesskostenhilfebewilligung nicht allein auf die Scheidungssache, sondern von Gesetzes wegen auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich erstreckte, wie sich aus § 624 Abs. 2 ZPO (in Verbindung mit § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) ergab. Ferner trifft es zu, dass die Prozesskostenhilfebewilligung nach dem vor dem 01. September 2009 geltenden alten Verfahrensrecht auch nach der Aussetzung des Versorgungsausgleichs noch Rechtsfolgen entfaltete, da die „Aussetzung“, wie oben ausgeführt wurde, in der Rechtsfolge einer „Abtrennung“ nach § 628 ZPO entsprach und eine „Abtrennung“ nicht zu einer „echten“ Verfahrenstrennung, sondern bloß dazu führte, dass im Scheidungsverbundverfahren zeitlich versetzte Teilentscheidungen zulässig wurden, wobei der Scheidungsverbund im Endeffekt erhalten blieb (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Auflage, § 628 Rn 18 m. w. N.). Bei der Abtrennung des Versorgungsausgleichs handelte es sich nicht um eine End-, sondern um eine bloße Zwischenentscheidung (BGH, FamRZ 2003, 1005). Dies Alles führte zum Bestehenbleiben einer vor der Abtrennung bewilligten Prozesskostenhilfe nach der Abtrennung (Zöller/Philippi a.a.O., § 628 Rn 19), so dass bei einer Wiederaufnahme des abgetrennten Versorgungsausgleichs für einen neuen Prozesskostenhilfeantrag kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestand (Zöller/Philippi a.a.O., § 628 Rn 19 unter Bezugnahme auf OLG Dresden, FamRZ 2002, 1415, 1416 m. w. N.).
Anders waren ausschließlich die Sonderfälle zu behandeln, in denen die Abtrennung nicht auf § 628 ZPO, sondern auf die – freilich nicht auf die Folgesache Versorgungsausgleich anwendbaren – Bestimmungen zu § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO oder § 623 Abs. 3 Satz 2 ZPO gestützt wurde. Eine Abtrennung nach diesen Sonderbestimmungen führte nämlich eine „echte“ Verfahrenstrennung herbei mit der Folge, dass die abgetrennten Verfahren ihre Eigenschaft als Folgesachen verloren und zu „selbständigen Familiensachen“ wurden (§ 623 Abs. 2 Satz 3 bzw. § 623 Abs. 3 Satz 3 ZPO). Damit verlor die Folgesache jegliche Verbindung zur Scheidungssache, so dass, um das Verfahren als „selbständige Familiensache“ auf Staatskosten fortführen zu können, erneut um Prozesskostenhilfe nachgesucht werden musste (OLG Naumburg, FamRZ 2001, 1469 f.; OLG Braunschweig, OLG-Report 2003, 5; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe, 5. Auflage, Rn 484; Zöller/Philippi a.a.O., § 623 Rn 32k unter Bezugnahme auf § 626 Rn 12, wo auf § 629a Rn 10 verwiesen wird), zumal bei einer Fortführung als „selbständige Familiensache“ auch alle Rechtsanwaltsgebühren neu entstanden (Zöller/Philippi a.a.O., § 623 Rn 32k unter Bezugnahme auf OLG Karlsruhe, JurBüro 1999, 420, verwiesen wird).
b) Dieser Rechtslage entspricht für den Rechtszustand ab 01.09.2009 § 137 Abs. 5 FamFG (vgl. auch § 21 III RVG). Für das Übergangsrecht gilt im Anwendungsbereich des Art. 111 FGG-RefG indessen eine abweichende Regelung. Nach Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG (in der Fassung des am 01. September 2009 in Kraft getretenen VAStrRefG) werden nämlich nunmehr „alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen ... des Satzes 1“ als „selbständige Familiensachen“ fortgeführt. Zu den „abgetrennten Folgesachen des Satzes 1“ zählen auch die am 01. September 2009 „ausgesetzten“, d. h. – wie oben ausgeführt wurde – in der Rechtsfolge „abgetrennten Versorgungsausgleichssachen“. Nach neuem Verfahrensrecht ist das – ausgesetzte, da als abgetrennt zu behandelnde – Versorgungsausgleichsverfahren also nicht mehr bloße „Folgesache“, sondern mit Wirkung vom 01. September 2009 hat eine „echte“ Verfahrenstrennung stattgefunden, d. h. seit diesem Zeitpunkt ist der Scheidungsverbund aufgelöst. Die „echte“ Verfahrenstrennung und die Fortführung als „selbständige Familiensache“ haben auch nach neuem Verfahrensrecht zur Folge, dass für die Sache ein neuer Verfahrenskostenhilfeantrag gestellt werden muss (Prütting/Helms, FamFG, § 137 Rn 71 unter Bezugnahme auf OLG Naumburg, FamRZ 2001, 1469 f.).
Demnach besteht für das Gesuch der Antragstellerin ein Rechtsschutzbedürfnis.
3. Das Familiengericht wird zu prüfen haben, ob auch die weiteren Voraussetzungen für eine Bewilligung der beantragten Verfahrenskostenhilfe (§ 76 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit §§ 114 f. ZPO) vorliegen.

RechtsgebieteFamilienrecht, Versorgungsausgleich VorschriftenArt. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG; § 48 Abs. 2 VersAusglG

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