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31.08.2010 · IWW-Abrufnummer 102381

Landgericht Lübeck: Urteil vom 07.05.2010 – 1 S 117/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


1 S 117/09
5 C 315/09 Amtsgericht Reinbek
Verkündet am: 07. Mai 2010
LANDGERICHT LÜBECK
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit XXX
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2010 durch XXX
für R e c h t erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das am 23. Oktober 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Reinbek wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung restlichen Schadensersatzes in Höhe von 1.156,93 € aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG nicht zu. Er ist nicht berechtigt, nach den Stundensätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt abzurechnen. Zwischenzeitlich liegt ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 20. Oktober 2009, Az.: - VI ZR 53/09 - vor, wonach zwar der Geschädigte seiner (fiktiven) Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Bestätigung des Senatsurteils, BGH VI ZR 398/02; BGHZ 155, 1 ff.). Allerdings muss sich der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen lassen, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Dabei kommt es nach Auffassung des BGH für die Gleichwertigkeit entgegen der Berufungsbegründung auf die technische Gleichwertigkeit an. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass eine Reparatur in der von der Beklagten genannten Reparaturwerkstatt Schröder vom Qualitätsstandard her der Reparatur einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Die Beklagte hat hierzu bereits erstinstanzlich in ihrer Klageerwiderungsschrift entsprechend substantiiert vorgetragen. Dieses Vorbringen zur technischen Gleichwertigkeit ist von dem Kläger weder erstinstanzlich noch im Berufungsverfahren konkret bestritten worden, so dass der Vortrag gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Es war daher für den Kläger grundsätzlich zumutbar, sich auf eine kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Die Voraussetzungen, die der BGH in seiner neuesten Rechtsprechung entwickelt hat, wonach im Ausnahmefall eine Unzumutbarkeit der Verweisung gegeben sein kann, liegen hier nicht vor. Steht die Gleichwertigkeit der Reparatur zu einem günstigeren Preis fest, kann es zwar für den Geschädigten gleichwohl unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht unzumutbar sein, eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt in Anspruch zu nehmen. Dies gilt vor allem bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren. Denn bei neuen bzw. neuwertigen Kraftfahrzeugen muss sich der Geschädigte im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder von Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten. Im Interesse einer gleichmäßigen und praxisgerechten Regulierung bestehen deshalb bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken gegen eine (generelle) tatrichterliche Schätzung der erforderlichen Reparaturkosten nach den Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt. Bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten ebenfalls unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Denn auch bei älteren Fahrzeugen kann die Frage Bedeutung haben, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, „scheckheftgepflegt“ oder gegebenenfalls nach einem Unfall repariert worden ist. Dabei besteht - wie entsprechende Hinweise in Verkaufsanzeigen belegen - bei einem großen Teil des Publikums insbesondere wegen fehlender Überprüfungsmöglichkeiten die Einschätzung, dass bei einer (regelmäßigen) Wartung und Reparatur eines Kraftfahrzeuges in einer markengebundenen Fachwerkstatt eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist. Deshalb kann auch dieser Umstand es rechtfertigen, der Schadensabrechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen, obwohl der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer dem Geschädigten eine ohne Weiteres zugängliche, gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit aufzeigt. Dies kann etwa auch dann der Fall sein, wenn der Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder - im Fall der konkreten Schadensberechnung - sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch die Reparaturrechnung belegt. Im vorliegenden Fall ist das geschädigte Fahrzeug älter als drei Jahre. Der Kläger hätte daher nach den obigen Grundsätzen der neuesten Rechtsprechung des BGH darlegen und beweisen müssen, dass er sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Ein diesbezüglicher Vortrag oder gar Beweisangebote fehlten erstinstanzlich zur Gänze, obwohl die Beklagte diese Umstände in ihrer Klageerwiderung ausdrücklich problematisiert und bestritten hat. Ungeachtet der Verspätungsproblematik hat der Kläger auch in der Berufungsinstanz die Unzumutbarkeit im Sinne der BGH-Rechtsprechung nicht belegt. Die erstmals in der Berufungsinstanz eingereichten Rechnungen betreffen Reparaturen im November und Dezember 2008 sowie Februar 2010 (nach dem Unfall). Notwendig wäre es nach der BGH-Entscheidung aber, dass der Geschädigte konkret belegt, dass er das Fahrzeug stets hat in einer markengebundenen Fachwerkstatt warten und reparieren lassen. Bezüglich der Wartungen über einen Zeitraum von fünf Jahren lässt sich das den Rechungen nicht entnehmen. Ein Scheckheft wurde nicht eingereicht.
Soweit der Klägervertreter in der Kammerverhandlung darauf hingewiesen hat, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug erst kurze Zeit vor den Daten der eingereichten Reparaturrechnungen der Fachwerkstatt erworben habe, ist dies unerheblich. Entgegen der von ihm geäußerten Rechtsauffassung kommt es nicht darauf an, dass das beschädigte Fahrzeug während der Besitzzeit des Geschädigten immer von einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert worden ist. Entscheidend kann nach der hier zugrunde gelegten VW-Entscheidung des BGH nur sein, dass das Fahrzeug während der gesamten Zeit seit Zulassung von der markengebundenen Fachwerkstatt repariert und gewartet worden war. Nur so kann die VW-Entscheidung des BGH verstanden werden. Bei den Voraussetzungen der Unzumutbarkeit stellt der BGH gerade auf das Vertrauen des Marktes bzw. der Kaufinteressenten in die Wartung und die Reparatur durch eine markengebundenen Fachwerkstatt ab. Das Vertrauen des Marktes besteht aber allein dann, wenn während der gesamten Zeit seit Zulassung das Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert worden ist. Auch, wenn man nicht auf das Verkaufs-, sondern das Kaufinteresse des Klägers abstellt ergibt sich keine Unzumutbarkeit. Denn in diesem Fall hätte er ebenfalls nachweisen müssen, dass das Fahrzeug vor dem Erwerb durch ihn stets in einer markengebunden Fachwerkstatt gewartet und repariert worden ist und er deshalb ein besonderes Vertrauen in das Fahrzeug gehabt habe. Alles andere wäre auch sinnwidrig. Denn ansonsten könnte ein Geschädigter, der ein zehn Jahre altes Fahrzeug erworben hat, bereits dann nach Stundensätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt abrechnen, wenn er das Fahrzeug vor dem Unfall einmal von einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten oder reparieren lassen. Andere Gründe, aus denen sich die Unzumutbarkeit, ergeben könnten, sind nicht erkennbar. Vielmehr widerlegt der Kläger eine anderweitige Unzumutbarkeit der Reparatur durch eine freie Fachwerkstatt selbst, indem er unstreitig die Reparatur nicht durch eine markengebundene Fachwerkstatt durchführen ließ.
Die obigen Ausführungen gelten für die fiktiven Verbringungskosten und UPE-Aufschläge entsprechend. Die Beklagte hat unbestritten vorgebracht, dass diese bei der Reparaturwerkstatt Schröder nicht anfallen würden. Im Übrigen sind diese Positionen nach wohl h. M. nur erstattungsfähig, wenn sie konkret anfallen.
Nach allem konnte die Berufung keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.
Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

RechtsgebieteVerkehrsrecht, Stundenverrechnungssätze Vorschriften§ 254 Abs. 2 BGB

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